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„Wer bin ich unter Millionen?“

Kann Gott wirklich alle Menschen lieben? Es gibt doch Millionen und Abermillionen Menschen. Sollte Gott wirklich jede einzelne dieser Seelen kennen und sogar lieb haben? Auch der Dichter Johann Gottfried Hermann staunt, dass Gott Pläne hat mit jedem Menschen. Auch wenn wir gemessen vor Gott nur so groß sind wie kleine Staubkörnchen: Wir sind Gott wichtig.

Eine Balkenspiralgalaxie im Sternbild Eridanus
Unbedeutend erscheint ein einzelner Mensch im unvorstellbar riesigen Weltall (Bild: Pixabay)

Gottesdienst am 8. Juli 2011 um 10.00 Uhr im Ensemble-Pflegeheim Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Wieder sind wir im Gottesdienst beieinander. Ich bin Pfarrer Helmut Schütz von der Evangelischen Paulusgemeinde und begrüße Sie alle herzlich.

Wir feiern unseren Gottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Im Mittelpunkt dieses Gottesdienstes steht das Thema „Wunderliebe“. Dieses Wort stand im Text eines alten Kirchenliedes, und ich will nachher über diese Wunderliebe predigen.

Zuerst singen wir aber ein anderes Lied, das Sie bestimmt alle kennen:

1. Großer Gott, wir loben dich, Herr, wir preisen deine Stärke. Vor dir neigt die Erde sich und bewundert deine Werke. Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.

5. Dich, Gott Vater auf dem Thron, loben Große, loben Kleine. Deinem eingebornen Sohn singt die heilige Gemeinde, und sie ehrt den Heilgen Geist, der uns seinen Trost erweist.

11. Herr, erbarm, erbarme dich. Lass uns deine Güte schauen; deine Treue zeige sich, wie wir fest auf dich vertrauen. Auf dich hoffen wir allein: lass uns nicht verloren sein.

Wir beten mit Worten aus Psalm 30: Herr, mein Gott, ich will dir danken!

2 Ich preise dich, Herr; denn du hast mich aus der Tiefe gezogen.

3 Herr, mein Gott, als ich schrie zu dir, da machtest du mich gesund.

5 Lobsinget dem Herrn, ihr seine Heiligen, und preiset seinen heiligen Namen!

6 Denn sein Zorn währet einen Augenblick und lebenslang seine Gnade. Den Abend lang währet das Weinen, aber des Morgens ist Freude.

12 Du hast mir meine Klage verwandelt in einen Reigen, du hast mir den Sack der Trauer ausgezogen und mich mit Freude gegürtet,

13 dass ich dir lobsinge und nicht stille werde. Herr, mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit. Amen.

Wir singen von Gottes Ewigkeit, wir erhoffen uns von Gott ein erfülltes Leben auf der Erde und die Glückseligkeit im Himmel.

Gott, schenke uns das Vertrauen zu dir und lass uns nach deinem Willen leben. Und unsere traurigen Gedanken legen wir in deine Hände. Amen.

Wir hören die Lesung aus dem Brief an die Hebräer 10, 35-36.39:

35 Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.

36 Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt.

39 Wir aber sind nicht von denen, die zurückweichen und verdammt werden, sondern von denen, die glauben und die Seele erretten.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Amen.

Liebe Gemeinde, in der Predigt geht es heute um ein Lied, in dem Johann Gottfried Hermann vor über 200 Jahren die Ewigkeit besungen hat. Lesen Sie den Text bitte mit auf dem Liedblatt.

1.Geht hin, ihr gläubigen Gedanken, ins weite Feld der Ewigkeit,
erhebt euch über alle Schranken der alten und der neuen Zeit;
erwägt, dass Gott die Liebe sei, die ewig alt und ewig neu!

Gläubige Gedanken sind Gedanken voller Vertrauen. Die kommen weniger aus dem Kopf als aus dem Herzen. Die erheben sich zu Gott und sind offen für seine Liebe, die immer schon da war, die nie zu alt wird, die immer neu ist. Gott liebt uns, so wie wir sind. „Erwägt, dass Gott die Liebe sei!“ So ruft uns der Liederdichter zu; überlegt mal: Gott hat diese Welt aus Liebe geschaffen und uns mit! Ist das nicht wunderbar?

Weiter mit der zweiten Strophe. Wie weit reicht die Liebe bei Gott zurück?

2. Der Grund der Welt war nicht geleget, der Himmel war noch nicht gemacht,
so hat Gott schon den Trieb geheget, der mir das Beste zugedacht;
da ich noch nicht geschaffen war, da reicht er mir schon Gnade dar.

Gott hat schon an uns gedacht, als es noch gar keine Welt gab, sondern nur Gott selbst. So wichtig dürfen wir uns nehmen. Jedes einzelne Lebewesen spielt in Gottes Plan von Anfang an eine Rolle. Und wie hat Gott seinen Plan durchführen wollen?

3. Sein Ratschluss war, ich sollte leben durch seinen eingebornen Sohn;
den wollt er mir zum Mittler geben, den macht er mir zum Gnadenthron,
in dessen Blute sollt ich rein, geheiliget und selig sein.

„Ich sollte leben.“ Wir alle sollten leben. Menschlich leben. Gott wollte von Anfang an nicht nur über der Welt schweben, sondern in die Welt hineingehen als einer von uns. So gab Gott uns seinen eingeborenen Sohn Jesus. Jesus ist wie Gott, er ist die Liebe. Jesus ist aber auch ein Mensch wie wir. Er soll unser „Mittler“ werden, eine Brücke zwischen dem ewigen Gott und uns sterblichen Menschen.

Einen merkwürdigen Namen kriegt Jesus in dieser Strophe: Er wird zum Gnadenthron gemacht. Ein Thron der Gnade, der steht ja wohl im Himmel, und Gott sitzt auf diesem Thron. Und nun können wir uns vorstellen, dass Gott ein Gesicht wie Jesus hat und zu uns sagt: „Ich habe dich lieb, so wie du bist! Lass dich von mir begleiten auf deinen Wegen!“ Und wenn wir dann sagen: „Aber was ist mit meinem schlechten Gewissen? Mit dem, was mich belastet?“ Dann sagt Jesus: „Das ist vergeben. Das spielt keine Rolle mehr. Lieber lasse ich mich selbst von euch töten, als dass ich euch bestrafe!“ So macht uns das Blut Jesu „rein, heilig und selig“. Rein, heilig, selig sind wir nicht aus eigener Kraft. Jesus macht uns rein vom Bösen und fit zum Guten. Heilig sind wir, wenn wir auf Gott vertrauen und nicht auf böse Mächte. Selig sind wir, wenn wir im Gottvertrauen unsere Lebenserfüllung finden.

Weiter wird Gottes Wunderliebe gepriesen in Vers 4:

4. O Wunderliebe, die mich wählte vor allem Anbeginn der Welt
und mich zu ihren Kindern zählte, für welche sie das Reich bestellt!
O Vaterhand, o Gnadentrieb, der mich ins Buch des Lebens schrieb!

Gott ist nicht nur der Vater von Jesus, sondern auch unser Vater. Ein liebevoller Vater, der nur einen Trieb kennt, den „Gnadentrieb“. Ohne Eigennutz liebt dieser Vater uns Menschenkinder. Seine Hand hat uns schon ins ewige Buch des Lebens geschrieben – niemand von uns soll verloren gehen.

5. Wie wohl ist mir, wenn mein Gemüte hinauf zu dieser Quelle steigt,
von welcher sich ein Strom der Güte zu mir durch alle Zeiten neigt,
dass jeder Tag sein Zeugnis gibt: Gott hat mich je und je geliebt!

Zu einem Gott, der uns lieb hat, gehen wir gern, so wie man im Gebirge einen Bach immer weiter hinauf verfolgt, bis man an der Quelle des klaren Wassers angelangt ist. Und so wie wir frisches Wasser brauchen, um unseren Durst zu stillen, so brauchen wir auch den „Strom der Güte“, der von Gott herkommt. Er stillt unseren Durst nach Liebe jeden Tag immer wieder neu.

Aber kann Gott wirklich alle Menschen lieben? Es gibt doch Millionen und Abermillionen Menschen. Im Oktober dieses Jahres schätzt man die Weltbevölkerung auf 7 Milliarden Menschen. Das sind fast 7000 Mal eine Million Menschen. Sollte Gott wirklich jede einzelne dieser Seelen kennen und sogar lieb haben?

Auch unser Lied kennt diesen Zweifel:

6. Wer bin ich unter Millionen der Kreaturen seiner Macht,
die in der Höh und Tiefe wohnen, dass er mich bis hierher gebracht?
Ich bin ja nur ein dürres Blatt, ein Staub, der keine Stätte hat.

Der Dichter staunt, dass Gott überhaupt an ihn gedacht hat, dass er Pläne hat mit jedem Menschen, nicht nur mit den Hochangesehenen, auch mit denen, die sich unbedeutend fühlen. Auch wenn wir gemessen vor Gott nur so groß sind wie kleine Staubkörnchen: Wir sind Gott wichtig. Auch wenn wir uns manchmal so vorkommen wie ein dürres Herbstblatt, das von einem Baum gefallen ist und sterben muss – verloren sind wir darum noch lange nicht!

7. Ja, freilich bin ich zu geringe der herzlichen Barmherzigkeit,
womit, o Schöpfer aller Dinge, mich deine Liebe stets erfreut;
ich bin, o Vater, selbst nicht mein, dein bin ich, Herr, und bleibe dein.

Gewiss, ohne Gott wären wir nichts. Er gab uns das Leben, und ohne seine Liebe wären wir verloren. Aber weil wir ihm gehören, sind wir lebensfähig und das heißt: Wir können lieben!

8. Im sichern Schatten deiner Flügel find ich die ungestörte Ruh.
Der feste Grund hat dieses Siegel: „Wer dein ist, Herr, den kennest du.“
Lass Erde und Himmel untergehn, dies Wort der Wahrheit bleibet stehn!

Wie eine Henne ihre Küken beschützt, so behütet Gott – bildlich gesprochen – unter seinen Flügeln seine Menschenkinder. Wer sonst keine Ruhe findet vor bösen Stimmen und vor einem unmenschlichen Druck, dem er ständig ausgesetzt ist – hier kann er Frieden finden, im Vertrauen zu Gott. Gott kennt uns, er ist aus Liebe an uns interessiert. Nichts steht fester als diese Liebe. Selbst Erde und Himmel können untergehen, aber diese Liebe nicht.

Gilt das alles auch für Menschen, die Unrecht oder große Schmerzen erleiden? Findet wirklich jeder Mensch in Gott Ruhe? Ja, gerade den Schwachen gilt Gottes Kraft besonders:

9. Wenn in dem Kampfe schwerer Leiden der Seele Mut und Kraft gebricht,
so salbest du mein Haupt mit Freuden, so tröstet mich dein Angesicht;
da spür ich deines Geistes Kraft, die in der Schwachheit alles schafft.

Wer am Ende ist, möchte am liebsten aufgeben, weil er keinen Mut mehr hat. Er fühlt sich zu schwach um weiter anzukämpfen gegen Schmerzen oder bedrängende innere Stimmen. Dann ist es gut, zu wissen: Ich darf schwach sein. Ich darf mich mutlos fühlen. Ich darf warten und hoffen, bis ich neue Kraft spüre – gerade in der Schwachheit. Unverhofft kommt mir etwas zu, eine Freude, mit der ich nicht gerechnet hatte, ein Gesicht, das mir zulächelt, das sich mir zuwendet, das mich ernst nimmt.

Einen weiten Bogen umspannt unser Lied: aus der Vorzeit, von der nur Gott etwas weiß, bis in eine Zukunft, die unseren Augen ebenfalls verschlossen ist:

10. Die Hoffnung schauet in die Ferne durch alle Schatten dieser Zeit;
der Glaube schwingt sich durch die Sterne und sieht ins Reich der Ewigkeit;
da zeigt mir deine milde Hand mein Erbteil und gelobtes Land.

Unser Blick in die Zukunft ist oft getrübt durch die „Schatten dieser Zeit“, durch all die Katastrophen und Kriege, die unsere Welt zerreißen. Aber wer Gott vertraut, darf weiter blicken als nur auf das, was Menschen im Sinn haben. Wie oft ist etwas gut ausgegangen, was wir nicht zu hoffen wagten, denken wir nur an die Öffnung der innerdeutschen Grenze vor 22 Jahren. Und wir dürfen an ganz persönliche Bewahrungen in unserem Leben denken.

Aber ganz weit hinter die Schatten dieser Zeit blickt unser Lied nun doch auch wirklich in das Leben hinein, das uns nach unserem Tode blüht. Dort in Gottes Ewigkeit haben wir ein „Erbteil“ zu erwarten, eine Heimat, die uns keiner nehmen kann und die so schön ist, dass wir sie uns mit unserer Phantasie nicht ausmalen können. Hier auf dieser Erde beschenkt uns Gott mit Liebe. Dort im Himmel schenkt er uns ewige Freude. Amen.

Ewiger Gott, ewig barmherziger Gott! Dir vertrauen wir uns an! In deinen Armen sind und bleiben wir geborgen. An deiner Hand haben wir Orientierung und gute Wegweisung. Zeige uns den nächsten Schritt, den wir gehen können! Gib uns Kraft, Geduld zu üben und auszuhalten, was wir tragen müssen! Schenke uns Mut und Hoffnung, auch wenn wir die Zukunft nicht kennen. Und wenn wir einmal sterben müssen, schenke uns im Himmel eine Heimat in ewiger Liebe und Freude. Amen.
Gebetsstille und Vater unser

Zum Schluss singen wir noch die beiden allerletzten Strophen aus unserem Lied. Sie singen davon, wie man Gott loben kann, hier auf Erden und später einmal in der Ewigkeit:

11. Ach könnt ich dich nur besser ehren, welch edles Loblied stimmt ich an;
es sollten Erd und Himmel hören, was du, mein Gott, an mir getan;
nichts ist so köstlich, nichts so schön als, höchster Vater, dich erhöhn.

12. Doch nur Geduld, es kommt die Stunde, da mein durch dich erlöster Geist
im höhern Chor mit frohem Munde dich, schönste Liebe, schöner preist;
drum eilt mein Herz aus dieser Zeit und sehnt sich nach der Ewigkeit.

Gott segne dich und er behüte dich. Er lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir seinen Frieden. Amen.

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