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Aufruf zum Realismus der Hoffnung

Paulus ist Realist. Er sieht die Leiden dieser Zeit: sogar Kinder leiden, ganze Arten von Tieren und Pflanzen sterben. Doch Paulus ist kein Pessimist. Die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen, doch auf Hoffnung. Wie durch die Menschen viel Unheil in die Welt gekommen ist, soll der Mensch auch Gottes Werkzeug der Hoffnung sein.

Die Silhouetten einer Frau und eines Mannes neben einem Glas Milch. Sie sagt "halb voll!", er sagt "halb leer!"
Paulus ist weder Optimist noch Pessimist, sondern Realist der Hoffnung (Bild: Gerd AltmannPixabay)

#predigtAbendmahlsgottesdienst am Volkstrauertag, den 15. November 1998, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen
Begrüßung
Lied 259, 1-3:

1) Kommt her, des Königs Aufgebot, die seine Fahne fassen, dass freudig wir in Drang und Not sein Lob erschallen lassen. Er hat uns seiner Wahrheit Schatz zu wahren anvertrauet. Für ihn wir treten auf den Platz, und wo’s den Herzen grauet, zum König aufgeschauet.

2) Ob auch der Feind mit großem Trutz und mancher List will stürmen, wir haben Ruh und sichern Schutz durch seines Armes Schirmen. Wie Gott zu unsern Vätern trat auf ihr Gebet und Klagen, wird er, zu Spott dem feigen Rat, uns durch die Fluten tragen. Mit ihm wir wollen’s wagen.

3) Er mache uns im Glauben kühn und in der Liebe reine. Er lasse Herz und Zunge glühn, zu wecken die Gemeine. Und ob auch unser Auge nicht in seinen Plan mag dringen: er führt durch Dunkel uns zum Licht, lässt Schloss und Riegel springen. Des wolln wir fröhlich singen!

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

November, nasskaltes Wetter, fallendes Herbstlaub, Ende des Kirchenjahres, Totengedenktage – dieser Monat lädt eher zu trüben als zu frohen Gedanken ein. Doch im Gottesdienst suchen wir einen Ausweg aus Depression und Verzagtheit. Wir dürfen es Gott zutrauen, dass er uns zweierlei schenkt: einen klaren Blick für die Realität und zugleich Hoffnung.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

O Gott, wenn wir uns vorstellen, wir stehen vor dem Richterstuhl Christi – dann fallen uns alle unsere Sünden ein – und zugleich möchten wir sie verdrängen. Wir fangen an abzuwägen – ganz so schlimm war es ja doch nicht, andere haben viel bösere Dinge getan, aber wir sind uns manchmal nicht ganz sicher, wie viel du bereit bist, zu verzeihen. Wir fühlen uns verstrickt in Teufelskreise der Politik, die zu Kriegen führen, aus denen es keinen Ausweg zu geben scheint. Und auch wenn wir daran denken, was wir Menschen der Natur antun, in einem Teufelskreis aus wissenschaftlichem Fortschritt und Umweltzerstörung, dann fühlen wir uns schuldig und machtlos zugleich. Darum bitten wir dich, Gott:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Wer nun vor Gott die eigene Schuld bekennen und Ihn um Vergebung bitten möchte, der sage laut oder leise oder auch still in seinem Herzen:

Ja!

Der Richterstuhl Christi muss kein Schreckensbild für uns Christen sein. Er steht für zweierlei: dass Christus kein Unrecht duldet – und dass auf diesem Stuhl ein barmherziger Richter sitzt. Wer Böses erleidet, kommt zu seinem Recht. Doch auch wer Böses tut, darf hoffen: dass Reue neue Türen öffnet, dass Vergebung das Böse überwindet. Darum:

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Großer Gott, wir zweifeln manchmal daran, ob diese Welt noch zu retten ist. So viel Böses geschieht unter der Sonne, und an manchem sind wir beteiligt, vieles lassen wir geschehen ohne einzugreifen. Ich wünsche uns, dass wir unterscheiden lernen zwischen Depression und schmerzlösender Trauer, zwischen Bitterkeit und einem Zorn, der uns energisch für das Gute eintreten lässt. Amen.

Wir hören die Schriftlesung aus dem 1. Buch Mose – Genesis 6, 12-19:

12 Da sah Gott auf die Erde, und siehe, sie war verderbt; denn alles Fleisch hatte seinen Weg verderbt auf Erden.

13 Da sprach Gott zu Noah: Das Ende alles Fleisches ist bei mir beschlossen, denn die Erde ist voller Frevel von ihnen; und siehe, ich will sie verderben mit der Erde.

14 Mache dir einen Kasten von Tannenholz und mache Kammern darin und verpiche ihn mit Pech innen und außen.

17 Denn siehe, ich will eine Sintflut kommen lassen auf Erden, zu verderben alles Fleisch, darin Odem des Lebens ist, unter dem Himmel. Alles, was auf Erden ist, soll untergehen.

18 Aber mit dir will ich meinen Bund aufrichten, und du sollst in die Arche gehen mit deinen Söhnen, mit deiner Frau und mit den Frauen deiner Söhne.

19 Und du sollst in die Arche bringen von allen Tieren, von allem Fleisch, je ein Paar, Männchen und Weibchen, dass sie leben bleiben mit dir.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis

Wir singen aus dem Lied 148 die Strophen 1, 4 und 9. Ich habe das Lied nicht versehentlich herausgesucht oder mich in der Jahreszeit vertan – auch wenn da von der Sommerzeit die Rede ist, gehört das Lied zur etwas dunkleren Jahreszeit am Ende des Kirchenjahres. Es spricht von der Sehnsucht nach dem Sommer, nach Licht und Wärme, nach Hoffnung in einer kalten und bösen Welt:

1) Herzlich tut mich erfreuen die liebe Sommerzeit, wenn Gott wird schön erneuen alles zur Ewigkeit. Den Himmel und die Erde wird Gott neu schaffen gar, all Kreatur soll werden ganz herrlich, schön und klar.

4) Also wird Gott erlösen uns gar von aller Not, vom Teufel, allem Bösen, von Trübsal, Angst und Spott, von Trauern, Weh und Klagen, von Krankheit, Schmerz und Leid, von Schwermut, Sorg und Zagen, von aller bösen Zeit.

9) Ach Herr, durch deine Güte führ mich auf rechter Bahn; Herr Christ, mich wohl behüte, sonst möcht ich irre gahn. Halt mich im Glauben feste in dieser bösen Zeit, hilf, dass ich mich stets rüste zur ewgen Hochzeitsfreud.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Zur Predigt hören wir aus dem Brief des Paulus an die Römer 8, 18-25:

18 Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.

19 Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden.

20 Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit – ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat -, doch auf Hoffnung;

21 denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes.

22 Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet.

23 Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes.

24 Denn wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht?

25 Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld.

Liebe Gemeinde! Wie viele unter uns im Monat November besinnt sich Paulus auf das Leiden. Zwei von seinen Gedankengängen möchte ich näher erläutern. Erstens stellt er das Leiden in einen großen Zusammenhang: Nicht nur wir Menschen leiden, sondern die ganze Schöpfung mit uns. Nicht nur viele Menschenkinder seufzen und stöhnen unter Vernachlässigung, Misshandlung, einem Leben ohne Liebe, sondern auch die Tier- und Pflanzenwelt sehnt sich nach der Erlösung aus Ausbeutung und Verlorenheit. Zweitens versieht Paulus das Nachdenken über das Leiden in der ganzen Schöpfung mit einem neuen Vorzeichen: Hoffnung.

Die erste Sichtweise wirkt sehr modern. Uns wird immer bewusster, wie sehr wir Menschen abhängig sind von unserer Umwelt, wie sehr wir aber auch Einfluss nehmen auf das Gleichgewicht der Natur. Man begradigt Flussläufe, und Überschwemmungen werden häufiger. Man verheizt jahrmillionenalte Energievorräte, und wir wissen noch nicht, ob durch die langfristige Temperatursteigerung irgendwann einmal die Polkappen abschmelzen und der Meeresspiegel steigt. Vorgestern stand in der Zeitung: „Liebeskranke Fische stören U-Boote“. So einseitig blicken wir Menschen auf die Natur. Hätten Fische Zeitungen, würden sie schreiben: „U-Boote stören unsere Liebesspiele!“

Welche Rolle spielt der Mensch in der Schöpfung, das ist die Frage. Ist er berechtigt, alle anderen Lebewesen auf dieser Erde auszunutzen, auf die Seite zu drängen und tatenlos zuzusehen, wie immer mehr Tier- und Pflanzenarten ausgerottet werden? Kennen Sie die „Krebsschere“? Das ist die Blume des Jahres 1998, vom Aussterben bedroht. Oder das „Schweinsohr“? Das ist der Pilz des Jahres 1998. Vielleicht ist der „Strömer“ Ihnen ein Begriff? Nein? Das ist der Fisch des Jahres 1998, ebenfalls vom Aussterben bedroht, wie 6000 andere Tier-, Pflanzen- und Pilzarten. Nach der Bibel ist der Mensch verpflichtet, Verantwortung auch für die nichtmenschliche Schöpfung zu übernehmen.

Ob die Welt auch ohne den Menschen existieren könnte, darüber waren wir im Bibelkreis nicht einig. Die einen meinten, wenn der Mensch sich selber irgendwann ausrotten würde, dann würde sich die Ökologie der Erde in einem sehr langen Zeitraum wieder erholen; so wichtig ist der Mensch nicht, dass die ganze Schöpfung mit ihm steht und fällt. Andere hielten dagegen, dass ohne den Menschen als Krone der Schöpfung die ganze Schöpfung sinnlos sei. Vielleicht stimmt ja beides bis zu einem gewissen Grad. Der Mensch ist die höchstentwickelte Lebensform; er hat die Fähigkeit, unabhängig von Instinkten die Zukunft zu planen und Schaden von der Welt zu wenden. Umgekehrt ist er aber auch wie kein anderes Lebewesen dazu in der Lage, sich selbst zu zerstören – und zuvor einen großen Teil der irdischen Schöpfung in den Untergang zu treiben. Die biblische Geschichte der Sintflut erinnert daran: Die Menschheit kann sich selbst zugrunde richten. Gott selbst – so wird erzählt – könnte erwogen haben, das Experiment „Mensch“ auf dieser Erde abzubrechen.

Vielleicht knüpft Paulus daran an, wenn er sagt, dass die Schöpfung nicht aus eigenem Willen der Vergänglichkeit, der Nichtigkeit, der Leere unterworfen ist, sondern durch den, der sie unterworfen hat. Modern gesprochen: die Schöpfung kann nichts dafür, dass der Mensch die ganze Welt als seinen Besitz betrachtet und ausbeutet. Martin Luther lehrte in seiner Vorlesung zum Römerbrief im Jahre 1516:

„Die Kreatur ist der Nichtigkeit unterworfen. Unter ‚Kreatur‘ verstehen die meisten an dieser Stelle den Menschen; er hat teil an aller Kreatur. Besser versteht man jedoch unter ‚Nichtigkeit‘ den Menschen… Es ist wohl wahr: wenn der Mensch nicht wäre, dann gäbe es keine Nichtigkeit; denn alles, was Gott schuf, das ‚war sehr gut’… und ist bis auf den heutigen Tag noch gut… Sie wird also ohne ihre eigene Schuld von außen her nichtig und schlecht und schuldig…“

Dass der Mensch das Gleichgewicht der Naturkräfte massiv durcheinanderbringen und schädigen kann, wusste Luther noch nicht. Für ihn setzte aber der Mensch, der nicht auf Gott vertraut, zu viel Hoffnung auf die Lebenserfüllung innerhalb dieser Welt. Er kann nie genug bekommen, findet keine Ruhe mehr für seine Seele, und die Welt erscheint ihm leer und nichtig.

Die Geschichte der Naturwissenschaft zeigt, wie sehr Luther Recht hatte. Es war ja verständlich, dass man zunächst die Möglichkeiten der Weltbeherrschung überschätzte – schließlich hatte man ja gerade erst mit Recht die religiöse Bevormundung der Wissenschaft durch die Kirche überwunden. Wir brauchen uns nur anzustrengen, dachte man, dann werden wir auf der Erde das größtmögliche Glück für möglichst viele Menschen schaffen. Inzwischen ist dieser Optimismus Vergangenheit, zu viele Nebenwirkungen gehen von den meisten wissenschaftlich-technischen Errungenschaften aus – viel komplizierter ist der ökologische Aufbau unserer Welt, als wir kleinen Menschen uns das haben träumen lassen. Manchmal kommt es mir vor, als wäre der Mensch wie der kleine Enkel, der die Taschenuhr des Opas auseinandergenommen hat und nicht wieder zusammensetzen kann. Das alles lässt viele Menschen heute wieder pessimistisch denken: Ist nicht die ganze Welt ein Ort der Sinnlosigkeit – sind wir Menschen nicht ein wertloses Staubkorn auf einem winzigen Planeten in einem durch Zufall entstehenden und vergehenden Universum?

Hier setzt nun die eigentliche Botschaft des Paulus ein. Zwischen einem trügerischen Optimismus und einem Pessimismus, der nicht weniger in die Irre führt, gibt es für ihn einen sinnvollen dritten Weg. Zwischen den falschen Wegen des Alles oder Nichts schlägt er in unwegsames Gelände die Schneise der Hoffnung. Ich glaube es gibt kein besseres Bild für diese Hoffnung als ein solches Glas. Sie wissen ja: Der Pessimist sagt: „Es ist halb leer!“ Der Optimist dagegen: „Es ist halb voll!“ Ich habe den Eindruck, Paulus wird in diesem Text den Optimisten ein Pessimist und den Pessimisten ein Optimist. Genau genommen wird er beiden ein Realist – ein Realist voller Gottvertrauen.

Er ist Realist: Da sind die Leiden dieser Zeit. Da sind Menschen, die gequält werden, Christen, die verfolgt werden, Kinder, die ohne gute Eltern aufwachsen, Soldaten und Zivilpersonen, die in Kriegen geopfert werden. Da gibt es in einer vom Menschen dominierten Welt heute immer weniger Platz für viele Tier- und Pflanzenarten. Und Tierquälerei ist nicht mehr nur eine Sache böser Buben, sondern Tausende von Tieren müssen in Massenkäfigen dahinvegetieren als billige Fleisch- oder Eierproduktionsmaschinen.

Realist ist Paulus, doch kein Pessimist. Die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen, doch auf Hoffnung. Und die Hoffnung kommt von außen her, von Gott. Aber das geht nicht automatisch oder auf übernatürlichen Wegen, sondern: So wie durch die Menschen viel Unheil in die Welt gekommen ist, so soll der Mensch auch Gottes Werkzeug der Hoffnung sein. Wenn die Menschen zur Vernunft kommen, zur Liebe kommen, zur Freiheit der Kinder Gottes befreit werden – dann hat auch die Schöpfung wieder Hoffnung. Auf dieser Erde gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder das Experiment „Mensch“ wird abgebrochen, die Evolution muss sich auf die Suche nach einer neuen Gattung der Lebewesen machen, die den Namen einer „Krone der Schöpfung“ verdient. Oder der Mensch ändert sich und besinnt sich darauf, dass er als Gottes Ebenbild geschaffen ist, als Kind Gottes, das Liebe erfahren und ausstrahlen darf.

Aber wie lebe ich als Kind Gottes? Dann bin ich nicht völlig unabhängig, das würde mich überfordern. Ich bin frei vom Zwang, mich in einer Welt ohne Liebe selbst verwirklichen zu müssen. Ich darf die Stimme Gottes hören, die mir sagt: Du bist ein wertvoller Mensch, es ist mir wichtig, dass du mit der Welt um dich herum nicht untergehst, das Schreckensbild der Sintflut soll nicht das letzte Wort über diese Welt sein. Wie Noah darfst du inmitten einer untergehenden Welt jeden neuen Tag als ein Geschenk erleben und nutzen. Ich bin nicht ein Leben lang unmündig. Sondern ich trage Verantwortung und kann sie auch tragen, weil ich aus einem Urvertrauen lebe, weil ich weiß, ein guter Vater, eine gute Mutter überfordert mich nicht, Grenzen, die mir gesetzt sind, sind nicht Schikanen eines Tyrannen, sondern sinnvoll, damit ich mir und anderen und der Schöpfung keinen Schaden zufüge.

Sind wir Kinder Gottes inmitten einer guten Schöpfung, dann hat Paulus recht: Die Leiden dieser Zeit sind zwar schwerwiegend, aber sie wiegen nicht so schwer, dass die Waage des Lebens abkippt in totalen Untergang. Es gibt Schmerz, aber es gibt auch Begleitung und Trost. Es gibt Katastrophen, aber es gibt auch Hilfe. Es gibt den Tod, aber es gibt auch die Zuversicht, in Gottes Händen geborgen zu bleiben. Paulus ist gegen eine depressive Überbetonung des Leidens – gegen ein Suhlen im Selbstmitleid, weil man keine schönen Erfahrungen mehr an sich heranlassen möchte, die wieder mit einer Enttäuschung enden könnten. Umgekehrt will Paulus auch keinen platten Optimismus. Auch als Kinder Gottes seufzen wir noch und sehnen wir uns nach Erlösung. Gefangen sind wir in vielen Zwängen, mit und ohne eigenes Zutun. Hoffen bedeutet, dazwischen zu leben, zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Alles und Nichts, zwischen Depression und Illusion – als Realisten halt. Hoffen bedeutet, die Möglichkeiten und Grenzen eines Glases, das halb voll und halb leer ist, realistisch einzuschätzen. Es ist nicht ganz voll – ich muss mich also einschränken, um nicht unzufrieden zu werden. Es ist aber auch nicht ganz leer – und ich wäre dumm, wenn ich verdursten würde, obwohl ich doch trinken kann. Amen.

Und der Friede Gottes, der viel größer ist, als unser Denken und Fühlen erfassen kann, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Fürbittenstille

Wir singen das Lied 430 zur bekannten Melodie des Liedes „Befiehl du deine Wege“:

Gib Frieden, Herr, gib Frieden, die Welt nimmt schlimmen Lauf

Lasset uns danksagen dem Herrn, unserm Gott. „Das ist würdig und recht.“

Gott, du lässt uns als deine Kinder leben – schenkst uns Unvertrauen, Freiheit und Verantwortung für uns und unsere Welt. Manchmal erscheint uns dein Geschenk zu groß – wir können es kaum fassen. Doch wir dürfen es einfach von dir annehmen, so einfach wie wir essen und trinken und die Liebe eines anderen Menschen spüren. Zu dir rufen wir und preisen dich, Heiliger Gott:

Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll. Hosianna in der Höhe. Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe.

Vater unser und Abendmahl

Danket dem Herrn, denn er ist freundlich. Halleluja! „Und seine Güte währet ewiglich. Halleluja!“

Barmherziger Gott, Schöpfer und Erhalter unserer Welt, wir bringen vor dich unsere Klagen und unsere Bitten. Wir klagen über Menschen und Tiere, die gequält werden, über Tier- und Pflanzenarten, die ausgerottet werden, über sinnlose Kriege und sinnloses Sterben im Namen von Fortschritt und Ideologien. Wir bitten dich um Hoffnung, mit der wir Resignation und Selbstmitleid überwinden und mit der wir auch dem Leid und der Trauer sinnvoll begegnen können. Insbesondere beten wir heute für Herrn Rudolf Knott, der am 8. November im Alter von 90 Jahren gestorben ist. Wir sind zuversichtlich, dass er erlöst ist zum ewigen Leben und vertrauen auch die Angehörigen deiner Liebe an. Amen.

Lied 171, 1-3: Bewahre uns, Gott, behüte uns Gott
Segen

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