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Dienen

So selbstverständlich, wie jemand gegen Bezahlung seinen Dienst versieht, genau so selbstverständlich ist es eigentlich, das zu tun, was Gott von uns will. Denn Gott schenkt uns das Leben und unsere Fähigkeiten, er bietet sich uns an, dass wir ihm vertrauen können.

Zwei Figuren einer Dienerin und eines Dieners, die ein Tablett vor sich hertragen
Dienerinnen und Diener haben selbstverständlich ihre besondere Aufgabe zu erfüllen (Bild: Hans BraxmeierPixabay)

#predigtGottesdienst am drittletzten und zweitletzten Sonntag vor der Passionszeit ( Septuagesimä und Sexagesimä), 15. und 22. Februar 1981, in Weckesheim, Reichelsheim, Beienheim, Heuchelheim und Staden
Lied EKG 178, 1-3 (EG 274):

1. Der Herr ist mein getreuer Hirt, hält mich in seiner Hute, darin mir gar nicht mangeln wird jemals an einem Gute. Er weidet mich ohn Unterlass, da aufwächst das wohlschmeckend Gras seines heilsamen Wortes.

2. Zum reinen Wasser er mich weist, das mich erquickt so gute, das ist sein werter Heilger Geist, der mich macht wohlgemute; er führet mich auf rechter Straß in seim Gebot ohn Unterlass um seines Namens willen.

3. Ob ich wandert im finstern Tal, fürcht ich doch kein Unglücke in Leid, Verfolgung und Trübsal, in dieser Welte Tücke: Denn du bist bei mir stetiglich, dein Stab und Stecken trösten mich, auf dein Wort ich mich lasse.

Schriftlesung: Matthäus 20, 1-16

1 Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen.

2 Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg.

3 Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere müßig auf dem Markt stehen

4 und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist.

5 Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe.

6 Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da?

7 Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand eingestellt. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg.

8 Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten.

9 Da kamen, die um die elfte Stunde eingestellt waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen.

10 Als aber die ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und auch sie empfingen ein jeder seinen Silbergroschen.

11 Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn

12 und sprachen: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben.

13 Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen?

14 Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem letzten dasselbe geben wie dir.

15 Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin?

16 So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.

Lied EKG 244, 1-3 (EG 343):

1. Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ, ich bitt, erhör mein Klagen; verleih mir Gnad zu dieser Frist, lass mich doch nicht verzagen. Den rechten Glauben, Herr, ich mein, den wollest du mir geben, dir zu leben, meim Nächsten nütz zu sein, dein Wort zu halten eben.

2. Ich bitt noch mehr, o Herre Gott – du kannst es mir wohl geben –, dass ich nicht wieder werd zu Spott; die Hoffnung gib daneben; voraus, wenn ich muss hier davon, dass ich dir mög vertrauen und nicht bauen auf all mein eigen Tun, sonst wird’s mich ewig reuen.

3. Verleih, dass ich aus Herzensgrund den Feinden mög vergeben; verzeih mir auch zu dieser Stund, schaff mir ein neues Leben; dein Wort mein Speis lass allweg sein, damit mein Seel zu nähren, mich zu wehren, wenn Unglück schlägt herein, das mich bald möcht verkehren.

Gott schenke uns allen seine Gnade. Amen.
Predigttext: Lukas 17, 7-10 (GNB)

Stellt euch vor, ihr habt einen Sklaven, der vom Pflügen oder Schafehüten nach Hause kommt. Werdet ihr zu ihm sagen: „Bitte, komm gleich zu Tisch“? Gewiss nicht! Ihr werdet ihm befehlen: „Mach das Essen fertig, zieh dich um und bediene mich bei Tisch, wenn ich esse und trinke. Danach kannst du auch essen und trinken.“ Werdet ihr euch vielleicht bei ihm bedanken, weil er euren Befehl ausgeführt hat? So ist es auch mit euch. Wenn ihr alles getan habt, was euch von Gott befohlen wurde, dann sagt: „Wir sind nur Diener; wir haben nichts als unsere Schuldigkeit getan.“

Liebe Gemeinde!

Wenn wir diesen Text hören: wie reagieren wir da? Nicken wir mit dem Kopf und sagen oder denken: „Ja, genau so ist es.“? Oder ärgern wir uns darüber, dass Jesus so etwas sagt? Mich stört, dass die Rechtlosigkeit des Sklaven einfach so hingenommen wird. Er hat zu schaffen und zu bedienen, während sein Herr zu befehlen hat und sich bedienen lässt. Und er hat noch nicht einmal das Recht auf ein Dankeschön. Und das nimmt Jesus so einfach hin?

Wenn das so wäre – ich würde an Jesus zweifeln. Und vielen anderen geht es sicher ähnlich. Wie viele haben vielleicht schon der Kirche den Rücken gekehrt, weil ihnen genau das an der Kirche nicht gefällt: dass man sich bestimmten religiösen Anforderungen unterziehen muss, auch wenn man gar nicht so religiös ist; dass die Kirche Gehorsam gegenüber bestimmten Geboten fordert und vor allem auch viele Verbote aufstellt; dass die Kirche lange Zeit hindurch auf der Seite derer zu finden gewesen ist, die die Unterordnung von Menschen unter höher gestellte Menschen gerechtfertigt oder sogar gefordert haben. Wenn Kirche nur so wäre, würde auch ich ihr den Rücken kehren.

Ich glaube aber an eine andere Kirche. Eine Kirche, in der Freiheit wachsen kann, freies Verantwortungsbewusstsein, und in der ein feines Gespür für Unrecht und für Benachteiligungen von Menschen entwickelt wird. Ich meine, dass das auch eine Kirche ist, die im Sinne Jesu redet und handelt.

Ich meine, dass Jesus mit seinem Gleichnis nicht die Sklaverei rechtfertigen will. Er hebt ja z. B. an anderer Stelle die menschlichen Vorstellungen vom Herrschen und Dienen auf: Der Menschensohn, so sagt er, sei nicht gekommen, sieh bedienen zu lassen, sondern um zu dienen (Markus 10, 45). Freiwilliges Dienen ist da gemeint, das Dienen von einem, der eigentlich herrschen könnte.

Das heißt: bei Jesus bekommt das Wort Herrschen und das Wort Dienen eine andere Bedeutung. Jesus Christus herrscht als König, so heißt es in einem Lied, aber er herrscht, indem er der Diener aller Menschen wird.

Heute sollte es in einem demokratischen Staat ja auch so sein, dass diejenigen, die Macht ausüben, dem Wohl und Nutzen aller dienen – sonst können sie abgewählt werden. Aber viele Unterordnungen und Rangabstufungen gibt es noch. Viele Menschen pochen auf ihre Vorrechte und Privilegien. Und längst nicht allen ist bewusst, dass sie ihren Vorteil in den Dienst der Benachteiligten stellen sollten. Das heißt aber bei Jesus „Herrschen“: das, was man selbst hat und kann, vielleicht mehr hat und besser kann als andere, nicht einzusetzen, um ein besseres Leben zu führen, und den eigenen Vorteil – abgeschirmt von den andren – zu genießen, sondern um den anderen zu helfen, die weniger haben oder weniger können.

Und das Dienen verliert bei Jesus den Beigeschmack den Unterwürfigen. Ein selbstbewusstes Dienen meint Jesus, einen Dienst, dessen Notwendigkeit man einsieht, den man tut, weil einem wirklich an dem Menschen liegt, dem man hilft, oder weil einem die Sache wirklich wichtig ist, für die man sich einsetzt.

Aber was meint Jesus mit seinem Gleichnis, wenn er die Sklaverei nicht rechtfertigen will?

Jesus greift in seinen Beispielgeschichten oft Begebenheiten aus dem Alltag heraus, die den damaligen Hörern ganz selbstverständlich waren. Damals gab es Sklaven, die hatten zu gehorchen. Ihre Herren hatten Anspruch auf ihre Dienste.

Wenn wir das Gleichnis heute verstehen wollen, sollten wir es einmal auf eine andere Ebene übertragen, auf die Ebene dessen, was wir heute unter „Dienstleistungen“ verstehen. Wer von uns käme auf die Idee, sich bei einem Straßenbahnfahrer dafür zu bedanken, dass er angehalten und uns mitgenommen hat? Das können wir ja wohl erwarten – dafür wird dieser Mann ja bezahlt. Oder welcher Schüler käme auf die Idee, sich bei seinen Lehrern dafür zu bedanken, dass sie ihm Unterricht erteilt haben? Welcher Lehrer würde den Schülern danken, dass sie den Unterricht besuchen und ihre Hausaufgaben machen? Wo kämen wir denn da hin? Die Beispiele zeigen, worum es geht: für Selbstverständlichkeiten bedanken wir uns nicht. Das Gleichnis Jesu will also sagen: so selbstverständlich, wie ein Sklave die Befehle seines Herrn ausführen muss, und so selbstverständlich, wie jemand heute gegen Bezahlung seinen Dienst versieht, genau so selbstverständlich ist es eigentlich, das zu tun, was Gott von uns will.

Jesus hält das zumindest für selbstverständlich. Wenn Gott uns das Leben schenkt, wenn wir Fähigkeiten haben, wenn er sich uns anbietet, dass wir ihm vertrauen können, dann ist doch ganz klar, dass wir unser Leben und unsere Fähigkeiten in seinem Sinne einsetzen, dass wir menschlich handeln, nicht nur an uns denken, sondern auch an die anderen, die uns brauchen. Allerdings, was Jesus für selbstverständlich hält, das ist bei uns noch lange nicht selbstverständlich.

Vielleicht ärgert uns das Gleichnis deshalb auch noch in einem anderen Sinn. Stellen wir uns vor, es würde ein freiwilliger Helfer einmal ohne den Pfarrer mit einer Gruppe von Jugendlichen in eine Wochenendfreizeit fahren. Solche Freizeiten sind meistens schön, aber auch anstrengend. Und nun würde der Pfarrer nach der Rückkehr nicht etwa sagen: „Schön, dass Sie wieder da sind. Sie werden müde sein. Kommen Sie, wir trinken zusammen Kaffee!“, sondern er würde sagen: „Sie machen erst einmal die Abrechnung der Freizeit, dann räumen Sie die Spiele und Sportgeräte weg, dann können Sie mir noch beim Terminplan für die nächste Woche helfen… und dann können Sie zu Ihrer Familie gehen!“ Ich meine, dieser Helfer würde wohl kein zweites Mal einen Dienst in der Gemeinde übernehmen. Er würde sich ausgenutzt fühlen und ein kleines Dankeschön doch sehr vermissen.

Will Jesus denn mit seinem Gleichnis sagen, dass wir uns gegenseitig nicht mehr danken sollen für etwas Gutes, das einer getan hat? Soll christlicher Dienst mit einer solchen Selbstverständlichkeit und Routine ablaufen, dass für die kleine anerkennende Geste, den Ausdruck der Freude darüber, dass einer etwas geleistet hat, kein Platz mehr bleibt?

Das will Jesus sicher auch nicht sagen. Es wäre einfach unmenschlich, wenn man einem, der etwas für die Kirche tut, der z. B. beim Gemeindehausbau hilft, nicht danken würde; und er wird dann vielleicht sagen: Ach, nichts zu danken. Aber freuen würden sich beide, weil dem einen geholfen wurde und der andere merkt, das war ihm wirklich wichtig, der freut sich, da helfe ich gern mal wieder.

Aber Jesus will sagen: ein Christ tut das, was Gott von ihm verlangt, nicht nur, weil er Dank erwartet. Er setzt sich ein, obwohl er weiß, dass oft Undank der Welt Lohn ist. Wenn ein Mensch einen anderen wirklich liebt, erwartet er auch keinen Dank (obwohl er sich über Dank natürlich freut). Er gibt sich ganz hin und läuft dabei natürlich Gefahr, blind in sein Unglück hineinzulaufen. So wie z. B. die 45-jährige Hausfrau, die vor 20 Jahren ihrem Mann zuliebe ihre berufliche Karriere aufgab, drei Kinder großzog, ihren Mann versorgte und nun von diesem wegen einer 25-Jährigen verlassen wird. Oder wie ein Angestellter, der seinen Beruf sehr ernst nimmt und immer einspringt, wenn Not am Mann ist – und der doch immer bei Beförderungen übergangen wird. Und einer, der eingesehen hat, im Geiste Jesu Christi zu handeln, sei gut und sinnvoll – der wird auch oft erfahren, dass er sich mit seinem Einsatz manchmal weniger Anerkennung und Dank als Schwierigkeiten oder sogar Leiden einhandelt. Trotzdem wird es für ihn selbstverständlich bleiben, sich einzusetzen – wenn er weiß, dass ihn letztlich nicht der Dank der Mitmenschen trägt, sondern das, was wir die Gnade Gottes nennen.

Wir bilden uns oft ein, wir hätten ein Recht auf alles, was wir haben und können. Und wenn andere davon etwas wollen, dann müssen sie uns dankbar sein, oder sie müssen eine Gegenleistung erbringen. Wenn Gott so mit uns umspränge, dann wären wir verloren.

Die volle Gegenleistung für das, was er uns geschenkt hat, wäre: unsere vollkommene Fähigkeit, zu lieben und uns für unseren Nächsten einzusetzen. So vollkommen ist keiner. Aber Gott erwartet auch nicht Dank nach dem Motto: wenn ihr nicht dankbar seid, dann liebe ich euch nicht mehr. Er liebt ohne Bedingungen, er vergibt seinen Feinden, er trägt es uns nicht nach, wenn wir nur an uns gedacht haben.

Er hofft aber, dass wir es endlich einsehen, wie selbstverständlich es nun wäre, dankbar zu sein. Dankbar in dem Sinn, dass wir nun auch versuchen, den Willen Gottes zu befolgen. Der Satz: „Wir sind nur Diener; wir haben nichts als unsere Schuldigkeit getan“, wird verkehrt, wenn wir diesen Verzicht auf Dank von anderen erwarten würden. Wenn wir das nur von ums selbst sagen wollen, dann drücken wir damit aus, wie selbstverständlich uns die Dankbarkeit Gott gegenüber geworden ist. Vielleicht können wir diesen Satz Jesu so in die Gegenwart übersetzen:

„Wenn wir im Namen Jesu Christi die nötigen Schritte getan und im Geist der Liebe gehandelt haben, wenn wir auf diesem Wege einige Erfolge aufweisen können, dann können wir mit gutem Grund sagen: Wir haben das getan, was unserem Leben und unserem Zusammenleben mit anderen einen Sinn gegeben hat. Wir haben nur das getan, was wir als unsere Aufgabe angesehen haben. Das ist aber letztlich nicht unser Verdienst, und daraus können wir keine Ansprüche ableiten.“

Ganz soweit sind wir noch nicht. Oft ist uns die Anerkennung durch Menschen doch wichtiger als das Gefühl, etwas Wichtiges getan zu haben. Wir können aber Gott um Mut und Phantasie, um Geduld und vor allem um Nachsicht mit unseren Schwächen bitten. Und uns freuen, wenn wir Grund haben, einander zu danken, oder wenn einer, der beleidigt war, wieder mit uns spricht. Amen.

Lied EKG 195, 1-3 (EG 299):

1. Aus tiefer Not schrei ich zu dir, Herr Gott, erhör mein Rufen. Dein gnädig’ Ohren kehr zu mir und meiner Bitt sie öffne; denn so du willst das sehen an, was Sünd und Unrecht ist getan, wer kann, Herr, vor dir bleiben?

2. Bei dir gilt nichts denn Gnad und Gunst, die Sünde zu vergeben; es ist doch unser Tun umsonst auch in dem besten Leben. Vor dir niemand sich rühmen kann, des muss dich fürchten jedermann und deiner Gnade leben.

3. Darum auf Gott will hoffen ich, auf mein Verdienst nicht bauen; auf ihn mein Herz soll lassen sich und seiner Güte trauen, die mir zusagt sein wertes Wort; das ist mein Trost und treuer Hort, des will ich allzeit harren.

Fürbitten, Vaterunser, Abkündigungen und Segen
Lied EKG 244, 4 (EG 343):

4. Lass mich kein Lust noch Furcht von dir in dieser Welt abwenden; beständig sein ans End gib mir, du hast’s allein in Händen; und wem du’s gibst, der hat’s umsonst, es mag niemand erwerben noch ererben durch Werke deine Gunst, die uns errett’ vom Sterben.

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