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Mit dem Kamel durchs Nadelöhr

Ein Reicher mit all dem, was er in den Händen hat oder zu haben meint, passt nicht durch die Tür zum Reich Gottes. Doch Gott bewirkt, dass Menschen sich ändern. Wer sich Gott anvertraut, baut Angst ab, lernt loszulassen, was unglücklich macht. Gott ändert Menschen, nicht indem er manipuliert, sondern indem er liebt.

Ritt auf einem Kamel durch die Ruinen von Petra in Jordanien
Ritt auf einem Kamel durch die Ruinen von Petra in Jordanien (Bild: LoggaWigglerPixabay)

#predigtGottesdienst am 18. Sonntag nach Trinitatis, den 25. September 2005, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

„Mit dem Kamel durchs Nadelöhr“ – so lautet das Thema dieses Gottesdienstes. Jesus sagte einmal, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt (Markus 10, 25).

Mit zwei Fragen beschäftigen wir uns heute in der Pauluskirche: Erstens mit der Frage, wie wichtig uns das Reich Gottes ist. Und zweitens mit der Frage, ob es tatsächlich so schwer ist, da hineinzukommen.

Wir singen das Lied 394. August Hermann Franke hat es vor 116 Jahren gedichtet. Es fordert dazu auf, das eigene Leben so zu führen, als ob Jesus uns an der Hand hält – als erwachsene Nachfolger Christi:

1. Nun aufwärts froh den Blick gewandt und vorwärts fest den Schritt! Wir gehn an unsers Meisters Hand, und unser Herr geht mit.

2. Vergesset, was dahinten liegt und euern Weg beschwert; was ewig euer Herz vergnügt, ist wohl des Opfers wert.

3. Und was euch noch gefangen hält, o werft es von euch ab! Begraben sei die ganze Welt für euch in Christi Grab.

4. So steigt ihr frei mit ihm hinan zu lichten Himmelshöhn. Er uns vorauf, er bricht uns Bahn – wer will ihm widerstehn?

5. Drum aufwärts froh den Blick gewandt und vorwärts fest den Schritt! Wir gehn an unsers Meisters Hand, und unser Herr geht mit.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

An der Hand Jesu gehen – ist das eine erwachsene Haltung? Das Bild versetzt uns in die frühe Kindheit zurück. Welches Kind geht schon gern an der Hand der Eltern, wenn es älter geworden ist? Welcher Erwachsene geht freiwillig an der Hand eines anderen, der ihn führt?

Vielleicht einer, der nicht mehr so gut laufen kann und sich lieber stützen lässt als hinzufallen und sich etwas zu brechen. Vielleicht einer, der verliebt ist und mit seiner Liebsten Händchen hält, um sich ihr ganz und gar anzuvertrauen. Vielleicht einer, der weiß, dass wir auch als Erwachsene auf Liebe, Geborgenheit und Trost angewiesen bleiben.

Wer – bildlich gesprochen – an der Hand Jesu geht, der ist in seinem Leben nie allein.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

An der Hand Jesu gehen – bedeutet das, sich von Jesus gängeln zu lassen? Nein, er gängelt uns nicht. Wohl aber fordert er uns zu einer eigenständigen und anstrengenden Verantwortung heraus. Im Wort zur kommenden Woche aus 1. Johannes 4, 21, heißt es:

Dies Gebot haben wir von [Jesus], dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder [und seine Schwester] liebe.

Gott im Himmel, wie sollen wir das hinkriegen, alle Menschen zu lieben, sie so zu behandeln, als wären sie unsere Geschwister?

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Liebe ist eine Sache des Herzens, sagen wir. Und wir meinen damit: eine Sache des Gefühls.

Auch Jesus hält Liebe für eine Sache des Herzens. Aber Jesus ist Jude, und für einen Juden ist das Herz weniger der Sitz der Gefühle – das war der Bauch, das waren die Eingeweide, die Nieren. Für Jesus war das Herz das Zentrum des menschlichen Willens, der eigenen Verantwortung. Darum konnte Jesus fordern: Du sollst lieben! Du kannst dich entscheiden, gegen einen Menschen, der dein Feind ist, trotzdem nicht zurückzuschlagen. Du musst nicht jeden mögen, aber auch ihn, den du nicht leiden kannst, sollst du mit Respekt behandeln. Das meint Jesus, wenn er sagt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Du könntest an seiner Stelle sein. Dann würdest du auch wollen, dass er deine Würde als Mensch achtet.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, lehre uns die Liebe, mit der du uns liebst, selbst wenn wir fern von dir stehen. Lass uns Jesus nachfolgen auf dem Weg der Nächsten- und Feindesliebe.

Lehre uns zu erkennen, was das Reich Gottes ist, und hilf uns, über unseren eigenen Schatten zu springen, um ins Reich Gottes zu kommen. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Lesung aus der Bergpredigt Jesu im Evangelium nach Matthäus 5, 17-24:

17 Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen.

18 Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht.

19 Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich.

20 Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.

21 Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist: „Du sollst nicht töten“; wer aber tötet, der soll des Gerichts schuldig sein.

22 Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Du Nichtsnutz!, der ist des Hohen Rats schuldig; wer aber sagt: Du Narr!, der ist des höllischen Feuers schuldig.

23 Darum: wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst und dort kommt dir in den Sinn, dass dein Bruder etwas gegen dich hat,

24 so lass dort vor dem Altar deine Gabe und geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder und dann komm und opfere deine Gabe.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis
Lied 584: Meine engen Grenzen
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, jetzt noch einmal in Ruhe zu unseren beiden Fragen vom Anfang: Wie wichtig ist uns das Reich Gottes? Und ist es tatsächlich so schwer, da hineinzukommen?

Was meint die Bibel eigentlich mit dem „Reich Gottes“? Das Reich Gottes – es ist kein Land mit bestimmten Grenzen, kein Ort irgendwo auf der Landkarte oder im Weltall. Es ist auch keine Staatsform, kein Königreich wie das „Vereinigte Königreich von Großbritannien“ und hat erst recht nichts zu tun mit dem sogenannten „Dritten Reich“ in Deutschland. Mit dem Reich Gottes meint Jesus die Art, wie Gott seinen Einfluss unter den Menschen durchsetzt. Wo Menschen nach Gottes Geboten leben, da findet Reich Gottes statt. Wo eine Familie zusammenhält, wo man sich auf Freunde verlassen kann, wo in einer Konfi-Gruppe niemand ausgegrenzt wird, wo das soziale Netz in einem Staatswesen funktioniert – da würde Jesus sagen (Lukas 17, 21):

Das Reich Gottes ist mitten unter euch!

So verstanden fängt das Reich Gottes nicht erst nach unserem Tode an. Es hört dort nicht auf, weil Gott uns auch jenseits unseres Todes nicht verloren gehen lässt, aber es beginnt hier auf der Erde, überall da, wo wir in Berührung kommen und bewegt sind von Gott – von seiner Liebe, von Hoffnung, von Trost, von Ermutigung.

Das Reich Gottes ist vielleicht genau das, wonach die meisten Menschen sich eigentlich sehnen: Liebe erfahren in Familie und Partnerschaft, verlässliche Freunde haben, in einem Land leben, wo niemand Not leiden muss oder durch Gewalt zu Schaden kommt.

Von diesem Reich Gottes sagt Jesus Sachen, die sich scheinbar widersprechen. Einerseits sagt er: „Das Reich ist nahe, es ist jetzt schon da, es liegt vor euren Füßen, es ist ein Geschenk an euch.“ Gott will, dass ihr Glück erlebt hier auf der Erde und nicht einmal Angst haben müsst vor dem Tod.

Aber dann hören wir auch harte Forderungen von Jesus. Er sagt zum Beispiel: „Liebe die Menschen wie dich selbst, auch die, die du nicht leiden kannst!“ Für Jesus gilt nämlich: Dein Glück wäre kein wirkliches Glück, wenn andere Menschen auf deine Kosten leiden müssten. Das Reich Gottes ist offen für alle – und besonders für die, die sonst überall draußen bleiben. Darum findet es Jesus auch so schlimm, wenn wir Menschen mit Worten niedermachen. Wenn du zu jemand voller Verachtung sagst: „Du Taugenichts, du Narr!“, dann kann das so schlimm sein wie ein Totschlag. Jesus weiß: Nicht jeder würde eigenhändig einen Menschen erschlagen, erstechen, erschießen – Gott sei Dank! Ein böses Wort ist viel leichter gesagt, dazu ist auch ein Feigling imstande, der nicht ahnt, wie sehr dieses kleine Wort einen anderen Menschen in seiner Seele verletzt.

Glücklich sein, ohne dass davon jemand ausgeschlossen bleibt, so sieht das Reich Gottes aus!

Aber wer ist nun wirklich vom Glück ausgeschlossen – der Außenseiter, den wir ausgrenzen? Wer erlebt wirkliches Glück – der, der immer beliebt ist, Erfolg hat und mit Geld um sich wirft?

Dazu hören wir jetzt eine Jesusgeschichte aus dem Evangelium nach Markus 10, 17-27. Herr von Weyhe liest sie Vers für Vers vor, und ich lege sie aus:

17 Und als Jesus sich auf den Weg machte, lief einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn: Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?

Ein Mensch trifft Jesus unterwegs und spricht ihn an wie einen Guru, einen Lehrer der Weisheit. Er ist mit seinem bisherigen Leben nicht zufrieden. Ewiges Leben will er geschenkt bekommen. Vielleicht möchte er so leben, dass er bei seinem Tod sagen kann: „Jetzt kann ich getrost mein Leben loslassen, denn es war erfüllt.“ Vielleicht will er auch wissen, was er tun muss, um als Belohnung nach dem Tod im Himmel weiterleben zu können.

18 Aber Jesus sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein.

19 Du kennst die Gebote: „Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; ehre Vater und Mutter.“

Bevor Jesus auf die Frage des Mannes antwortet, geht er auf die Anrede „guter Meister“ ein. Jesus will nicht „gut“ genannt werden, obwohl wir in ihm doch als Sohn Gottes sehen! Dass Jesus Gottes Sohn ist, bedeutet offenbar nicht, dass er als Mensch keinen Fehler machen könnte, nicht auf Gottes Gnade angewiesen wäre. Ich glaube, Jesus ist gerade darin Gottes Sohn, dass er sich als Mensch der Liebe Gottes ganz anvertraut, so vertrauensvoll wie niemand sonst vor oder nach ihm.

Die Antwort Jesu an den Mann ist dann eine schlichte Erinnerung an einige der Zehn Gebote. Wer ewig leben will oder zum Reich Gottes gehören will, wie wir eben gesagt haben, der soll sich nach dem Willen Gottes richten: Den Eltern, die für uns da sind, mit Respekt begegnen. Nicht töten, auch nicht mit Worten. Nicht untreu sein in einer Ehe und auch nicht in einer engen Freundschaft. Nicht wegnehmen oder kaputtmachen, was anderen gehört. Nicht lästern über andere, so dass ihr guter Ruf zerstört wird.

20 Er aber sprach zu ihm: Meister, das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf.

Das ist ein Wahnsinnstyp, dieser Mann. Wer kann das schon von sich sagen? Alle Gebote hat er gehalten, das behauptet er jedenfalls. Aber hat Jesus nicht gerade eben noch gesagt: Niemand ist gut außer Gott? Ist der Mann tatsächlich so sehr von sich überzeugt, dass er sich für einen guten Menschen hält, dass er also mehr von sich hält als Jesus selbst, der sich nicht „guter Meister“ nennen lassen wollte? Müsste Jesus ihn nicht jetzt zurechtweisen und sagen: „Nun mal langsam. Hast du wirklich noch nie ein Gebot übertreten?“ Aber das tut Jesus nicht. Denn zwischen ihm und dem Mann geschieht etwas, mit dem ich nicht gerechnet hätte:

21 Und Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb.

Plötzliche Sympathie entsteht zwischen Jesus und dem Mann, als Jesus ihn ansieht. Jesus beginnt ihn in sein Herz zu schließen, auf besondere Weise. Darum fragt Jesus nicht nach, ob er wirklich ein so guter Mensch ist.

Aber Jesus sagt ihm etwas anderes, womit der Mann sicher nicht gerechnet hätte:

Und Jesus sprach zu ihm: Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach!

Ich glaube, dass Jesus das aus zwei Gründen zu dem Mann sagt.

Erstens spürt er, dass dem Mann etwas fehlt, obwohl er nicht arm ist und auch kein furchtbar schlechter Mensch ist. Er ist nicht zufrieden, sonst wäre er ja nicht zu Jesus gekommen.

Zweitens möchte Jesus ihn, den er ja liebgewonnen hat, für sich gewinnen, als Freund an seiner Seite, als Gesprächspartner über Gott und die Welt, als Mitarbeiter für das Reich Gottes. So hat er ja auch schon andere Jünger für sich gewonnen, die immer um ihn sind, die ihm ständig nachfolgen.

22 Er aber wurde unmutig über das Wort und ging traurig davon; denn er hatte viele Güter.

Der Mann erwidert weder die Gefühle Jesu noch geht er auf sein Angebot ein. Er will nicht Jesus nachfolgen. Er will nicht aufgeben, was er hat. Sein Besitz, an dem sein Herz hängt, ist zu groß. Der macht ihn nicht glücklich, verschafft ihm nicht das ewige Leben. Auch sein korrektes Halten der Gebote hatte ja sein Leben nicht wirklich mit Zufriedenheit erfüllt; aber er kann nicht über den eigenen Schatten springen und die Einladung Jesu annehmen, mit ihm zusammen noch einmal ein neues Leben zu beginnen. Er reagiert mit Unmut und mit Trauer über das Wort Jesu.

Traurig ist auch Jesus, der den Mann liebgewonnen hat und einfach stehen gelassen wird. Wieder stellen wir fest, dass Jesus ganz und gar Mensch ist, obwohl er zugleich ganz und gar der Sohn Gottes ist. Als Mensch kann Jesus es nicht ändern, dass der Mann sich von ihm abwendet. Als Gott könnte er es vielleicht, aber Jesus verkörpert keinen Gott, der die Gefühle von Menschen manipuliert. In Jesus offenbart sich Gott sehr menschlich, indem er seine unendliche Liebe als schlichte menschliche Liebe zu leben wagt, selbst da, wo sie scheinbar ins Leere läuft. Und gerade so, indem Jesus nur auf die Liebe und nie auf Gewalt oder Manipulation setzt, lebt er als Mensch die unendliche Liebe Gottes. Nur hier, nur in Jesu Liebe ist Gottes unüberwindbare Allmacht klar zu erkennen, nirgends sonst. Jesu Liebe hört nicht auf, selbst wenn sie wie in diesem Fall nicht erwidert wird.

Wie traurig Jesus über das Weggehen des Mannes ist, sieht man daran, dass er darüber mit seinen Jüngern einfach reden muss. Ihm geht es nahe, dass Menschen wie dieser ihm so sympathische Mann es nicht schaffen, glücklich zu werden, nur weil sie zu reich sind.

23 Und Jesus sah um sich und sprach zu seinen Jüngern: Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen!

„Die Reichen“, so übersetzt Martin Luther. Wörtlich ist im Griechischen von denen die Rede, „die die Besitztümer haben“. Ich glaube, Jesus spricht nicht davon, dass Gott Reiche im Himmel nicht haben will. Nein, er sieht einfach, wie schwer es ihnen fällt, etwas von dem loszulassen, was sie haben, und ihr schönes Leben mit ärmeren Menschen zu teilen. Und damit macht sich der reiche Mensch arm. Abhängig und gefangen von dem, was er hat, ist er für das Glück, das Jesus ihm anbietet, nicht offen.

24 Die Jünger aber entsetzten sich über seine Worte. Aber Jesus antwortete wiederum und sprach zu ihnen: Liebe Kinder, wie schwer ist’s, ins Reich Gottes zu kommen!

Als die Jünger voller Entsetzen auf die mit Seufzen vorgetragenen Worte Jesu reagieren, redet er sie, die ihm vertrautesten Menschen, mit „Liebe Kinder“ an, als wolle er ihnen etwas Schweres auf schonende Weise beibringen. Er kann ihnen nur sagen, dass es tatsächlich sehr schwer ist, ins Reich Gottes zu kommen, und zwar nicht nur für materiell reiche Menschen, sondern für alle, die etwas zu verlieren haben. Wenn ich anerkannt bin von denen, die in der Gesellschaft etwas zählen, will ich mich dann abgeben mit den Außenseitern, damit sie keine Außenseiter mehr sind? So macht es Jesus, so lebt er das Reich Gottes. Er wird abgestempelt als Freund der Sünder und endet am Kreuz wie der Abschaum der Menschheit. Wer ist außer Jesus bereit, solche Risiken für das Reich Gottes einzugehen?

Kein Wunder, dass Jesus noch einen dritten Satz darüber sagt, wie schwer es ist, in das Reich Gottes zu kommen:

25 Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.

Viel ist darüber nachgedacht worden, ob es hier um ein reales Nadelöhr geht oder vielleicht um ein enges Tor in irgendeiner Stadt. Aber ich denke, Jesus will schlicht in orientalisch bildhafter Sprache unterstreichen: Ein Reicher mit all dem, was er in den Händen hat oder zu haben meint, passt nicht durch die Tür zum Reich Gottes, so wie das Kamel sich nicht durchs Nadelöhr zwängen kann. Glücklich macht uns das, was wir loslassen, nicht was wir festhalten.

Eigenartig ist es schon, wie Jesus hier die normalen Maßstäbe auf den Kopf stellt. Wir sind es gewohnt, die Leute für glücklich zu halten, die im Luxus leben, die sich alles leisten können, was sie nur haben wollen. Jesus sagt: Gerade ihre Chance auf wahres Glück geht gegen Null.

Die Jünger Jesu hören das Bild vom Kamel und fallen von einem Entsetzen ins nächste:

26 Sie entsetzten sich aber noch viel mehr und sprachen untereinander: Wer kann dann selig werden?

Genau das ist die Frage. Nicht nur die Frage an andere Menschen, die wir als reich bezeichnen würden, sondern die Frage an uns: Sind wir zu reich, um ins Reich Gottes hineinzupassen? Suchen wir unser Privatglück abseits der Unglücklichen, die Jesus unbedingt ins Reich Gottes holen will? Würde Jesus uns einen ähnlichen Vorschlag machen wie dem reichen Mann in der Geschichte? Und wenn ja, was könnte es sein, was wir vielleicht besser loslassen sollten? Würden wir das schaffen?

27 Jesus aber sah sie an und sprach: Bei den Menschen ist’s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.

Mit einem Satz über Gott hatte Jesus das Gespräch mit dem reichen Mann begonnen: „Niemand ist gut außer Gott allein.“ Mit einem ähnlichen Satz über Gott beendet er das Gespräch mit seinen Jüngern: „Bei Gott ist alles möglich.“ Gott bewirkt, dass Menschen sich ändern. Wer sich Gott anvertraut, baut Angst ab, lernt loszulassen, was unglücklich macht. Gott ändert Menschen, nicht indem er manipuliert, sondern indem er liebt. Man kann ihm einfach vertrauen. Wer etwas loslässt, steht am Ende viel reicher da. Als Jesus sein Leben und seine Ehre am Kreuz verliert, ja sich sogar von Gott verlassen glaubt, da erweckt ihn Gott vom Tod: das Reich Gottes ist am Karfreitag nicht gescheitert, sondern es fängt an Ostern erst richtig an. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen das Lied auf dem Liedblatt – ein modernes Lied über die Nachfolge Jesu:

Neue Schritte wagen, gehen in deiner Spur, Jesus, du gehst mir voran

Vater im Himmel, wir bitten dich für die Menschen, die von Katastrophen betroffen sind, wie jetzt in den USA von den Hurricans. Viele verlieren alles, was sie besitzen, Leid und Trauer sind unvorstellbar groß. Lass sie nicht verzweifeln und lass sie Hilfe finden von Menschen, die sich von ihrem Schicksal anrühren lassen.

Herr Jesus Christus, lass uns begreifen, was wir gewinnen, wenn wir nicht immer krampfhaft festhalten müssen, was wir haben. Du bist der Sohn Gottes nicht als der immer nur strahlende Sieger im Leben, sondern als der, der das Schicksal der Außenseiter geteilt hat, gekreuzigt draußen vor dem Tor. Wenn wir verzweifeln an dem Bösen in dieser Welt, lass uns zuversichtlich darauf vertrauen, dass deine Liebe die allmächtige Liebe ist und am Ende den Sieg davontragen wird.

Heiliger Geist, erfülle uns mit Vertrauen, mit Liebe, mit Hoffnung, dass wir nicht egoistisch leben, sondern bereit sind zu teilen, dass unsere Gruppen in der Kirche niemanden ausgrenzen, sondern offen und einladend sind für alle, dass wir niemanden verletzen mit Taten und Worten, sondern freundlich auch auf Menschen zugehen, die nicht zu unseren Freunden gehören.

Gott, Heiliger Geist, unser Tröster, insbesondere bitten wir dich heute für Frau Traudl Heimbach, geb. Arold, die im Alter von 78 Jahren gestorben ist. Im Vertrauen auf das Wort Jesu: „Ich will euch wiedersehen“ machst du uns gewiss, dass wir im Tod nicht verloren gehen. Wir müssen unsere Verstorbenen in Trauer und Dankbarkeit loslassen, doch du versprichst uns eine Freude, die niemand von uns nehmen wird. Amen.

In der Stille bringen wir vor dich, Gott, was wir noch auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser
Lied 390:

1. Erneure mich, o ewigs Licht, und lass von deinem Angesicht mein Herz und Seel mit deinem Schein durchleuchtet und erfüllet sein.

2. Schaff in mir, Herr, den neuen Geist, der dir mit Lust Gehorsam leist‘ und nichts sonst, als was du willst, will; ach Herr, mit ihm mein Herz erfüll.

3. Auf dich lass meine Sinne gehn, lass sie nach dem, was droben, stehn, bis ich dich schau, o ewigs Licht, von Angesicht zu Angesicht.

Abkündigungen

Bevor wir das Nachspiel hören und im Saal vielleicht noch ein wenig beim Kirchencafé zusammensitzen, geht mit Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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