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Müssen wir unsere Familie und uns selbst hassen?

Wenn ich einen Menschen liebe, als wäre er mein Gott, dann entstehen Abhängigkeiten. Was ist mir wichtiger – mein Vertrauen zu Jesus – oder meine Herkunftsfamilie, die meinen Glauben ablehnt? Was ist, wenn ein Vater seinem Kind sagt: Du bist mein Eigentum, ich werde dich nie freigeben? Dann ist das Kind im Recht, wenn es sagt: Ich gehöre nur Gott.

Zwei Gesichter als Schattenriss, die sich überlappen, eins blau, eins dunkel-rotbraun, ein schaut nach links, eins nach rechts
Was meint Jesus mit dem Hass auf seine Familie oder auf sich selbst? (Bild: Gerd AltmannPixabay)

#predigtGottesdienst am 5. Sonntag nach Trinitatis, den 16. Juli 1995, um 9.30 Uhr in der Kapelle der Landesnervenklinik Alzey

Herzlich willkommen im Gottesdienst! Heute geht es um ein ernstes Thema: Was gehört dazu, wenn wir Jesus nachfolgen wollen?

Lied 295, 1-4:

Wohl denen, die da wandeln vor Gott in Heiligkeit, nach seinem Worte handeln und leben allezeit; die recht von Herzen suchen Gott und seine Zeugniss‘ halten, sind stets bei ihm in Gnad.

Von Herzensgrund ich spreche: dir sei Dank allezeit, weil du mich lehrst die Rechte deiner Gerechtigkeit. Die Gnad auch ferner mir gewähr; ich will dein Rechte halten, verlass mich nimmermehr.

Mein Herz hängt treu und feste an dem, was dein Wort lehrt. Herr, tu bei mir das Beste, sonst ich zuschanden werd. Wenn du mich leitest, treuer Gott, so kann ich richtig laufen den Weg deiner Gebot.

Dein Wort, Herr, nicht vergehet, es bleibet ewiglich, so weit der Himmel gehet, der stets beweget sich; dein Wahrheit bleibt zu aller Zeit gleichwie der Grund der Erden, durch deine Hand bereit‘.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir beten mit dem 73. Psalm:

14 Ich bin … täglich geplagt, und meine Züchtigung ist alle Morgen da.

23 Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand,

24 du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an.

25 Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.

26 Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.

28 Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf Gott den HERRN, dass ich verkündige all dein Tun.

Kommt, lasst uns anbeten. „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, wie schwer fällt es uns, dich über alles andere zu stellen, dich am Wichtigsten zu nehmen von allem, was es gibt? Großer Gott, sei barmherzig mit uns und nimm uns an deine Hand, damit wir dich besser begreifen, damit wir bei dir geborgen sind. Das erbitten wir von dir im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Lesung aus dem 1. Buch Mose – Genesis 12, 1-4:

1 Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will.

2 Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein.

3 Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.

4 Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte, und Lot zog mit ihm.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja,Halleluja,Halleluja.“

Lied 395, 1-3: Vertraut den neuen Wegen
Gnade und Friede sei mit uns allen von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Liebe Gemeinde, zur Predigt hören wir heute Worte von Jesus. Sie stehen im Evangelium nach Lukas 14, 25-33. Vers für Vers werden wir hören, was Jesus dort sagt, nicht alles auf einmal, es ist nämlich zum Teil recht schwer verdauliche Kost. Ja, Jesus hat auch manchmal Sachen gesagt, an denen man schwer zu knabbern hat.

Gesagt hat er diese Sachen nicht in irgendeinem Dorf oder irgendeiner Stadt, nicht in einer Synagoge und auch nicht bei einer Versammlung unter freiem Himmel. Er hat sie gesagt unterwegs, auf dem Weg zwischen zwei Dörfern oder zwischen zwei Städten. Eingeleitet werden seine Worte durch einen einfachen, kleinen Satz:

25 Es ging aber eine große Menge mit ihm.

Ist das nicht toll!? Jesus darf das erleben: große Menschenmengen folgen ihm und jubeln ihm zu! Da hätte sich Jesus also sehr freuen können – über volle Kirchen freuen wir uns doch auch heute mehr, als wenn nur wenige Leute zum Gottesdienst kommen.

Aber hören wir einmal, was Jesus zu diesen vielen Menschen sagt:

Und er wandte sich um und sprach zu ihnen:

26 Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein.

Sind diese Worte nicht ein Hammer? Wenn Jesus das so gesagt hat, kann ich dann überhaupt ein Jünger Jesu sein? Kann ich das überhaupt wollen, was er da verlangt? Nein, auf keinen Fall will ich wegen Jesus meine Eltern, meine Frau und meine Kinder hassen! Und ein solcher Satz passt doch gar nicht zu dem, was Jesus sonst gesagt hat. Er hat doch nicht die Gebote aufgehoben, sondern zum Beispiel ausdrücklich betont: Die Ehe soll nicht gebrochen werden. Und für seine Mutter hat er gesorgt, als er sterben musste, indem er zu Johannes gesagt hat: „Sei du jetzt für sie da wie ein Sohn!“ Immer hat Jesus Liebe statt Hass gepredigt, sogar gegenüber den Feinden. Da wäre es doch verrückt, wenn man nun ausgerechnet die Menschen, die einem am nächsten stehen, aus der Nächstenliebe aussparen würde!

Aber dann dachte ich darüber nach, zu wem Jesus hier spricht. Er hat eine große Menschenmenge vor sich, das heißt besser gesagt, zunächst hat er sie ja hinter sich gehabt. Aber stand sie wirklich hinter ihm – auch in dem Sinne, dass ihm alle diese Leute überall hin folgen würden? Jesus zweifelt offenbar, ob er sich über diese große Zahl seiner Nachfolger freuen kann. Er hält an und dreht sich zu ihnen um.

Was mag er sich für Gedanken gemacht haben? Sicher sind viele darunter, die noch nichts davon begriffen haben, was es heißt, auf Gott zu vertrauen. Einige folgen ihm bestimmt nur deshalb, weil sie ein paar von seinen Wundern gesehen haben. Jetzt denken sie: „Jesus nimmt uns alle unsere Probleme ab!“ Von anderen weiß Jesus, dass sie nur auf eine Gelegenheit warten, um ihn in Jerusalem zum König zu machen; die denken, dass Jesus die römischen Unterdrücker verjagt – und dann würde von selber alles gut!

Jesus hat geahnt, dass kaum jemand verstanden hat, was er wirklich wollte. Nicht einmal seine engsten Vertrauten, nicht einmal Petrus, hat es ja gleich kapiert. Auch wir Christen heute sind ja immer wieder im Zweifel – was will Gott von uns? Was hat er für uns übrig? Wie können wir mit Gott leben?

Und ich denke, Jesus wollte die Menschenmenge zum Nachdenken bringen – indem er ihnen ungewohnt harte Worte sagt, Worte, die schrecklich klingen und unverständlich.

Also, versuchen auch wir jetzt nachzudenken. Was meint Jesus, wenn er zum Hassen auffordert?

Zuerst müssen wir wissen: Im Hebräischen hat das Wort „hassen“ nicht genau das Gleiche bedeutet wie unser deutsches Wort „hassen“. Im Deutschen bedeutet „hassen“, dass wir jemanden gefühlsmäßig ablehnen, der uns vielleicht etwas Furchtbares angetan hat oder der uns aus irgendeinem Grund im Wege ist. Im deutschen Wort „Hass“ steckt häufig auch die Bedeutung mit drin: „Ich wollte, dieser Mensch wäre tot!“ Aber in der Sprache, die Jesus gesprochen hat, mussten solche bösen Wünsche nicht in dem Wort „hassen“ mit drinstecken. Im Evangelium nach Matthäus zum Beispiel wird ein ähnlicher Satz von Jesus überliefert. Da sagt Jesus (Matthäus 10, 37):

Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.

Da steht nicht das Wort „hassen“, sondern das gleiche wird ausgedrückt in der Form: wir sollen nicht andere Menschen „mehr lieben“ als Jesus.

Trotzdem – ich habe immer noch Schwierigkeiten mit diesem Wort. Auch wenn ich „hassen“ mit „weniger lieben“ übersetze – soll ich denn nicht von ganzem Herzen meine Frau lieben dürfen? Soll ein Kind nicht von ganzem Herzen an seinen Eltern hängen dürfen? Sollen Eltern nicht ihre Kinder ganz und gar in ihr Herz schließen dürfen? Das will mir nicht in den Kopf, weil doch Jesus sonst gesagt hat: „Du sollst Gott lieben“ – und das andere Gebot ist ihm gleich: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ Da ist nicht davon die Rede, dass man seine Liebe zu bestimmten Menschen, ausgerechnet zu denen, die man besonders liebt, irgendwie einschränken müsste. Nein – in einem Herzen, das Gott lieben kann, ist offenbar viel Platz auch für menschliche Liebe – für alle Menschen, die wir liebhaben.

Im Laufe meines Nachdenkens kam ich darauf, dass es aber trotz allem einen großen Unterschied gibt zwischen der Liebe zu Gott und der Liebe zu Menschen. Wenn ich einen Menschen so liebe, als wäre er mein Gott, dann wird es gefährlich. Dann entstehen Abhängigkeiten. Dann kann es so aussehen, als würde ein Mensch einem anderen gehören. Und für diesen Fall – wenn ein Mensch sagt: Du gehörst mir, und du hast kein Recht, frei über dich zu entscheiden, für diesen Fall gilt dieses harte Wort Jesu: Wer hier nicht hasst, wer hier nicht ganz klar Nein sagt zu einem falschen Gott, der kann nicht mein Jünger sein. Manche Menschen müssen entscheiden: was ist mir wichtiger – mein neu gewonnenes Vertrauen zu Jesus – oder meine Herkunftsfamilie, die meinen Glauben ablehnt. Oder, was ist, wenn ein Vater seinem Kind sagt: Du bist mein Eigentum, ich werde dich nie freigeben? Dann ist das Kind im Recht, wenn es sagt: Nein, ich gehöre keinem Menschen, auch nicht meinen Eltern, ich bin nur Gottes Eigentum, und er will, dass ich selber frei über mich entscheide.

Lied 408, 1-6: Meinem Gott gehört die Welt

Aber, liebe Gemeinde, wie ist es mit dem Hass auf sich selber? Von dem spricht Jesus ja auch. Ich glaube, dass man dieses Wort noch viel mehr falsch verstehen kann als das andere vom Hass auf die nahestehenden Menschen. Kann Jesus wirklich gemeint haben, dass wir uns selber nicht liebhaben dürfen, sondern uns rundherum für böse halten und ablehnen müssen? Dann hätte er auch nicht sagen dürfen: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ In einem Herzen, das Gott lieben kann, da lebt ja auch das Gefühl: „Gott hat mich unendlich lieb!“ Und da muss also auch sehr viel Platz sein für ein gutes, echtes Sich-selber-Annehmen- und Liebhaben.

Nur dann, wenn das eigene Ich uns wichtiger wird als Gott, dann gibt es ein Problem. Das heißt: ein Problem ist schon dieser Gedanke: dass wir meinen könnten, wir müssten uns entscheiden zwischen Gott und unserem Ich. Denn Gott hat uns doch lieb. Er will doch nicht, dass wir kaputtgehen, dass wir auf ewig verlorengehen.

Im griechischen Urtext steht an dieser Stelle übrigens nicht wörtlich: „sich selbst hassen“. Da steht: „sein eigenes Leben hassen“. Es kann also vorkommen, dass Christen sich entscheiden müssen: Was ist mir wichtiger, mein Glaube oder mein Leben? Jesus selbst musste diese Entscheidung schon kurze Zeit später treffen. Es fiel ihm nicht leicht, sich einfach ohne Gegenwehr und ohne Fluchtgedanken gefangennehmen zu lassen. Er hatte Angst, wie wir sie wohl alle hätten, wenn wir wüssten, dass wir bald sterben müssen. Und doch hat Jesus sich entschieden, weil er wusste: Es gibt keinen anderen Weg. Durch die Hand von sündigen Menschen musste er sterben, um eben diese sündigen Menschen von ihrer Sünde zu erlösen.

Im nächsten Satz drückt Jesus noch einmal etwas anders aus, was er eigentlich meint:

27 Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.

So wie Jesus sein Kreuz wird tragen müssen, das ihm böse Menschen auferlegen und das sein Vater im Himmel ihm nicht einfach abnimmt – so haben auch wir Christen unser Kreuz zu tragen. Für jeden Menschen kann dieses Kreuz anders aussehen. Für den einen ist es eine Behinderung, die er aushalten muss. Für den anderen ist es eine berufliche Aufgabe, die ihm nicht immer gefällt. Wieder ein anderer lebt lange Zeit ohne Sorgen und Probleme, bis ihn im Alter plötzlich Schicksalsschläge einholen und fast zu Boden werfen. Schwer ist es, sein Kreuz zu tragen, und verständlich ist, es, wenn man sich wünscht, es nicht tragen zu müssen. Jesus sagt überhaupt nicht, warum jemand sein Kreuz tragen muss. Er sagt nicht: Es ist eine Strafe oder eine Prüfung oder sonst irgendetwas Sinnvolles. Er sagt einfach: Es gehört dazu. Es ist nicht zu ändern. Es hat keinen Sinn, dagegen anzukämpfen.

Das heißt natürlich zugleich auch: Nicht alles, was uns auferlegt ist, muss auch ein unabwendbares Kreuz sein. Es gibt auch Krankheiten, die geheilt werden können. Es gibt auch Unrecht, gegen das man sich wehren kann. Sein Kreuz auf sich nehmen – damit ist nicht gemeint, dass man alles Böse, was einem widerfährt, widerstandslos einfach hinnehmen muss. Sehr viel Weisheit brauchen wir, um gut zu entscheiden: Was können wir ändern, wo lohnt es sich zu kämpfen, und was ist nicht zu ändern, wo ist es besser, den Kampf aufzugeben und das Unvermeidliche hinzunehmen, wie es eben ist.

Jedenfalls: Wer sich damals entschieden hat, Jesus nachzufolgen, der musste wissen: Es konnte gefährlich werden. Denn was Jesus für die Ausgestoßenen, für die Aussätzigen, für die Sünder tat, das kam nicht gut an bei denen, die sich für die bessere Gesellschaft hielten. Er half den Kranken, obwohl die anderen Menschen sie für von Gott gestraft hielten, er heilte sie sogar am Sabbat, die Menschen waren ihm wichtiger als die Buchstaben des Gesetzes.

Und wie ist das heute? Äußerlich sind wir Christen in Deutschland nicht in Gefahr, nicht in Lebensgefahr. Aber wir sind in der Gefahr, uns seelisch zu verlieren. Wir haben in den vergangenen Jahrhunderten so viel zu machen und zu verändern gelernt, dass wir fast verzweifeln, wenn wir etwas nicht machen können, wenn unsere Macht an unüberwindliche Grenzen stößt. Unser Kreuz zu tragen, das erscheint uns als unerträgliche Zumutung. Wir möchten unser Leben in der eigenen Hand behalten, möchten arbeiten und schaffen und die Kontrolle über unser Leben nicht aufgeben müssen. Und doch mag es sein, dass wir auch solche Wege geführt werden, die uns überhaupt nicht schmecken. Dann kommt es auch für uns heute darauf an, eine Entscheidung zu treffen: Wollen wir Jesus unser Vertrauen schenken, der gesagt hat: „Nehmt euer Kreuz auf euch! Ihr werdet sehen, das ist der Weg, auf dem ihr spürt: Gott lässt euch nicht allein!“ Oder wollen wir nichts wissen von diesem so machtlos erscheinenden Jesus, der keinen anderen Weg vorangegangen ist, als den, der zu seinem Tod am Kreuz führte?

Lied 612: Fürchte dich nicht, gefangen in deiner Angst

Liebe Gemeinde, gleich zwei Gleichnisse hat Jesus dann übrigens noch erzählt, um darauf aufmerksam zu machen, wie schwierig diese Frage wirklich ist: wofür entscheiden wir uns, für den Glauben oder dagegen, für ein neues Leben mit Gott oder dafür, dass alles so weiterläuft wie bisher. Das erste Gleichnis geht so:

28 Denn wer ist unter euch, der einen Turm bauen will und setzt sich nicht zuvor hin und überschlägt die Kosten, ob er genug habe, um es auszuführen?

29 damit nicht, wenn er den Grund gelegt hat und kann’s nicht ausführen, alle, die es sehen, anfangen, über ihn zu spotten,

30 und sagen: Dieser Mensch hat angefangen zu bauen und kann’s nicht ausführen.

Jesus will also nicht, dass jemand unüberlegt und überstürzt ihm nachfolgt und nachher merkt: Nein, das ist doch nicht das Richtige für mich! Der Glaube ist offenbar auch keine reine Gefühlssache, sondern durchaus auch eine Sache des Verstandes. Man soll sich klarmachen: Was gebe ich eigentlich auf, wenn ich mein ganzes Leben auf das Vertrauen zu Gott aufbaue? Welche scheinbare Stärke, welches Weltbild lasse ich hinter mir? An was habe ich früher geglaubt, was nun alles nicht mehr gilt? Es kann sein, dass ich werde sehr viel hergeben müssen, um mich ganz für die Liebe Gottes zu öffnen. Für manche Menschen stürzt eine ganze Welt ein, wenn sie zum erstenmal ernst damit machen, daran zu glauben: „Ich bin ein von Gott geliebter Mensch. Gott hat auf dieser Erde etwas mit mir vor.“

Und im zweiten Gleichnis Jesu geht es kriegerisch zu:

31 Oder welcher König will sich auf einen Krieg einlassen gegen einen andern König und setzt sich nicht zuvor hin und hält Rat, ob er mit Zehntausend dem begegnen kann, der über ihn kommt mit Zwanzigtausend?

32 Wenn nicht, so schickt er eine Gesandtschaft, solange jener noch fern ist, und bittet um Frieden.

Noch einmal macht Jesus darauf aufmerksam: Wer eine Entscheidung trifft, der soll sich vorher gut überlegen, ob er auch die Entscheidung durchhalten kann. Er erzählt von einem König, der einem anderen an Kräften unterlegen ist und dennoch Krieg führen will. Besser beraten wäre der König, wenn er doch lieber Friedensverhandlungen führen würde, solange ihm dazu noch die Zeit bleibt.

Man muss also offenbar, um Jesus nachfolgen zu können, keine besonderen Stärken oder Leistungen nachweisen können. Wer auf Gott vertrauen will, muss gerade umgekehrt wissen: Vor Gott stehen wir immer mit leeren Händen da. Wir werden von ihm beschenkt werden. Aber was wir zu haben meinen, das kann uns alles verloren gehen. Auch in dem, was wir von Gott wünschen und erbitten, können wir enttäuscht werden. Darum sagt Jesus zum Schluss:

33 So auch jeder unter euch, der sich nicht lossagt von allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein.

Nichts, was wir haben, bleibt uns ewig als Eigentum. Sachen sind unser irdischer Besitz, den wir gebrauchen dürfen, Menschen sind uns anvertraut, dass wir mit ihnen leben, dass wir für sie sorgen oder dass sie uns eine Hilfe sind. Was uns aber wirklich leben lässt als Jünger Jesu und als Kinder Gottes, das ist immer ein Geschenk und nie ein Besitz: es sind die Momente in unserem Leben, in denen wir hoffen und vertrauen und lieben.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied 393, 6-8:

6) Kommt, Kinder, lasst uns gehen, der Vater gehet mit; er selbst will bei uns stehen bei jedem sauren Tritt; er will uns machen Mut, mit süßen Sonnenblicken uns locken und erquicken; ach ja, wir haben’s gut, ach ja, wir haben’s gut.

7) Kommt, Kinder, lasst uns wandern, wir gehen Hand in Hand; eins freuet sich am andern in diesem wilden Land. Kommt, lasst uns kindlich sein, uns auf dem Weg nicht streiten; die Engel selbst begleiten als Brüder unsre Reihn, als Brüder unsre Reihn.

8) Sollt wo ein Schwacher fallen, so greif der Stärkre zu; man trag, man helfe allen, man pflanze Lieb und Ruh. Kommt, bindet fester an; ein jeder sei der Kleinste, doch auch wohl gern der Reinste auf unsrer Liebesbahn, auf unsrer Liebesbahn.

Menschen schreien zu dir, Gott, in ihrer Not, schreien nach Hilfe, nach Erlösung, nach Brot. Menschen sind auch enttäuscht von dir, wenn Hilfe ausbleibt.

Gott, du gingst unseren Weg mit in unserer Not, gingst die Wege der Kranken, der Armen bis hin zum eigenen Tod. Enttäuscht warst wohl auch du von uns, weil auf diesem Weg nicht viele dir folgten. Selbst die Jünger schliefen ein, als Jesus im Garten der Verhaftung sie so nötig gebraucht hätte.

Führ uns zusammen, Gott. Mach unsere Herzen offen für dich, so wie du wirklich bist! Mach unsere Herzen offen, dass wir auch uns selber annehmen, so wie wir wirklich sind. Nach nichts sehnen wir uns mehr als nach Liebe – und doch machen wir oft unsere Herzen hart – aus lauter Angst. Überwinde mit deiner Liebe die Angst unseres Herzens und lass Freude wachsen, wo Angst gewesen war. Amen.

Wir beten gemeinsam mit den Worten Jesu:

Vater unser
Lied 171: Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott
Abkündigungen

Gott, der Herr, segne euch, und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden. Amen.

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