Bild: Helmut Schütz

„Gottes Brünnlein hat Wasser die Fülle“

Die vierte ökumenische Wallfahrt der beiden Gießener Kirchengemeinden St. Albertus und Paulus hatte ihren Startpunkt am Elisabethbrunnen bei Schröck und führte zur Amöneburg. Hier erste Eindrücke vom Ausgangsort des Pilgerweges:

Liebe Wallfahrende, am 400 Jahre alten Elisabethbrunnen in der Nähe des Ortes Schröck starten wir unsere vierte gemeinsame Wallfahrt. Es heißt, dass Elisabeth, die Landgräfin von Thüringen, in ihren letzten Lebensjahren, die sie als Witwe in Marburg verbrachte und den Armen und Kranken widmete, oft hierhergekommen sei, um Almosen zu verteilen. Zum Auftakt feiern wir hier eine Andacht und beginnen sie mit Versen aus dem Psalm 65, in denen in der Übersetzung Martin Luthers auch ein Lob der Brünnlein Gottes enthalten ist. Ich erlaube mir, den Text teilweise nach Luther und der Einheitsübersetzung zu lesen:

2 Gott, man lobt dich in der Stille auf dem Zion, dir erfüllt man Gelübde.

3 Du erhörst die Gebete. Alle Menschen kommen zu dir

4 unter der Last ihrer Sünden. Unsere Schuld ist zu groß für uns, du wirst sie vergeben.

10 Du suchst das Land heim und bewässerst es und machst es sehr reich; Gottes Brünnlein hat Wasser die Fülle. Du lässest ihr Getreide gut geraten; denn so baust du das Land.

11 Du tränkst seine Furchen und feuchtest seine Schollen; mit Regen machst du es weich und segnest sein Gewächs.

12 Du krönst das Jahr mit deiner Güte, deinen Spuren folgt Überfluss – deine Fußtapfen triefen von Segen.

13 Es triefen auch die Auen in der Steppe, und die Hügel sind erfüllt mit Jubel.

14 Die Weiden schmücken sich mit Herden, die Täler hüllen sich in Korn. Sie jauchzen und singen. Amen.

Wir singen das Lied 304:

1. Lobet den Herren, denn er ist sehr freundlich; es ist sehr köstlich, unsern Gott zu loben, sein Lob ist schön und lieblich anzuhören. Lobet den Herren!

2. Singt umeinander dem Herren mit Danken, lobt ihn mit Harfen, unsern Gott, mit Psalmen, denn er ist mächtig und von großen Kräften. Lobet den Herren!

3. Er kann den Himmel mit Wolken bedecken und gibet Regen, wann er will, auf Erden; er lässt Gras wachsen hoch auf dürren Bergen. Lobet den Herren!

4. Der allem Fleische gibet seine Speise, dem Vieh sein Futter väterlicherweise, den jungen Raben, die ihn tun anrufen. Lobet den Herren!

5. Danket dem Herren, Schöpfer aller Dinge; der Brunn des Lebens tut aus ihm entspringen gar hoch vom Himmel her aus seinem Herzen. Lobet den Herren!

6. O Jesu Christe, Sohn des Allerhöchsten, gib du die Gnade allen frommen Christen, dass sie dein‘ Namen ewig preisen, Amen. Lobet den Herren!

Liebe Wallfahrende, hier am Elisabethbrunnen, mitten in der Natur, und gleich auch auf unserer Wallfahrt, kann uns in besonderer Weise bewusst werden, wie aus Gott der Brunnen unseres Lebens entspringt, wie die Brünnlein Gottes, reich an Wasser sind, um alles Leben auf Erden zu erhalten.

Dieser Brunnen selbst gibt Anregungen genug, um sich das anschaulich vor Augen zu führen. Ich fand im Internet einen Aufsatz von Joseph Friedrich Engelschall, den er im Jahre 1786 im „Journal von und für Deutschland“ über den „Elisabethbrunnen ohnweit Marburg“ veröffentlicht hat. Dort schreibt er (S. 194):

„Die Landgräfin Elisabeth von welcher dieser Brunnen den Namen hat, legte den ersten Grund zu seinem Gebäude und besuchte denselben fleißig während ihres Witwenstands um sich in dieser anmuthigen Einsamkeit dem helldüstern Vergnügen religiöser Gefühle zu überlassen Ich wüßte auch in der That keine andre Gegend um Marburg die so geschickt wäre, die Seele in eine gewisse wonnevolle Melancholie zu wiegen.“

Der Brunnen war schon in vorgeschichtlicher Zeit von Bedeutung, zumal sich in der Nähe zwei alte Straßen kreuzten. Die heutige Brunnenanlage wurde allerdings erst vor 400 Jahren von Landgraf Ludwig IV. (dem Älteren) von Hessen-Marburg nach antikem Vorbild als Brunnentempel errichtet. Unten umgeben die Brunnenstube vier dorische Säulen auf diamantierten Sockeln. Oben sechs ionische Säulen mit einem flachen Dreieckgiebel. Auf Tafeln rechts und links und über dem Eingang waren oder sind lateinische Inschriften, die J. F. Engelschall als durchaus dichterisch wertvoll einschätzte:

„Unsre Großen müssen damahlen noch nicht zu groß und also glücklich genug gewesen seyn um an den Schönheiten der Natur Geschmack zu finden, weil laut der Inschrift dieser Brunnen ein Erhohlungsort für Personen vom ersten Range war.“

Er übersetzt auch die Inschriften. Auf einer Tafel zur Linken steht die lateinische Inschrift „Si viator…“, die ihre Fortsetzung auf der rechten Seite findet:

Linke Inschrift des Elisabethbrunnens
Linke Inschrift des Elisabethbrunnens

( Seite 192:) „Fragst du Wandrer wer ich sey und was ich darstelle • Ich bin der Heiligen Elisabeth Quell • Tränkend mit dankbarer Welle mein Mutterland • Welchem Buchen Eichen Gesträuche Feldfrüchte • Und zahllose Kräuter entsteigen: • Hirsch und Wild verjüngen sich durch meine Flut • Neubelebte Vögel löschen Ihren Durst aus mir! • Was aber hab ich des Genuß? Alles Seelenerhebende! • Denn was ist schöner als der herrliche Anblick des Erwähnten? • Was lebender als dieser Schatten? • Was lieblicher als diese Luftmilde? • Was endlich wonniger als dieser Einklang von Vogelstimmen? • Dieß alles wird mit rühmlichem Beyspiel der Dankbarkeit mir zugeeignet! • Dem füg ich bey mein köstliches Wasser • Und das liebliche Rauschen seiner Flut! • Drum werd ich eine der ersten von Hessens Quellen gepriesen • Allein was weiter? • Mein genießet jeder Bewohner Hessens • Nicht bloß das niedere Volk, nein jeder Sprosse • Aus königlichem fürstlichen und gräflichem Geschlecht • Oder edel durch den Ruhm seiner Vorfahren.“

Rechte Inschrift des Elisabethbrunnens
Rechte Inschrift des Elisabethbrunnens

(Seite 193:) „Unter diesen war weiland die Heilige Elisabeth • Hungariens Königstochter • Landgraf Ludwigs Gattin reich nur für die Armen • Mild gegen alle, demüthig und duldend • Voll heiligen Eifers besuchte sie mich oft und baute • Dankbar gegen Gott Natur und mich • Neben mir ein Bethaus, schmückte mich zuerst • Nach Zeitgebrauch mit schlichtem Bau, und nannte mich Elisabethbrunnen • Unter vielen ihrer glorreichen Enkel hat nachher • Der ruhmvolle und mächtige Fürst Ludwig • Sohn des großen Philipps, jenes Hessischen Macedoniers • Im Genusse meiner Anmuth • Seinen Geburtstag mit den Edlen des Hofes frölich • Und wiederhohlt bey mir gefeyert • Auch dessen zum Gedächtniß folgend seiner Ahnmutter • An meine Mündung ein Steinbecken und vestes Gebäude • Dorischer und jonischer Ordnung errichten lassen • Im Jahr Christi 1596 • Gehab dich wohl Leser! und lüstert auch dich • Meine Süßigkeiten zu kosten • Füge dich nachstehenden Gesetzen.“

Es gibt also Brunnengesetze, die über dem Eingang eingraviert und noch immer zu lesen sind, wenn man des Lateinischen mächtig ist:

Brunnengesetze über dem Eingang zum Elisabethbrunnen bei Schröck
Brunnengesetze des Elisabethbrunnens bei Schröck

Joseph Friedrich Engelschall übersetzt auch diese Inschrift:

(Seite 193:) „Sey rein entweih und trüb mich nicht • Durch Zoten Körper oder That • Meine Halle Stein und Gebäu verletze nicht • Gedrängt von Hitz entfleuch hieher • Lösche deinen Durst und wasche dich • Horch auf das murmelnde Geräusch und schmeck • Alle übrigen Annehmlichkeiten • Endlich aber preise meinen Erbauer!“

Buchstäblich dürfen wir in unserer Zeit die Aufforderung des Brunnens, an ihm unseren Durst zu löschen, leider nicht mehr nehmen. Denn laut einer Presseinformation der Stadt Marburg vom 15. Januar 2014 hat der Elisabethbrunnen heute keine Trinkwasserqualität mehr. (Neben erhöhten Werten für Aluminium (1,3 statt 0,2 mg/l), Mangan (0,91 statt 0,2 mg/l, und dem pH-Wert 4,7 statt 6,5-9,5 werden auch coliforme Bakterien mit 2 je 100 ml bei zulässigen 0 je 100 ml nachgewiesen.) Aber lassen wir uns ermahnen, unseren Weg in Reinheit und Aufmerksamkeit auf Gottes Natur zu gehen. Buchstäblich schmecken dürfen wir, was wir an Speise und Getränken mitgenommen haben und später zur Belohnung weitere Annehmlichkeiten in einem Café zu Amöneburg.

Zuvor lasst uns noch das Lied 632 singen, das an das Brotwunder der Elisabeth erinnert:

Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht

Vater unser

Nun machen wir uns mit Gottes Segen auf unseren gemeinsamen Weg:

Der Herr segne und behüte uns. Er lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns seinen Frieden. Amen.

Es folgen Impressionen von der anschließenden Wallfahrt durch eine wunderschöne Landschaft nach Amöneburg – mit einer Zwischenstation auf dem Grillplatz vor dem kleinen Ort Kleinseelheim:

Von Kleinseelheim aus ging es dann zügig hinauf nach Amöneburg, wo unter anderem die Burg besichtigt wurde und Pfarrer Hermann Heil in der Stiftskirche St. Johannes der Täufer eine Andacht hielt:

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