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Petrus lernt Toleranz

Die beiden könnten kaum verschiedener sein. Petrus, ein Jude, Kornelius ein Römer. Petrus, der ehemalige Fischer, der jetzt die Gemeinde der Christen in Jerusalem leitete. Und Kornelius, ein Offizier der Armee des römischen Weltreiches. Keinesfalls durfte Petrus nach dem Gesetz des Mose mit ihm zusammen essen. Er hätte sich unrein gemacht.

Die heutige Altstadt von Jaffa in Israel, das früher Joppe hieß
Die Altstadt von Jaffa in Israel, dem früheren Joppe (Bild: binaelPixabay)

#predigtGottesdienst am Letzten Sonntag nach Epiphanias, den 28. Januar 1996, um 9.30 Uhr in der Kapelle der Landesnervenklinik Alzey

Herzlich willkommen im Gottesdienst am Letzten Sonntag nach Epiphanias, das besser bekannt ist als das Fest der Heiligen Drei Könige oder der Weisen aus dem Morgenland. Diese Weisen aus dem Morgenland waren ja Heiden, sie gehörten nicht zum Volk der Juden, nicht zum Volk Gottes. Und dennoch kamen sie zu Jesus, beteten sie ihn an. Nicht nur die, die immer schon fromm waren, gehören zu Gott.

Von einer Zeit, in der alle Menschen im Frieden mit sich und mit Gott leben, singen wir das Lied 560:

Es kommt die Zeit, in der die Träume sich erfüllen
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir beten mit Worten aus Psalm 86:

1 HERR, neige deine Ohren und erhöre mich; denn ich bin elend und arm.

2 Bewahre meine Seele, denn ich bin dein. Hilf du, mein Gott, deinem Knechte, der sich verlässt auf dich.

5 Denn du, Herr, bist gut und gnädig, von großer Güte allen, die dich anrufen.

11 Weise mir, HERR, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit.

16 Wende dich zu mir und sei mir gnädig; stärke mich mit deiner Kraft und hilf mir!

Kommt, lasst uns anbeten. „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott der Juden, Gott der Heiden, Du bist auch unser Gott! Gott der Zuversichtlichen, Gott der Verzweifelten, Du bist auch unser Gott! Gott der Gesunden, Gott der Kranken, Du bist auch unser Gott! Komm uns wieder nahe, wenn Du uns fern warst! Lass uns Dich neu erkennen, wenn wir Dich allzu gut zu kennen glauben. Das erbitten wir von dir im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Evangelium nach Matthäus 8, 5-10.13:

5 Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn

6 und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen.

7 Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen.

8 Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.

9 Denn auch ich bin ein Mensch, der Obrigkeit untertan, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er’s.

10 Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden!

13 Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja.“

Lied 67, 1-3:

Herr Christ, der einig Gotts Sohn, Vaters in Ewigkeit, aus seim Herzen entsprossen, gleichwie geschrieben steht, er ist der Morgensterne, sein Glänzen streckt er ferne vor andern Sternen klar;

für uns ein Mensch geboren im letzten Teil der Zeit, dass wir nicht wärn verloren vor Gott in Ewigkeit, den Tod für uns zerbrochen, den Himmel aufgeschlossen, das Leben wiederbracht:

lass uns in deiner Liebe und Kenntnis nehmen zu, dass wir am Glauben bleiben, dir dienen im Geist so, dass wir hier mögen schmecken dein Süßigkeit im Herzen und dürsten stets nach dir.

Gnade und Friede sei mit uns allen von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Liebe Gemeinde!

Welche Bedeutung hat es, wenn wir einem Menschen begegnen, mit ihm reden, vielleicht nur ein einziges Gespräch mit ihm führen?

Jeden Tag treffen wir viele Menschen, auf der Straße, auf der Station im Krankenhaus, bei einer Veranstaltung. Mit manchen von ihnen sprechen wir auch. Die meisten von diesen Begegnungen vergessen wir schnell wieder, aber manche prägen sich uns auf Jahre hin ein. Und es gibt Begegnungen, die unser Leben von Grund auf verändern. Ein einziges Gespräch kann zu einer entscheidenden Weichenstellung für das spätere Leben führen. Ich muss mir das manchmal vor Augen halten, wenn ich denke: mit manchen Patienten spreche ich vielleicht nur ein einziges Mal. Was kann ich da schon groß bewirken? Und doch bekomme ich manchmal nach Jahren einen Brief oder einen Anruf: „Ja, ich war früher mal in der Nervenklinik, und ich möchte mich noch einmal für das Gespräch bedanken, das wir damals geführt haben“. Ja, menschliche Begegnungen, so zufällig und so belanglos sie manchmal erscheinen, können von größerer Bedeutung sein, als wir denken.

Aber wie kommen menschliche Begegnungen zustande? In vielen Fällen ist es sicher einfach der Zufall, der dazu führt, dass man sich trifft, dass man miteinander spricht, und dann verliert man sich wieder aus den Augen. Manchmal ist es auch so, dass dieses Zusammentreffen für einen von den beiden, die sich da begegnen, viel wichtiger ist als für den anderen. Es kommt zum Beispiel vor, dass ich mich an jemanden, mit dem ich vor sechs Jahren nur einmal gesprochen habe, vielleicht gar nicht mehr erinnere; aber der andere war gerade von diesem Gespräch so sehr beeindruckt, dass er es nie vergessen wird. Oder umgekehrt – ich begegne einem berühmten Menschen, der in unsere Stadt kommt, wechsele vielleicht sogar einige Worte mit ihm, aber ich kann nicht erwarten, dass er sich bei den vielen Händen, die er noch schütteln wird, sich später noch an mich erinnert.

Der Arzt Lukas hat in seiner Geschichte der Apostel von einer Begegnung zweier Menschen berichtet, die für ihn kein Zufall war. Wenn es nur nach menschlichem Ermessen zugegangen wäre, hätten diese beiden Menschen niemals zusammentreffen können, jedenfalls nicht auf friedliche Weise.

Der eine dieser beiden Menschen war der Apostel Petrus, der gerade überall im Lande Israel herumzog, um die christlichen Gemeinden zu besuchen. Dabei hielt er sich auch in der Stadt Joppe am Mittelmeer auf, die heute Jaffa heißt, woher die Jaffa-Orangen kommen (Apostelgeschichte 9):

43 Und es geschah, dass Petrus lange Zeit in Joppe blieb bei einem Simon, der ein Gerber war.

Zur gleichen Zeit lebte in einer anderen Stadt am Mittelmeer, 50 km weiter im Norden, in Cäsarea, der römische Bürger Kornelius (Apostelgeschichte 10):

1 Es war aber ein Mann in Cäsarea mit Namen Kornelius, ein Hauptmann der Abteilung, die die Italische genannt wurde.

Das sind zwei Menschen, die kaum verschiedener sein könnten. Petrus, ein Jude, Kornelius ein Römer. Petrus, der ehemalige Fischer, der jetzt die Gemeinde der Christen in Jerusalem leitete. Und Kornelius, ein Soldat der Armee des römischen Weltreiches, sogar ein Offizier im Rang eines Hauptmanns. Wie sollten die beiden zusammenkommen? Ein Jude durfte keinen Kontakt haben mit einem Heiden; er hätte sich unrein gemacht; keinesfalls durfte er nach dem Gesetz des Mose mit ihm zusammen essen.

Nun könnte man sich zwei Fragen stellen. Erstens: Hielten sich die Christen denn überhaupt noch an das Gesetz des Mose? Hatte Jesus nicht dieses Gesetz abgeschafft? Dazu muss man sagen, dass die Juden, die zum Glauben an Jesus gekommen waren, damals noch am jüdischen Gesetz festhielten. Sie hatten zwar von Jesus gelernt, dass dieses Gesetz dem Menschen dienen sollte und nicht der Mensch dem Gesetz. Aber die Gebote der Reinheit ganz über Bord zu werfen, mit einem Römer an einem Tisch zu sitzen, das wäre für Petrus ekelhaft gewesen. Igitt!

Auch umgekehrt könnte man sich fragen, warum denn dieser Römer Kornelius überhaupt Kontakt mit einem Juden wie Petrus suchen sollte. Für die Römer waren die Juden ein ungebildetes armes Volk. Da gab es noch nicht einmal berühmte Philosophen wie bei den Griechen. Aber offenbar war Kornelius einer von den Römern, die schon lange vom Glauben der Juden an einen einzigen Gott fasziniert waren. Offenbar stießen ihn die römisch-griechischen Götter mit ihren allzumenschlichen Verhaltensweisen eher ab. Er suchte nach dem wahren Gott. Und so berichtet Lukas vom Hauptmann Kornelius:

2 Der war fromm und gottesfürchtig mit seinem ganzen Haus und gab dem Volk viele Almosen und betete immer zu Gott.

Petrus und Kornelius, durch Welten voneinander getrennt, sie sollen dennoch zueinanderfinden. Dabei hat Gott seine Hand im Spiel, meint Lukas. Und er erzählt, wie beide Männer eine Erscheinung erleben – der eine um drei Uhr nachmittags an einem Tag, der andere um zwölf Uhr mittags am folgenden Tag. In der Bibel steht natürlich nicht „drei Uhr“ oder „zwölf Uhr“, da steht „neunte“ oder „sechste Stunde“. Denn man begann die Stunden des Tages bei Sonnenaufgang zu zählen, und wenn es durchschnittlich um sechs Uhr morgens hell wird, dann ist die sechste Stunde nach unseren Begriffen eben zur Mittagszeit erreicht und die neunte um drei Uhr nachmittags.

Was geschah nun an jenem Tag diesem römischen Hauptmann Kornelius?

3 Der hatte eine Erscheinung um die neunte Stunde am Tage und sah deutlich einen Engel Gottes bei sich eintreten; der sprach zu ihm: Kornelius!

4 Er aber sah ihn an, erschrak und fragte: Herr, was ist? Der sprach zu ihm: Deine Gebete und deine Almosen sind vor Gott gekommen, und er hat ihrer gedacht.

5 Und nun sende Männer nach Joppe und lass holen Simon mit dem Beinamen Petrus.

6 Der ist zu Gast bei einem Gerber Simon, dessen Haus am Meer liegt.

Was passiert hier eigentlich? Kornelius erfährt von einem Mann mit dem jüdischen Namen Simon, der außerdem den Beinamen Petrus trägt. Den soll er zu sich holen lassen in sein Haus. Und das, obwohl er als Römer genau weiß, dass es einem Juden überhaupt nicht gestattet ist, sein Haus zu betreten. Und warum soll er das ganze trotzdem tun? „Was du gebetet hast und was du Gutes getan hast, das hat Gott gehört und gesehen, daran denkt Gott – und darum sollst du diesen Simon Petrus treffen!“ Mehr erfährt er nicht. Eine merkwürdige Sache ist das, für Lukas ist es ein Wunder, was da geschieht, und deshalb erzählt er es auch so. Vielleicht hat Kornelius ja nach unseren Begriffen auch ganz zufällig von Petrus erfahren. Aber dass er sich entschließt, diesen Juden in sein Haus einzuladen, um in seiner Suche nach Gott weiterzukommen, das ist für Lukas wunder-bar:

7 Und als der Engel, der mit ihm redete, hinweggegangen war, rief Kornelius zwei seiner Knechte und einen frommen Soldaten von denen, die ihm dienten,

8 und erzählte ihnen alles und sandte sie nach Joppe.

Lukas erzählt von der übernatürlichen Erscheinung eines Engels. Und es gibt viele Menschen heute, die können an solche Wunder nicht mehr glauben. Die sagen: das muss doch erfunden sein. Wie soll so etwas geschehen? Aber ob das mit dem Engel wirklich so geschehen ist oder nicht, das finde ich gar nicht so wichtig. Für mich ist es ein Wunder, dass ein Mensch sich traut, einen anderen zu sich einzuladen, von dem er etwas ganz Wichtiges erwartet: dass er ihm hilft bei der Suche nach Gott. Kornelius hätte ja auch sagen können: Dieser Jude wird nie zu mir kommen. Der wird sagen: Zu einem dreckigen Römer gehe ich nicht. Wie kann er von mir verlangen, mich bei ihm zu verunreinigen? Doch Kornelius riskiert es, verletzt zu werden, zurückgewiesen zu werden. Vielleicht ist es eine Chance, die nie wiederkehrt; und so wagt er es, dem Engel zu trauen, den die Augen seines Herzens gesehen haben, der Botschaft zu trauen, die er in seinem Herzen von Gott vernommen hat.

Lied 287: Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder

Bisher ging es um Kornelius, liebe Gemeinde. Nun zu Petrus. Der hat auch eine Erscheinung, und zwar gerade zu der Zeit, als die Boten des Kornelius ihn schon beinahe erreicht haben. Es ist zwölf Uhr mittags, und während der Zeit des Mittagsgebets bekommt Petrus Hunger:

9 Am nächsten Tag, als diese auf dem Wege waren und in die Nähe der Stadt kamen, stieg Petrus auf das Dach, zu beten um die sechste Stunde.

10 Und als er hungrig wurde, wollte er essen. Während sie ihm aber etwas zubereiteten, geriet er in Verzückung

11 und sah den Himmel aufgetan und etwas wie ein großes leinenes Tuch herabkommen, an vier Zipfeln niedergelassen auf die Erde.

12 Darin waren allerlei vierfüßige und kriechende Tiere der Erde und Vögel des Himmels.

13 Und es geschah eine Stimme zu ihm: Steh auf, Petrus, schlachte und iss!

Wie ein Traum am hellichten Tage überfällt es den Petrus; es ist als ob ein Heißhunger ihn einen Alptraum träumen lässt. Er, Petrus, der an Christus glaubt, aber immer auch noch Jude ist, er soll ekelhaftes Fleisch essen, von Schweinen und anderen Tieren, die für einen Juden verboten sind. Und entsprechend wehrt sich Petrus:

14 Petrus aber sprach: O nein, Herr; denn ich habe noch nie etwas Verbotenes und Unreines gegessen.

Und nun geschieht wieder ein Wunder, und ich sehe das eigentliche Wunder nicht etwa darin, dass da eine geheimnisvolle Stimme spricht, sondern in dem, was die Stimme sagt:

15 Und die Stimme sprach zum zweiten Mal zu ihm: Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht verboten.

Wie ein Schock muss es den Petrus getroffen haben: Diese überraschende Einsicht, dass für den, der an Christus glaubt, nichts Essbares mehr unrein sein muss. Jesus hatte es ja längst gesagt (Matthäus 15, 11.19):

11 Was zum Mund hineingeht, das macht den Menschen nicht unrein; sondern was aus dem Mund herauskommt, das macht den Menschen unrein.

19 Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsches Zeugnis, Lästerung.

Aber für einen Menschen, der nie Schweinefleisch gegessen hat, weil es verboten und ekelhaft war, muss es eine entsetzliche Überwindung kosten, dieses Verbot zu übertreten. „Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht verboten“ – das ist ein so gewaltiger Satz, dass Petrus ihn dreimal hören muss, bis er ihn endlich versteht und akzeptiert (Apostelgeschichte 10):

16 Und das geschah dreimal; und alsbald wurde das Tuch wieder hinaufgenommen gen Himmel.

Es gibt also Gesetze und Verbote, von denen man immer gedacht hat, sie kämen von Gott, aber sie gelten nicht mehr. Man muss nicht mehr unterscheiden zwischen reinen und unreinen Tieren – und was noch viel wichtiger ist: man muss nicht mehr unterscheiden zwischen reinen und unreinen Menschen.

Aber diesen letzten Zusammenhang, den muss Petrus erst noch praktisch herausfinden. Denn zunächst ist er noch ratlos, was sein komischer Wachtraum denn wohl bedeuten mag.

17 Als aber Petrus noch ratlos war, was die Erscheinung bedeute, die er gesehen hatte, siehe, da fragten die Männer, von Kornelius gesandt, nach dem Haus Simons und standen an der Tür,

18 riefen und fragten, ob Simon mit dem Beinamen Petrus hier zu Gast wäre.

19 Während aber Petrus nachsann über die Erscheinung, sprach der Geist zu ihm: Siehe, drei Männer suchen dich;

20 so steh auf, steig hinab und geh mit ihnen und zweifle nicht, denn ich habe sie gesandt.

Es ist, als wolle Lukas mit allem, was er erzählt, immer aufs neue betonen, wie unmöglich diese Begegnung eigentlich ist, die sich da anbahnt: die Begegnung eines römischen Heiden und eines jüdischen Christen. Stünde nicht Gott selbst dahinter, es wäre nicht dazu gekommen, davon ist Lukas überzeugt.

Aber so steigt Petrus von der Dachterrasse des Hauses herunter und fragt nach, was die Fremden wollen.

21 Da stieg Petrus hinab zu den Männern und sprach: Siehe, ich bin’s, den ihr sucht; warum seid ihr hier?

22 Sie aber sprachen: Der Hauptmann Kornelius, ein frommer und gottesfürchtiger Mann mit gutem Ruf bei dem ganzen Volk der Juden, hat Befehl empfangen von einem heiligen Engel, dass er dich sollte holen lassen in sein Haus und hören, was du zu sagen hast.

Eigentlich nimmt nun alles einen ganz normalen Verlauf. Und man merkt dem, was Lukas zu erzählen weiß, kaum an, wie ungewöhnlich das alles ist: ein Jude beherbergt römische Soldaten und Knechte unter seinem Dach; dann geht er mit ihnen gemeinsam auf die Reise, um im Haus eines heidnischen Hauptmanns einzukehren:

23 Da rief er sie herein und beherbergte sie. Am nächsten Tag machte er sich auf und zog mit ihnen, und einige Brüder aus Joppe gingen mit ihm.

24 Und am folgenden Tag kam er nach Cäsarea. Kornelius aber wartete auf sie und hatte seine Verwandten und nächsten Freunde zusammengerufen.

Für Kornelius ist es ein großer Tag. Er weiß zwar nicht so recht, was er zu erwarten hat, er weiß nur, dass seine große Sehnsucht erfüllt werden soll. Und als dann Petrus endlich eintrifft, kann er nicht anders: er begrüßt den Petrus so, wie er als römischer Bürger eine göttliche Erscheinung zu begrüßen gewohnt war:

25 Und als Petrus hereinkam, ging ihm Kornelius entgegen und fiel ihm zu Füßen und betete ihn an.

26 Petrus aber richtete ihn auf und sprach: Steh auf, ich bin auch nur ein Mensch.

Dies ist wieder so eine wunderbare Stelle in diesem Text: Dass einer die Bewunderung des anderen nicht annimmt, die ihn in den Himmel erheben will, sondern dass er sich neben ihn stellt: „Ich bin auch nur ein Mensch“. Selbst wenn der Hauptmann viel von Petrus lernen kann; Petrus steht als Mensch nicht über, sondern neben ihm. Über beiden steht nur Gott; darum braucht niemand einen anderen Menschen mehr als seinen absoluten Herrscher anerkennen, darum darf niemand seinen Mitmenschen in untertäniger Abhängigkeit festhalten. Auch wenn in einer menschlichen Begegnung einer dem anderen hilft – auch wenn einer mehr kann als der andere – so eine Beziehung bleibt nur menschlich, wenn der eine den anderen nicht unterdrückt oder ausnutzt. Zu einer echten Begegnung gehört, dass einer den anderen wertschätzt und in seiner Eigenart achtet, selbst wenn man vielleicht miteinander streiten muss.

Lied 627: Schalom, Schalom! Wo die Liebe wohnt, da wohnt auch Gott

Nachdem das klargestellt ist, liebe Gemeinde, dass Petrus nicht über Kornelius stehen will, kann er ihm und seinen versammelten Freunden und Verwandten eine Predigt halten von dem, was er soeben selber erst gelernt hatte:

27 Und während er mit ihm redete, ging er hinein und fand viele, die zusammengekommen waren.

28 Und er sprach zu ihnen: Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden umzugehen oder zu ihm zu kommen; aber Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen meiden oder unrein nennen soll.

29 Darum habe ich mich nicht geweigert zu kommen, als ich geholt wurde.

Es würde zu lange dauern, die ganze Predigt des Petrus zu wiederholen, sie ist im 10. Kapitel der Apostelgeschichte nachzulesen. In dieser Predigt sagt er im Grunde: Das, was zwischen ihm und Kornelius geschehen war, diese Begegnung zweier grundverschiedener Menschen, die doch beide Gottes Kinder sind, das soll in der christlichen Gemeinde überall geschehen. Der wichtigste Satz in seiner Predigt ist wohl der folgende:

34 Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht;

35 sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.

Was Petrus gelernt hat, ist ein Stück Toleranz, ein Stück Offenheit für die Weitherzigkeit Gottes. Er hat etwas von dem abgelegt, was in jeder Religion immer eine Gefahr gewesen ist: Rechthaberei, Fanatismus, Engstirnigkeit.

Und was bedeutet diese Geschichte für uns? Auch für uns gilt, dass Gott keine Grenzen kennt. Für alle Menschen ist er da. Deshalb dürfen sich auch alle hier im Gottesdienst zu Hause fühlen. Alle gehören zur Gemeinde, keiner ist mehr und keiner weniger wert als die anderen. Es muss also endgültig aufhören, dass gerade religiöse Menschen immer wieder andere Menschen ausgegrenzt haben: Der glaubt nicht richtig. Der gehört nicht zu uns. Der hat einen schlechten Lebenswandel. Es muss selbstverständlich werden, überall, dass jeder zur Kirche gehen kann, ohne dass er das Gefühl haben muss, angestarrt zu werden, als ob er da nicht hingehöre. Nein, Gott sieht die Person nicht an, er hat nicht den einen lieber als den andern, für ihn sind wir alle seine Kinder, und er will, dass wir uns auch gegenseitig annehmen, mit unseren starken und auch mit unseren schwachen Seiten. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied 66, 1-2+5:

1) Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude; A und O, Anfang und Ende steht da. Gottheit und Menschheit vereinen sich beide; Schöpfer, wie kommst du uns Menschen so nah! Himmel und Erde, erzählet’s den Heiden: Jesus ist kommen, Grund ewiger Freuden.

2) Jesus ist kommen, nun springen die Bande, Stricke des Todes, die reißen entzwei. Unser Durchbrecher ist nunmehr vorhanden; er, der Sohn Gottes, der machet recht frei, bringet zu Ehren aus Sünde und Schande; Jesus ist kommen, nun springen die Bande.

5) Jesus ist kommen, der König der Ehren; Himmel und Erde, rühmt seine Gewalt! Dieser Beherrscher kann Herzen bekehren; öffnet ihm Tore und Türen fein bald! Denkt doch, er will euch die Krone gewähren. Jesus ist kommen, der König der Ehren.

Gott, Vater der Juden und Vater der Christen, du nimmst uns an, so wie wir sind. Hilf uns, dass wir uns auch gegenseitig akzeptieren, dass wir es nicht nötig haben Mauern voreinander aufzurichten. Vergib uns, wenn wir einander wehtun, manchmal ohne es zu merken. Und hilf uns auch zu spüren, wo wir selber verletzbar sind und verletzt werden, damit wir gut für uns und füreinander sorgen. Lass uns von Dir lernen, wie man gut für sich sorgt, ohne egoistisch zu sein, wie man sich wehrt, ohne zu verletzen, wie man für andere da sein kann, ohne selber leerzubrennen und wie man im Streit mit Menschen, die man liebt, einander näher kommt, statt sich zu verlieren. Gott, wir sind und bleiben deine Kinder, und du hast uns lieb. Dafür danken wir dir. Amen.

Wir beten gemeinsam mit den Worten Jesu:

Vater unser
Lied 590: Herr, wir bitten: Komm und segne uns
Abkündigungen

Gott, der Herr, segne euch, und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden. Amen.

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