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Klage und Lobpreis des Königs David

Wir können uns gut vorstellen, dass König David den Psalm 69 gebetet hat; oft genug hat er harte Zeiten durchmachen müssen. Allerdings nicht alles, was wir in diesem Gebet hören werden, finden wir in der Lebensgeschichte Davids wieder. Aber möglicherweise in unserer eigenen. Denn viele Erfahrungen der Menschen im Volk Gottes fließen in das Gebetbuch Israels mit ein.

König David spielt seine Harfe
König David wird in der Kunst häufig mit seiner Harfe dargestellt (Bild: falcoPixabay)

#predigtGottesdienst am 18. Sonntag nach Trinitatis, den 21. September 2008, um 10.00 Uhr in der Pauluskirche Gießen (ursprünglich an Judika, 17. März 1991, 9.30 Uhr in der Landesnervenklinik Alzey)

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße alle herzlich in der Pauluskirche zu einem Gottesdienst, der eigentlich als Taufgottesdienst vorgesehen war. Aber es wurde keine Taufe angemeldet, so dass wir einen normalen Predigtgottesdienst feiern.

Drei Familien sind heute unter uns, die um einen lieben Menschen trauern, der gestorben ist. Darum wird Herr Pfarrer Schütz heute über den Psalm 69 predigen. Dieser Psalm ist ein Gebet des Königs David und handelt von Bedrängnissen, die auch heute einen Menschen umtreiben können. David bringt alles, was ihn belastet, vor Gott und gibt uns ein Beispiel, wie wir beten können.

Lied 611:

1. Harre, meine Seele, harre des Herrn; alles ihm befehle, hilft er doch so gern. Sei unverzagt, bald der Morgen tagt, und ein neuer Frühling folgt dem Winter nach. In allen Stürmen, in aller Not wird er dich beschirmen, der treue Gott.

2. Harre, meine Seele, harre des Herrn; alles ihm befehle, hilft er doch so gern. Wenn alles bricht, Gott verlässt uns nicht; größer als der Helfer ist die Not ja nicht. Ewige Treue, Retter in Not, rett auch unsre Seele, du treuer Gott!

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

König David singt ein Klagelied, das ein Gebet ist, den Psalm 69. Er beginnt mit Worten der Verzweiflung, in denen manche unter uns vielleicht etwas wiederfinden, was sie auch schon empfunden haben:

2 Gott, hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle.

3 Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist; ich bin in tiefe Wasser geraten, und die Flut will mich ersäufen.

4 Ich habe mich müde geschrien, mein Hals ist heiser. Meine Augen sind trübe geworden, weil ich so lange harren muss auf meinen Gott.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

David klagt aber nicht nur gegen andere und nicht nur gegen Gott. Seine Klage ist nicht blind für eigene Fehler und Versäumnisse. Er klagt auch sich selbst an und gibt uns ein Beispiel für ein kurzes, knappe Bekenntnis des eigenen Versagens:

6 Gott, du kennst meine Torheit, und meine Schuld ist dir nicht verborgen.

Auch wir rufen zu Gott: Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Wer in seine Klage auch das Bekenntnis der eigenen Schuld mit einbezieht, dem schenkt Gott Vergebung, so dass er neu auf den guten Wegen Gottes gehen kann.

Im eigentlich für heute vorgesehenen Predigttext im Brief an die Epheser 5, 15-21, heißt es:

15 So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise,

16 und kauft die Zeit aus; denn es ist böse Zeit.

17 Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist.

18 Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen.

19 Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen

20 und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.

21 Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, unser guter Hirte, du willst uns auf rechter Straße führen und uns anleiten, deine Gebote zu hören und zu beachten. Du schenkst uns dein Wort zur Orientierung, Wegweisung und Ermutigung. Du willst, dass wir uns gegenseitig mit Psalmen und Lobgesängen ermuntern, so wie David, als er selber noch nicht König war, seinem König Saul mit Psalmen die niederdrückende Schwermut vertreiben wollte. Lass uns in der Predigt auf die Worte eines Psalms von David hören und schenke uns durch sie auch Trost und Ermutigung für uns selbst. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Lesung aus 1. Samuel 16, 14-23:

14 Der Geist des HERRN aber wich von Saul, und ein böser Geist vom HERRN ängstigte ihn.

15 Da sprachen die Großen Sauls zu ihm: Siehe, ein böser Geist von Gott ängstigt dich.

16 Unser Herr befehle nun seinen Knechten, die vor ihm stehen, dass sie einen Mann suchen, der auf der Harfe gut spielen kann, damit er mit seiner Hand darauf spiele, wenn der böse Geist Gottes über dich kommt, und es besser mit dir werde.

17 Da sprach Saul zu seinen Leuten: Seht euch um nach einem Mann, der des Saitenspiel kundig ist, und bringt ihn zu mir.

18 Da antwortete einer der jungen Männer und sprach: Ich habe gesehen einen Sohn Isais, des Bethlehemiters, der ist des Saitenspiels kundig, ein tapferer Mann und tüchtig zum Kampf, verständig in seinen Reden und schön gestaltet, und der HERR ist mit ihm.

19 Da sandte Saul Boten zu Isai und ließ ihm sagen: Sende zu mir deinen Sohn David, der bei den Schafen ist.

20 Da nahm Isai einen Esel und Brot und einen Schlauch Wein und ein Ziegenböcklein und sandte es Saul durch seinen Sohn David.

21 So kam David zu Saul und diente vor ihm. Und Saul gewann ihn sehr lieb, und er wurde sein Waffenträger.

22 Und Saul sandte zu Isai und ließ ihm sagen: Lass David mir dienen, denn er hat Gnade gefunden vor meinen Augen.

23 Sooft nun der böse Geist von Gott über Saul kam, nahm David die Harfe und spielte darauf mit seiner Hand. So wurde es Saul leichter, und es ward besser mit ihm, und der böse Geist wich von ihm.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis
Lied 612: Fürchte dich nicht, gefangen in deiner Angst
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Zur Predigt hören wir Psalm 69, 1-14.18.22.30-33:

1 [Ein Psalm] von David, vorzusingen, nach der Weise „Lilien“.

2 Gott, hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle.

3 Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist; ich bin in tiefe Wasser geraten, und die Flut will mich ersäufen.

4 Ich habe mich müde geschrien, mein Hals ist heiser. Meine Augen sind trübe geworden, weil ich so lange harren muss auf meinen Gott.

5 Die mich ohne Grund hassen, sind mehr, als ich Haare auf dem Haupte habe. Die mir zu Unrecht feind sind und mich verderben wollen, sind mächtig. Ich soll zurückgeben, was ich nicht geraubt habe.

6 Gott, du kennst meine Torheit, und meine Schuld ist dir nicht verborgen.

7 Lass an mir nicht zuschanden werden, die deiner harren, Herr, HERR Zebaoth! Lass an mir nicht schamrot werden, die dich suchen, Gott Israels!

8 Denn um deinetwillen trage ich Schmach, mein Angesicht ist voller Schande.

9 Ich bin fremd geworden meinen Brüdern und unbekannt den Kindern meiner Mutter;

10 denn der Eifer um dein Haus hat mich gefressen, und die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen.

11 Ich weine bitterlich und faste, und man spottet meiner dazu.

12 Ich habe einen Sack angezogen, aber sie treiben ihren Spott mit mir.

13 Die im Tor sitzen, schwatzen von mir, und beim Zechen singt man von mir.

14 Ich aber bete zu dir, HERR, zur Zeit der Gnade; Gott, nach deiner großen Güte erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.

18 Verbirg dein Angesicht nicht vor deinem Knechte, denn mir ist angst; erhöre mich eilends.

22 Sie geben mir Galle zu essen und Essig zu trinken für meinen Durst.

30 Ich aber bin elend und voller Schmerzen. Gott, deine Hilfe schütze mich!

31 Ich will den Namen Gottes loben mit einem Lied und will hoch ehren mit Dank.

32 Das wird dem HERRN besser gefallen als ein Stier, der Hörner und Klauen hat.

33 Die Elenden sehen es und freuen sich, und die Gott suchen, denen wird das Herz aufleben.

Liebe Gemeinde!

1 Von David.

So beginnt Psalm 69. Wir können uns gut vorstellen, dass König David diesen Psalm gebetet hat; oft genug ist er verfolgt worden, hat er harte Zeiten durchmachen müssen. Aber nicht alles, was wir in diesem Gebet hören werden, finden wir in der Lebensgeschichte Davids wieder. Aber möglicherweise in unserer eigenen. Oder in der Geschichte von Menschen, die uns nahestehen. Denn in einem Psalm der Bibel betet niemals nur ein einzelnen Individuum. Viele Erfahrungen der Menschen im Volk Gottes fließen in ein solches Gebet mit ein; das ist ja auch der Grund, warum die Psalmen ein Gebetbuch für Juden und Christen sind, in dem wir auch uns selber mit eigenen Lebenserfahrungen wiederfinden können.

1 Von David, vorzusingen, nach der Weise »Lilien«.

Eigentlich sollten wir das singen, was wir gehört haben. Aber wir kennen die „Lilien“-Melodie nicht mehr, die David damals für den Psalm komponiert hat. Darum singen wir heute andere Lieder, und den Text des Psalms lassen wir ohne Musik zu uns sprechen.

2 Gott, hilf mir!

So fängt David sein Gebet an. Wie ein Stoßseufzer klingt das. Gott wird angerufen, weil Hilfe nötig ist. Und zwar dringend:

Das Wasser geht mir bis an die Kehle.

Ich begegne hin und wieder jemanden, dem es genauso geht, als müsse er ertrinken, als schaue er gerade noch mit dem Kopf aus dem Wasser, als sei er schon fast verloren. Auf Hartz IV angewiesen, aber das Geld ist noch nicht bewilligt, es sind noch Schulden abzuzahlen, der Vermieter droht mit Kündigung, dazu kommt eine akute Krankheit, ein Rezept vom Arzt kann nicht eingelöst werden, weil nicht einmal Geld für die Rezeptgebühr vorhanden ist. David fährt fort:

3 Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist; ich bin in tiefe Wasser geraten, und die Flut will mich ersäufen.

So kann man sich auch fühlen, wenn man einen geliebten Menschen verloren hat; als hätte man keinen Boden mehr unter den Füßen, als müsse man im Schlamm oder im tiefen Wasser versinken, als werde man von einer Flut überrollt. Oder es überfällt einen eine abgrundtiefe Lebens- oder Todesangst, in der man versinken kann, oder eine Flut von Schmerz und Verzweiflung, die Menschen in den Tod zu treiben droht.

Hört Gott solche Gebete überhaupt, lohnt es sich, so vor ihm zu klagen? David betet:

4 Ich habe mich müde geschrien, mein Hals ist heiser.

Wie lange muss er sich noch gedulden?

Meine Augen sind trübe geworden, weil ich so lange harren muss auf meinen Gott.

Trübe Augen können nicht mehr das Lichtlein sehen, das von irgendwoher noch kommen soll, für sie sieht alles finster aus.

Dann erzählt David konkret, was ihn selbst belastet. Er muss sich in Acht nehmen vor dem König Saul, den er doch zu trösten versuchte, denn Saul ist misstrauisch gegen David, weil er denkt, der will ihm seinen Thron streitig machen, und zieht mit einer ganzen Armee von Soldaten hinter David her, um ihn töten zu lassen. Das finden wir wieder in unserem Psalm:

5 Die mich ohne Grund hassen, sind mehr, als ich Haare auf dem Haupte habe. Die mir zu Unrecht feind sind und mich verderben wollen, sind mächtig.

David wehrt sich gegen Vorwürfe, die zu Unrecht gegen ihn erhoben werden:

Ich soll zurückgeben, was ich nicht geraubt habe.

Aber das nützt alles nichts; König Saul ist eifersüchtig auf Davids Ruhm, seitdem der den Riesen Goliath besiegt hat, und nimmt an, er wird ihn bei nächster Gelegenheit als König absetzen wollen.

Auch David war nicht immer ein Engel oder Heiliger in seinem Verhalten. Auch er hat Schuld auf sich geladen. Nicht gegenüber König Saul. Gegen ihn war er immer loyal, gegen ihn übte er keine Rache, obwohl er es mehrfach gekonnt hätte. Aber David bildet sich nicht ein, ein perfekter Mensch zu sein. Genau das wird ihm in der Bibel hoch angerechnet, dass er selbstkritisch auch über die eigene Verantwortung nachdenkt. Hier bekennt er in knapper Form:

6 Gott, du kennst meine Torheit, und meine Schuld ist dir nicht verborgen.

Seine Schuld macht ihm doppelt Sorgen, weil er denkt: Wenn ich kein gutes Vorbild bin, dann könnten andere durch mich ihr Gottvertrauen verlieren. Darum bittet er Gott:

7 Lass an mir nicht zuschanden werden, die deiner harren, Herr, HERR Zebaoth! Lass an mir nicht schamrot werden, die dich suchen, Gott Israels!

Dieser Vers leitet über zum nächsten Thema. Mir kommt es so vor, als ob auf einmal ein Prophet wie Elia das Wort ergreift:

10 Der Eifer um dein Haus hat mich gefressen, und die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen.

Hier spricht jedenfalls einer, der aus Glaubensgründen verfolgt wird, was zur Zeit auch Christen in unserer Partnerkirche in Nordindien erleben. Eine solche Verfolgung kann bis dahin gehen, dass die eigene Familie einen nicht versteht oder sogar verstößt:

8 Um deinetwillen trage ich Schmach, mein Angesicht ist voller Schande.

9 Ich bin fremd geworden meinen Brüdern und unbekannt den Kindern meiner Mutter.

Es ist schlimm, wenn die eigene Familie nicht mehr zu einem hält und wenn man überall nur verspottet und ausgelacht wird.

11 Ich weine bitterlich und faste, und man spottet meiner dazu.

12 Ich habe einen Sack angezogen, aber sie treiben ihren Spott mit mir.

13 Die im Tor sitzen, schwatzen von mir, und beim Zechen singt man von mir.

Was soll einer machen, der so tief im Elend steckt? Von Sorgen zerfressen, voller Angst, niemand versteht ihn, nicht einmal Gott scheint ihm zuzuhören.

David bringt trotzdem alle diese Klagen vor Gott. Geradezu penetrant lässt er in seinem Gebet nicht locker:

14 Ich aber bete zu dir, HERR, zur Zeit der Gnade; Gott, nach deiner großen Güte erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.

David geht einfach davon aus, dass es nach all den schlimmen Dingen, die er erfahren hat, auch wieder eine Zeit der Gnade geben wird. Er vertraut darauf: Gott denkt noch an ihn, Gott verlässt ihn nicht. Jetzt ist die Zeit der Gnade, denkt David. Jetzt will er endlich wieder spüren, dass Gott ihm hilft.

Darum bittet er noch einmal: Gott, zeig dich wieder! Er will nicht sehen, wie Gott aussieht, das weiß er, dass Gott unsichtbar ist. Er will Gottes Hilfe sehen!

18 Verbirg dein Angesicht nicht vor deinem Knechte, denn mir ist angst; erhöre mich eilends.

Versteck dich nicht mehr vor mir, sagt David zu Gott, so wie er sich nicht vor Gott versteckt. „Mir ist angst“; das traut man sich oft nicht zu sagen; wer Angst zeigt, hat schon verloren. Vor Gott muss man sich nicht verstecken; vor Gott darf man so sein, wie man ist.

Vor manchen Menschen muss man sich dagegen in Acht nehmen. Besonders vor solchen, die nur nach außen stark wirken, innen drin aber ganz arme Würstchen sind. Sie vergreifen sich an Schwächeren und freuen sich, wenn sie einen, der sowieso schon am Ende ist, noch mehr quälen können. Davon weiß auch David ein Lied zu singen:

22 Sie geben mir Galle zu essen und Essig zu trinken für meinen Durst.

Tausend Jahre nach David spielt dieser Satz in der Geschichte von Jesus noch einmal eine Rolle. Als Jesus am Kreuz hängt, leidet er in der Mittagshitze quälenden Durst, und man bietet ihm ein Getränk an, das seine Qualen nur noch verschlimmern würde: Essigwein mit Galle. Der Sohn Gottes selber muss erleiden, was David hier beklagt.

Im Schicksal Jesu wiederholen sich übrigens auch andere Einzelheiten aus unserem Psalm: zum Beispiel, dass seine Familie ihn zuerst nicht versteht und ablehnt. Ich finde das tröstlich. Was David damals erleidet, was wir selber erleiden müssen, das war und ist nicht nur unser privates Problem, mit dem wir ganz allein fertig werden müssten. Unser menschliches Leid geht Gott direkt an, Gott selber spürt es hautnah am eigenen Leibe.

30 Ich aber bin elend und voller Schmerzen.

Jeder, der so weit ist, dass er das von sich sagen muss, ist also nicht allein mit diesen Schmerzen; schon David hat so vor Gott geklagt, und sogar der Sohn Gottes weiß, wie sich eine so verzweifelte Situation anfühlt. Trotzdem verzweifelt David nicht, trotzdem verliert Jesus nicht sein Gottvertrauen; beide vertrauen im tiefsten Elend auf Gottes Hilfe:

Gott, deine Hilfe schütze mich!

Wunderbar ist: David erfährt wirklich Hilfe von Gott. Es wird nicht beschrieben, wie ihm geholfen wird. Anscheinend spürt er, dass er doch nicht allein ist. Es mag ihm bewusst werden, dass er nicht nur Feinde hat, sondern dass Gott ihm auch Freunde schenkt. Oder er kann Vergebung annehmen. Vielleicht hilft ihm schon, dass er sich nicht schämen muss, schwach zu sein, sondern dass er ruhig seine Klage aussprechen darf.

Auch Jesus, der am Kreuz klagt: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen!“, erfährt offenbar gerade so die Nähe seines Vaters im Himmel, denn er sagt am Ende: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände.“ So können auch wir in größter Not uns Gott anvertrauen; wir sind niemals allein, sogar in unserer Verzweiflung nicht.

Weil David die Hilfe Gottes spürt, kann er am Ende seines Psalms Gott loben:

31 Ich will den Namen Gottes loben mit einem Lied und will hoch ehren mit Dank.

32 Das wird dem HERRN besser gefallen als ein Stier, der Hörner und Klauen hat.

Mit Liedern und Dankgebeten dankt König David Gott für seine Hilfe, nicht mit den damals üblichen Tieropfern. Gott mag keinen frommen Krampf, den man ihm vorzuweisen versucht, um ihn zu beeindrucken: Sieh her, was für ein toller Mensch ich bin! Nein, Gott freut sich über dankbare Menschen. Über Menschen, die im Vertrauen auf ihn ein getrostes, zufriedenes, von Liebe erfülltes Leben führen.

Getrost und zufrieden kann man auch werden mitten in schweren Zeiten. Als ich in der psychiatrischen Klinik gearbeitet habe, wurde ich immer wieder gefragt, wie ich das nur aushalten würde, jeden Tag dieses Elend zu sehen. Ich habe dann versucht zu erklären, dass ich dort nicht nur Elend gesehen habe, sondern auch viele Menschen, die Hilfe erfahren haben. Oft ist es ein Segen, wenn jemand erkennt, dass er eine psychiatrische Behandlung braucht und seine Chance nutzt. Vielen geht es besser, wenn man es ihnen erlaubt, dass es ihnen auch einmal schlecht gehen darf. Wer einmal ganz unten war, weiß es oft viel dankbarer zu schätzen, wenn er einfach seinen Alltag wieder bewältigen kann. So etwas Ähnliches sagt David in seinem Psalm:

33 Die Elenden sehen es und freuen sich, und die Gott suchen, denen wird das Herz aufleben.

Das Herz wird auch uns aufleben, wenn wir Gott suchen und spüren, dass Gott schon lange auf der Suche nach uns gewesen ist. Gott kommt uns entgegen, wenn wir unsere Sorgen vor ihn bringen, wenn wir vor ihm unser Herz ausschütten. Gott liebt uns, hört uns, vergisst uns nicht. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 638: Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt, damit ich lebe

Lasst uns beten!

Großer Gott, hole uns aus der Tiefe, befreie uns aus Zwängen, damit wir zuversichtlich vor dir leben. Gib uns Orientierung für unser Leben, zeige uns Schritte, die wir gehen können, mach uns Mut, zu uns selber zu stehen und auf andere Menschen zuzugehen.

Treuer Gott, gerade weil wir vor dir keine Angst haben müssen, hilf uns, dass wir unsere Ängste spüren und sie dir anvertrauen können. Gib du uns Gelassenheit in aller Unruhe, festen Grund unter den Füßen und ein Ziel vor Augen.

Barmherziger Gott, besonders beten wir heute für drei Menschen, die gestorben sind und die wir in den letzten beiden Wochen kirchlich bestattet haben: für Herrn …, 66 Jahre, für Frau …, 94 Jahre, und für Herrn …, 58 Jahre. Nimm sie gnädig auf in die Weite deines Himmels, und begleite ihre Angehörigen und Freunde mit deinem Trost.

Lieber Gott, öffne uns den Mund, wo wir das Vertrauen liebevoller Menschen spüren, dass wir nicht herunterschlucken, was uns weh tut, sondern unser Herz ausschütten. Trockne unsere Tränen, nachdem wir sie weinen konnten; gib dem Weinen, aber auch wieder dem Lachen seinen Platz in unserem Leben. Amen.

In der Stille bringen wir vor Gott, was wir ganz persönlich außerdem auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser
Lied 631: In Gottes Namen wolln wir finden, was verloren ist
Abkündigungen

Bevor wir durch den Saal nach draußen gehen und vielleicht noch beim Kirchencafé zusammenbleiben, empfangt Gottes Segen:

Der Herr segne euch und behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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