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Das Lebensbuch im Himmel

Trauerfeier für eine alte Frau, der es wichtig war, dass ihr eigenhändig verfasster Lebenslauf während der Feier verlesen wird. Bei Gott sind alle unsere Tage gezählt und unsere Namen im Lebensbuch im Himmel aufgeschrieben.

Das Lebensbuch im Himmel: Ein Buch in einem durchscheinenden Torbogen mit Wasser im Vordergrund, Wolken und Sonne im Hintergrund
Wie mag das Buch des Lebens im Himmel aussehen? (Bild: Karin HenselerPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Trauergemeinde!

Der Kirchenvater Augustin überliefert in seinen Konfessionen dieses Gebet:

Groß bist Du, Herr, und sehr zu loben; groß ist Deine Kraft, und Deine Weisheit ist unermesslich.

Und loben will Dich der Mensch, ein kleiner Teil Deiner Schöpfung, der Mensch, der sein Sterben mit sich schleppt.

Du weckst uns auf, dass Dich zu loben Freude macht; denn Du schufst uns zu Dir hin, und unser Herz bleibt unruhig, bis dass es Ruhe findet in Dir.

„Wir wissen, woher wir kommen, wir wissen, wohin wir gehn“, dieses Wort hatte Frau P. für die eigene Todesanzeige vorgesehen. Wir kommen her von Gott, wir finden unsere ewige Ruhe in ihm – das ist die Voraussetzung, unter der wir uns hier zu einer Trauerfeier im Namen Gottes versammeln. Wir nehmen Abschied von Frau P., die nach kurzer schwerer Krankheit gestorben ist.

Lasst uns zu Beginn beten mit Worten aus dem Psalm 139:

1 HERR, du erforschest mich und kennest mich.

2 Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne.

3 Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege.

4 Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, HERR, nicht schon wüsstest.

5 Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.

6 Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht begreifen.

7 Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht?

8 Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da.

9 Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer,

10 so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.

11 Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein -,

12 so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag. Finsternis ist wie das Licht.

13 Denn du hast meine Nieren bereitet und hast mich gebildet im Mutterleibe.

14 Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.

15 Es war dir mein Gebein nicht verborgen, als ich im Verborgenen gemacht wurde, als ich gebildet wurde unten in der Erde.

16 Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war.

23 Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich‘s meine.

24 Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.

Liebe Trauergemeinde!

Frau P. hat selber einmal ihren Lebenslauf aufgeschrieben. Es war ihr sehr wichtig, dass diese Worte heute vorgelesen werden. Ich komme ihrem Wunsch, den sie wenige Tage vor ihrem Tod ausdrücklich an mich gerichtet hat, gerne nach:

Eigenhändig verfasster Lebenslauf der Verstorbenen

Soweit die Worte von Frau P., die sie bereits vor einiger Zeit selber aufgeschrieben hat.

Zweimal nur habe ich sie besucht – einmal zum Geburtstag und einmal, wie gesagt, wenige Tage vor ihrem Tod. Wie unterschiedlich waren diese beiden Begegnungen!

Am Geburtstag ließ sie sich mir gegenüber nichts von ihrer Krankheit anmerken; wir sprachen über ihre Familie und über unsere Kirchengemeinde, wie sie früher war.

Vor einer Woche wusste sie, dass ihr Sterben kurz bevorstand, aber sie war sehr gefasst und freute sich, als sie mir ihren letzten Wunsch sagen konnte und ich mit ihr ein Gebet sprach.

Als sie mir zu verstehen gab, wie wichtig es ihr sei, dass ihr Lebenslauf heute verlesen werde, da dachte ich an das Wort Jesu aus Lukas 10, 20 und ich sagte es ihr auch:

Freut euch…, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.

Was aufgeschrieben ist, das hat eine besondere Gültigkeit. Was aufgeschrieben ist, lässt sich besser erinnern, vor allem dann, wenn der Mund eines Menschen für immer verstummt ist. Ich bin meiner Mutter besonders dankbar, dass sie lange vor ihrem Tod bestimmte Dinge aus ihrem Leben aufgeschrieben hat, an die ich mich sonst nicht mehr aus ihren mündlichen Erzählungen erinnern würde. So meinte es wohl auch Frau P. Sie wollte ein Stück Erinnerung festhalten und an Sie weitergeben, weil ihr die Verbundenheit mit denen, die sie liebte, außerordentlich wichtig war.

Erinnerung ist auch das erste, wozu eine solche Trauerfeier dient. Sie wissen alle diese Einzelheiten besser als ich, und doch führen wir uns dieses Leben heute gemeinsam vor Augen, weil es nicht einfach vorbei ist, sondern weil es prägend war für Sie alle.

Dass dieses Leben geendet hat, war zum gegenwärtigen Zeitpunkt bei dieser schweren Krankheit eine Gnade; und doch ist die Trauer groß, wenn nun Verbindungen zerrissen sind, die viele Jahre sehr eng geknüpft waren, in der Ehe, in der Familie, in der Nachbarschaft.

Erinnern gehört zum Weg der Trauer hinzu, der ein weiter Weg ist. Trauer will durchlebt und durchschritten sein, sie geht einher mit einem Auf und Ab der Gefühle, mit dem Gedenken an so viel, wofür man im Rückblick dankbar ist und wobei man sich traurig klarmacht, dass es für immer vorbei ist.

Letztlich führt uns die Trauer an die Grenzen unseres Menschseins. Als Menschen wissen wir um unsere Sterblichkeit, und der Tod bleibt das große Rätsel, die Tür, die uns als sterblichen Menschen verschlossen ist, solange wir sie nicht selbst durchschritten haben. Als Christen vertrauen wir zugleich auf den Gott, der Herr ist über Leben und Tod, der jenseits von Leben und Tod der Ewige ist, und wir vertrauen auf den, der tot war und ist wieder lebendig geworden (Offenbarung 1, 18). Dieser Jesus Christus, der vom Vater im Himmel Auferweckte, er ist uns vorausgegangen durch den Tod in die Ewigkeit. Er hat uns den Weg bereitet, der uns allen im Vertrauen auf ihn offen steht.

Wenn Jesus vom Lebensbuch im Himmel spricht, dann nimmt er unsere Sehnsucht auf, dass man uns nicht vergessen möge. Er stellt als schlichte Tatsache fest, dass der ewige Gott unsere Namen im Himmel aufgeschrieben hat, lange bevor wir dort hinkommen.

Gott kennt alle unsere Tage, wie es im Psalm 139, 16 heißt, für ihn ist unser ganzes Leben wie ein aufgeschlagenes Buch, für ihn als den Ewigen gibt es keine Gebundenheit an Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – er blickt von der Ewigkeit her unser Leben an und umschließt es mit seiner Liebe, in der wir ewig aufgehoben bleiben. „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“ Das gilt nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich. Von allen Seiten sind wir umfangen, Gott hält die ganze Welt in seiner Hand und uns mit. Von der Zukunft her kommt Gott auf uns zu, und auch unsere Vergangenheit ist in ihm beschlossen, unsere Zeit steht in seinen Händen.

Darum können wir getrost Frau P. loslassen in die liebevollen Hände des Gottes, der uns sein Angesicht gezeigt hat in dem Menschen Jesus Christus. Amen.

Wir singen aus dem Lied 391 die Strophen 1 und 4:

1. Jesu, geh voran auf der Lebensbahn! Und wir wollen nicht verweilen, dir getreulich nachzueilen; führ uns an der Hand bis ins Vaterland.

4. Ordne unsern Gang, Jesu, lebenslang. Führst du uns durch rauhe Wege, gib uns auch die nöt‘ge Pflege; tu uns nach dem Lauf deine Türe auf.

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