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Gott verschmäht unser Gebet nicht

Das Gebet zu Gott kann eine große Hilfe sein, wenn wir um einen geliebten Menschen trauern. Aber worum geht es eigentlich in einem solchen Beten?

Gott verschmäht unser Gebet nicht: Eine Engelskulptur auf einem Friedhof mit betend vor sich gehaltenen und nach oben geöffneten Händen
Ein Engel mit betend geöffneten Händen (Bild: cocoparisiennePixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben. (Psalm 34, 19)

Liebe Trauergemeinde, wir sind heute hier versammelt voller Trauer und Schmerz. Herr Q. wurde mitten aus dem Leben gerissen. Wir können noch nicht begreifen, was geschehen ist. Den schweren Weg des Abschieds gehen wir gemeinsam, und wir halten uns an Worte der Bibel, die uns in dieser Stunde Trost versprechen.

Wir hören Worte aus dem Psalm 102:

1 Ein Gebet für den Elenden, wenn er verzagt ist und seine Klage vor dem HERRN ausschüttet.

2 HERR, höre mein Gebet und lass mein Schreien zu dir kommen!

3 Verbirg dein Antlitz nicht vor mir in der Not, neige deine Ohren zu mir; wenn ich dich anrufe, so erhöre mich bald!

5 Mein Herz ist geschlagen und verdorrt wie Gras, dass ich sogar vergesse, mein Brot zu essen.

7 Ich bin wie die Eule in der Einöde, wie das Käuzchen in den Trümmern.

8 Ich wache und klage wie ein einsamer Vogel auf dem Dache.

12 Meine Tage sind dahin wie ein Schatten, und ich verdorre wie Gras.

13 Du aber, HERR, bleibst ewiglich und dein Name für und für.

18 [Du wendest dich] zum Gebet der Verlassenen und verschmäh[s]t ihr Gebet nicht.

20 Denn du schaust von deiner heiligen Höhe, du siehst vom Himmel auf die Erde,

21 dass du das Seufzen der Gefangenen hörst und losmachst die Kinder des Todes.

26 Du hast vorzeiten die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk.

27 Sie werden vergehen, du aber bleibst; sie werden alle veralten wie ein Gewand; wie ein Kleid wirst du sie wechseln, und sie werden verwandelt werden.

28 Du aber bleibst, wie du bist, und deine Jahre nehmen kein Ende.

Gnädiger Gott, wir bitten dich um den Trost, den wir uns selbst nicht geben können. Wir sind ratlos und verzweifelt. Lass uns jetzt nicht allein, hilf uns. Verbirg dich nicht, sondern komm und rede zu uns, dass wir den Weg vor uns wieder sehen. Tröste uns, wie es eine Mutter tut, lass uns in deinen Armen geborgen sein. Amen.

Liebe Trauergemeinde, in dem Psalmgebet der Bibel, das wir gehört haben, kam auch der Vers vor:

12 Meine Tage sind dahin wie ein Schatten, und ich verdorre wie Gras.

So unwirklich wie ein Schatten kommt dem Dichter dieses Psalms das eigene Leben vor, all die Tage, die schon vergangen sind. So unwirklich wie ein Schatten mögen Ihnen diese letzten Tage vorgekommen sein, nachdem sie es hinnehmen mussten: ein Mensch, den Sie geliebt haben, ist ganz plötzlich gestorben, soll auf einmal nicht mehr da sein, für immer nicht mehr bei Ihnen sein. Der Psalm fasst in Worte, was uns schwerfällt, auszudrücken: Wenn wir sterben, sind unsere Tage dahin wie ein Schatten, und wir verdorren wie das Gras. Wir wissen, irgendwann kommt es auf uns zu, doch wenn dieses Irgendwann so plötzlich eintritt, trifft es uns wie ein Schlag.

Was bleibt, das sind zunächst einmal Erinnerungen. Sie verknüpfen sich mit den Daten eines Lebens, die ich hier nur kurz andeuten will:

Erinnerungen an das Leben des Verstorbenen

Und was bleibt uns noch, wenn ein Leben vergeht, wenn wir uns schmerzlich bewusst machen müssen, dass unsere Tage dahingehen wie ein Schatten und wir verdorren wie das Gras?

Offenbar ist das, was uns vor Augen steht, das Handfeste, das Materielle, das Körperliche, nicht so beständig, wie es uns oft erscheint. Aber was bietet einen Halt? Worauf können wir unser Vertrauen setzen? Hat der Dichter eines Kirchenliedes nicht recht (EG 449, 8):

Alles vergehet, Gott aber stehet ohn alles Wanken; seine Gedanken, sein Wort und Wille hat ewigen Grund.

Genau so hörten wir es vorhin in dem uralten Psalm 102 der Bibel:

13 Du aber, HERR, bleibst ewiglich und dein Name für und für.

18 [Du wendest dich] zum Gebet der Verlassenen und verschmäh[s]t ihr Gebet nicht.

Es mag allzu einfach erscheinen, wenn man jemanden, der trauert, auf Gott verweist und ihm das Beten empfiehlt. Aber der Tod ist eine Grenze, an die wir stoßen, die uns deutlich macht, dass nichts in unserem Leben selbstverständlich ist, nicht einmal das Leben selbst. Und wir müssen uns klarmachen, woran wir glauben. Glauben wir nur an das, was wir sehen? Das kann auch ein Trugbild sein, das kann schon morgen Vergangenheit sein. Oder glauben wir an die höchste Macht über uns, an den Gott, „den keine Zeit vertreibet, der einzig ewig machen kann“, wie es Andreas Gryphius vor 300 Jahren gedichtet hat (EG 527, 9)? Gott ist eine Realität, ist sogar die wirklichste Wirklichkeit, die es gibt, weil er schon immer war und immer sein wird. Wer sich dessen bewusst ist, wer sich im Kontakt zu diesem Gott weiß, der betet, auch wenn er nicht viele Worte macht, und er hat Anteil an der Ewigkeit dieses Gottes.

Ein Gebet zu Gott, das kann der Seufzer sein, den man ausstößt, das kann der verzweifelte Blick nach oben sein, das kann die wortlose Frage sein, die sich nicht aus unserem Geist verdrängen lässt: „Warum?“

Und wir dürfen wissen: Gott verschmäht unser Gebet nicht. Er hört unser Seufzen und spürt, was wir fühlen. Er ist uns näher, als wir denken. Und ob unser Gebet erhört wird, wird uns vielleicht manchmal erst später klar. Wenn die Frage nach dem Warum nicht unbedingt eine Antwort erfahren hat, wenn aber die Frage verblasst sein wird und nicht mehr im Mittelpunkt unseres Lebens steht. Wenn man sich klargemacht hat, dass wir nicht auf alle Fragen die Antwort kennen und dass es manchmal schon viel wert ist, keine falschen Antworten zu geben. Denn manchmal entspringt die Frage nach dem Warum dem verzweifelten Wunsch, wir möchten es doch ungeschehen machen können, was geschehen ist.

Am nächsten ist uns Gott vielleicht dann, wenn wir ganz am Ende sind. Am nächsten ist er uns vielleicht dann, wenn wir keine Worte finden, sondern einfach nur versuchen, einander nahe zu sein. Am nächsten ist er uns manchmal darin, dass wir es einfach zulassen, zu fühlen, was in uns ist, all das Durcheinander von Empfindungen und Gedanken, Dankbarkeit und Enttäuschung, Angst vor der Zukunft und vielleicht auch ein Zorn auf Gott, Ratlosigkeit und die Bitte um Vergebung für Dinge, die nicht zu ändern sind.

An den Schluss meiner Ansprache stelle ich den Text des Liedes, auf das Sie mich in unserem Gespräch am Montag aufmerksam gemacht haben (EG 376) und das gleich zum Abschluss dieser Feier in der Trauerhalle auf der Orgel gespielt wird, wie Sie es sich gewünscht haben. So können wir in Worte fassen, was unausgesprochen auf unserer Seele liegt:

1. So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich. Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt: wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit.

2. In dein Erbarmen hülle mein schwaches Herz und mach es gänzlich stille in Freud und Schmerz. Lass ruhn zu deinen Füßen dein armes Kind: es will die Augen schließen und glauben blind.

3. Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele, auch durch die Nacht. So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich.

Gott, unser Vater, wir danken dir für das Leben von Herrn Q. Wir denken an das Gute, das er in seinem Leben erfahren hat, und auch an das Schwere, das er zu tragen hatte. Wende du dich den Angehörigen zu und hilf ihnen, den schweren Weg des Abschieds zu gehen und ihren Schmerz zu tragen. Amen.

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