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Jesus und Thaddäus, den sie „Spasti“ nannten

Gruppe mit Rollstuhlfahrern aus Logo-Figuren
Heutzutage wird Inklusion angestrebt – ein barrierefreies Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung (Bild: Gerd AltmannPixabay)
Kinderandacht mit Bildern von Kees de Kort in der Kita der Evangelischen Paulusgemeinde Gießen.

Heute erzähle ich euch die Geschichte von einem gelähmten Mann (nach Markus 2, 1-12).

Er kann sich nicht selber bewegen.
Er kann nicht alleine laufen.

Kennt ihr Menschen, die gelähmt sind?
Manchmal bricht sich jemand ein Bein.
Dann kriegt er ein Gipsbein und darf eine Zeitlang nicht laufen.
Oder er muss Krücken nehmen zum Laufen.
Oder einen Rollstuhl.

Manche Menschen brauchen immer einen Rollstuhl.
Vielleicht haben sie einen Autounfall gehabt und bleiben danach gelähmt.
Manche können schon als Kinder nicht laufen.
Kennt ihr Leute, die immer einen Rollstuhl brauchen?

Manche Menschen sind auch gelähmt, aber anders.
Sie können sich zwar bewegen, aber nicht so, wie sie wollen.
Immer wenn sie laufen, dann wackeln sie hin und her, vor und zurück.
Wenn sie ihre Arme bewegen, dann zucken sie ganz wild.

Andere Leute verstehen das oft nicht.
Sie sagen: Der ist nicht richtig im Kopf!
Der kann bestimmt auch nicht richtig denken!
Und einige lachen sogar.
Sie lachen ihn aus: „Wie läufst du denn?“
„Hast du krumme Beine?“
„Du bist wohl blöd!“
„Du bist ein Spastiker!“
„Du fällst ja über deine eigenen Füße!“
„Du bist zu dumm zum Laufen!“

Von so einem gelähmten Mann erzähle ich euch heute.
Er lebt zu derselben Zeit wie Jesus.
Man weiß gar nicht, wie er wirklich heißt.
Vielleicht hieß er Thaddäus. Ja, in dieser Geschichte nennen wir ihn Thaddäus.
Aber alle rufen ihn nur mit Schimpfnamen.
„Du Spasti!“ rufen sie.

Spasti ist kein schöner Name.
Alle rufen ihn so, aber er hört kaum hin.
Und dann sagen sie noch:
„Du bist bestimmt böse gewesen, darum hat dich Gott gestraft!“

Thaddäus hat nichts Böses getan.
Oder ist es böse, wenn er auf die anderen wütend ist?
Ja, dann ist er eben böse.
Er mag die Leute sowieso nicht.
Die lachen ihn alle nur aus.

Von Kindheit kann kann er nicht richtig laufen,
und irgendwann hört er ganz damit auf.
Er will nicht ausgelacht werden.
Er liegt lieber irgendwo still in einer Ecke.
Er will mit niemandem etwas zu tun haben.
Dann kann auch niemand „Spasti“ zu ihm sagen.

Aber ganz allein ist er doch nicht.
Er hat sogar vier Freunde.
Die halten zu ihm, auch wenn sie nicht viel Zeit haben.
Sie müssen ja arbeiten.

Aber jeden Tag bringen sie ihm etwas zu essen.
Und sie sagen: „Lauf doch mal ein Stück!“
Doch er meint: „Ich kann nicht laufen, ich bin doch gelähmt!“
Da können sie nichts machen.

Trotzdem wollen sie, daß Thaddäus nicht immer zu Hause bleibt.
Einen Rollstuhl gibt es damals noch nicht.
Aber die Freunde haben eine Idee.
Thaddäus hat so eine Decke oder Matte, da liegt er drauf.
Das ist sein Bett und sein Sofa.
Da binden sie an den Ecken Seile dran.
Damit tragen ihn die Freunde überall hin.

Wenn sie arbeiten müssen, tragen sie ihn auf den Marktplatz.
Dann liegt er da mit einem Schild:
„Gebt einem armen Gelähmten etwas zu essen!“
Damals gibt es ja noch keine Sozialhilfe und kein Pflegeheim.
Aber viele gehen vorbei und schimpfen:
„Dem Spasti gebe ich nichts!“
„Der gehört sowieso nicht zu uns!“
„Wer weiß, was er Böses getan hat?“

Eines Tages kommt Jesus in die Stadt.
Er erzählt den Menschen von Gott.
Er macht Kranke gesund.
Viele Leute wollen Jesus sehen und hören.

Auch Thaddäus hört, dass Jesus kommt.
„Was ist denn das für einer?“ fragt er.
Seine Freunde sagen:
„Das ist ein guter Mann. Der erzählt von Gott.“
„Der hat schon viele Menschen gesund gemacht.“
„Sollen wir dich zu ihm hinbringen?“
„Vielleicht kann er auch dir helfen?“
Thaddäus kann das nicht so recht glauben.
Aber dann sagt er: „Na gut, schaden kann‘s ja nicht!“

Titelseite des Buches von Kees de Kort "Jesus und der Gelähmte" als ThumbnailWeiter mit Bildern aus Kees de Kort, Jesus und der Gelähmte

Jesus ist drinnen in einem Haus.
Viele Leute hören ihm zu.
Es sind so viele, dass niemand mehr zur Tür hineinkommt.

Da kommen die vier Freunde mit Thaddäus an.
Er liegt in seiner Decke und die vier tragen ihn.
„Seht ihr, es hat keinen Zweck!“ sagt Thaddäus.
„Da kommt keiner rein“, sagt er traurig.
„Bringt mich wieder weg!“

Aber die vier wollen nicht aufgeben.
Es muss doch endlich jemand dem gelähmten Mann helfen.
Irgendwie müssen sie ihn einfach zu Jesus bringen.
Da hat einer eine Idee: „He, da ist außen eine Treppe!“
Das Haus hat kein spitzes Dach. Es ist oben ganz flach.
Und schon ist der erste die Treppe hinaufgeflitzt.
Er schaut von oben herunter und ruft: „Kommt nach oben!“
Der zweite nimmt Thaddäus auf die Schultern und trägt ihn hoch.
Der dritte rollt seine Decke zusammen und bringt sie hoch.
Und der vierte findet eine kleine Hacke und nimmt sie mit nach oben.

Und da arbeiten sie nun. Sie decken das Dach ab.
Sie machen ein Loch, genau über Jesus.

Dann legen sie Thaddäus wieder auf seine Decke.
Sie lassen ihn mit den Seilen hinunter, wie mit einem Aufzug.
Direkt vor die Füße von Jesus legen sie ihn.
Die Leute haben vor Staunen den Mund offen.
Sie haben schon den Krach gehört.
Sie sind wütend: „He, was macht ihr da?“
„Ihr könnt doch nicht einfach das Dach abdecken!“
„Was soll das eigentlich?“

Jesus sieht nach oben.
Er sieht vier Gesichter, die nach unten schauen.
Diese Männer haben Vertrauen zu Jesus, das sieht er.
Sie sagen nichts, aber er sieht es in ihren Augen:
„Jesus, du kannst diesem gelähmten Mann helfen!“

Dann schaut Jesus Thaddäus an.
„Hat man dir gesagt, du bist selber schuld?“ fragt er ihn.
Thaddäus bewegt sich nicht.
„Hat man dir gesagt, Gott hat dich gestraft?“ fragt Jesus.
Thaddäus kann nichts sagen, aber die Tränen kommen ihm.
Woher weiß Jesus das?
Da sagt Jesus: „Deine Schuld ist dir vergeben.“
Er schaut Thaddäus ganz freundlich an.
„Gott straft dich nicht“, sagt er.
„Und wenn du wirklich böse warst, dann vergebe ich dir deine Schuld.“

Ein paar besonders fromme Männer stehen dabei.
Sie gehen jeden Sonntag in die Kirche.
Sie hören, was Jesus sagt: „Ich vergebe dir deine Schuld.“
Sie denken: „Jesus darf das nicht sagen! Nur Gott kann Schuld vergeben.“

Jesus merkt, was sie denken.
„Was kann man leichter sagen?“ fragt er.
„Deine Schuld ist dir vergeben? oder: Steh auf?“

Jesus sagt: „Ich will euch zeigen, dass ich Schuld vergeben kann.
Gott hat auch diesen gelähmten Mann lieb.
Er hat ihn nicht gestraft.
Es ist nicht seine Schuld, dass er nicht laufen kann.“

Dann sagt er freundlich zu Thaddäus:
„Kannst du wirklich nicht aufstehen? Oder traust du dich nicht?“
Thaddäus sieht ihn nur an.
„Wie heißt du eigentlich?“ fragt Jesus.
„Alle nennen mich nur Spasti,“ meint Thaddäus. „Aber ich heiße Thaddäus.“
„Komm, steh auf, Thaddäus!“ sagt Jesus.
„Nimm deine Decke und geh nach Hause!“

Da hat Thaddäus auf einmal keine Angst mehr.
Sollen die anderen doch lachen!
Jesus lacht ihn nicht aus.
Er lacht ihn nur an und hält ihm seine Hand hin.
Da nimmt Thaddäus die Hand von Jesus und – steht auf.
Er wackelt hin und her, vor und zurück.
Aber er kann stehen, auf seinen eigenen Beinen.
Die anderen wagen nicht zu lachen.
Ihnen bleibt der Mund offen stehen.

Dann nimmt Thaddäus seine Decke auf die Schulter und geht hinaus.
Die Menschen staunen.
Die vier Männer oben auf dem Dach danken Gott,
dass er ihrem Freund geholfen hat.
Sie laufen schnell die Treppe herunter.
Sie freuen sich und begleiten ihn nach Hause.
Thaddäus wackelt hin und her, vor und zurück,
aber er fällt nicht um.
Die Freunde können ihn fast nicht einholen.
Und keiner lacht ihn aus.

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