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„Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld“

Gott ist unser Freund; darin sind Bibel und Koran einig. Im Neuen Testament wird darüber hinaus betont: In besonderer Weise ist Jesus unser Freund, indem er als Heiland unsere Seele heil macht und uns Frieden gibt. Nicht wir, sondern Gott selbst blutet in Jesus für unsere Sünden; so werden die unfassbaren Folgen der Auflehnung von Menschen gegen Gott anschaulich sichtbar.

Das Lamm Gottes auf einem Kirchenfenster, dessen Blut in einen Kelch fließt
Das Lamm Gottes (Bild: chantal MUREPixabay)
direkt-predigtGottesdienst am Karfreitag, den 25. März 2016, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen
Orgelvorspiel

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße Sie herzlich im Gottesdienst mit dem Wort zum Karfreitag aus dem Evangelium nach Johannes 3, 16:

„Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“

Die Glocken haben an diesem stillen Feiertag geschwiegen. Die Orgel in unserer Kirche schweigt jedoch nicht; sie begleitet auch am Karfreitag unseren Gesang. Wir singen zu Beginn das Lied 90 und stimmen uns darauf ein, in diesem Gottesdienst über Jesus als das Lamm Gottes nachzudenken, das die Schuld der Welt trägt:

1. Ich grüße dich am Kreuzesstamm, du hochgelobtes Gotteslamm, mit andachtsvollem Herzen. Hier hängst du zwar in lauter Not und bist gehorsam bis zum Tod, vergehst in tausend Schmerzen; doch sieht mein Glaube wohl an dir, dass Gottes Majestät und Zier in diesem Leibe wohne und dass du hier so würdig seist, dass man dich Herr und König heißt, als auf dem Ehrenthrone.

2. Ich folge dir durch Tod und Leid, o Herzog meiner Seligkeit, nichts soll mich von dir trennen. Du gehst den engen Weg voran; dein Kreuzestod macht offne Bahn den Seelen, die dich kennen. Ach Jesu, deine höchste Treu macht, dass mir nichts unmöglich sei, da du für mich gestorben; ich scheue nicht den bittern Tod und bin gewiss in aller Not: »Wer glaubt, ist unverdorben.«

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Als Johannes der Täufer am Jordan in Israel die Menschen tauft, die sich von ihm zur Umkehr rufen lassen, da sieht er eines Tages auch Jesus zu sich kommen (Johannes 1, 29 und 34-36)

„und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn. Am nächsten Tag stand Johannes abermals da und zwei seiner Jünger; und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm!“

Kommt, lasst uns Gott anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Im Buch des Propheten Jesaja 53, 3-7, ist von einem Knecht Gottes die Rede, der sich widerstandslos Qualen antun lässt, wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt wird:

3 Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.

4 Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.

5 Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.

6 Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn.

7 Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.

Du Lamm Gottes, wir bekennen, dass uns gar nicht bewusst ist, wie schwer die Sünde ist, die durch uns auf dir lastet. Wir bekennen, dass wir verstrickt sind in weltweites Unrecht, in Unfrieden und Lieblosigkeit, oft nur dadurch, dass wir von einem System profitieren, dass uns Vorteile verschafft gegenüber vielen anderen Menschen. Wir bekennen Gedankenlosigkeit und Gleichgültigkeit, Hochmut und Trägheit, und vieles, was wir uns gar nicht einzugestehen wagen.

Wir rufen zu dir, Gott: Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Es ist unglaublich und doch wahr: „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Wir verdienen Strafe und müssen doch unsere Strafe nicht selber tragen. Wir haben Frieden und dürfen Frieden schaffen. Wir sind geheilt und dürfen Heilung bewirken in Worten und Taten. Darum lasst uns auch und gerade am Karfreitag Gott lobsingen:

„Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Du Lamm Gottes, lass uns eintauchen in das Geheimnis des Karfreitags. Hilf uns zu verstehen, was es bedeutet, dass du dich wie ein Lamm zur Schlachtbank hast führen lassen. Darum bitten wir dich, du Sohn Gottes, Jesus Christus, unser Herr. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung am Karfreitag aus dem Evangelium nach Matthäus 27, 33-50:

33 Und als sie an die Stätte kamen mit Namen Golgatha, das heißt: Schädelstätte,

34 gaben sie ihm Wein zu trinken mit Galle vermischt; und als er‘s schmeckte, wollte er nicht trinken.

35 Als sie ihn aber gekreuzigt hatten, verteilten sie seine Kleider und warfen das Los darum.

36 Und sie saßen da und bewachten ihn.

37 Und oben über sein Haupt setzten sie eine Aufschrift mit der Ursache seines Todes: Dies ist Jesus, der Juden König.

38 Und da wurden zwei Räuber mit ihm gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken.

39 Die aber vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe

40 und sprachen: Der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz!

41 Desgleichen spotteten auch die Hohenpriester mit den Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen:

42 Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er der König von Israel, so steige er nun vom Kreuz herab. Dann wollen wir an ihn glauben.

43 Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn.

44 Desgleichen schmähten ihn auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren.

45 Und von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.

46 Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

47 Einige aber, die da standen, als sie das hörten, sprachen sie: Der ruft nach Elia.

48 Und sogleich lief einer von ihnen, nahm einen Schwamm und füllte ihn mit Essig und steckte ihn auf ein Rohr und gab ihm zu trinken.

49 Die andern aber sprachen: Halt, lass sehen, ob Elia komme und ihm helfe!

50 Aber Jesus schrie abermals laut und verschied.

51 Und siehe, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus.

52 Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen standen auf

53 und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen.

54 Als aber der Hauptmann und die mit ihm Jesus bewachten das Erdbeben sahen und was da geschah, erschraken sie sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Amen. „Amen.“

Glaubensbekenntnis

Wir singen das Lied 190.1:

1. O Lamm Gottes, unschuldig am Stamm des Kreuzes geschlachtet, allzeit erfunden geduldig, wiewohl du warest verachtet, all Sünd hast du getragen, sonst müssten wir verzagen. Erbarm dich unser, o Jesu.

2. O Lamm Gottes, unschuldig am Stamm des Kreuzes geschlachtet, allzeit erfunden geduldig, wiewohl du warest verachtet, all Sünd hast du getragen, sonst müssten wir verzagen. Erbarm dich unser, o Jesu.

3. O Lamm Gottes, unschuldig am Stamm des Kreuzes geschlachtet, allzeit erfunden geduldig, wiewohl du warest verachtet, all Sünd hast du getragen, sonst müssten wir verzagen. Gib deinen Frieden, o Jesu.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, vielleicht haben Sie sich gewundert, das im Lied vor der Predigt zwei Strophen völlig gleich waren und in der dritten Strophe nur der letzte Satz anders. Ein ähnliches Lied vom Lamm Gottes singen wir, wenn wir das Abendmahl feiern, auch in Form einer Litanei, die sich wiederholt, aber in der dritten Strophe nicht ganz. Wozu dient diese penetrante, eindringliche Wiederholung? Wenn wir diese Verse nicht einfach so runtersingen, sondern wieder und wieder bei ihnen verharren, dann hämmern wir uns ein, was mit Jesus am Kreuz geschehen ist: Er wird abgeschlachtet. Er stirbt in absoluter Demütigung und Verachtung. Er tut das alles in Geduld, um alle Sünde der Welt zu tragen, damit wir nicht verzagen, verzweifeln, in Angst vergehen – und uns auch nicht in falschem Stolz etwas über unser Leben vormachen müssen. Zwei Mal bitten wir Jesus um sein Erbarmen, beim dritten Mal um seinen Frieden. Erbarmen, das ist die sich zu uns beugende Liebe Gottes, sie gibt unserem unruhigen Herzen und unserer zerrissenen Welt den Frieden, den alle notwendig brauchen.

Nun habe ich in dieser Predigt ein ganzes Lied angeschaut und bin schon fertig damit. Aber so kurz kann doch eine Predigt von mir nicht sein. Das war bisher auch nur sozusagen der Vorspann.

Ein anderes Lied betrachte ich mit Ihnen gemeinsam, das Lied 83 von Paul Gerhardt, in dem das Bild vom Lamm Gottes ebenfalls im Mittelpunkt steht. Das Lied habe ich, glaube ich, noch nie singen lassen, weil es auch schwer verständliche Aussagen enthält. Aber eben auch viele starke und faszinierende Bilder. Heute, am letzten Karfreitag, an dem ich als Paulus-Gemeindepfarrer hier predige, möchte ich mich einmal an dieses Lied heranwagen. Hören wir aus dem Lied 83 die erste Strophe:

1. Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld
der Welt und ihrer Kinder;
es geht und büßet in Geduld
die Sünden aller Sünder;
es geht dahin, wird matt und krank,
ergibt sich auf die Würgebank,
entsaget allen Freuden,
es nimmet an Schmach, Hohn und Spott,
Angst, Wunden, Striemen, Kreuz und Tod
und spricht: »Ich will’s gern leiden.«

Nicht nur weil sich Schuld auf Geduld reimt, betonen Lieder vom Lamm Gottes immer wieder das geduldige, bereitwillige, zeit- und kraftintensive Tragen dessen, was Menschen an schuldhaftem Versagen auf sich laden. Die Fragen, die sich hinter solchen Bildern auftun, sind groß und vielleicht niemals endgültig beantwortbar: Sind wir vor Gott so abgrundtief schuldig, dass nur der Opfertod Jesu uns retten kann? Andererseits: Kann überhaupt ein Mensch die Last der Schuld für alle anderen Menschen tragen? Eine Religion wie der Islam bestreitet beides. Sure 35, 7, sagt:

„Die glauben und gute Werke tun, bekommen Vergebung und großen Lohn.“

Und:

„Niemand, der Last trägt, trägt die eines anderen“,

heißt es in Sure 39, 7. Ungewöhnlich ist also sowohl die Betonung der Schwere der Schuld im Christentum als auch die Möglichkeit, dass Jesus Christus diese Schuld für alle tragen kann.

In unserer Liedstrophe malt der Dichter Paul Gerhardt sehr eingehend aus, welche Qualen das Lamm Gottes auf sich nimmt, um die Strafe für die Sünden aller Sünder abzubüßen. Bewusst geht es dahin, dieses Lamm, um Leid auf sich zu nehmen. Matt und krank wird es angesichts der Last so unendlich großer Abkehr der Menschen von Gott und seiner Liebe. Die Schlachtbank, die ein Lamm zu erwarten hat, wird im Lied zur Würgebank, auf der ihm die Luft zum Atmen genommen wird. Das Lamm nimmt Abschied von der Lebensfreude, nimmt stattdessen jede Form von Erniedrigung und Folterqualen auf sich. Körperliche und seelische Verletzungen werden ihm zugefügt. Wenn es am Ende sagt: „Ich will‘s gern leiden“, dann tut es das unter Angst und Schmerzen, nicht aus Lebensüberdruss und auch nicht, weil Jesus, dieses Gotteslamm, quasi als Halbgott übermenschliche Kräfte zur Verfügung hätte.

2. Das Lämmlein ist der große Freund
und Heiland meiner Seelen;
den, den hat Gott zum Sündenfeind
und Sühner wollen wählen:
»Geh hin, mein Kind, und nimm dich an
der Kinder, die ich ausgetan
zur Straf und Zornesruten;
die Straf ist schwer, der Zorn ist groß,
du kannst und sollst sie machen los
durch Sterben und durch Bluten.«

Gott ist unser Freund; bei der interreligiösen Feier am letzten Sonntag haben wir gehört, dass sich darin die Bibel und der Koran einig sind. Im Neuen Testament wird darüber hinaus betont, dass in besonderer Weise Jesus unser Freund ist, und zwar indem er ein Sündenfeind wird, ein Sühner für unsere Schuld, ein Heiland, der unsere Seele heil macht und uns Frieden gibt. Innerhalb des einen Gottes gibt es eine Spannung, die Jesus überwindet: Einerseits hat Gott allen Grund zum Zorn über seine Menschenkinder, die die guten Gebote der Menschlichkeit übertreten, andererseits will er sie durch zwar verdiente, aber unerträgliche Strafen nicht der Vernichtung preisgeben. Indem nicht wir, sondern in Jesus Gott selbst für unsere Sünden bluten muss und die Todesstrafe auf sich nimmt, werden die Folgen der Auflehnung von Menschen gegen Gott in ihrer ganzen furchtbaren Unfassbarkeit anschaulich sichtbar.

3. »Ja, Vater, ja von Herzensgrund,
leg auf, ich will dir’s tragen;
mein Wollen hängt an deinem Mund,
mein Wirken ist dein Sagen.«
O Wunderlieb, o Liebesmacht,
du kannst – was nie kein Mensch gedacht –
Gott seinen Sohn abzwingen.
O Liebe, Liebe, du bist stark,
du streckest den in Grab und Sarg,
vor dem die Felsen springen.

In dieser Strophe erzählt der Dichter Paul Gerhardt zuerst nach, wie Jesus im Garten Gethsemane trotz seiner Todesangst den Weg zum Kreuz bereitwillig auf sich nimmt – dem Vater im Himmel zuliebe, mit dem er ja von ganzem Herzen eins ist, sagt er: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe“, an den Worten, die aus dem Mund Gottes kommen, ist sein eigenes Wollen festgemacht; was Gott sagt, setzt er ohne Einschränkungen in die Tat um, es gibt keinen Unterschied zwischen dem Wort Gottes und dem Wirken seines Sohnes Jesus.

Dann spricht Paul Gerhardt in dichterischer Sprache die wunderbare Liebe selber an: es ist Liebe, auf Grund derer Gott seinen Sohn dem Tode preisgibt, genauer gesagt, aus Liebe opfert Gott in Jesus sich selbst für diejenigen, die eigentlich den Tod verdienen. Als Jesus stirbt, zerspringen die Felsen, wie wir es vorhin im Evangelium nach Matthäus gehört haben; stärker als diese Felsen ist die Liebe, die Jesus dazu bringt, sich für alle Menschen zu opfern, sogar für Gottlose.

4. Mein Lebetage will ich dich
aus meinem Sinn nicht lassen,
dich will ich stets, gleich wie du mich,
mit Liebesarmen fassen.
Du sollst sein meines Herzens Licht,
und wenn mein Herz in Stücke bricht,
sollst du mein Herze bleiben;
ich will mich dir, mein höchster Ruhm,
hiermit zu deinem Eigentum
beständiglich verschreiben.

Die mittlere Strophe unseres Liedes enthält ein überschwengliches Bekenntnis zu dem Jesus, der mich mit den Armen seiner Liebe berührt, befreit und festhält. In verschiedenen Bildern wird das Vertrauen auf Jesus umschrieben: Ich lasse ihn nicht aus meinem Sinn, ich erwidere seine Liebe und unterschreibe sozusagen eine Erklärung, dass ich für immer ihm gehöre. Er ist wie ein Licht für mein Herz und kann sogar an die Stelle meines eigenen Herzens treten, wenn mein Herz vor Kummer zerbricht.

5. Ich will von deiner Lieblichkeit
bei Nacht und Tage singen,
mich selbst auch dir nach Möglichkeit
zum Freudenopfer bringen.
Mein Bach des Lebens soll sich dir
und deinem Namen für und für
in Dankbarkeit ergießen;
und was du mir zugut getan,
das will ich stets, so tief ich kann,
in mein Gedächtnis schließen.

Weil der Liederdichter das, was Jesus getan hat, als lieblich erfährt, regt er uns dazu an, unaufhörlich von ihm zu singen und auch ihm uns selbst als Opfer darzubringen, im Rahmen unserer Möglichkeiten. Ein solches Freudenopfer besteht darin, dankbar zu leben und niemals zu vergessen, was Jesus für uns getan hat. Wenn Paul Gerhardt in diesem Zusammenhang vom Bach unseres Lebens redet, der sich in Dankbarkeit in Jesu Namen ergießt, dann spielt er vielleicht auch auf das Wort des Propheten Amos 5, 24 an:

„Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“

6. Das soll und will ich mir zunutz
zu allen Zeiten machen;
im Streite soll es sein mein Schutz,
in Traurigkeit mein Lachen,
in Fröhlichkeit mein Saitenspiel;
und wenn mir nichts mehr schmecken will,
soll mich dies Manna speisen;
im Durst soll’s sein mein Wasserquell,
in Einsamkeit mein Sprachgesell
zu Haus und auch auf Reisen.

Ein Leben im Vertrauen auf das Lamm Gottes kann nützlich sein. Wenn wir im Streit liegen mit Menschen, kann es uns schützen: möglicherweise mehr davor, dass wir andere ungerecht behandeln als umgekehrt. Wenn wir traurig sind, können wir im Vertrauen auf den, dessen Liebe stärker ist als der Tod, wieder getröstet werden und auch wieder zum Lachen finden. Wenn wir fröhlich sind, können wir dem Ausdruck geben, zum Beispiel indem wir Musik machen. Das Vertrauen auf Jesus kann uns wie himmlisches Brot sogar dann satt machen, wenn uns in einer schlimmen Lebenslage der Appetit vergangen ist. Wenn wir Durststrecken durchzustehen haben, steht uns eine Quelle des Lebenswassers zur Verfügung, die uns in Ewigkeit nicht dürsten lässt (Johannes 4, 14).

Besonders gefällt mir das dichterische Bild, dass das Vertrauen auf Jesus sogar in Einsamkeit mein Sprachgesell sein kann, egal wo ich mich aufhalte. Wenn ich die Möglichkeit habe, zu beten, dann bin ich nie völlig allein; im Gottvertrauen können wir auch unsere Einsamkeitsfähigkeit trainieren.

7. Wenn endlich ich soll treten ein
in deines Reiches Freuden,
so soll dein Blut mein Purpur sein,
ich will mich darein kleiden;
es soll sein meines Hauptes Kron,
in welcher ich will vor den Thron
des höchsten Vaters gehen
und dir, dem er mich anvertraut,
als eine wohlgeschmückte Braut
an deiner Seite stehen.

Die letzte Strophe eines Liedes ist bei Paul Gerhardt oft ein Ausblick auf das, was uns im ewigen Leben nach unserem Tod erwartet. Hier malt er sich das Reich Gottes als einen Ort der Freude aus, wo er im Thronsaal des Vaters im Himmel mit einem purpurnen Königsmantel und einer Krone ausgestattet wird und schließlich mit Jesus Hochzeit feiert. Bei dieser Vorstellung merkt man, dass sie einem anderen kulturellen Zusammenhang entstammt, zwar in unserem eigenen Land, aber vor bereits 369 Jahren; so würden wir unsere Beziehung zu Jesus nicht mehr beschreiben wollen, dass Jesus unser Bräutigam ist, mit dem Gott uns bildlich gesprochen verheiratet und wir ein Hochzeitskleid und eine Krone tragen, die nicht etwa weiß bzw. golden sind, sondern aus dem purpurroten Blut bestehen, das vom Lamm Gottes für uns vergossen worden ist.

Gemeint ist: wir müssen uns, wenn wir einmal sterben, mit nichts anderem schmücken als mit dem, was Jesus für uns getan hat. Diese Einsicht, dass wir vor Gott erscheinen dürfen, so wie wir sind, und dass er selbst uns mit einer Ehre ausstattet, die wir uns nicht selber beilegen können, die können wir auch heute noch von Herzen bejahen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Fürbitten – Gebetstille – Vater unser

Wir singen aus dem Lied 66 die Strophen 6 bis 8:

6. Jesus ist kommen, ein Opfer für Sünden, Sünden der ganzen Welt träget dies Lamm. Sündern die ewge Erlösung zu finden, stirbt es aus Liebe am blutigen Stamm. Abgrund der Liebe, wer kann dich ergründen? Jesus ist kommen, ein Opfer für Sünden.

7. Jesus ist kommen, die Quelle der Gnaden: Komme, wen dürstet, und trinke, wer will! Holet für euren so giftigen Schaden Gnade aus dieser unendlichen Füll! Hier kann das Herze sich laben und baden. Jesus ist kommen, die Quelle der Gnaden.

8. Jesus ist kommen, die Ursach zum Leben. Hochgelobt sei der erbarmende Gott, der uns den Ursprung des Segens gegeben; dieser verschlinget Fluch, Jammer und Tod. Selig, die ihm sich beständig ergeben! Jesus ist kommen, die Ursach zum Leben.

Abkündigungen
Segen
Orgelnachspiel

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