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Der Name der Freiheit

Obwohl es nicht um Naturwissenschaft geht, nicht um etwas, was mess- und kontrollierbar wäre, geht es doch um ein Sehen. Gott sieht Mose, wie er sehen will, was mit dem brennenden Busch los ist. Gott nimmt wahr, dass Mose bereit ist, sich mit seinen Sinnen zu öffnen – Mose ist offen für das Neue, das hier geschehen wird.

Ein junger Mann sieht in der Entfernung einen scheinbar brennenden Baum
Wie kann man sich das vorstellen, als Mose den brennenden Dornbusch sah? (Bild: andreas160578Pixabay)

#predigtGottesdienst am Letzten Sonntag nach Epiphanias, den 13. Februar 2011, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße alle herzlich zum Gottesdienst in der Pauluskirche mit dem Wort Jesu aus dem Buch Jesaja 60, 2:

Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.

Heute ist der Letzte Sonntag nach Epiphanias, dem Fest der Erscheinung des Sterns von Bethlehem. Das ist sozusagen der letzte Ausläufer der Weihnachtszeit. An diesem Tag hören wir das Evangelium von Jesus, wie er auf einem Berg den Propheten Mose und Elia begegnet und vom Licht Gottes als sein Sohn verklärt wird.

In der Predigt hören wir heute, wie es war, als Gott den Mose zu seiner Aufgabe berufen hatte. Welcher Gott war das eigentlich, auf den Mose damals hörte? Und warum hören wir heute immer noch auf den gleichen Gott, den Vater Jesu Christi?

Lied 165, 1+6+8:

1. Gott ist gegenwärtig. Lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten. Gott ist in der Mitte. Alles in uns schweige und sich innigst vor ihm beuge. Wer ihn kennt, wer ihn nennt, schlag die Augen nieder; kommt, ergebt euch wieder.

6. Du durchdringest alles; lass dein schönstes Lichte, Herr, berühren mein Gesichte. Wie die zarten Blumen willig sich entfalten und der Sonne stille halten, lass mich so still und froh deine Strahlen fassen und dich wirken lassen.

8. Herr, komm in mir wohnen, lass mein‘ Geist auf Erden dir ein Heiligtum noch werden; komm, du nahes Wesen, dich in mir verkläre, dass ich dich stets lieb und ehre. Wo ich geh, sitz und steh, lass mich dich erblicken und vor dir mich bücken.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Amen.“

Gott, du willst hier bei uns sein, willst uns Worte sagen durch die Heilige Schrift, willst sogar in uns wohnen mit den Kräften deines Heiligen Geistes.

Kommt, lasst uns Gott anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, du bist uns oft fremd. Es ist, als ob wir dich kaum kennen, als ob du uns nichts zu sagen hättest, als ob es nichts bringen würde, wenn wir dir etwas sagen. Trotzdem und eben deswegen rufen wir zu dir:

Herr, erbarme dich unser! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Gott, du bist keine unpersönliche Macht in unendlicher Ferne. Du bist der große Gott des kleinen Volkes Israel geworden, das dich als seinen Befreier erfahren hat und immer noch erfährt. Du bist in Jesus Christus unser Bruder geworden, auch in den Völkern der Welt. Du bist sogar in uns, indem wir auf dich vertrauen, durch dich hoffen, mit dir Liebe üben.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende.

Der Herr sei mit euch! „Und mit deinem Geist!“

Lass uns heute wieder auf dein Wort hören und begreifen, was du uns sagen willst, nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit dem Herzen. Rühre uns an in unserem Innern, dass wir unsere Füße in Bewegung setzen und mit unseren Händen tun, was du von uns erwartest. Das erbitten wir von dir im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Evangelium nach Matthäus 17, 1-9:

1 Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg.

2 Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.

3 Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.

4 Petrus aber fing an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.

5 Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!

6 Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr.

7 Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht!

8 Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.

9 Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis

Wir singen aus dem Lied 166 die Strophen 1 bis 3 und 6:

1. Tut mir auf die schöne Pforte, führt in Gottes Haus mich ein; ach wie wird an diesem Orte meine Seele fröhlich sein! Hier ist Gottes Angesicht, hier ist lauter Trost und Licht.

2. Ich bin, Herr, zu dir gekommen, komme du nun auch zu mir. Wo du Wohnung hast genommen, da ist lauter Himmel hier. Zieh in meinem Herzen ein, lass es deinen Tempel sein.

3. Lass in Furcht mich vor dich treten, heilige du Leib und Geist, dass mein Singen und mein Beten ein gefällig Opfer heißt. Heilige du Mund und Ohr, zieh das Herze ganz empor.

6. Rede, Herr, so will ich hören, und dein Wille werd erfüllt; nichts lass meine Andacht stören, wenn der Brunn des Lebens quillt; speise mich mit Himmelsbrot, tröste mich in aller Not.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, als ich einmal eine Frau zum 75. Geburtstag besuchte, erzählte sie mir ihr ganzes Leben und meinte: „Ich glaube ja nicht so richtig an Gott.“

Mir war aber aufgefallen, dass sie ein Kreuz um den Hals trug, und sprach sie darauf an: „Vielleicht hilft er Ihnen doch, auch wenn Sie nicht an ihn glauben.“ „Da können Sie recht haben“, meinte sie, und auf einmal fiel ihr eine ganze Reihe von gefährlichen Situationen in ihrem Leben ein, die dann doch noch gut ausgegangen waren. „Ja, da muss ich wohl doch einen Schutzengel gehabt haben.“

Unser Bibeltext heute erzählt von einem Mann, der damals noch älter war als diese Frau. Er ist etwa 79 Jahre alt, als ein einschneidendes Erlebnis noch einmal sein Leben verändert.

1 Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb.

Das Leben eines Schafhirten stelle ich mir nicht besonders aufregend vor. Es ist zwar nicht so bequem wie ein Leben in der Stadt und mit den Annehmlichkeiten der Zivilisation, aber es bietet auch viel Zeit zum Nachdenken. Viele Jahrzehnte lebt Mose in Midian, doch er hat bestimmt nicht vergessen, wo er hergekommen ist: Wie er als Kind davor bewahrt blieb, im Reich des ägyptischen Pharao getötet zu werden, nur weil er ein Junge war. Wie ihn seine leibliche Mutter in einem Weidenkörbchen auf dem Nil aussetzte, und wie ihn dort seine spätere Adoptivmutter, die Tochter des Pharao, so süß fand, dass sie ihn unbedingt für sich haben wollte. Wie er als adoptierter ägyptischer Königssohn im Palast des Pharao aufwuchs und den Namen Mose erhielt: „der aus dem Wasser Gezogene“. Das war nun schon so viele Jahre her. Vielleicht wäre Mose ja sogar im ägyptischen Staat aufgestiegen so wie Josef einige Hundert Jahre zuvor. Aber dazu kam es nicht, weil Mose als junger Mann einmal zu jähzornig gewesen war. Er war so entsetzt gewesen, als ein ägyptischer Sklaventreiber einen Israeliten brutal misshandelte, dass er den Ägypter einfach totschlug und im Boden verscharrte. Natürlich kam das heraus, und Mose musste fliehen.

Jetzt lebte er schon so lange als Migrant in Midian, hatte beim Priester Reguel Zuflucht gefunden, der im Alter von um die Hundert Jahren immer noch lebte; die Tochter des Priesters hatte er geheiratet und eine Familie gegründet. So als Fremdling im fremden Land zu wohnen, gefiel ihm gar nicht schlecht; es war jedenfalls ein ruhiges Leben im Frieden.

Aber an diesem einen Tag treibt Mose seine Schafe weiter als sonst, über die Steppe hinaus, und er gelangt zum Berg Gottes, der hier Horeb heißt, oft wird er auch Sinai genannt.

2 Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde.

Mose erlebt eine eigenartige Erscheinung. Einen Busch, der brennt und doch nicht verbrennt. Normal ist das nicht. Gerade ein Dornbusch in der Wüste ist so trocken, der verglüht, wenn er Feuer fängt, im Nu zu einem kleinen Häufchen Asche. Und eben das tut dieser Busch nicht. Er hält dem Feuer stand, das in ihm brennt, denn da ist etwas anderes im Busch als ein normales Feuer, ein waschechter Engel nämlich: der Engel des Herrn, das Sprachrohr Gottes persönlich. Das ist dem Mose aber noch gar nicht bewusst.

3 Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt.

Es ist die pure Neugier, die den Mose vorantreibt. Er will es wissen: Warum verbrennt dieser Busch nicht? Es hat viele Versuche gegeben, diese Erscheinung als natürlichen Vorgang zu erklären, und es ist auch in Ordnung, solche Versuche zu unternehmen. Aber was hier wirklich geschieht, erfasst man damit nicht. Die menschliche Neugier und der wissenschaftliche Forscherdrang können zwar Zusammenhänge innerhalb der Natur erklären, aber hier wird ist dem Mose eine andere Art von Wahrnehmung geschenkt, die mit unserer Neugier nicht zu ergründen und mit aller Naturwissenschaft nicht einzuordnen ist.

4 Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.

Obwohl es nicht um Wissen auf der Ebene der Naturwissenschaft geht, nicht um etwas, was mess- und kontrollierbar wäre, geht es doch um ein Sehen. Gott sieht Mose, wie er sehen will, was mit dem Busch los ist. Gott nimmt wahr, dass sich Mose in Bewegung setzt, dass Mose bereit ist, sich mit seinen Sinnen zu öffnen – Mose ist offen für das Neue, das hier geschehen wird.

Auffällig ist in diesem Vers der Wechsel zwischen dem Gottesnamen. Wo Martin Luther „HERR“ übersetzt, da steht im Hebräischen der Gottesname, die vier Buchstaben JHWH. Von Juden wurde dieser Name nie ausgesprochen, sie sagten dafür „Adonaj“, auf Deutsch „HERR“, und das hat Martin Luther übernommen. Wo bei Luther in seiner Übersetzung einfach „Gott“ steht, da steht im Hebräischen das Wort „Elohim“, wörtlich: Gottheit.

Warum sieht der HERR den Mose, aber GOTT ruft ihn? Vielleicht weil zwar Gott, der HERR, bereits den Mose sieht und erkennt, aber Mose kennt Gott noch nicht mit seinem Namen, noch nicht so, wie Gott wirklich da ist für ihn und sein Volk.

Das ist so ähnlich wie damals bei Abraham, der wurde auch von Elohim, von der Gottheit gerufen, er solle ihm seinen Sohn Isaak opfern, und am Ende war es der Engel des HERRN, der dem Abraham in den Arm fällt und ihn hindert, diese Opferung tatsächlich durchzuführen.

Um Gott zu erkennen, wie er wirklich für uns da ist, brauchen wir Menschen offenbar einen Anlauf, einen Weg; eine bloße Erscheinung, eine Stimme, die wir hören, ein Bibeltext, den wir lesen, eine Predigt, die wir hören, reicht nicht unbedingt aus, um Gott ganz zu erkennen.

Trotzdem ist es gut, Gottes Stimme nicht zu überhören, wenn sie uns denn trifft, egal auf welchem Weg. Der Mose hört, wie Gott ihn ruft: „Mose, Mose!“, und antwortet: Hier bin ich! Dabei hätte Mose durchaus sagen können: Gott, was willst du denn jetzt noch von mir? Ich habe doch mein Leben gelebt, mit 79 Jahren. Was soll jetzt noch Großes kommen? So reagiert Mose nicht. Er ist offen für Gott.

5 Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!

Und Mose bekommt weitere Anweisungen, die uns als evangelischen Christen merkwürdig vorkommen. Er soll nicht noch nähertreten, soll seine Schuhe ausziehen wie ein Muslim auf dem Gebetsteppich im Tempel, weil das Land, auf dem er steht, heilig ist. Für uns evangelische Christen ist es so selbstverständlich geworden, dass Gott uns in Jesus ganz nahegekommen ist, wie ein Freund, vor dem man keine Angst oder Scheu haben muss, dass wir mit diesem Verbot, mit Schuhen heiligen Boden zu betreten, unsere Schwierigkeiten haben.

Aber vielleicht tut es auch uns gut, manchmal zu spüren, dass die Begegnung mit Gott und mit Jesus doch anders ist, als wenn wir uns mit einem Kumpel oder unserer besten Freundin treffen. Gott verdient einen Respekt, früher sagte man Ehrfurcht, den wir manchmal auch durch eine bestimmte Geste ausdrücken können, zum Beispiel, indem wir beim Beten die Hände falten oder zusammenlegen.

Wir müssen in der Kirche zwar nicht die Schuhe ausziehen, aber die Kirche als besonderer Ort, wo wir Gott begegnen, hat doch auch für uns evangelische Christen einen besonderen Charakter. Darum fällt es auch so besonders auf, wenn sich manchmal jemand hier im Gottesdienst nicht so angemessen verhält, als wäre hier ein Partyraum oder als wäre im Gottesdienst niemand anders anwesend. Ich bin sehr froh, dass wir in diesem Jahr eine Konfi-Gruppe haben, die sich auf diesen besonderen Charakter des Kirchenraums einlassen kann und sich entsprechend verhält.

6 Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.

Und jetzt endlich kommt Gott zur Sache. Er stellt sich vor als der Gott seines Vaters, der auch schon mit seinen Vorfahren Abraham, Isaak und Jakob einen Weg gegangen war. Diese Eröffnung bringt Mose dazu, nicht nur die Schuhe auszuziehen, sondern auch noch seine Augen zuzumachen; er möchte keinesfalls diesen Gott anschauen, er weiß, wer Gott sehen würde, der müsste blind werden, so sehr würde er vom Licht geblendet, ja, er könnte das nicht einmal überleben.

An dieser Stelle denke ich noch einmal an die Frau, die ich besucht hatte, die nicht so gut an Gott glauben konnte. Hängt das zusammen? Es fällt uns nicht immer leicht, an Gott zu glauben, weil wir ihn nicht sehen können? Die Bibel beharrt nun nicht darauf: du musst aber glauben, sondern sie erzählt, wie es umgekehrt wieder Gott ist, der sieht, was mit den Menschen los ist. Und immer, wenn Gott sieht, dann wird er mit seinem eigenen Namen genannt: JHWH, Adonaj, der HERR:

7 Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt.

Der Gott Israels mit seinem bestimmten Namen ist ein Gott, der sieht und hört und erkennt, was mit seinem Volk geschieht. Elend, Geschrei, Leiden bleiben vor Gott nicht verborgen. Es tut gut, an einen solchen Gott zu glauben; es tut gut zu wissen, dass Gott genau dieser Gott ist, ein Gott, dem die Leiden der Menschen nicht gleichgültig sind.

Fragen könnten wir uns: Was geht es uns an, dass Gott sich mit den Leiden Israels in Ägypten befasst? Das sind nicht unsere Leiden, das ist lange vor unserer Zeit passiert, warum hören wir uns heute noch diese Geschichten an? Die Antwort lautet schlicht: Dieser Gott ist durch Jesus auch unser Gott geworden, und er war und ist ein Gott geblieben, der sich eng mit dem Schicksal dieses einen Volkes verbunden hat. Das mag uns gefallen oder nicht, aber wir haben den christlichen Glauben nicht anders als in seiner Vermittlung durch den Messias Israels und die im Neuen Testament ausgelegte Heilige Schrift des Volkes Israel. Zum Kern des christlichen Glaubens gehört, dass wir Befreiung, Erlösung, Vergebung vom gleichen Gott erwarten dürfen, der damals das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat. Gott hört auch unser Seufzen, unser Schreien, unsere stillen Gebete, wenn wir Angst haben, traurig sind, uns Sorgen machen, in Verzweiflung geraten.

8 Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter.

Die Befreiung Israels damals war von Gott geplant als eine reale Herausführung aus einem Unterdrückerstaat in ein eigenes Land: gut und weit, kein Land mit Luxusgütern, aber mit genug zu essen von dem, was die Natur und das Vieh hergeben. Allerdings ist dieses Land noch von sechs anderen Völkern besiedelt; die Bibel erzählt, wie diese stärkeren Völker mit Gottes Hilfe besiegt werden können; es spricht aber viel dafür, dass die ehemalige Bevölkerung des Landes gar nicht vertrieben wurde, sondern dass sich die Israeliten mitten im Land zwischen den bisherigen Bewohnern angesiedelt haben. Das aber hier nur nebenbei.

9 Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Not gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen,

10 so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.

Noch einmal wiederholt Gott, der HERR, was er gesehen und gehört hat, wie sein auserwähltes geliebtes kleines Volk von einem größeren, stärkeren Volk bedrängt wird. Und er beauftragt Mose: „Geh zum Pharao, zum mächtigen Herrscher von Ägypten, führe mein Volk in die Freiheit!“

11 Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?

Und Mose meint, nicht recht gehört zu haben. „Wie? Wer bin ich, dass ich mich vor einen solchen Gottkönig hinstelle und Forderungen erhebe?“ Immerhin ist er fast 80 Jahre alt, vor Jahrzehnten aus Äypten geflohen, nachdem er sich sowohl bei den Israeliten als auch bei den Ägyptern unbeliebt gemacht hat. Warum sucht Gott ausgerechnet ihn für eine solche Aufgabe aus? Gott hätte sagen können: „Du bist der Richtige, weil du beide Seiten kennst, weil du am Hof des früheren Pharao groß geworden bist, weil du bewiesen hast, dass du ein Gespür für Unrecht hast.“ Aber Gott sagt etwas anderes:

12 Er sprach: Ich will mit dir sein.

Dieser Satz ist wohl der wichtigste in der ganzen Geschichte. „Ich will mit dir sein.“ Damit sagt Gott zu: „Du bist nicht allein, wenn du vor Pharao stehst. Er mag sich wie ein Gottkönig vorkommen, aber er ist trotzdem nur ein Mensch. Du dagegen hast den wahren, den einen, den einzig überhaupt existierenden Gott auf deiner Seite und an deiner Seite.“

Mich erinnert dieser Satz an den Psalm 23: „Du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“ Einen Stab wird Mose nachher auch noch buchstäblich mitbekommen; aber zunächst bekommt er von Gott ein Zeichen versprochen:

Und das soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott opfern auf diesem Berge.

Das Zeichen, das Gott dem Mose verspricht, ist nicht ein Beweis im Voraus. Es ist eine feste Zusage: „Ihr werdet hierher kommen, ihr werdet hier euren Gottesdienst feiern.“ Der Horeb ist, wie gesagt, der gleiche Berg wie der Sinai, hier werden die Israeliten später tatsächlich nicht nur Opfer darbringen, sondern auch von Gott die Zehn Gebote bekommen und mit ihm einen Bund für immer schließen.

Aber kann sich Mose auf ein bloßes Wort von Gott hin einfach auf den Weg machen? Es bleibt ja für ihn ein Risiko. Wird sein Glaube, sein Vertrauen auf Gott, stark genug sein, um ein so großes Wagnis einzugehen? Was ist mit uns, wenn wir vor schweren Entscheidungen stehen? Trauen wir uns im Gottvertrauen, auch etwas zu wagen, wenn wir nicht sicher sind, wie es ausgehen wird? In unserer Geschichte zögert Mose zunächst; er wünscht sich mehr Sicherheit:

13 Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt! und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen?

Den Namen Gottes will Mose wissen. Vielleicht weil Mose seine Landsleute ja noch von früher kennt. Die leben in Ägypten und hören von all den ägyptischen Göttern und Göttinnen, Isis und Osiris, Re und Horus, Tefnut und Thot, insgesamt 1500 Götter tummelten sich im ägyptischen Götterhimmel. Da ist es möglich, dass sie ihren eigenen Gott, der nur einer ist und den sie einfach nur Gott nennen, schlicht vergessen haben oder für unfähig halten, sich gegenüber so vielen Göttern ihrer Sklavenhalter durchzusetzen.

14 Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt.

Der Name, den Mose von Gott erfährt, ist kein Eigenname wie die Namen der ägyptischen Götter, kein Name, der ihn von anderen Göttern unterscheidet. Die ägyptischen Götter können ja nicht allmächtig sein, da sie sich gegenseitig in ihrer Macht begrenzen; wie bei jedem Volk, das viele Götter hat, stellen diese vielen Götter verschiedene in der Welt wirksame Kräfte dar; mit dem einen Gott Israels, der die ganze Welt und alle in ihr wirkenden Kräfte geschaffen hat, sind sie nicht zu vergleichen.

Der Name, den Gott nennt, macht deutlich, wer dieser Gott ist. Wenn wir den Namen so übersetzen: „Ich werde sein“ oder „Ich bin“, dann haben wir das Problem, dass es im Hebräischen das Wort „Sein“ nicht so gibt wie im Deutschen. Wenn Gott sagt: „Ich bin“, dann ist er damit nicht genau so und unveränderlich so und nicht anders für alle Zeiten. Gott kann in der Bibel etwas bereuen, er kann umkehren, er kann auf Grund menschlicher Gebete neue Entscheidungen treffen. Treffender müssten wir den Namen Gottes also übersetzen mit: „Ich geschehe“. Gott hat also weniger mit einem Hauptwort, einem festen „So-und-nicht-anders“ zu tun, sondern mehr mit einem Tätigkeitswort, einem „sich-Einsetzen-für-die Menschen“. Martin Luther hat das in seiner Übersetzung mit der Zukunftsform zu fassen versucht: „ich werde sein, der ich sein werde“, Gott ist ein Gott, der auf jeden Fall von sich in der Zukunft reden kann, er ist nicht nur jetzt für sein Volk da, er wird auch in Zukunft für sein Volk und für uns da sein. Der Name Gottes ist mit einem wunderbaren Inhalt gefüllt; der Name ist Programm, wie wir sagen, und dieses Programm heißt: Befreiung, Bewahrung, Gott wird immer für uns einstehen und bei uns sein.

Dieses Programm gilt für uns auch heute noch. Im Kleinen wie im Großen. Es mag sein, dass wir uns den Herausforderungen des Lebens manchmal nicht gewachsen fühlen. Vieles gibt es, was uns über den Kopf wächst. Doch Gott weiß den Weg für uns, sieht uns mit seinen Vateraugen und führt uns mit seinen Mutterhänden auf guten Wegen. Darauf lasst uns vertrauen. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen aus dem Lied 326 die Strophen 1 und 4 bis 6:

1. Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut, dem Vater aller Güte, dem Gott, der alle Wunder tut, dem Gott, der mein Gemüte mit seinem reichen Trost erfüllt, dem Gott, der allen Jammer stillt. Gebt unserm Gott die Ehre!

4. Ich rief zum Herrn in meiner Not: »Ach Gott, vernimm mein Schreien!« Da half mein Helfer mir vom Tod und ließ mir Trost gedeihen. Drum dank, ach Gott, drum dank ich dir; ach danket, danket Gott mit mir! Gebt unserm Gott die Ehre!

5. Der Herr ist noch und nimmer nicht von seinem Volk geschieden; er bleibet ihre Zuversicht, ihr Segen, Heil und Frieden. Mit Mutterhänden leitet er die Seinen stetig hin und her. Gebt unserm Gott die Ehre!

6. Wenn Trost und Hilf ermangeln muss, die alle Welt erzeiget, so kommt, so hilft der Überfluss, der Schöpfer selbst, und neiget die Vateraugen denen zu, die sonsten nirgends finden Ruh. Gebt unserm Gott die Ehre!

Fürbitten und Gebetsstille
Vater unser
Lied 171: Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott
Abkündigungen

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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