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Antipsalmen und Franziskus von Assisi

Der Sultan dachte: „Dieser kleine Mann ist ganz anders als die stolzen Ritter, die gegen mich kämpfen. Männer mit Schwertern – die kann ich leicht besiegen! Aber gegen einen, der sanft ist, mit welcher Waffe soll ich gegen den kämpfen? Wehe mir, wenn die Ritter des Abendlandes mit Liebe kämpften und nicht mit Schwertern! Ich müsste mich ihnen ergeben!“

Statue von Franziskus von Assisi
Statue von Franziskus von Assisi (Bild: Amber AvalonaPixabay)

#predigtGottesdienst am 2. Sonntag der Passionszeit, den 28. Februar 1988, um 9.30 Uhr in Beienheim, um 10.30 Uhr in Heuchelheim und um 13.00 Uhr in Dorn-Assenheim

Am 2. Sonntag der Passionszeit begrüße ich Sie und Euch herzlich in der Heuchelheimer Kirche! Dieser Gottesdienst ist ähnlich dem Gottesdienst am vorigen Sonntag in Reichelsheim, den die Konfirmanden mitgestaltet hatten. Ich möchte nämlich gern das Thema „Der Herr ist mein Hirte“, das wir am vorigen Sonntag mit Erinnerungen an den heiligen Franz von Assisi verbunden haben, auch hier noch einmal aufgreifen. Wir singen allerdings zum Teil andere Lieder, die Texte sind auch nicht genau dieselben – es gibt ja sehr viel zu erzählen über Franziskus von Assisi!

Lied 322, 1+5-7

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Amen.“

Psalm 23
Kommt, lasst uns anbeten! „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Du, Gott, wer bist du eigentlich? Sehen können wir dich nicht, anfassen können wir dich nicht. Aber wir hören Worte von dir aus der Bibel, wir hören Erzählungen von Jesus, durch die wir etwas über dich erfahren. In Bildern machen wir uns klar, wer du für uns bist, wie du für uns da bist. Heute betrachten wir das Bild des Guten Hirten. Du bist für uns da, so wie ein guter Hirte für seine Schafe da ist. Aber stimmt das eigentlich? Werden wir niemals Mangel leiden? Ist immer genug für uns da? Wird uns wirklich nur Gutes und Barmherzigkeit in unserem Leben begleiten? Das fragen wir uns, wir fragen es dich. Wir bitten um Klarheit, um Wegweisung. Führe du uns selbst auf rechter Straße um deines Namens willen.

Das erbitten wir von dir im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Der Psalm 23 spricht von einem Leben, in dem es uns an nichts fehlt: „Mir wird nichts mangeln.“ Ein glückliches Leben. Ein erfülltes Leben. Aber wer wird glücklich? Was ist überhaupt Glück? Was gehört zu einem erfüllten Leben?

Um den Psalm 23 richtig verstehen zu können, hören wir, was Jesus über das Glück gesagt hat, am Anfang seiner Bergpredigt, im Evangelium nach Matthäus 5, 1-10:

Als [Jesus] das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich; und seine Jünger traten zu ihm. Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach: Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen; denn sie sollen das Erdreich besitzen. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. Selig sind, die Frieden schaffen; denn sie werden Gottes Kinder heißen. Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja.“

Lied 274, 1-3
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Zur Predigt hören wir nochmals den ersten Vers aus Psalm 23:

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

Amen.

Liebe Gemeinde!

Als wir den Psalm 23 im Konfirmandenunterricht besprachen, haben sich einige Reichelsheimer Konfirmanden einmal überlegt, wie es wäre, wenn dieser Psalm nicht wahr wäre. Dann müsste ja das Gegenteil wahr sein. Sie haben sozusagen „Anti-Psalmen“ gedichtet.

Da hieß es dann z. B.:

Der Herr ist mein angeblicher Freund, mir wird an allem mangeln.

Er weidet mich auf einer Autobahn und führet mich zum radioaktiv verseuchten Wasser.

Er betrübt meine Seele und lenkt mich vom rechten Weg ab um seines Namens willen.

Und wenn ich wanderte im finsteren Tal, fürchtete ich trotz ihm große Furcht, denn er ist nie bei mir.

Dein Stecken nützt mir auch nichts und du deckst mir auch nie den Tisch im Angesicht meiner Feinde.

Schlechtes und Pech werden mich mein ganzes Leben lang verfolgen, und ich werde nie zu dir in dein Haus kommen.

Ein anderer Konfirmand meinte sogar, dass einer, der nicht an Gott glaubt, es vielleicht mit dem Teufel zu tun bekommt, und er dichtete:

Der Teufel ist mein Hirte; dort wird es mangeln überall.

Er lässt mich nicht auf die grüne Aue und führet mich zum vergifteten Wasser; er bedrückt meine Seele, er schickt mich auf den Weg des Bösen wegen seines Willens…

Du salbest mein Haupt mit Pech.

Schlechtes und Unglück werden mir folgen; und ich hoffe, dass ich im Hause des Teufels nicht lange bleibe.

Und in einem dritten Anti-Psalm fragt sich ein Konfirmand: Wenn Gott nicht der Hirte ist, ist er dann vielleicht selbst der Wolf, der die Schafe bedroht?

Der Wolf ist der Herr; ich werde hungern und dursten.

Er treibt mich ins Unglück und führt mich zum verseuchten Wasser.

Er zerstört meine Seele; er bringt mich vom rechten Weg ab.

Ich wanderte schon im hellen Licht; aber du hast mein Glück zerstört; du bist schrecklich nah bei mir; du ängstigst mich…

Dein Schrecken verfolgt mich ein Leben lang, deshalb werde ich auch mein ganzes Leben lang vor dir weglaufen!

Das waren also Anti-Psalmen, liebe Gemeinde. Was empfinden wir, wenn wir sie hören? Sind wir empört? So was wird in der Kirche vorgelesen! Gibt es denn keinen Respekt mehr vor der Bibel, vor Gottes Wort? Aber wenn alle drei Anti-Psalm-Dichter z. B. verseuchtes, vergiftetes, radioaktives Wasser erwähnen – Hand aufs Herz: Fragen wir uns nicht manchmal selber, ob der Psalm von der grünen Aue und vom frischen Wasser überhaupt noch in unsere Welt passt?

In den Anti-Psalmen sind weit verbreitete Gefühle und Gedanken zum Ausdruck gekommen. Viele sagen: „Gott hat mein Glück zerstört! Wie konnte er zulassen, dass ein Mensch, den ich so sehr lieb hatte, sterben musste?“ Manche fühlen sich allein gelassen von Gott und denken: „Gott ist nie bei mir.“ Andere wiederum empfinden Panik bei dem Gedanken, Gott könne ihnen zu nahe kommen. „Du bist schrecklich nah bei mir. Du ängstigst mich.“ Sie halten Gott ernsthaft vor: „Du bedrückst meine Seele! Du überforderst mich! Ich bin nicht gut genug für dich!“ Viele Menschen versuchen, vor Gott davonzulaufen, und ist es nicht eine kleine Minderheit, die wirklich dankbar davon ausgeht, dass „Gutes und Barmherzigkeit uns folgen unser Leben lang“?

Ich will damit sagen, dass es nicht nur Spielerei war, wenn einige Konfirmanden Anti-Psalmen aufgeschrieben haben. Sie haben Gedanken in Worte gefasst, die den meisten von uns nicht ganz fremd sind.

Umgekehrt gehört schon eine Menge dazu, den 23. Psalm wirklich ernstzunehmen und in seinem Sinne zu leben. Wer tut das schon? Wer traut Gott nur Gutes zu? Wer nimmt jeden Tag dankbar aus Gottes Hand und ist voller Liebe zu Gott und den Menschen? Wer ist so fest in seinem Glauben, dass er es nicht nötig hat, egoistisch zu handeln?

Und hier möchte ich nun von Franziskus von Assisi erzählen. Er war ein Mann, der durch Gott ganz anders wurde. Er war reich, aber dann verzichtete er auf den ganzen Reichtum und verschenkte sein Geld an die Armen. Er hatte ein schönes Elternhaus und Eltern, die alles für ihn tun wollten. Aber er ging von seinem Vater fort, als er erwachsen war, denn der verstand ihn nicht, weil er seinen Besitz nicht für sich und die Familie zusammenhalten wollte. Er hatte viele lustige Freunde, aber dann kümmerte er sich mehr um die Lepra-Kranken vor der Stadt. Sie bräuchten ihn mehr, sagte er. Er beschenkte einen Räuber, der ihn bestehlen wollte – und was wurde mit dem Räuber? Der schämte sich so sehr, dass er von da an kein Räuber mehr war, sondern sich dem Bruder Franz anschloss. Er fing an, zu arbeiten, zu betteln, anderen zu helfen. Und nicht nur die Menschen liebte Franz, sondern er liebte alles, was Gott geschaffen hatte, er war auch der Freunde der Tiere und der Pflanzen. Man erzählt sogar, er habe mit den Tieren sprechen können.

Eine Geschichte vom heiligen Franz möchte ich einmal ausführlich erzählen, damit wir sehen, wie das beim Franz ausgesehen hat, ganz auf Gott zu vertrauen und von ihm nur Gutes zu erwarten.

Damals fuhren viele Schiffe mit Kreuzfahrern über das Meer. Die Kreuzfahrer wollten das Heilige Land erobern. Sie zogen aus mit Lanzen und Schwertern. Sie sagten: „Alle sollen denselben Glauben haben wie wir!“ Die Menschen jenseits des Meeres aber glaubten an Allah und seinen Propheten. Sie kämpften für ihren Glauben mit Feuer und Schwert.

Auch Franz stieg auf ein Schiff und fuhr übers Meer. Er sah, wie die Ritter gegen die Heere des Sultans stürmten. Früher war er selbst ein Ritter gewesen, aber jetzt wollte er nicht mit dem Schwert kämpfen. Auf bloßen Füßen, ohne Waffen, ging er ins Lager des Sultans und bat: „Führt mich zu eurem Herrn!“

Die Soldaten rannten zum Sultan: „Herr! Da ist ein komischer kleiner Mann, einer von drüben, ohne Schwert, aber auch ohne Angst, der will mit dir reden!“

„Rede!“ sagte der Sultan zu Franz. Franz fing zu reden an. „Sultan!“ rief er. „Gott liebt uns Menschen, freiwillig und als erster. Er ist uns die Liebe nicht schuldig. Er schenkt sie uns, seinen Kindern. Wir dürfen mit seiner Liebe nicht geizig sein, sondern müssen sie weiterschenken in Frieden.“

Der Sultan dachte: „Dieser kleine Mann ist ganz anders als die stolzen Ritter, die gegen mich kämpfen. Männer mit Schwertern – die kann ich leicht besiegen! Aber gegen einen, der sanft ist, mit welcher Waffe soll ich gegen den kämpfen? Es gibt keine Waffe gegen die Liebe! Wehe mir, wenn die Ritter des Abendlandes mit Liebe kämpften und nicht mit Schwertern! Ich müsste mich ihnen ergeben!“

Damals gab es keinen unter den Rittern und Königen, der friedlich verhandeln wollte. So wurde gekämpft, und viele starben. Franz sah es mit an und konnte ihnen nicht helfen.

Aber trotzdem war es wichtig, was er damals sagte, und es ist wichtig geblieben, bis heute. Und das gilt für vieles, was Franz gesagt hat.

Franziskus ist ein Vorbild, wenn wir wissen wollen, wie man als Christ im Sinne des Psalms 23 leben kann. Dabei brauchen wir sein Vorbild nicht so hochzuhängen, dass wir sowieso nie drankommen. Das wäre bequem für uns. Es kommt nämlich gar nicht darauf an, dass das Vorbild perfekt und makellos ist. Sondern Franz ist ja gerade ein Vorbild darin, dass er ernstmacht mit dem Glauben, mit dem Vertrauen auf den Guten Hirten. Der will keine perfekten Menschen, sondern Menschen, die wissen, dass sie aus der Vergebung leben.

Konfirmanden haben übrigens nicht nur Anti-Psalmen geschrieben. Sie haben auch den wirklichen Psalm 23 in eigene Worte umformuliert. Davon möchte ich Ihnen zum Schluss noch ein paar Beispiele vorstellen, denn sie haben ganz eindrucksvoll dargestellt, was für sie der Psalm 23 heute bedeutet:

Einer hat geschrieben:

Gott hilft mir, wenn ich in Not bin, er hilft mir, über ein Leiden hinwegzukommen.

Er ist bei mir, wenn ich einsam bin.

Er beschützt mich vor Unglück.

Man darf Gott nicht missbrauchen, indem man ihn um eine gute Note oder sowas anbettelt.

Und einer anderer:

Wir sind die Schafe, und der Herr ist der Hirte…

Er wird unsere Wege leiten.

Auch wenn wir durch ein finsteres Tal laufen, brauchen wir keine Angst zu haben.

Gott ist unser Herr und wird es immer bleiben, für immer!

Ich hoffe, dass es den Konfirmanden und auch uns wirklich klar geworden ist: Wir sind nicht überfordert, wenn wir mit Ernst Christen sein wollen. Denn auch wenn uns manches abverlangt wird, geht es im Glauben an den guten Hirten zuerst einmal darum, was unsere Seele nötig braucht, auch wenn es uns äußerlich nicht gut geht. Ein Heuchelheimer Konfirmand hat das kurz und knapp ausgedrückt:

Gott führt die Menschen auf dieser Welt. Gott nimmt die Menschen ohne Leistung auf.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied 178, 4-5

O Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens: dass ich Liebe übe, wo man sich hasst; dass ich verzeihe, wo man sich beleidigt; dass ich verbinde, da wo Streit ist; dass ich die Wahrheit sage, wo der Irrtum herrscht; dass ich den Glauben bringe, wo der Zweifel drückt; dass ich die Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält; dass ich Liebe entzünde, wo die Finsternis regiert; dass ich Freude mache, wo der Kummer wohnt.

Ach Herr, lass du mich danach trachten: nicht dass nur ich getröstet werde, sondern dass ich auch andere tröste; nicht, dass nur ich verstanden werde, sondern dass ich auch andere verstehe; nicht dass nur ich geliebt werde, sondern dass ich auch andere liebe.

Denn wer hingibt, der empfängt; wer sich selbst vergisst, der findet; wer verzeiht, dem wird verziehen; und wer stirbt, erwacht zum ewigen Leben. Amen.

Gemeinsam beten wir mit den Worten Jesu:

Vater unser
Lied EKG 348, 8+9:

Sprich ja zu meinen Taten, hilf selbst das Beste raten; den Anfang, Mitt‘ und Ende, ach Herr, zum Besten wende.

Mich segne, mich behüte, mein Herz sei deine Hütte, dein Wort sei meine Speise, bis ich gen Himmel reise.

Abkündigungen und Segen

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