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Kinder der Gier? Nein: Kinder Gottes!

Hat der noch eine Lebenschance, der sich von eigenen Begierden hat in Versuchung führen lassen, der egoistisch um sein Ich kreist, der Ängste aussteht, er könne zu kurz kommen, wenn er nicht die attraktive andere Frau kriegt? Ist alles verloren, wenn wir zu feige sind, auch angesichts von Gefahr unseren Glauben mutig zu bekennen?

Smilie mit Dollarzeichenaugen als Symbol der Gier nach Geld
Eine der Formen von Begierde ist die Geldgier (Bild: Alexas_FotosPixabay)

#predigtGottesdienst am Sonntag Invokavit, den 9. März 2014, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Am ersten Sonntag in der Passionszeit begrüße ich Sie mit dem Wort zur Woche aus 1. Johannes 3, 8:

Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.

Lied 454: Auf und macht die Herzen weit
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Wir beten mit Psalm 38, der im Gesangbuch unter der Nummer 721 steht. Ich lese die linksbündigen Verse, Sie und ihr bitte die nach rechts eingerückten Teile:

2 Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn und züchtige mich nicht in deinem Grimm!

3 Denn deine Pfeile stecken in mir, und deine Hand drückt mich.

10 Herr, du kennst all mein Begehren, und mein Seufzen ist dir nicht verborgen.

11 Mein Herz erbebt, meine Kraft hat mich verlassen, und das Licht meiner Augen ist auch dahin.

12 Meine Lieben und Freunde scheuen zurück vor meiner Plage, und meine Nächsten halten sich ferne.

14 Ich bin wie taub und höre nicht, und wie ein Stummer, der seinen Mund nicht auftut.

15 Ich muss sein wie einer, der nicht hört und keine Widerrede in seinem Munde hat.

16 Aber ich harre, Herr, auf dich; du, Herr, mein Gott, wirst erhören.

18 Denn ich bin dem Fallen nahe, und mein Schmerz ist immer vor mir.

19 So bekenne ich denn meine Missetat und sorge mich wegen meiner Sünde.

22 Verlass mich nicht, Herr, mein Gott, sei nicht ferne von mir!

23 Eile, mir beizustehen, Herr, du meine Hilfe!

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, gerne möchten wir Menschen sein, die für andere wie ein Fels in der Brandung sind. Dabei fällt es uns selber oft auch schwer, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Gott, es gibt Tage, da kommen wir ins Schwanken und drohen selbst zu fallen. So rufen wir zu dir:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer. (Jesaja 54, 10)

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, du schenkst uns Freiheit und Verstand und du beteiligst uns an der Verantwortung für deine Welt. Dafür danken wir dir und bitten dich: Gib uns den Mut, unsere Freiheit zu gebrauchen, um uns einzusetzen für eine gerechte Gesellschaft, in der jeder einzelne Mensch etwas zählt, und bewahre uns davor, auf andere Menschen herabzublicken. Erneuere uns durch deinen Geist. Darum bitten wir dich durch Jesus Christus, unseren Bruder und Herrn. „Amen.“

Wir hören den Text zur Predigt aus dem Brief des Jakobus 1, 12-18:

12 Selig ist der [Mensch], der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben.

13 Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand.

14 Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt.

15 Danach, wenn die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod.

16 Irrt euch nicht, meine lieben [Geschwister].

17 Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis.

18 Er hat uns geboren nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, damit wir Erstlinge seiner Geschöpfe seien.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis
Lied 299, 1-3:

1. Aus tiefer Not schrei ich zu dir, Herr Gott, erhör mein Rufen. Dein gnädig‘ Ohren kehr zu mir und meiner Bitt sie öffne; denn so du willst das sehen an, was Sünd und Unrecht ist getan, wer kann, Herr, vor dir bleiben?

2. Bei dir gilt nichts denn Gnad und Gunst, die Sünde zu vergeben; es ist doch unser Tun umsonst auch in dem besten Leben. Vor dir niemand sich rühmen kann, des muss dich fürchten jedermann und deiner Gnade leben.

3. Darum auf Gott will hoffen ich, auf mein Verdienst nicht bauen; auf ihn mein Herz soll lassen sich und seiner Güte trauen, die mir zusagt sein wertes Wort; das ist mein Trost und treuer Hort, des will ich allzeit harren.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde!

Einen Predigttext mit schwierigen Wörtern und schwierigen Gedanken haben wir gehört. Es geht um Anfechtungen und Versuchungen, und schon bei dem ersten Wort weiß ich, dass kaum jemand heute noch etwas damit anfangen kann. Ganz schwach erinnere ich mich, dass meine Mutter mir einmal erzählte, dass ihr Glaube in ihrer Jugendzeit und dann im Zweiten Weltkrieg oft angefochten gewesen sei. Anfechtung ist also eine Art Angriff auf das Gottvertrauen, das in persönlichen Krisen oder auch in schweren Notlagen wie im Krieg hart auf die Probe gestellt werden kann. Es ist, als ob eine böse Macht einen Fechtkampf mit uns austrägt, bei dem wir durchaus verwundet werden können. In Zeiten der Christenverfolgung, die Jakobus hautnah miterlebt hat, konnten es auch tödliche Bedrohungen sein, die durchgestanden werden mussten.

Von diesen Anfechtungen sagt nun Jakobus:

12 Selig ist der [Mensch], der die Anfechtung erduldet.

Unser Predigttext beginnt mit einer Seligpreisung. So wie Jesus sagt: „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden“, so preist Jakobus diejenigen glücklich, die Anfechtungen durchstehen. Für jemanden, der sich fragt, ob Gott ihn in schweren Zeiten vergessen hat, kann das tröstlich sein: Nein, so paradox es klingt, gerade die Menschen, deren Glaube schwach zu sein scheint, die manchmal zittern und zagen, weil sie nicht mehr aus noch ein wissen, sie gehören dennoch zu den in Gottes Augen glücklichen Menschen. Jakobus nennt als Grund dafür:

Denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben.

Wer Anfechtungen durchsteht und nicht aufhört, Gott liebzuhaben, auf Gott zu vertrauen, dem wird die Krone des Lebens geschenkt. Kronen tragen normalerweise Könige; Gott setzt uns allen eine Krone auf, wir dürfen wie Könige in wahrer Selbstbestimmung leben, mit einer inneren Stärke, durch die wir es nicht nötig haben, andere zu betrügen, niederzumachen oder auszunutzen. Und wer zum Beispiel in einer Verfolgungszeit den körperlichen Tod erleiden muss, darf auf eine ewige Krone des Lebens im Himmel hoffen.

Wörtlich steht da im Griechischen übrigens das Wort „Siegeskranz“. Menschen, die auf Gott vertrauen, sind also Gewinner, auch wenn sie scheinbar wie Verlierer aussehen.

Im Jahr 2014 möchte ich daran erinnern, dass dieser Gedanke, sich in Anfechtungen bis zum Tode zu bewähren und dafür die Krone des Lebens zu empfangen, vor ziemlich genau 100 Jahren gnadenlos für einen politischen Zweck ausgenutzt wurde. Damals, im Jahr 1914, begann ja der Erste Weltkrieg, und es gab zahlreiche Politiker und auch Kirchenvertreter, die jungen Soldaten die „Krone des Lebens“ versprachen, wenn sie mit Gott im Bunde für das deutsche Vaterland in den Krieg gegen Engländer, und Franzosen und andere Völker zogen. Ich rege an, darüber nachzudenken, ob es nicht eine kleine Minderheit von Christen war, die sich damals wirklich bewährt hat, weil sie den Kriegswahnsinn nicht mitmachen wollten. Am 3. August 1914 mussten auf dem Kölner Hauptbahnhof zwei Freunde für viele Jahre voneinander Abschied nehmen: der deutsche Pastor Friedrich Siegmund-Schultze und der Engländer Henry Hodgkin, der der kleinen Friedenskirche der Quäker angehörte. Sie versprachen sich, „dass sich zwischen ihnen nichts ändern solle durch den beginnenden Krieg, und dass allein Christus ihre Handlungen bestimmen solle“. Sie und wenige andere gründeten noch im selben Jahr 1914 den Internationalen Versöhnungsbund, der bis heute besteht und dem heute nicht nur Christen, sondern Menschen aller Weltreligionen angehören.

Aber zurück zu unserem Bibeltext aus dem Jakobusbrief. Er beantwortet als nächstes die Frage, woher eigentlich die Anfechtungen des Glaubens kommen, und definiert dabei das Wort Anfechtung zuerst einmal um:

13 Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand.

Statt von Anfechtungen redet Jakobus nun von Versuchungen. Beides ist für ihn ungefähr das Gleiche. Aber während die Anfechtung von außen zu kommen scheint, betont das Wort Versuchung die eigene Verantwortung im Umgang mit Anfechtungen. Wenn ich in Versuchung gerate, lasse ich mich verführen und gelange in den Bannkreis der Sünde, des Bösen. In der Bibel gibt es auch den Gedanken, dass Gott uns auf die Probe stellen kann; Abraham hat das erfahren, ebenso Hiob, im Vaterunser formuliert sogar Jesus eine Bitte so, als ob Gott uns in Versuchung führen könne, aber das bitte nicht tun soll. Jakobus stellt klar: Wenn jemand in die Versuchung gerät, etwas zu tun, was nicht in Ordnung ist, ja, was regelrecht böse ist, der kann sich nicht damit herausreden, dass Gott ihn ja in diese Versuchung hineingeführt hat. Jesus meint nicht das Gegenteil, sondern dasselbe, wenn er es für notwendig hält, dass wir Gott regelmäßig darum bitten, uns vor Versuchungen zu bewahren. Es sind nicht Versuchungen, mit denen Gott selber uns konfrontiert, sondern in denen Gott uns hilfreich beistehen will.

Sehr eindringlich ermahnt Jakobus seine Geschwister im Glauben, beim Nachdenken über Gott keinen Irrtum zu begehen:

16 Irrt euch nicht, meine lieben [Geschwister].

Ein Irrtum wäre es, zu denken, Gott könne böse und gut zugleich sein. Jakobus ist überzeugt: Gott ist nur gut, und alles, was gut ist, kommt von ihm zu den Menschen:

17 Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis.

Wenn wir bei diesem Satz stutzen und denken: Aber gibt es nicht doch Veränderungen in Gott, wenn es in der Bibel heißt, dass er etwas bereut oder dass er sich auf Grund von Gebeten zu einer Sinnesänderung bewegen lässt, dann gebe ich zu bedenken: Jakobus geht es darum, dass das grundsätzliche Wesen Gottes unwandelbar ist, seine Liebe, seine Güte, dass er es wirklich gut meint mit seinen Geschöpfen. Das ist der Grund für die feste Überzeugung des Jakobus, dass nicht Gott selbst uns in Versuchungen hineinführt – nein, Gott ist nur Licht, von ihm kommen nur gute und vollkommene Gaben.

Aber warum zum Kuckuck geraten wir in die Versuchung, den Glauben zu verlieren und Böses zu tun?

14 Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt.

Mit dem Stichwort „Begierde“ ruft Jakobus mir die Paradiesgeschichte in Erinnerung. Wo wir Menschen mit den guten Gaben Gottes nicht zufrieden sind, wo wir uns wie Eva im Paradies von einer bösen Schlangenstimme einreden lassen, Gott gönne uns überhaupt nichts Gutes, da erwacht in uns eine Begierde, die uns reizt und lockt, genau das zu wollen und zu tun, was Gott nicht will und uns verboten hat, weil es nicht gut für uns ist (1. Buch Mose – Genesis 3, 1-6). Jakobus fährt fort mit einem krassen bildlichen Vergleich (Jakobus 1):

15 Danach, wenn die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod.

Wenn sich in uns eine Gier zu Wort meldet, ein Verlangen, das immer unabweisbarer wird, obwohl wir genau wissen, diese Begierde bringt uns nicht wirklich etwas Gutes, dann ist es, als ob diese Gier schwanger ist und ein Kind zur Welt bringt, kein süßes Baby, kein Gottesgeschenk, sondern das Kind der Gier heißt Sünde.

Was Sünde ist, muss man immer wieder neu erklären: sie ist eine Haltung, in der wir uns von Gott abwenden, in der wir von Gottes Güte und vom Guten überhaupt nichts mehr wissen wollen, in der wir nicht mehr vertrauensvoll leben können. Und diese Sünde kriegt auch ein Kind, sie gebiert den Tod. Aber das kann doch nicht stimmen, hat schon die Schlange der Eva entgegnet, ganz im Gegenteil, wer selber ist wie Gott, der überwindet den Tod, der ist unsterblich (1. Buch Mose – Genesis 3, 5). Oder?

Tatsächlich sterben wir nicht buchstäblich, nicht sofort körperlich, wenn wir in Sünde leben. Aber trotzdem ist der Tod ist ein Kind der Sünde. Denn Sünde ist ein Zustand, der Beziehungen zerstört und Lebensmöglichkeiten verhindert. In Sünde statt im Gottvertrauen zu leben, das ist im Grunde kein Leben: da fehlt es an allem, was lebenswert ist, da fehlen Glaube, Hoffnung und Liebe, da muss man verdrängen, was das eigene Gewissen sagt. So führen uns unsere eigenen Begierden auf der Straße der Versuchung in die Sünde hinein bis in einen Tod, den wir schon mitten im Leben erleiden.

Was für Begierden könnten uns konkret in Versuchung führen? Vermutlich sieht das für jeden einzelnen anders aus. Was könnte uns dazu bringen, etwas zu tun, was unserem Wesen und Willen eigentlich widerspricht? Müsste uns nur genug Geld geboten werden? Einige Beispiele fallen mir ein: Was bringt eine Bürgerin der Gießener Nordstadt dazu, sich bei einer Talkshow anzumelden und Einzelheiten über ihre Familie zu erzählen? Ist es das Honorar? Ist es der Wunsch, einmal ins Fernsehen zu kommen? Oder: Was sucht ein Mann bei einer jüngeren Geliebten, der sich glücklich schätzen könnte, eine starke, selbstbewusste Frau zu haben, und stolz auf seine Kinder im Teenageralter sein könnte? Tragikomisch erscheint bei der Geschichte, dass ihn offenbar die Geliebte ihrerseits betrügt, ohne dass er es weiß. Wenn Versuchungen Sünde hervorbringen und Sünde den Tod, kann man sich ausmalen, wie schwer es ist, aus einem solchen Schlammassel wieder herauszukommen.

Jakobus denkt übrigens noch an eine andere Quelle von Versuchungen, nämlich die Todesangst. Zu seiner Zeit wurden ja viele Christen mit harten Strafen bis hin zum Tod bedroht, wenn sie dem Glauben an Jesus Christus nicht abschwören wollten. Ist es nicht verständlich, das eigene Leben retten zu wollen, wenn es hieß: „Entweder du erkennst den Kaiser als Gott an und bringst ihm ein Opfer dar, oder du musst du sterben!“ Jakobus ist aber der Überzeugung, dass gerade die Bewährung in dieser Anfechtung zum Leben führt. Wer der Versuchung erliegt, rettet zwar sein körperliches Leben, aber er verrät, woran er im Innersten glaubt. Umgekehrt: wer das Vertrauen zu Gott bewahrt, der sich im gekreuzigten Jesus Christus offenbart, der wird auch mit Jesus Christus auferstehen, wird mit ihm die Krone des Lebens empfangen. In unserem Land erscheinen uns solche Überlegungen weit hergeholt und unrealistisch; niemand würde uns in Deutschland wegen unseres christlichen Glaubens töten wollen. Aber in vielen Ländern der Welt gibt es fanatische Anhänger anderer Religionen oder Ideologien, die ihre christlichen Mitbürger auch heute noch mit Benachteiligungen und sogar mit dem Tod bedrohen.

Es bleiben offene Fragen, die ich an Jakobus richten möchte:

Wie kommen wir heraus aus dem Schlammassel der Sünde? Also: Hat der noch eine Lebenschance, der sich von eigenen Begierden hat in Versuchung führen lassen, der nur egoistisch um sein eigenes kleines Ich kreist, der Ängste aussteht, er könne zu kurz kommen, wenn er nicht die attraktive andere Frau kriegt, weil die eigene Frau zu langweilig oder zu anstrengend geworden ist? Oder: Ist alles verloren, wenn wir zu feige sind, auch angesichts von Gefahr zu unserer Überzeugung zu stehen, unseren Glauben mutig zu bekennen?

Eine überraschende Antwort auf diese Fragen schenkt uns Jakobus im letzten Vers unseres Predigttextes:

18 [Gott] hat uns geboren nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, damit wir Erstlinge seiner Geschöpfe seien.

Jakobus spricht ein weiteres Mal bildlich von einer Geburt. Aber während er vorher gesagt hat, dass unsere innere Einstellung der Gier die Missgeburt der Sünde hervorbringt und die wiederum die Missgeburt eines Todes, den wir schon mitten im Leben erleiden, sagt er nun, dass wir selber von Gott geboren sind. Wir sind Kinder Gottes, das ist und bleibt so, das macht unsere Menschenwürde aus, die kann uns niemand nehmen, auch wenn wir sie selber mit Füßen treten, wenn wir uns so verhalten, als seien wir Kinder des Teufels.

Aber eben das sind wir nicht, kein Mensch ist einfach rettungslos dem Bösen verfallen. Wir sind nicht gleichzusetzen mit unserer inneren Begierde, die uns zur Sünde verführen will und die uns den Tod bringt. Gott hat die Macht, uns wie neugeboren werden zu lassen, und zwar durch das Wort der Wahrheit. Mit diesem Wort der Wahrheit ist gemeint, was vorhin schon gesagt wurde: Gott ist nur gut, Gott ist nur Liebe, in der ganzen Bibel offenbart er sich als ein Gott, der für die Menschen Gerechtigkeit und Frieden und Liebe will. Selbst wo Gott zornig ist, ist sein Zorn nur die Kehrseite seiner Liebe, weil er zornig auf die Missgeburt unserer inneren Gier ist, auf die Sünde, die uns den Tod des Unrechts, des Krieges, des Hasses und der Gleichgültigkeit bringt. Fleisch und Blut hat das Wort der Wahrheit in Jesus Christus angenommen; im Vertrauen auf ihn können wir sowohl Vergebung empfangen, wo wir schuldig geworden sind, als auch Mut gewinnen, um unsere Ängste zu überwinden.

Vertrauen auf Vergebung heißt: Wir können aufhören, einen Weg der Sünde immer weiter zu beschreiten. Wir können innehalten und wahrnehmen, wem wir wehgetan haben, wir können umkehren, gemeinsam Lösungen für Konflikte suchen und auch Hilfe in Anspruch nehmen, wenn wir allein keinen Ausweg aus unseren Problemen sehen.

Mut gewinnen können wir vielleicht dadurch, dass wir uns daran erinnern: Auch Jesus musste Ängste durchstehen. Auch er hatte Angst vor den Schmerzen, die ihm Menschen zufügten, Angst vor dem Tod, Angst vor dem Weg, den Gott ihm zumutete. Er betete im Garten Gethsemane, bevor er verhaftet und abgeführt wurde (Lukas 22, 42):

Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!

Aber war es dann nicht doch Gott, der Jesus auf die Probe stellte, in Versuchung führte? Nein, denn Jesus erlitt nicht Gewalt von seinem himmlischen Vater, sondern von Menschen, die in Sünde verstrickt waren. Um die Sünde zu überwinden, mutete es der Vater seinem Sohn zu, dieses Leiden auf sich zu nehmen und durchzustehen. Die Liebe des Vaters, diese heilige Geistkraft von Gott, sie war so vollkommen in Jesus am Werk, dass Jesus seine Todesangst überwinden konnte. Diese Liebe ist stärker als der Tod, als die Sünde, als jede Versuchung und als jede menschliche Begierde. Jesus sagt (Johannes 16, 33):

In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen das Lied 599. Es ist ein Lied im Geiste des Jakobus und enthält Seligpreisungen als Muntermacher und ein gutes Gegengift gegen Versuchungen:

Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt
Fürbitten und Gebetsstille und Vater unser
Lied 590: Herr, wir bitten: Komm und segne uns
Abkündigungen

Empfangt Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. Amen, Amen, Amen!

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