Bild: Helmut Schütz

Männer und Frauen im Stammbaum Jesu

Es tut der Heiligkeit Jesu keinen Abbruch, wenn Tamar und Rahab, Ruth und Bathseba zu seinen Urgroßmüttern zählen, hat er doch auch als erwachsener Mann die Huren nicht verachtet und die Ehebrecherin nicht gesteinigt. Weil bei Gott nichts unmöglich ist, kam er im unehelichen Sohn der Maria zur Welt, dessen Herkunft ungeklärt war.

Die erste Seite des Neuen Testaments mit Jesu Stammbaum
Die erste Seite des Neuen Testaments mit Jesu Stammbaum

direkt-predigtGottesdienst am 1. Weihnachtsfeiertag, 25. Dezember 2002, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen (außerdem am 2. Weihnachtsfeiertag, 26. Dezember 2002, um 10.00 Uhr in der Thomaskirche Gießen)

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße Sie herzlich zum Abendmahlsgottesdienst am 1. Weihnachtsfeiertag mit dem Wort zum Christfest aus dem Evangelium nach Johannes 1, 14:

„Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.“

Dass Jesus in seiner Geburt von der Jungfrau Maria ganz und gar Mensch wurde und zugleich ganz und gar Gott war, ist ein unbegreifliches Geheimnis. Dieses Geheimnis feiern wir am Weihnachtsfest.

Wir singen das Lied 23:

Gelobet seist du, Jesu Christ, dass du Mensch geboren bist von einer Jungfrau, das ist wahr; des freuet sich der Engel Schar. Kyrieleis.

Des ewgen Vaters einig Kind jetzt man in der Krippen find’t; in unser armes Fleisch und Blut verkleidet sich das ewig Gut. Kyrieleis.

Den aller Welt Kreis nie beschloss, der liegt in Marien Schoß; er ist ein Kindlein worden klein, der alle Ding erhält allein. Kyrieleis.

Das ewig Licht geht da herein, gibt der Welt ein‘ neuen Schein; es leucht‘ wohl mitten in der Nacht und uns des Lichtes Kinder macht. Kyrieleis.

Der Sohn des Vaters, Gott von Art, ein Gast in der Welt hier ward und führt uns aus dem Jammertal, macht uns zu Erben in seim Saal. Kyrieleis.

Er ist auf Erden kommen arm, dass er unser sich erbarm und in dem Himmel mache reich und seinen lieben Engeln gleich. Kyrieleis.

Das hat er alles uns getan, sein groß Lieb zu zeigen an. Des freu sich alle Christenheit und dank ihm des in Ewigkeit. Kyrieleis.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Gott wird Mensch, ganz und gar – wie ist dieses Geheimnis zu begreifen? Der ewige Vater – als Gast auf Erden. Der große Gott – ein kleines Kind. Er wird arm, damit wir reich werden.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Der gottesfürchtige Hiob im Alten Testament hat bezweifelt, dass es auch nur einen einzigen Menschen geben könnte, der wirklich rein ist. So spricht er im Buch Hiob, Kapitel 14:

1. Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe,

2. geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.

3. Doch du tust deine Augen über einen solchen auf, dass du mich vor dir ins Gericht ziehst.

4. Kann wohl ein Reiner kommen von Unreinen? Auch nicht einer!

Wir werden von Gott zur Rechenschaft gezogen – und doch ist keiner von uns nur reinen Herzens. Angewiesen auf Gnade und Erbarmen rufen wir zu Gott:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Aber wie konnte Jesus als der Sohn Gottes von einer Frau geboren werden – der eine Reine unter Sündern?

Kann wohl ein Reiner kommen von Unreinen? Auch nicht einer!

Das hat Hiob behauptet.

Doch entgegen seiner Erwartung – ja wider alles menschliche Erwarten – konnte Maria den einen Reinen zur Welt bringen. Wir nennen sie die „reine Magd“, von der es heißt (Matthäus 1, 21):

„Sie wird einen Sohn gebären, der den Namen Jesus tragen soll, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.“

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, öffne unser Herz für das Wunder deiner Geburt in Jesus Christus. Hilf uns, dass wir wieder staunen lernen über deine Wege zu uns Menschen. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören das Weihnachtsevangelium nach Matthäus im Kapitel 1, Verse 18 – 25:

18. Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem heiligen Geist.

19. Josef aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen.

20. Als er das noch bedachte, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem heiligen Geist.

21. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.

22. Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht :

23. »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns.

24. Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.

25. Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis

Wir singen das Lied 537:

Singet frisch und wohlgemut, lobet Gott, das höchste Gut, der so große Wunder tut und schicket seinen lieben Sohn auf Erden, dass wir durch ihn sollen selig werden. Eia, eia! Eine Magd gebar uns Gott, wie es seine große Gnad gewollt hat. Heute uns erschienen ist der Herre Christ, Immanuel, der uns selig macht und führt aus Tod und Höll.

Kinder, singet alle gleich, lobet Gott vom Himmelreich; unsre Not hat er erkannt und seinen lieben Sohn gesandt von oben, dass wir ihn auf Erden sollen loben. Eia, eia! Loben wir mit Lieb und Dank, singen einen neuen Gesang dem Herren; preisen ihn von Herzensgrund mit gleichem Mund und hoffen frei, dass ihm unser Dienst ein Wohlgefallen sei.

Schaut die lieben Engel an und tut, wie sie ha‘n getan, singt mit ihn‘ das schöne Lied von Gottes Gnad und neuem Fried mit Schallen und habt dran ein herzlichs Wohlgefallen. Eia, eia! Wünschet Glück dem Christkindlein, sprechet all zugleich in ein‘ mit Freuden: Ehre sei Gott in der Höh, auf Erden Fried; und große Freud widerfahre allen bis in Ewigkeit.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde!

Wie fing alles an mit Jesus – wie wurde er ein Mensch, wie wurde er geboren?

Als die ersten Christen schon lange an Jesus glaubten, an seine Auferstehung nach der Kreuzigung, daran, dass er Gott war und doch ganz Mensch – da haben sie auch diese Frage gestellt.

Und zwei der vier Evangelisten haben diese Frage am Anfang ihres Evangeliums auch beantwortet. Am bekanntesten ist die Antwort des Lukas. Er erzählt von der Volkszählung des Kaisers Augustus, von der Geburt im Stall, weil für die junge Familie kein Platz in der Herberge ist, von der Friedensverkündigung der Engel, die zuerst von den armen Hirten auf dem Feld von Bethlehem gehört wird.

Matthäus setzt andere Akzente: Ein Engel muss den frommen Josef dazu bewegen, seine unehelich schwangere Verlobte nicht zu verlassen. Ein Besuch orientalischer Magier beim neugeborenen Kind hat die unerwünschte Folge, dass König Herodes alle Kinder von Bethlehem tötet – nur Jesus kann mit seinen Eltern nach Ägypten entkommen.

Aber man kann noch weiter zurückgehen, wenn man von der Herkunft Jesu erzählen will. Lukas tut es, indem er von der Geburt Johannes des Täufers berichtet. Und was steht auf der allerersten Seite des Neuen Testaments? Was schreibt der Evangelist Matthäus noch vor seiner Geburtsgeschichte, die wir vorhin gehört haben?

Das soll unser heutiger Predigttext sein, aus dem Evangelium nach Matthäus 1, 1-17:

1. Dies ist das Buch von der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.

2. Abraham zeugte Isaak. Isaak zeugte Jakob. Jakob zeugte Juda und seine Brüder.

3. Juda zeugte Perez und Serach mit der Tamar. Perez zeugte Hezron. Hezron zeugte Ram.

4. Ram zeugte Amminadab. Amminadab zeugte Nachschon. Nachschon zeugte Salmon.

5. Salmon zeugte Boas mit der Rahab. Boas zeugte Obed mit der Rut. Obed zeugte Isai.

6. Isai zeugte den König David. David zeugte Salomo mit der Frau des Uria.

7. Salomo zeugte Rehabeam. Rehabeam zeugte Abija. Abija zeugte Asa.

8. Asa zeugte Joschafat. Joschafat zeugte Joram. Joram zeugte Usija.

9. Usija zeugte Jotam. Jotam zeugte Ahas. Ahas zeugte Hiskia.

10. Hiskia zeugte Manasse. Manasse zeugte Amon. Amon zeugte Josia.

11. Josia zeugte Jojachin und seine Brüder um die Zeit der babylonischen Gefangenschaft.

12. Nach der babylonischen Gefangenschaft zeugte Jojachin Schealtiël. Schealtiël zeugte Serubbabel.

13. Serubbabel zeugte Abihud. Abihud zeugte Eljakim. Eljakim zeugte Asor.

14. Asor zeugte Zadok. Zadok zeugte Achim. Achim zeugte Eliud.

15. Eliud zeugte Eleasar. Eleasar zeugte Mattan. Mattan zeugte Jakob.

16. Jakob zeugte Josef, den Mann der Maria, von der geboren ist Jesus, der da heißt Christus.

17. Alle Glieder von Abraham bis zu David sind vierzehn Glieder. Von David bis zur babylonischen Gefangenschaft sind vierzehn Glieder. Von der babylonischen Gefangenschaft bis zu Christus sind vierzehn Glieder.

Ja, liebe Gemeinde, so fängt das Neue Testament an. Ich hörte von einer Frau, die während einer Reise auf ihrem Nachttisch ein Neues Testament fand und dachte: Na gut, lese ich mal die Bibel von Anfang an. Sie las, was wir eben hörten – und klappte die Bibel wieder zu. Das ist ja ätzend langweilig, meinte sie, und wollte nie wieder eine Bibel aufschlagen.

Trotzdem meine ich: Es lohnt sich, auch einmal diese Verse anzuschauen. Denn sie geben – vielleicht mehr zwischen den Zeilen – Antwort auf die Frage des Hiob: Wie kann der Reine von den Unreinen kommen? Wie kann in der sündigen Menschheit der Gottessohn zur Welt kommen?

Schauen wir uns die lange Reihe der Abstammung Jesu an: Matthäus führt sie auf Abraham zurück. Jesus ist menschlich gesehen ein Nachkomme Abrahams, der als Vater des Glaubens galt. Damit sagt er auch etwas über Jesus aus: Jesus wird stark im Glauben sein wie Abraham – mindestens so stark wie er.

Auch weitere Namen in dieser Reihe sind bekannt und berühmt: Aus der Zeit vor dem Auszug aus Ägypten: Isaak, Jakob und Juda, aus der beginnenden Zeit der Könige von Israel: Isai, David und Salomo. Eine ununterbrochene männliche Abstammungslinie führt geradewegs von Abraham zu – nein, nicht Jesus, sondern – Josef.

Merkwürdig: An dieser Stelle, zwischen Josef und Jesus bricht die natürliche Generationenfolge ab: „Jakob zeugte Josef, den Mann der Maria, von der geboren ist Jesus, der da heißt Christus.“ Und aus der Fortsetzung der Geschichte, die wir gehört haben, geht hervor, dass Matthäus mit Sicherheit davon ausgeht: Josef ist nicht der leibliche Vater von Jesus.

Wozu also der ganze Aufwand? Wozu der gewaltige Stammbaum aus dreimal 14 Generationen von Abraham bis David, von David bis zur babylonischen Gefangenschaft, und von dieser Zeit bis zu Christus? Der letzte in dieser Reihe ist nicht leiblicher Nachkomme von all diesen, sondern Josef adoptiert ihn, weil ein Engel ihn davon überzeugt, das Kind Marias als sein eigenes anzunehmen.

Wäre alles glatt gegangen, wäre Jesus leiblicher Sohn von Josef, dann wäre die Menschheit stolz gewesen auf diesen Sprössling aus ihren Reihen. Aber die Frage des Hiob würde sich nur um so schärfer stellen: „Kann wohl ein Reiner kommen von Unreinen?“ Die Ahnentafel des Josef enthält mehr als einen Namen, der im Alten Testament als Sünder genannt wird – denken wir nur an Davids Mord an Uria wegen des Ehebruchs mit Bathseba und an spätere Könige der Dynastie des David. Von vielen hieß es, dass sie taten, was dem Herrn missfiel, indem sie Götzenanbetung zuließen und unschuldiges Blut vergossen. Selbst Abraham, der Vater des Glaubens, hatte einmal so wenig Gottvertrauen, dass er in Ägypten dem Pharao gegenüber seine Frau Sara als seine Schwester ausgab. Auf die Doppelmoral des Juda komme ich gleich zu sprechen, und was Josef selbst beinahe seiner Verlobten und dem Jesuskind angetan hätte, haben wir vorhin gehört.

Lesen wir die erste Seite des Neuen Testamentes so, dann scheint es, als wolle Matthäus sagen: Ein Wunder ist es, dass am Ende einer solchen Ahnenreihe der Heilige Gottes geboren werden konnte. Von seinen menschlichen Ahnen hatte er das jedenfalls nicht: Diese absolute Reinheit, dieses ungetrübte Gottvertrauen. Und das, obwohl es hochangesehene Vorfahren sind, die besten, die man sich denken kann. Josef wird genau in dem Augenblick als gottesfürchtiger, frommer Mann beschrieben, als er darüber nachdenkt, Maria wegen ihrer vermuteten Untreue zu verlassen.

Das ist aber noch nicht alles, was uns Matthäus in seiner Ahnentafel Jesu verrät. Ich bin noch nicht auf die Frauen eingegangen, die in der streng patriarchalisch organisierten israelitischen Gesellschaft in einen solchen Stammbaum an sich gar nicht hineingehören. Aber da stehen ihre Namen: Tamar, Rahab, Ruth – und die Frau des Uria, die nicht mit Namen genannt wird, die aber jeder kennt: Bathseba.

Ganz nebenbei erzählt uns Matthäus mit diesen vier Namen eine zweite Herkunftsgeschichte Jesu. Stehen die Namen der Männer für Berühmtheiten, die vielleicht hier und da einen kleinen Makel in ihrer Biographie aufweisen, so hatten alle diese Frauen einen ursprünglich zweifelhaftem Ruf.

Von Bathseba haben wir schon gehört – sie war die Frau des Uria, mit der David die Ehe brach.

Die verwitwete Ruth stammte aus dem Volk der Moabiter und kam mit ihrer ebenfalls alleinstehenden Schwiegermutter Naemi in deren Heimat Israel – ihren zweiten Mann Boas gewann sie, indem sie sich auf den Rat ihrer Schwiegermutter hin eines Nachts einfach zu ihm unter die Bettdecke legte.

Den Namen Rahab kennen wir aus der Geschichte der Eroberung Jerichos – Rahab war die Hure, die die israelitischen Kundschafter in ihrem Haus versteckte.

Und Tamar? Sie hatte die beiden älteren Söhne des Juda zur Frau gehabt, Er und Onan. Beide starben, und sie blieb kinderlos. Ihr Schwiegervater Juda hätte ihr nach altisraelitischem Recht seinen dritten Sohn zur Frau geben müssen, aber er tat es nicht. Da verkleidete sich Tamar eines Tages als Hure, und Juda verkehrte mit ihr, ohne sie zu erkennen. Tamar aber ließ sich bei dieser Gelegenheit von ihm ein Pfand geben. Als sie schwanger wurde, wollte Juda sie zur Strafe für ihre Hurerei töten lassen – bis er an ihrem Pfand erkannte: er selbst war der Mann gewesen! So blieb Tamar am Leben und wurde Mutter von Zwillingen, einer von ihnen ein Vorfahr von Jesus bzw. dessen Adoptivvater Josef.

Als fünfte in der Reihe dieser Ahnfrauen Jesu erscheint Maria – ihr hätte ein ähnliches Schicksal blühen können, wie es die Doppelmoral des Juda ursprünglich für seine Schwiegertochter Tamar vorgesehen hatte, denn Josef hat die Wahl, ob er Maria in Schande bringen oder nur verlassen soll.

Was denn nun? Will Matthäus sagen, dass Jesus menschlich in diese Reihe seiner Ahnfrauen besser hineinpasst als in die Reihe der berühmten Männerpersönlichkeiten? Er will das anscheinend wirklich. Vielleicht erinnert er sich dabei an die alte Verheißung des Propheten Jesaja über den Messias, der kommen soll (Jesaja 53, 3):

„Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.“

Schon von Geburt an stellt Jesus menschliche Qualitäten in Frage, die man sich aufgrund seiner berühmten Vorfahren zuschreibt. Es tut seiner Heiligkeit keinen Abbruch, wenn Tamar und Rahab, Ruth und Bathseba zu seinen Urgroßmüttern zählen, hat er doch auch als erwachsener Mann die Huren nicht verachtet und die Ehebrecherin nicht gesteinigt.

So unterstreicht Matthäus zwar Hiobs Satz: „Kann wohl ein Reiner kommen von Unreinen? Auch nicht einer!“ Weder weibliche noch männliche Urahnen Jesu hätten erwarten lassen, dass ein sündloser Mensch von ihnen abstammen könnte. Das hätten ihre Gene nicht hergegeben. Aber weil bei Gott nichts unmöglich ist, konnte es ihm gefallen, ausgerechnet im unehelichen Sohn der Maria zur Welt zu kommen, dessen Herkunft menschlich gesehen ungeklärt war. Der Schimpfname, mit dem man später Jesus belegte, „Fresser und Weinsäufer“, wurde normalerweise für einen Bastard verwendet, der den Namen seines leiblichen Vaters nicht kannte, was damals auch in der Bezeichnung „Sohn der Maria“ anklang.

Trotzdem – der Engel Gottes sagt dem Josef im Traum die Wahrheit: Jesus ist ein Kind vom Heiligen Geist. Ein Kind vom Heiligen Geist – das muss keine biologische Aussage über die Zeugung Jesu sein, die bei den meisten Menschen heutzutage nur noch Kopfschütteln hervorruft. Ein Kind vom Heiligen Geist – das ist die klare Wahrheit über dieses Kind der Maria: Der heilige Wille des Vaters im Himmel ist es, ausgerechnet in diesem Kind seine Seele wohnen zu lassen. Zu einem solchen Kind kann sie nur als Jungfrau kommen, für die Göttlichkeit Jesu sind weder die Gene der Maria noch diejenigen eines männlichen Erzeugers verantwortlich. So ist Jesus ganz und gar Mensch auch in seiner Abstammung von fehlbaren Menschen, und zugleich ganz und gar der Sohn Gottes – weil Gott es so will und weil bei ihm nichts unmöglich ist.

In dem ganz und gar menschlichen Leben dieses Jesus ist nicht menschliche Größe am Werk, sondern ganz und gar Gottes Geist. So ist der Christus Gottes „auf Erden kommen arm, dass er unser sich erbarm.“ Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen aus dem Lied 41 die Strophen 1 bis 4:

Jauchzet, ihr Himmel, frohlocket, ihr Engel, in Chören, singet dem Herren, dem Heiland der Menschen, zu Ehren! Sehet doch da: Gott will so freundlich und nah zu den Verlornen sich kehren.

Jauchzet, ihr Himmel, frohlocket, ihr Enden der Erden! Gott und der Sünder, die sollen zu Freunden nun werden. Friede und Freud wird uns verkündiget heut; freuet euch, Hirten und Herden!

Sehet dies Wunder, wie tief sich der Höchste hier beuget; sehet die Liebe, die endlich als Liebe sich zeiget! Gott wird ein Kind, träget und hebet die Sünd; alles anbetet und schweiget.

Gott ist im Fleische: wer kann dies Geheimnis verstehen? Hier ist die Pforte des Lebens nun offen zu sehen. Gehet hinein, eins mit dem Kinde zu sein, die ihr zum Vater wollt gehen.

Gott, wir danken dir, dass du als wahrer Mensch in unsere Welt gekommen bist. Du beschenkst uns mit Liebe und beschämst uns in unserer Selbstgerechtigkeit. Du zeigst immer wieder, gerade auch in der Geschichte der menschlichen Vorfahren Jesu, dass du auf krummen Linien gerade schreiben kannst. Nimm auch uns an mit all dem Unfertigen und Zweideutigen in unserem Leben. Hilf uns Klarheit zu gewinnen über unseren Weg, dass wir uns von deiner Liebe leiten lassen.

Bewahre uns auch vor christlicher Selbstgerechtigkeit gegenüber Andersdenkenden und Andersglaubenden. Lass uns unseren Glauben leben und dazu einladen. Schenke uns die Einsicht, dass es nicht deinem Frieden entspricht, wenn wir aus Angst vor den Menschen zu Mitteln der Gewalt oder der Einschüchterung greifen. Lass uns dessen gewiss sein, dass du den Menschen keine Angst vor der Hölle machen willst, sondern dass du den Himmel für alle Menschen geöffnet hast.

Wieder einmal haben die Menschen gerade in der Weihnachtszeit Angst vor einem Krieg, und Politiker christlicher Länder sind mit Kriegsvorbereitungen beschäftigt. Inständig bitten wir dich um politische Vernunft und vor allem den Abbau zerstörerischer Waffensysteme auf friedlichem Wege. Lass nicht zu, dass das christliche Abendland den Anschein erweckt, es nehme wegen egoistischer Eigeninteressen einen Weltkrieg in Kauf. Dir sei Ehre in der Höhe und Frieden auf Erden, denn du gibst die Liebe zu uns nicht auf. Amen.

Was wir außerdem auf dem Herzen haben, bringen wir in der Stille vor dich, Gott.

Stille und Vater unser

Wir singen das Lied 44:

O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue, freue dich, o Christenheit!

O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Christ ist erschienen, uns zu versühnen: Freue, freue dich, o Christenheit!

O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Himmlische Heere jauchzen dir Ehre: Freue, freue dich, o Christenheit!

Geht mit Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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