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Gesichtskolter für Mose

Paulus ist also nicht ein Judenfeind, der die Juden als verstocktes Volk verurteilt und das Erbe der Juden an die ehemaligen Heiden verteilt. Er will, dass von den Augen und Herzen aller Menschen die Decke weggenommen wird, die Juden und Nichtjuden, Christen und Heiden daran hindert, die Worte des alten Bundes richtig zu verstehen.

Ein Mann hat Alufolie vor dem Gesicht, um seine Identität zu verbergen - auch eine Art Gesichtskolter
Wie mag wohl die Decke vor dem Gesicht des Mose ausgesehen haben? (Bild: SplitShirePixabay)

#predigtAbendmahlsgottesdienst am 20. Sonntag nach Trinitatis, den 2. November 2014, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Dieser Gottesdienst wurde gestaltet mit Anregungen von und in Auseinandersetzung mit Gedanken von Marlene Crüsemann (Vortrag: „Das Alte Testament als Wahrheitsraum des Neuen im Zweiten Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth“ am 20. November 2012 in Arnoldshain) und von Gerhard Jankowski, Auslegung des ersten Korintherbriefs in der exegetischen Zeitschrift „Texte und Kontexte“ Nr. 121-123 (2009).

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße alle herzlich zum Abendmahlsgottesdienst in der Pauluskirche mit dem Wort zur Woche aus dem Buch des Propheten Micha 6, 8:

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.

In der Predigt geht es heute um schwierige Texte aus dem Alten und Neuen Testament. Warum musste man dem Mose eine Decke auf das Gesicht legen, wenn er mit Gott geredet hatte? Und was meint Paulus, wenn er im 2. Brief an die Korinther schreibt, dass bis heute eine Decke über dem Alten Testament und vor dem Herzen derer hängt, die das Alte Testament lesen? Lassen wir uns hineinnehmen in schwierige Gedankengänge der Bibel, im Vertrauen darauf, dass der Heilige Geist Gottes bereit ist, uns die Wahrheit zu offenbaren.

Wir singen aus dem Lied 449 die Strophen 1, 4 bis 5 und 9:

1. Die güldne Sonne voll Freud und Wonne bringt unsern Grenzen mit ihrem Glänzen ein herzerquickendes, liebliches Licht. Mein Haupt und Glieder, die lagen darnieder; aber nun steh ich, bin munter und fröhlich, schaue den Himmel mit meinem Gesicht.

4. Abend und Morgen sind seine Sorgen; segnen und mehren, Unglück verwehren sind seine Werke und Taten allein. Wenn wir uns legen, so ist er zugegen; wenn wir aufstehen, so lässt er aufgehen über uns seiner Barmherzigkeit Schein.

5. Ich hab erhoben zu dir hoch droben all meine Sinnen; lass mein Beginnen ohn allen Anstoß und glücklich ergehn. Laster und Schande, des Satanas Bande, Fallen und Tücke treib ferne zurücke; lass mich auf deinen Geboten bestehn.

9. Gott, meine Krone, vergib und schone, lass meine Schulden in Gnad und Hulden aus deinen Augen sein abgewandt. Sonsten regiere mich, lenke und führe, wie dir’s gefället; ich habe gestellet alles in deine Beliebung und Hand.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Wir schauen den Himmel mit unserem Gesicht, wie wir gesungen haben, wir wollen unsere Augen, unsere Ohren, unsere Herzen dem Gott öffnen, der barmherzig ist und uns gute Gebote gibt, der uns vergibt und uns auf guten Wegen führt.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Aber können wir Gott in seiner Herrlichkeit, in seiner Barmherzigkeit, die wie ein Backofen voller Liebe ist, wie Martin Luther einmal gesagt hat, überhaupt anschauen? Am letzten Sonntag hörten wir in der Predigt, wie Mose, als er die Zehn Gebote von Gott zum zweiten Mal bekam, dem allmächtigen Gott in seiner ganzen Herrlichkeit, Wucht und Macht nur hinterhersehen durfte.

Und danach heißt es im 2. Buch Mose – Exodus 34:

29 Als nun Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte.

30 Als aber Aaron und ganz Israel sahen, dass die Haut seines Angesichts glänzte, fürchteten sie sich, ihm zu nahen.

31 Da rief sie Mose, und sie wandten sich wieder zu ihm, Aaron und alle Obersten der Gemeinde, und er redete mit ihnen.

32 Danach nahten sich ihm auch alle Israeliten. Und er gebot ihnen alles, was der HERR mit ihm geredet hatte auf dem Berge Sinai.

33 Und als er dies alles mit ihnen geredet hatte, legte er eine Decke auf sein Angesicht.

Also wenn Mose dem Volk Israel von Gottes Geboten erzählt, strahlt sein Gesicht etwas aus vom Licht Gottes. Und wenn er fertig ist mit Reden und Predigen, dann bedeckt er sein Gesicht mit einem Schleier, einer Decke, hessisch gesprochen einem Gesichtskolter, damit die Menschen sich nicht bedroht fühlen von der gewaltigen Herrlichkeit Gottes.

Gott im Himmel, können wir nachvollziehen, dass es gefährlich sein könnte, dir zu nahe zu kommen, dein Licht anzuschauen? Mach uns bewusst, dass das Licht deiner Gebote uns nicht töten, sondern zum Leben helfen will. Wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Für uns Christen ist es so selbstverständlich, mit Gott auf Du und Du zu reden, dass wir kaum begreifen, warum es damals in der Wüste am Berg Sinai nur Mose wagen durfte, ohne Schleier oder Kolter auf dem Gesicht in das Zelt der Begegnung mit Gott einzutreten.

34 Und wenn er hineinging vor den HERRN, mit ihm zu reden, tat er die Decke ab, bis er wieder herausging. Und wenn er herauskam und zu den Israeliten redete, was ihm geboten war,

35 sahen die Israeliten, wie die Haut seines Angesichts glänzte. Dann tat er die Decke auf sein Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.

Wie wäre es, wenn wir durch diese etwas rätselhaften Worte lernen würden, wie wunderbar es ist, dass wir alle Gott begegnen können ohne Schleier oder Decke vor dem Gesicht?

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist gross Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, barmherziger Vater im Himmel, lass uns begreifen, dass es nicht selbstverständlich ist, dir zwar in Ehrfurcht, aber nicht in Angst zu begegnen. Hilf uns dabei, deine Liebe und deine Gebote als Kraft und Wegweisung für unser Leben anzunehmen und gegen alles Böse in uns und in der Welt mit dir im Bunde zu bleiben. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Buch des Propheten Jeremia 31, 31-33. In diesen Worten redet schon ein Prophet Israels von einem neuen Bund Gottes mit seinem Volk, der nicht auf Steintafeln, sondern in die Herzen der Menschen geschrieben wird.

31 Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen,

32 nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR;

33 sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis

Wir singen aus dem Lied 200 die Strophen 1 und 4 bis 6 von dem Bund, den Gott mit uns in unserer Taufe geschlossen hat:

1. Ich bin getauft auf deinen Namen, Gott Vater, Sohn und Heilger Geist; ich bin gezählt zu deinem Samen, zum Volk, das dir geheiligt heißt. Ich bin in Christus eingesenkt, ich bin mit seinem Geist beschenkt.

4. Mein treuer Gott, auf deiner Seite bleibt dieser Bund wohl feste stehn; wenn aber ich ihn überschreite, so lass mich nicht verlorengehn; nimm mich, dein Kind, zu Gnaden an, wenn ich hab einen Fall getan.

5. Ich gebe dir, mein Gott, aufs neue Leib, Seel und Herz zum Opfer hin; erwecke mich zu neuer Treue und nimm Besitz von meinem Sinn. Es sei in mir kein Tropfen Blut, der nicht, Herr, deinen Willen tut.

6. Lass diesen Vorsatz nimmer wanken, Gott Vater, Sohn und Heilger Geist. Halt mich in deines Bundes Schranken, bis mich dein Wille sterben heißt. So leb ich dir, so sterb ich dir, so lob ich dich dort für und für.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, ich hoffe, ich habe Sie und euch bisher nicht zu sehr mit schwer verständlichen Worten aus dem Alten Testament genervt. Wenn doch, dann gebe ich zu bedenken, dass es ja vielleicht auch langweilig wäre, wenn sich immer alles sowieso schon von selbst versteht. Ich kann leider auch nicht versprechen, dass es heute wenigstens in der Predigt leichtere gedankliche Kost geben wird. Im Gegenteil, das dritte Kapitel im 2. Korintherbrief des Paulus, das heute für die Predigt vorgeschlagen ist, finde ich noch um einiges schwerer zu begreifen. Aber ich finde es wichtig, dass wir uns diese Mühe machen, zwei Tage nach dem Reformationsfest, denn es geht darum, wie wir das Besondere an unserem evangelischen, christlichen Glauben im Gegenüber und Miteinander mit den Juden, aber nicht in Feindschaft mit ihnen bekennen können.

Paulus schreibt einen Brief an eine Gemeinde aus jüdischen und nichtjüdischen Menschen, die sich in der griechischen Hafenstadt Korinth zusammengefunden haben. So eine Gemeinde war damals eigentlich ein Unding, denn für Juden war jeder Nichtjude unrein. Aber im Vertrauen auf Jesus, den Messias der Juden und den Friedenskönig der ganzen Welt, wagten es Menschen, die von Paulus dazu ermutigt wurden, gemeinsam „in Christus“, „im Messias“, im Leib Christi zusammenzuleben. Sie aßen zusammen, feierten das Abendmahl zusammen, und wenn sie das Brot teilten, von dem Jesus gesagt hatte: „Das ist mein Leib“, empfanden sie sich selbst als ein Stück vom Leib Christi; so nannten sie nämlich ihre Gemeinschaft über bisher trennende Grenzen hinweg. An eine solche Gemeinde ist also der Brief des Paulus gerichtet.

Er hat Stress mit einigen aus dieser Gemeinde, darauf will ich jetzt nicht näher eingehen, wichtig ist nur, dass er vermutet, manche in der Stadt Korinth würden vielleicht ein Empfehlungsschreiben verlangen, damit sie überhaupt auf das hören, was Paulus ihnen sagen will (2. Korinther 3):

1 Fangen wir denn abermals an, uns selbst zu empfehlen? Oder brauchen wir, wie gewisse Leute, Empfehlungsbriefe an euch oder von euch?

2 Ihr seid unser Brief, in unser Herz geschrieben, erkannt und gelesen von allen Menschen!

Paulus hat keine Empfehlungsbriefe, weil er ja etwas Neues verkündigt: die Gemeinschaft von Juden und Menschen anderer Völker im Vertrauen auf Jesus Christus. Darum sagt er schlicht: „Ihr selber seid unser Empfehlungsbrief.“ Sie leben eine nie da gewesene Gemeinschaft, die sich dem Paulus wie ein in sein Herz geschriebenes Dokument eingeprägt hat, und auch Außenstehende können diesen nicht auf Papier geschriebenen Brief lesen, indem sie erkennen, dass hier eine neue Gemeinschaft entstanden ist, die über Gegensätze hinweg in herzlicher Liebe miteinander verbunden ist.

3 Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid, durch unsern Dienst zubereitet, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln, nämlich eure Herzen.

Eine christliche Gemeinde ist also ein lebendiger Brief, den Christus schreibt. Er benutzt dazu nicht Tinte, Bleistift, Schreibmaschine oder Computer, sondern den Heiligen Geist Gottes. Und was schon der Prophet Jeremia im Sinn gehabt hatte, wird hier wahr: Er schreibt diesen Brief nicht auf Steintafeln wie die, auf denen die Zehn Gebote eingraviert waren, sondern er schreibt direkt in die Herzen derer, die auf ihn vertrauen. Ohne Bild gesprochen meint Paulus: Diese so verschiedenen Menschen haben Vertrauen zu Jesus gewonnen. Durch Christus bleiben sie auf neue Weise im Bund mit dem Gott Israels oder werden in diesen Bund neu mit eingeschlossen, so dass sie ohne Berührungsängste miteinander im Frieden leben können.

4 Solches Vertrauen aber haben wir durch Christus zu Gott.

So betont Paulus es auch für sich und seinen Mitarbeiter Timotheus, mit dem zusammen er den 2. Korintherbrief schreibt. Auch sie haben durch Jesus Christus neues Vertrauen zu dem Gott Israels gewonnen und wagen es, diesen Glauben nicht nur Juden, sondern Menschen aller Völker zu verkünden.

5 Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott,

6 der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.

Paulus hat mutig eine neue Art der Verkündigung gewagt. Er lädt Nichtjuden zum Glauben an den Gott Israels ein, ohne dass sie Juden werden müssen. Das Vertrauen auf Christus reicht, sagt er. Den Mut und die Kraft dazu hat er nicht aus sich selber, sagt er, sondern eben von Gott.

Was meint nun aber Paulus, wenn er sich „Diener eines neuen Bundes“ nennt? Oft haben Christen das so verstanden, als ob der Bund mit Israel der alte Bund gewesen sei, und der sei nun vorbei. Der neue Bund sei erst durch Christus zwischen Gott und den Christen gestiftet worden. Kann und darf man das so verstehen?

Hier ist es wichtig, sich an Jeremia und an das 2. Buch Mose zu erinnern. Schon Jeremia spricht von einem neuen Bund, den Gott nicht auf Steintafeln, sondern in Menschenherzen schreibt. Und schon im 2. Buch Mose gibt es einen neuen Bund Gottes mit seinem Volk, als das Volk den ersten Bund mit der Anbetung des Goldenen Kalbes sehr rasch gebrochen hatte.

7 Wenn aber schon das Amt, das den Tod bringt und das mit Buchstaben in Stein gehauen war, Herrlichkeit hatte, so dass die Israeliten das Angesicht des Mose nicht ansehen konnten wegen der Herrlichkeit auf seinem Angesicht, die doch aufhörte,

8 wie sollte nicht viel mehr das Amt, das den Geist gibt, Herrlichkeit haben?

Jetzt kommt Paulus auf die Bibelstelle mit dem Kolter auf dem Gesicht des Mose zu sprechen, die wir ganz am Anfang gehört haben. Dass Paulus hier zwei „Ämter“ einander gegenüberstellt, das Amt des Todes und das Amt des Geistes, klingt merkwürdig. Für uns haben Ämter mit staatlichen Behörden zu tun; mancher fühlt sich vom Finanzamt zu Tode gequält, aber Amt und Geist passen für unser Verständnis nicht so eng zusammen. Im Urtext steht hier das Wort „Diakonie“, gemeint ist also ein Dienst. Wieso nennt er den Dienst, den Mose geleistet hat, als er dem Volk die in Stein gemeißelten Zehn Gebote verkündete, einen Dienst des Todes? Nicht weil die Gebote als solche schlecht und überholt waren, sondern weil es tödliche Folgen hatte, als das Volk sie nicht befolgte. Trotzdem war der Dienst des Mose so großartig und herrlich, dass man Mose vorübergehend nicht direkt ins Gesicht sehen konnte, weil er zu viel von dem Licht widerspiegelte, das von Gott selbst ausging. Daraus zieht Paulus den Schluss: Noch großartiger ist es, wenn er und alle Menschen in der Gemeinde Jesu Christi auf lebendige Weise direkt von Gottes Geist erfüllt sind. Eigentlich müssten daher wir alle, die wir Christen sind, ähnlich wie Mose ein Leuchten und Strahlen auf unserem Gesicht haben.

9 Denn wenn das Amt, das zur Verdammnis führt, Herrlichkeit hatte, wieviel mehr hat das Amt, das zur Gerechtigkeit führt, überschwengliche Herrlichkeit.

10 Ja, jene Herrlichkeit ist nicht für Herrlichkeit zu achten gegenüber dieser überschwenglichen Herrlichkeit.

Hier spüren wir deutlich, mit welchen Vorurteilen gegenüber dem Alten Testament und den Juden diese Sätze des Paulus übersetzt wurden. Der Dienst des Mose führt sogar zur Verdammnis, der Glanz, der auf dem Gesicht von Mose ruhte, ist im Vergleich zur Herrlichkeit, die Paulus durch Jesus erlebt, im Grunde nichts wert.

Paulus hat es aber gar nicht nötig, Mose und die von ihm verkündete Tora abzuwerten gegenüber dem Evangelium. Nein, er legt sogar großen Wert darauf, dass schon die Verkündung der Gebote Gottes Gerechtigkeit aufleuchten ließ, obwohl sie damals zur Verurteilung des Volkes führte. Noch wunderbarer und herrlicher findet Paulus es allerdings, wenn Menschen zur Gerechtigkeit wirklich fähig werden, wenn ihre Herzen verwandelt werden, und das ist es, was er in der Gemeinde Jesu aus Juden und Nichtjuden leibhaftig erfährt.

11 Denn wenn das Herrlichkeit hatte, was aufhört, wieviel mehr wird das Herrlichkeit haben, was bleibt.

Das Leuchten auf dem Gesicht des Mose ging vorüber. Aber es war ein Leuchten, und was Mose verkündete, nämlich die Wegweisung Gottes in den Geboten, das hatte Gewicht und Herrlichkeit, es war und bleibt auch etwas Wunderbares.

Nun aber will Paulus sagen: Wenn Liebe durch Gottes Geist in die Herzen der Menschen eingeschrieben wird, so dass man durch sie tatsächlich nach den Geboten Gottes leben kann, dann ist das noch schöner, noch herrlicher, dann ist diese Liebe für immer wunderbar, sie überdauert sogar den Tod, wie Paulus in einem anderen Brief sagte: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ (1. Korinther 13, 13)

12 Weil wir nun solche Hoffnung haben, sind wir voll großer Zuversicht

13 und tun nicht wie Mose, der eine Decke vor sein Angesicht hängte, damit die Israeliten nicht sehen konnten das Ende der Herrlichkeit, die aufhört.

Wir sind voller Zuversicht, übersetzte Luther, wörtlich steht da: „Wir sind voller Offenheit“. Das passt besser als Gegenüber zu der Decke, mit der Moses Gesicht verhüllt wird. Paulus scheint den Sinn dieser Decke so zu verstehen, dass die Menschen im Volk Israel damals nicht sehen sollten, dass das Leuchten auf dem Gesicht des Mose wieder aufhörte. Und Paulus ist davon überzeugt, dass das Leuchten der Liebe Jesu Christi im Leib Christi, in dieser Gemeinde von so unterschiedlichen Menschen, sich nicht verstecken muss, weil es niemals aufhört.

14 Aber ihre Sinne wurden verstockt. Denn bis auf den heutigen Tag bleibt diese Decke unaufgedeckt über dem alten Testament, wenn sie es lesen, weil sie nur in Christus abgetan wird.

15 Aber bis auf den heutigen Tag, wenn Mose gelesen wird, hängt die Decke vor ihrem Herzen.

Der Prophet Jesaja hatte vom Messias gesagt (Jesaja 25):

7 Er wird … die Hülle wegnehmen, mit der alle Völker verhüllt sind, und die Decke, mit der alle Heiden zugedeckt sind.

Dem Paulus ist es wichtig, dass keiner von beiden höher steht, der Jude nicht höher als der Nichtjude, der Mensch aus anderen Völkern aber auch nicht höher als der Jude. Vor den Herzen aller Menschen hängt eine Decke, die Gedanken aller Menschen sind verhärtet, so lange nicht der Messias, der Gesandte Gottes, der in Christus gekommen ist, diese Decke wegnimmt. Paulus ist also nicht ein Judenfeind, der die Juden als verstocktes Volk verurteilt und das Erbe der Juden an die ehemaligen Heiden verteilt. Er will, dass von den Augen und Herzen aller Menschen die Decke weggenommen wird, die Juden und Nichtjuden, Christen und Heiden daran hindert, die Worte des alten Bundes richtig zu verstehen. Um das Lesen des alten Bundes, also der dem Volk Israel gegebenen Tora, geht es hier übrigens. Das Wort „Altes Testament“ für alle Bücher der Hebräischen Bibel gab es zur Zeit des Paulus so noch nicht.

16 Wenn Israel aber sich bekehrt zu dem Herrn, so wird die Decke abgetan.

Dieser Vers (2. Korinther 16) ist von Luther nicht ganz richtig übersetzt worden. Wörtlich steht da: „so oft aber immer er sich hinwendet zum Herrn, wird die Decke weggenommen“. Das ist ein freies Zitat aus dem Alten Testament und bezieht sich auf Mose, der ja immer, wenn er ins Zelt der Begegnung mit Gott hineinging, die Decke von seinem Gesicht wegnahm. Vielleicht können wir diesen Satz so verstehen, dass er nicht nur eine Forderung an die Juden enthält, sich doch möglichst zu Jesus zu bekehren, sondern in erster Linie eine Ermutigung an uns Christen, dass wir uns selber offen und frei im Gebet an Gott wenden. Uns steht es nicht zu, von den Juden eine Bekehrung zu unserem Glauben zu verlangen, so lange unvergessen und nicht überwunden ist, was Christen in der Kirchengeschichte Juden angetan haben. Dass wir freimütig einladen können zu unserem Glauben und vor allem unseren Glauben so einladend leben können, dass andere davon beeindruckt werden, darum geht es dem Paulus. So schließt er das 3. Kapitel des 2. Korintherbriefs mit zwei überschwenglichen Versen:

17 Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.

Paulus hat im Vertrauen auf Jesus Christus eine große Freiheit gewonnen. Er achtet die Buchstaben des Gesetzes, wie sie auf den Steintafeln der Zehn Gebote aufgeschrieben waren. Aber wenn es nur Buchstaben bleiben, liegen sie brach wie ein Ackerfeld, auf dem nichts wächst. Gott selber muss durch seinen Geist uns Menschen erfüllen, damit wir auf seinen Wegen gehen können. Paulus hat gelernt, dass die bisherigen Heiden nicht alle Einzelgebote der Tora erfüllen müssen, sondern dass der Sinn der Tora sich gerade dadurch erfüllt, dass das alte Gottesvolk und Menschen aus anderen Völkern, die auf Christus vertrauen, gemeinsam im Leib Christi im Frieden zusammenleben.

18 Nun aber schauen wir alle mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel, und wir werden verklärt in sein Bild von einer Herrlichkeit zur andern von dem Herrn, der der Geist ist.

Wenn es gelingt, dass auch wir in der Gemeinde Jesu Christi solidarisch zusammenleben, dass auch wir in der bunten Vielfalt dieses Leibes Christi füreinander da sind, wenn wir außerdem noch den Menschen anderer Religion, Konfession und Kultur friedlich und respektvoll und doch selbstbewusst begegnen, dann könnten auch wir etwas von der Herrlichkeit Gottes ausstrahlen. Paulus malt uns ein schönes Bild vor Augen: Wir schauen einander an in der Gemeinde und sehen wie in einem Spiegel, dass wir geliebte Menschen sind, weil wir die anderen mit Liebe im Herzen anschauen. Das geht bis dahin, dass klar wird, wie wir eigentlich sein sollen: Bild Gottes, Ebenbild seiner Liebe, so wir Gott uns Menschen in der Schöpfung geplant hat.

Vielleicht erleben wir gleich etwas davon, wenn wir gemeinsam das Heilige Abendmahl feiern. Und ich wünsche mir, dass wir auch im Alltag immer wieder in diesem Sinne vom Geist der Liebe und der Freiheit Jesu Christi erfüllt werden und dazu fähig werden, nach der wunderbaren Wegweisung Gottes zu leben, die schon Mose in den Zehn Geboten verkündigt hatte und die so herrlich war, dass Moses Gesicht vor Liebe leuchtete. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen aus dem Lied 286 die Strophen 1 bis 3:

1. Singt, singt dem Herren neue Lieder, er ist’s allein, der Wunder tut. Seht, seine Rechte sieget wieder, sein heilger Arm gibt Kraft und Mut. Wo sind nun alle unsre Leiden? Der Herr schafft Ruh und Sicherheit; er selber offenbart den Heiden sein Recht und seine Herrlichkeit.

2. Der Herr gedenkt an sein Erbarmen, und seine Wahrheit stehet fest; er trägt sein Volk auf seinen Armen und hilft, wenn alles uns verlässt. Bald schaut der ganze Kreis der Erde, wie unsers Gottes Huld erfreut. Gott will, dass sie ein Eden werde; rühm, Erde, Gottes Herrlichkeit!

3. Frohlocket, jauchzet, rühmet alle, erhebet ihn mit Lobgesang! Sein Lob tön im Posaunenschalle, in Psalter- und in Harfenklang! Auf, alle Völker, jauchzt zusammen, Gott macht, dass jeder jauchzen kann; sein Ruhm, sein Lob muss euch entflammen, kommt, betet euren König an!

Im Abendmahl sind wir eingeladen, zu spüren, wie Gott uns in der Kraft seines Geistes zum Leib Christi zusammenschließt.

Gott, wir bekennen unseren Unglauben und die Schuld, die wir auf uns laden. Wir bekennen Verzagtheit und Trägheit, Gedanken- und Lieblosigkeit. In der Stille bringen wir vor dich, was unsere Seele belastet:

Beichtstille

Wollt Ihr Gottes Treue und Vergebung annehmen, so sagt laut oder leise oder auch still im Herzen: Ja!

Auf euer aufrichtiges Bekenntnis spreche ich euch die Vergebung eurer Sünden zu – im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der Herr sei mit euch. „Und mit deinem Geiste.“

Erhebet eure Herzen! „Wir erheben sie zum Herren.“

Lasset uns Dank sagen dem Herrn, unserem Gott. „Das ist würdig und recht.“

Würdig und recht ist es, Gott ernst zu nehmen als den, der stark ist in der Allmacht seiner Liebe, der uns zusammenführt in der Gemeinschaft von Starken und Schwachen, der uns zutraut und zumutet, als Christinnen und Christen nach seinem Willen zu leben. Zu dir rufen wir und preisen dich, Heiliger Gott:

Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll. Hosianna in der Höhe. Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe.

Vater unser und Abendmahl

Auch uns möchte Paulus sagen: „Ihr seid ein Brief Christi, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln, nämlich eure Herzen.“ Geht hin im Frieden. Amen.

Fürbitten

Wir singen das Lied 160:

Gott Vater, dir sei Dank gesagt und Ehre; Herr Jesu Christ, den Glauben in uns mehre; o Heilger Geist, erneu uns Herz und Mund, dass wir dein Lob ausbreiten alle Stund.

Abkündigungen

Empfangt Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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