Bild: Ingrid Walpert

Kapitel 1: Einleitung

In der Einleitung zu seinem Buch legt Helmut Schütz dar, wie er dazu kam, sich als Seelsorger mit dem Thema „Sexueller Missbrauch“ zu beschäftigen und warum es nicht nur ein Modethema ist.

Zum Gesamt-Inhaltsverzeichnis des Buches „Missbrauchtes Vertrauen“

Pfarrer Helmut Schütz verfasste zum Thema "sexueller Missbrauch" ein umfangreiches Buch mit dem Titel "Missbrauchtes Vertrauen"
Pfarrer Helmut Schütz (Foto: Franz Möller)

Inhalt dieses Kapitels

Ein Studienurlaub

Wie sich ein Thema mich aussuchte

Was mich trägt

Seelsorge und Beratung mit Missbrauchsbetroffenen

Sexueller Missbrauch als Thema für die Kirche

„Parteilichkeit“ – „Gegenbewegung“ – „Modethema“

Anmerkungen zu diesem Kapitel

Ein Studienurlaub

Als Pfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau habe ich nach jeweils zehn Dienstjahren das Recht auf einen dreimonatigen Studienurlaub. Ich nahm ihn erstmalig im siebzehnten Jahr meines Pfarrdienstes in Anspruch, um mich von August bis Oktober 1995 intensiv mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs auseinanderzusetzen.

Ohne die kritische und rückenstärkende Begleitung durch meine Familie und meine damaligen Kollegen im Krankenhauspfarrdienst in Alzey hätte ich diese Herausforderung nicht bewältigen können. Den Patientinnen und Ratsuchenden, die mir ihre Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch und der Verletzung ihrer kindlichen Gefühle anvertraut haben und die ich eine kurze oder lange Strecke auf ihrem Weg begleiten konnte, danke ich für die Erlaubnis, einiges von dem, was sie erlebt haben, in meiner schriftlichen Arbeit zum Thema zu erwähnen.

Die Abhandlung „Missbrauchtes Vertrauen“ erschien 1995 nur in einer kleinen Auflage von 100 Exemplaren, die inzwischen vergriffen ist. Da mir versichert wurde, dass meine Gedanken es wert seien, einem größeren Publikum zugänglich gemacht zu werden, veröffentliche ich nach fast sechs Jahren einige Kapitel aus meiner damaligen Arbeit auf der Internetseite „Bibelwelt“.

Wie ging ich an das Thema des sexuellen Missbrauchs heran? Darüber gebe ich in diesem ersten Kapitel meiner Abhandlung Auskunft. Ich skizziere meine Motive, mich mit diesem Thema zu beschäftigen, meine Art, seelsorgerlich und beraterisch damit umzugehen, und die Herausforderung, die der sexuelle Missbrauch für Kirche und Gesellschaft darstellt. Ich erzähle von Personen, denen ich im Studienurlaub begegnet bin und gebe eine kleine Vorschau auf weitere Kapitel meiner Abhandlung.

Wie sich ein Thema mich aussuchte

Wie kam ich als Pfarrer dazu, mir für einen dreimonatigen Studienurlaub ausgerechnet ein Thema auszusuchen, in dem es um den sexuellen Missbrauch geht? Die Antwort ist: Es war umgekehrt – das Thema suchte sich mich aus. In siebzehn Dienstjahren als Gemeindepfarrer und als Krankenhausseelsorger vertrauten sich mir immer wieder Frauen an, die unter sexuellen Übergriffen gelitten hatten, gelegentlich auch ein männliches Opfer und in einem Fall ein Täter. Hier nur einige Beispiele:

  1. Als junger Gemeindepfarrer werde ich zum ersten Mal mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs konfrontiert. Ein siebzehnjähriges Mädchen aus der evangelischen Jugendgruppe vertraut mir an, dass ihr Großvater sich oft vor ihr entblößt und sie aufgefordert habe, seinen Penis zu manipulieren.
  2. Eine junge Frau auf einer geschlossenen Station der Psychiatrie sucht ein Gespräch mit mir, dem evangelischen Krankenhauspfarrer. Sie kommt nicht über den Tod ihres Vaters hinweg und stellt mir viele Fragen über Tod und Auferstehung, Gott und den Glauben. In weiteren Gesprächen beginnt sie, sich damit auseinanderzusetzen, dass ihr Vater sie seit dem Säuglingsalter sexuell missbrauchte.
  3. Im Bibelkreis, der wöchentlich in der psychiatrischen Klinik stattfindet, geht es um die Geschichte vom Verlorenen Sohn (Lukasevangelium , Kapitel 15, Verse 11-32), der vom Vater liebevoll in die Arme genommen wird. Wir sprechen darüber, wie verschieden Väter sein können – verstoßend oder verlässlich, strafend oder ermutigend, missbrauchend oder schützend. Eine Frau, die ich seit langer Zeit kenne, erzählt auf einmal, wie sie als Kind von einem Verwandten missbraucht wurde und sich nicht ihren Eltern anzuvertrauen wagte, aus Angst, ihr Vater würde den Mann erschlagen.
  4. Auf einer Suchtstation fragt mich ein Patient, ob Gott alles vergeben könne. Er habe sich vor Jahren an seiner Stieftochter sexuell vergangen. Ich denke, dass Gott dem vergibt, der ehrlich bereut und zur Umkehr bereit ist, und frage ihn, ob er sich überhaupt darüber bewusst ist, was er dem Mädchen damit angetan hat. Er meint, das habe sie mittlerweile längst vergessen, sie würde nach wie vor an ihm hängen. Auf ein intensiveres Gespräch darüber will er sich allerdings nicht einlassen, und er bricht den Kontakt ab.
  5. Bei einem Beerdigungsgespräch vertraut mir der Sohn des Verstorbenen an, dass sein Gemeindepfarrer „die Finger nicht von den Konfirmanden lassen konnte“.
  6. Im Gemeindepfarramt meldet sich die Polizei am Telefon. Streifenbeamte haben ein junges Mädchen aufgegriffen. Sie hat einen Selbstmordversuch hinter sich und möchte auf keinen Fall, dass ihre Eltern verständigt werden. Ob ich wohl mit ihr reden könne, sie kenne mich von einer Veranstaltung der Kirchengemeinde her. Viel später vertraut sie mir an, dass sie bereits als Kind von Familienangehörigen jahrelang missbraucht wurde.
  7. Am Krankenbett im Kreiskrankenhaus. Eine ältere Frau schimpft auf die Kirche. Ich höre mir lange ihre Vorwürfe an. Schließlich erzählt sie, wie sie als Kind von ihrer Mutter missbraucht wurde und sich um Hilfe an den Pfarrer wandte. Der Pfarrer glaubte nicht ihr, sondern hielt zur Mutter. Viel später versuchte sie wieder einmal, ihr Herz bei einem Pfarrer auszuschütten. Er meinte, sie solle doch nicht nur klagen, und wollte sie mit dem Spruch trösten: „Wen Gott lieb hat, den züchtigt er“. Ob ich wohl verstehen könne, dass sie mit der Kirche nichts mehr zu tun haben wolle?
  8. Eine Konfirmandin fasst Vertrauen zu ihrem Gemeindepfarrer. Er ist ein Kumpel für die jungen Leute, alle dürfen ihn duzen, er bietet beliebte Jugendveranstaltungen an. Auf einer Disco tanzt die Konfirmandin mit dem Pfarrer und sucht seine Nähe, da sie zu Hause außer Misshandlungen und Missbrauch keine Zuwendung erfährt. Der Pfarrer vergreift sich zweimal sexuell an dem Mädchen. Sie schweigt, weil sie denkt, dass sie ja auch den Pfarrer „angemacht“ hat. Der Pfarrer wird später aufgrund anderer Vorfälle vom Dienst suspendiert. Zwanzig Jahre später erzählt sie mir davon in einem Seelsorgegespräch.

Solche Erfahrungen veranlassten mich dazu, für meinen Studienurlaub das Thema auszuwählen: „Frauen, die als Kinder von ihrem Vater sexuell missbraucht wurden, erwarten von mir als männlichen Seelsorger Hilfe – wie gehe ich damit um?“ Im Laufe meiner Studien fasste ich das Thema dann doch breiter als ursprünglich geplant. Der geschlechtsspezifische Aspekt, ob ich als männlicher Seelsorger missbrauchten Frauen genauso helfen kann wie eine Seelsorgerin, behielt für mich nicht den großen Stellenwert, den ich ihm ursprünglich beigemessen hatte. Wichtiger wurde für mich die Erkenntnis, wie weit verbreitet der sexuelle Missbrauch war und ist, seit biblischen Zeiten bis heute, und welche Herausforderung er nicht nur an mich als Seelsorger, sondern auch an die Kirche und die Theologie insgesamt darstellt.

Als ich erst einmal auf das Thema aufmerksam geworden war, nahm ich entsprechende Signale leichter wahr und sandte offenbar weniger Abwehrsignale dagegen aus. Von einer ähnlichen Erfahrung berichtet der Psychologe Carl Rogers: „Wenn er in seinem Leben ein Thema aufgearbeitet hätte, sei es gewesen, als ob seine PatientInnen ein Telegramm erhalten hätten, dass sie jetzt mit diesem Problem in die Therapie kommen könnten.“ Es ging mir wie der Therapeutin Ellen Bass: „Als mir das Problem des Kindesmissbrauchs erst einmal bewusst geworden war, schienen die Frauen plötzlich zu wissen, dass sie gefahrlos mit mir darüber reden konnten“ (1).

Ich bin mir allerdings der Gefahr bewusst, Anzeichen für Missbrauch auch dort zu sehen, wo gar keiner ist, wenn man allzusehr auf dieses Thema fixiert ist. Natürlich darf man Ratsuchenden die „Hypothese des sexuellen Missbrauchs“ nicht aufgrund weniger Anhaltspunkte „einprogrammieren“, sondern man muss auch andere mögliche Ursachen für bestimmte Symptome bzw. auffällige Anzeichen in Erwägung ziehen. Ein Fallbeispiel für den Ausschluss des Verdachts eines sexuellen Missbrauchs im Rahmen einer transaktionsanalytischen Therapie schildern Richard Erskine und Janet Moursund in ihrem Buch „Kontakt – Ichzustände – Lebensplan“ (2). Die Beschränkung auf dieses Thema in meinem Studienurlaub und in dieser Abhandlung hat rein methodische Gründe – ich kann nicht auf alle Probleme eingehen, schon gar nicht gleichzeitig. In den konkreten Gesprächen mit Ratsuchenden ging es niemals ausschließlich um dieses Thema; es war immer eingebettet in andere Zusammenhänge, je nach Persönlichkeit und Lebenssituation. Das ist mir auch deshalb wichtig, da der sexuelle Missbrauch zwar sehr ernstgenommen werden muss, aber nicht die einzige Schädigung von Kindern mit furchtbaren Folgen ist, hinter der dann andere traumatische Kindheitserfahrungen in ihrer Bedeutung verschwinden würden, wie zum Beispiel Vernachlässigung, Ablehnung, Misshandlung oder alltägliche gefühlsmäßige Ausbeutung. Oft kann man sexuellen Missbrauch gar nicht trennen von solchen Schädigungen, und es gibt fließende Übergange zu emotionaler Ausbeutung. Der niederländische Therapeut Ruud Bullens, der vorwiegend mit Inzesttätern arbeitet, nannte mir im persönlichen Gespräch in Leiden den beherzigenswerten Leitsatz: „Sexueller Missbrauch ist keine Diagnose“. Er ist ein Erlebnis oder eine Kette von Erfahrungen, die sich häufig in Form von unterschiedlichsten Verhaltensauffälligkeiten und Symptomen niederschlagen; man kann aber nie ausschließen, dass nicht auch andere Ereignisse diesen Symptomen zugrundeliegen.

Was mich trägt

Oft werde ich gefragt, wie ich es aushalte, mit derartigen Scheußlichkeiten und tiefen seelischen Verletzungen konfrontiert zu werden. Das geht nur, weil es den Betroffenen in der Regel hilft, sich aussprechen zu können, und weil es Hoffnung auf Linderung oder sogar Heilung der seelischen Schmerzen gibt. Manchmal ist sogar, wie die Therapeuten Trepper und Barrett schreiben, „die Befriedigung sehr groß“, mit Missbrauchsopfern zu arbeiten, die „von ihren tiefsten Tiefen zu ihren höchsten Höhen wandern. Das ist manchmal ein Gefühl, als ob wir unsere KlientInnen von der Geburt bis zur Jugend begleiten würden“ (3).

Aber wichtiger noch ist die Einsicht: Niemand kann tragen, ohne getragen zu sein, halten, ohne gehalten zu sein, therapieren, ohne Therapie erfahren zu haben, Seelsorge üben, ohne Seelsorge zu bekommen. Es war wichtig, dass ich eigene seelische Probleme in der mit meiner transaktionsanalytischen Ausbildung verbundenen Eigentherapie durcharbeiten konnte. Fünfzehn Jahre lang nahm ich anschließend die Supervision in Anspruch, die Thomas Weil vom „Institut für Transaktionsanalyse und Integrative Tiefenpsychologie Kassel“ bis zum Jahr 1996 im Raum Frankfurt am Main anbot. Die Aussöhnung mit dem eigenen Schicksal ist die Voraussetzung dafür, auch anderen „wirklich so liebevoll und verstehend zu helfen, dass über die tiefe Wunde der Verletzung hindurch langsam und sorgsam eine neue Haut wachsen kann“ (4).

Vor allem lernte ich, in mir das Vertrauen auf den Gott zu spüren, der mich trägt. Bei allen Infragestellungen kirchlicher Strukturen, theologischer Denkmuster und christlicher Frömmigkeitsformen ist mir der Glaube an den barmherzigen und zugleich gerechten Gott gerade in meiner eigenen Selbsterfahrung und in der Arbeit mit seelisch verletzten Menschen nicht abhanden gekommen, sondern gewisser geworden. Mehr und mehr lernte ich, Gott nicht in dogmatische Lehrformeln (im Sinne von Leerformeln) einzusperren, sondern als ein Getragensein zu erfahren, das ich analog zu einer Eltern-Kind-Beziehung beschreiben kann – wobei die Eltern, je nachdem, was für das Kind dran ist, es tröstend in den Arm nehmen (Jesaja, Kapitel 66, Vers 13: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“), oder es auch als erwachsenes Kind in seiner Freiheit als aufrecht gehender Mensch unterstützen und loslassen. Helmut Gollwitzer schrieb in seinem Buch „Krummes Holz – aufrechter Gang“, das mich als Student 1973 entscheidend prägte: „Aufrechter Gang – das ist Leben in Sinnesgewissheit“ (5).

Nachvollziehbare Schwierigkeiten mit der Vorstellung eines persönlichen Gottes haben allerdings diejenigen, die mit einem solchen Gottesbild eine in irgendeinen räumlich vorgestellten Himmel versetzte menschliche Person verbinden, zum Beispiel den berühmten alten Mann mit dem langen Bart – und der trägt dann meist auch noch die Züge einer vertrauten männlichen Bezugsperson aus der eigenen Kindheit. Der große Theologe Paul Tillich hat Gott in Beziehung auf den Menschen als eine Macht, eine Kraft, ein Sein definiert, als das, „was ihn unbedingt angeht.“ Den Menschen kann aber „nichts unbedingt angehen, was nicht personhaft ist.“ Aber wie kann man heute noch von einem „persönlichen Gott“ sprechen? Tillich sagt mit Recht: „‚Persönlicher Gott´ bedeutet nicht, dass Gott eine Person ist. Es bedeutet, dass Gott der Grund alles Personhaften ist und in sich die ontologische (= wesensmäßige) Macht des Personhaften trägt. Er ist nicht eine Person, aber er ist auch nicht weniger als eine Person… Der übliche Theismus hat Gott zu einer himmlischen, ganz vollkommenen Person gemacht, die über Welt und Menschheit thront. Der Protest des Atheismus gegen eine solche höchste Person ist berechtigt. Es gibt keine Anzeichen für ihr Dasein, noch kann sie jemanden unbedingt angehen.“ Nach Tillich gilt vielmehr, dass Gott nicht als ein einzelnes Individuum, sondern gerade als die universale, die ganze Welt hervorbringende und durchdringende Kraft „an jedem Leben als sein Grund und sein Ziel“ teilhat. Gott hat teil „an allem, was ist. Er hat Gemeinschaft mit ihm und nimmt an seinem Schicksal teil. Solche Sätze sind in hohem Grade symbolisch. Sie können fälschlich so verstanden werden, dass es etwas neben Gott gibt, an dem er von außen partizipiert (= teilhat). In Wahrheit schafft Gottes Partizipation das, woran sie partizipiert“ (6). Eine in ihrer Kindheit missbrauchte Frau, die ich lange Zeit begleitete, formulierte es so: „Gott ist nicht mehr wie mein Vater, der mich missbraucht und mir seinen Willen aufzwingt, er ist Liebe, wie ein Mantel, der mich von allen Seiten einhüllt und in dem ich mich geborgen fühle.“

Um ein Missverständnis zu vermeiden: Der christliche Glaube ist für mich kein Ersatz für menschliches Handeln. Mit Manfred Josuttis gehe ich vielmehr davon aus, dass „der Glaube zur Weltlichkeit und also auch zum methodisch verantwortlichen Vollzug menschlicher… Erkenntnisse anhält… Sollten wir nicht, wenn Gott die Rettung der Menschheit als Mensch hat geschehen lassen, einander auch im Glauben auf menschliche und weltliche Weise zu helfen versuchen?“ (7) Allerdings lässt uns der Glaube an einen Gott, der uns von allen Seiten umfängt und begleitet, der uns auch von der Zukunft her entgegenkommt, „die Befreiung der Menschen tätig erwarten“ (8) und entlastet uns davon, alle Probleme der Welt nur mit den eigenen Kräften bewältigen zu müssen. Er gibt uns langen Atem, auch wenn wir in konkreten Herausforderungen, die an uns gestellt werden, häufig machtloser sind, als wir uns das eingestehen möchten. Im Blick auf die Arbeit mit Missbrauchsopfern kann man es auch so ausdrücken: „Langsam kommen wir schneller ans Ziel“ (9) oder: Wir gewinnen das Rennen „by running slowly“ (10).

Seelsorge und Beratung mit Missbrauchsbetroffenen

Mit dem, was ich über sexuellen Missbrauch erfuhr, bin ich von Fall zu Fall unterschiedlich umgegangen. Als Seelsorger in der Gemeinde, im Krankenhaus und in der psychiatrischen Klinik habe ich manchmal nur ein oder zwei Einzelgespräche mit einer betroffenen Frau geführt, wenn sie sich darüber einfach nur aussprechen wollte; darüber hinaus habe ich sie auf die ihr zugänglichen Therapie- und Beratungsmöglichkeiten verwiesen, gelegentlich auch eine längere Begleitung angeboten. Häufig spielte das Thema in einem von mir als Klinikseelsorger angebotenen Bibelkreis eine Rolle, wenn ich entsprechende biblische Texte, Bilder und Erzählungen ins Gespräch brachte, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich mit ihren eigenen Erfahrungen wiederfinden konnten, oder wenn jemand anfing, von sich selbst zu erzählen, und andere den Mut fanden, das Gleiche zu tun. Ich erhielt für die Auslegung einiger auch in meiner Arbeit erwähnter Bibelstellen wertvolle Anregungen und neue Ideen.

Sowohl im Einzel- wie im Gruppengespräch ging es einerseits darum, zuzuhören und Raum zu geben für das Verletzende und Schmerzhafte, was jemand früher erfahren hatte, andererseits aber auch darum, jetzt eine neue Erfahrung machen zu können: angenommen zu sein mit dem, was man fühlt; zu spüren, dass es anderen ähnlich ergangen ist; und auch Gott anders zu erleben, liebevoller, barmherziger und vor allem stark genug, dass er es auch aushält, wenn man ihn anklagt und zur Rede stellt, weil er dem menschlichem Leid untätig zuzuschauen scheint.

Biblische Worte und Bilder in eine seelsorgerliche Beziehung oder Gruppensituation einzubringen, legte sich mir oft nahe; auch mir selbst erschlossen sie sich immer wieder neu in den verschiedenen Seelsorgesituationen, indem sie eine bestimmte gegenwärtige Erfahrung klären und erhellen halfen oder Sinn stifteten, Trost enthielten, Mut machten, Erlaubnis gaben, Angst, Schuld, Wut, Verzweiflung aushalten ließen. Denn nicht ich allein mit meiner seelsorgerlichen Kompetenz helfe dem Gegenüber, sondern Gott ist da, wo zwischen zwei sich begegnenden Menschen eine hilfreiche Beziehung zustande kommt. Das heißt nicht, dass man ständig von Gott reden muss; es geht mir vielmehr um das grundlegende Vertrauen, dass diese Welt trotz all ihrer Schrecken dennoch von einem liebenden, barmherzigen Gott gewollt und getragen wird.

In Einzelfällen habe ich außerhalb des seelsorgerlichen Settings – in einer Selbsterfahrungsgruppe und in langfristigen Einzelberatungen – psychotherapeutisch mit Missbrauchsopfern gearbeitet; dabei stütze ich mich auf Modelle und Methoden der nicht verhaltenstherapeutisch, sondern tiefenpsychologisch und beziehungsorientiert verstandenen Transaktionsanalyse unter Einschluss gestalttherapeutischer Elemente.

In seinem Leitvortrag „In seinen Wurzeln gründet der Baum – Tiefenpsychologie und Transaktionsanalyse“ an den Tagen Tiefenpsychologischer Transaktionsanalyse in Kassel 1993 erläuterte Thomas Weil, was für ihn die Stichworte „beziehungsorientiert“ und „tiefenpsychologisch“ meinen. Psychologie muss doppelt verankert sein, einerseits in der frühen Biographie, indem man „Respekt vor den verborgenen Wurzeln einer Persönlichkeit“ aufbringt, und andererseits im Hier und Jetzt, denn „im Wie meiner Beziehungsgestaltung lebe ich meine Geschichte“. Therapie nach dieser Methode bedeutet zunächst, hinzuhören und zu -schauen, „welche Geschichte uns der Widerstand eines Klienten erzählt“. Er verrät uns viel über ursprüngliche Beziehungserfahrungen zu frühen Bezugspersonen, das heißt, zunächst über deren Realitätsverzerrungen in der Übertragungsbeziehung, die einen Selbstversuch darstellen. Zugleich gilt es, dem Klienten innerhalb der therapeutischen Beziehung eine alternative Beziehungserfahrung anzubieten. „Heilend wirkt die Erfahrung, anders auf Elternfiguren reagieren zu können als in der Beziehung zu den ursprünglichen Eltern“ (11).

Meine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs begann vor mehreren Jahren, als ich in einer Buchhandlung zufällig das Buch von Josephine Rijnaarts, „Lots Töchter“, fand (12). Ich hatte es zunächst fälschlich für ein theologisches Buch gehalten, und mir wurde zum ersten Mal bewusst, dass in der Geschichte von Lot und dem Untergang Sodoms nicht einfach nur ein „Guter“ aus einer „bösen“ Stadt gerettet wird, sondern dass auch Lots Verhalten sogar in dem Versuch der Rechtschaffenheit furchtbare Anteile enthält. Das Buch schärfte meine Wahrnehmung dafür, dass sexueller Missbrauch viel häufiger in der Familie oder in Beziehungen zu anderen vertrauten Personen vorkommt, als ich gedacht hatte.

Durch Josephine Rijnaarts wurde ich auf weitere Therapeuten, Selbsthilfegruppen und kirchliche Gruppen in den Niederlanden aufmerksam, die sich in der Thematik des sexuellen Missbrauchs sehr gut auskennen. Anlässlich einer selbstorganisierten Fortbildungsveranstaltung des evangelischen Dekanats Alzey in Amsterdam im Oktober 1995 nutzte ich die Gelegenheit, um einige von ihnen persönlich aufzusuchen.

Francine Albach, die als Psychotherapeutin zugleich eine entschiedene Christin ist, besuchte ich in ihrer Wohnung in Amsterdam in der Nähe der Bloemgracht. Sie geht davon aus, dass eine Frau, die Opfer sexueller Gewalt wurde, den Glauben an Gott braucht, um mit ihren Erfahrungen fertigzuwerden. Es genüge nicht, wie es andere Therapeuten tun, einer Klientin zum Beispiel hypnotisch zu induzieren, sie solle sich eine sichere Rückzugsmöglichkeit schaffen, wenn eine Erinnerung sie zu sehr belaste, zum Beispiel sich eine lichte Wolke oder eine Waldwiese zu phantasieren, wo sie sich beschützt und wohl und geborgen fühle, es genüge auch nicht, wie die Anonymen Alkoholiker von einer „Höheren Macht“ zu sprechen, nein, es müsse Gott selber sein, der allein Macht habe, von seelischer Krankheit zu befreien. Francine Albach hatte zuerst nicht glauben können, dass Erwachsene „so etwas“ wie den sexuellen Missbrauch Kindern antun. Sie musste lernen, es zu glauben. Später erfuhr sie von rituellem sexuellem Missbrauch durch Sekten, satanischen Praktiken, die die Opfer dazu bringen, sich wirklich von Dämonen oder vom Teufel besessen zu fühlen. Wieder musste sie gegen eigene Widerstände sich davon überzeugen. Und sie erfährt es immer wieder, dass sie nur unter Berufung auf die Macht Gottes diesen satanischen Mächten in einer Klientin entgegentreten kann. Sie möchte diese Mächte auch von der Macht unterschieden wissen, die introjizierte Elternfiguren in einem Menschen entfalten, und wies mich in diesem Zusammenhang auf das Phänomen der multiplen Persönlichkeit hin.

Auch mir sind in einem Fall sexuellen Missbrauchs rituelle Praktiken bekannt geworden, die damit zu tun hatten, das Opfer gefügig zu machen, ihm einzuhämmern, der Missbraucher sei ihr Gott, sei in ihrem Kopf, sie werde ihn niemals los, und selbst wenn er sterben würde, nähme er sie irgendwann mit in den Tod, denn sie würde ihm irgendwann gehorchen und sich selber umbringen. Die Praktiken, die das Opfer Jahre später beschrieb, gehen nach ihren Angaben auf eine vedische Religion indischen Ursprung zurück, und dürften von den Missbrauchern für ihre Zwecke umgeformt und missbraucht worden sein. Ich persönlich bezweifle den Nutzen spezieller exorzistischer Verfahren, um mit dieser Problematik umzugehen, sondern baue auf die Macht des Gottes Jesu, der schlicht in der annehmenden Liebe zwischen Menschen erfahren wird und nicht sehr gewaltig und mächtig zu sein scheint. Aber gerade diese unscheinbare Liebe des verletzbaren Kindes in der Krippe, des Wanderpredigers von Nazareth, des gekreuzigten Gottes stellt die Macht jedes angeblichen Teufels, Satans oder Dämonen in den Schatten. Für mich sind solche Ausgeburten der Hölle Schattenexistenzen ohne wahre Wirklichkeit, die sich im Schatten menschlichen Lebens breitmachen, wo man ohne oder gegen die barmherzige Liebe Gottes ein eigenmächtiges Leben zu führen versucht und auch in anderen Menschen das Urvertrauen, in liebevoller Geborgenheit leben zu können, zerstört.

Auch Ruud Bullens, den ich in der niederländischen Stadt Leiden kennenlernte, verdanke ich eine Menge neuer Einsichten und Klärungen, auf die ich im Laufe dieser Arbeit zum Teil eingehen werde und die ich hier nur kurz skizziere. Er leitet eine forensische Jugendwohlfahrtsstelle und arbeitet gemeinsam mit ca. siebzig anderen Therapeuten mit Opfern und Tätern sexuellen Missbrauchs. Für ihn steht fest: sexueller Missbrauch ist keine Diagnose, sondern ein Delikt, ein Geschehnis, ein „life event“, das bestimmte Symptome hervorbringen kann oder auch nicht, die aber auch von anderen Ereignissen hervorgerufen sein könnten. Daher sollte auch die therapeutische und die gutachterliche Arbeit von Psychologen nicht vermischt werden, nicht in einer Hand liegen; hier wie dort gehe es ja um ganz andere Zielsetzungen. Er zeigte mir, wie ein Täter sein Opfer mitverantwortlich für seine Taten macht, betonte, dass es nicht „die“ Inzestfamilie gibt, dass ein Täter Champion darin ist, Situationen zu kontrollieren. In der Therapie von Inzestopfern dürfe man das Schuldgefühl nicht übergehen, sonst vergewaltige man wieder ihre Gefühle, und zwar gerade die Gefühle, die einen Menschen zum Menschen machen: sich verantwortlich fühlen zu können. Die erwachsene Fähigkeit, sich in einen anderen Menschen einfühlen zu können, muss dagegen ein Inzesttäter erst Schritt für Schritt lernen. Von zu frühen Entschuldigungsritualen hält Bullens nichts, weder im Blick auf den Täter noch im Blick auf sein Opfer.

In dieser Abhandlung frage ich unter anderem nach dem Beitrag, den Seelsorge dazu leisten kann, dass Missbrauchsopfer verschüttete Gefühle wieder fühlen und aushalten können. Dabei geht es zunächst um die Frage, wie schwer es vom Missbrauch betroffenen Menschen fällt, überhaupt wieder einen Zugang zum Fühlen zu finden, und welche Bedeutung biblische Bilder und seelsorgerliche Zuwendung in diesem Zusammenhang haben. Dann folgen Gedanken zum Thema Trauer und Freude und zur Frage, wie es für Missbrauchsopfer möglich ist, Vertrauen aufzubauen und mit ihrer tiefsitzenden Angst davor umzugehen, erneut enttäuscht zu werden.

Aus Zeitgründen konnte ich zwei Abschnitte nicht fertigstellen.

Diese Angabe galt für die Erstabfassung im Jahr 1995 und die Druckfassung dieses Buches aus dem Jahr 2008. Inzwischen habe ich im Dezember 2010 das Kapitel „Liebe und Zorn“ und im Juli 2011 das Kapitel „Schuld und Frieden“ doch noch zu einem sehr ausführlichen Abschluss gebracht.

In dem einen wäre es um den Umgang mit Wut und Liebe gegangen, insbesondere auch mit Rachegefühlen gegenüber Menschen, die man – oft ohne es zu merken – trotzdem immer noch lieb hat. Wer sich mit Wut und Rache näher beschäftigen möchte, sollte den Beitrag von Claudia Schewe über Rache und Gerechtigkeit (13) und den Artikel von Jürgen Ebach über den Rachegott des Alten Testaments (14) lesen.

Ein anderer nicht ausgeführter Abschnitt hätte den Umgang mit Schuldgefühlen und die Suche nach innerem Frieden behandelt, wobei sowohl die Unterscheidungen zwischen Schuld und Scham, zwischen Schuld und Schuldgefühlen, zwischen dem Schuldgefühl eines Missbrauchsopfers, das die Schuld des Täters auf sich lädt, und dem sich Schuldigfühlen für das erzwungene Mitmachen beim Inzest eine Rolle spielen, als auch die Frage, ob es Ziel einer Seelsorge oder Therapie für Missbrauchsopfer sein kann, darf oder sollte, dem Täter zu vergeben (15).

Sexueller Missbrauch als Thema für die Kirche

Das Thema des sexuellen Missbrauchs geht nicht nur mich als einzelnen Seelsorger oder Berater an, sondern auch die evangelische Kirche insgesamt, der ich angehöre.

Dies schon deswegen, weil es auch kirchliche Amtsträger gibt, die sich des Missbrauchs an Minderjährigen schuldig machen, oder auch an Menschen, die sich ihnen im Rahmen der Seelsorge anvertrauen. Auf diese Frage gehe ich im Abschnitt „Missbrauch durch kirchliche Mitarbeiter“ ausführlich ein (16).

Gott sei Dank betrifft dieser Teilbereich des Themas nur eine Minderheit meiner Berufsgruppe. Aber es gibt vermutlich in jeder Gemeinde sexuell missbrauchte Kinder und Frauen, zum geringeren Teil auch Männer, und jeder Seelsorger muss sich die Frage stellen: Wie gehe ich in meiner alltäglichen Arbeit damit angemessen um? Auch Inzestopfer haben Anspruch auf seelsorgerliche Hilfe

In diesem Zusammenhang beschäftige ich mich auch mit der Ambivalenz der Rolle von Theologie und Kirche, von Religion und Glaube im Blick auf den sexuellen Missbrauch. Wie können christliche Gemeinden den Gewaltopfern helfen, wenn auch in ihrer Mitte – weithin unerkannt – Missbrauch geschieht und wenn religiöses Gedankengut dazu beiträgt, die Erfahrungen von Missbrauchsbetroffenen noch zu verschlimmern? Leider enthält auch unsere religiöse Tradition viele Elemente, die den sexuellen Missbrauch fördern – um so wichtiger ist es, sich darauf zu besinnen, wie Bibel und Tradition und gegenwärtige kirchlich-seelsorgerliche Praxis den Betroffenen wirksam zu Hilfe kommen können. Gibt es in der biblischen Tradition Texte, die dabei helfen können, das Thema aufzuarbeiten, gibt es Identifikationsfiguren, -bilder, -texte, die Missbrauchsopfern helfen können, sich nicht mehr nur als Opfer, sondern als Kinder Gottes anzusehen? Können wir „bewusst, wach, klug, vernünftig, verantwortlich und liebevoll neue Bilder, Symbole, Metaphern usw. für eine nicht unterdrückende, nicht sexistische, sondern wahrhaft humane und christliche Zukunft schaffen und ausprobieren“? (17)

Weiter möchte ich fragen: Wie ist Hilfe für Opfer oder Prävention durch Seelsorge oder Gruppenarbeit oder Unterricht oder Gottesdienstgestaltung möglich? Ich weiß nicht, ob das, was Martin Hagenmaier im Blick auf Sexualstraftäter sagt: „In der Seelsorgeausbildung ist meiner Erfahrung nach eine solche Problematik nicht als Thema vorhanden“, auch heute noch im Blick auf das Thema des sexuellen Missbrauchs allgemein gilt (18).

Deutsche evangelische Landeskirchen haben sich jedenfalls bis 1995 kaum in die öffentliche Diskussion um den sexuellen Missbrauch eingebracht. Die evangelische „Denkschrift zu Fragen der Sexualethik“ von 1971 hatte diese Frage nur in einem Nebensatz unter der Rubrik „Sexuelle Perversionen“ gestreift: „Beziehungsstörungen liegen auch vor, wenn Sexualbefriedigung nur durch… die Verführung von Kindern unter Anwendung von Gewalt möglich ist“ (19). Auch in Büchern neueren Datums zur theologischen Sexualethik fand ich keinerlei ausdrücklichen Hinweis zum Thema des sexuellen Missbrauchs.

Hermann Ringeling hat seine Ethik der durch Liebe relativierten Freiheit, die sich darin äußert, „hinausgehen zu können über die bloß äußere und äußerliche Anerkennung des Rechtes auf die eigene Lebensentfaltung, das Menschen und Lebewesen nach moderner Auffassung haben“ und „weiter zu gehen in der mitleidenden und sich mitfreuenden, herzlichen Anteilnahme“, soweit ich sehe, nicht auf die Fragen sexueller Gewalt angewendet (20).

Manfred Josuttis beschreibt allerdings sehr gut den Prozess der „Dämonisierung“ der Sexualität, der dann erfolgt, „wenn Sexualität nicht mehr religiös ausgelegt und wenn Religion nicht mehr libidinös erlebt werden kann… Sexuelle Realität ist für das menschliche Erleben so transzendenzerfüllt, dass eine rein profane Auslegung dieses Geschehens mit erheblichen Anstrengungen verbunden ist… Wenn die Sexualität von der Gottheit getrennt wird, dann geht sie zum Teufel. Was nicht so gut ist, dass auch die Götter es tun, das muss dann böse sein, und umso bösartiger, je unvermeidlicher es immer noch zum Lebensvollzug des glaubenden Menschen gehört“ (21). Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sexuelle Gewalt sicher zu der von Josuttis beschriebenen dämonisierten Sexualität hinzugehört. Allerdings enthält seine Schlussfolgerung, dass etwas, was die Götter nicht tun, böse sein muss, den Denkfehler, dass Monotheismus und Göttersexualität sich von der Definition her ausschließen. Gott könnte nicht vollkommen sein, wenn er die sexuelle Ergänzung durch den Partner oder die Partnerin brauchte. Außerdem denke ich, dass die jüdisch-christliche Tradition mit Recht Gottes ausschließlich fürsorgliche und begrenzende Funktion im Gegenüber zu den Menschen herausgestellt hat; denn ein Gott, der erotische Wünsche auf seine Menschenkinder richtet – wie in der griechisch-römischen Mythologie – wäre kein Gott mehr, auf den ein Mensch sein absolutes kindliches Vertrauen setzen könnte.

Der einzige Artikel, den ich in einer evangelischen (und zwar der Reformierten) Kirchenzeitung zum Thema fand, mit sehr bedenkenswerten und weiterführenden Überlegungen übrigens, stammt von Jochen Kuhn: „Der missbrauchte Gott“ (22). Auch in einem Handbuch zur Jugendseelsorge ist ein entsprechendes Kapitel enthalten, in dem es heißt: „Auch und gerade kirchliche Gemeinden sind herausgefordert, sich zu fragen, wie sie dazu beitragen können, die Bedürfnisse von Kindern und Familien zu artikulieren und zu schützen, wie sie Lebensräume schaffen und erhalten können, in denen Kindsein möglich ist“ (23).

Die Zeitschrift „Wege zum Menschen“ brachte 1990 einen ausführlichen Kommissionsbericht aus England zum Thema „Sexueller Missbrauch innerhalb der Familie“. Er weist bei der Überlegung, „wie auf den sexuellen Missbrauch von Kindern zu reagieren ist“, auf die Spannungen hin, „unter denen Individuen wie Kollektive stehen. Dazu gehört: das Bedürfnis zu wissen – und nicht wissen zu wollen / missbraucht werden – und zu missbrauchen / Aufdeckung – und Schutz / Machtgefühle – und Gefühle von Ohnmacht / Fürsorge – und Kontrolle / Gefühle der Liebe – und Gefühle des Hasses / die Notwendigkeit zu handeln – und die Notwendigkeit nachzudenken / kurzfristige Faktoren – und langfristige Konsequenzen / Information durch Medien – und Sensationslust“ (24).

Die (sozial-)pädagogische Diskussion hat sich des Themas etwas eingehender angenommen: ausführlich in einem Themenheft der Zeitschrift der evangelischen Jugendarbeit, „baugerüst“ (25), in einem Unterrichtsmodell für berufsbildende Schulen von Achim Frick (26), in Artikeln von Annegret Böhmer im „Evangelischen Erzieher“ (27) und Gisela Braun in einer Evangelischen Fachzeitschrift für die Arbeit mit Kindern (28); knapper in einem Artikel von Helmut Lang in der Zeitschrift „was + wie?“ (29).

Aus anderen Landeskirchen ist mir bekannt, dass Tagungen zu den hier verhandelten Fragen stattgefunden haben, zum Beispiel 1990 in Villigst und 1992 sowie 1995 in Bad Boll. Der Villigster Tagungsbericht enthält u. a. ein aufschlussreiches Referat zum Thema: „Wer schützt die Missbrauchten vor dem missbrauchten Gott derer, die sie missbrauchen“ oder: „Sexueller Missbrauch an Mädchen in christlichen Familien“ (30). Von der Fachtagung „Dem Schweigen ein Ende – Sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Jungen in Familien“ in der Evangelischen Akademie Bad Boll stammt das Referat „Religion und Inzest“ (31). Die Tagung „Sexueller Kindesmissbrauch in der Familie. Ein Vorwurf und seine Folgen“ vom 26.-28.5.1995, die unter der Leitung von Dierk Schäfer versucht hat, mit dem Zwiespalt zwischen der rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung für mutmaßliche Täter und dem Schutz für vermutlich missbrauchsbetroffene Kinder angemessen umzugehen, stieß allerdings auf harte Kritik von Seiten parteilich arbeitender Beratungsstellen für Missbrauchsopfer. In der Evangelischen Kirche in Hessen-Nassau, der ich selbst angehöre, gab es bis 1995 kein Forum für die entsprechende Diskussion und Aufarbeitung. In der Ausstellung „Himmel und Erde. Frauen in Gewaltverhältnissen“ im Oktober 1995 kam das Thema am Rande vor. Der stellvertretende Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Oberkirchenrat Hans-Helmut Köke, bestätigte auf Nachfrage die Einschätzung, dass in der öffentlichen Diskussion innerhalb der EKHN dieses Thema bislang noch keine Rolle gespielt habe.

Die feministische Theologie hat sich hingegen schwerpunktmäßig mit dem Thema der sexuellen Gewalt, auch gegen Kinder, befasst, z. B. in einem Heft der Zeitschrift „Concilium“ zum Thema „Gewalt gegen Frauen“ und in Artikeln der Zeitschriften „Schlangenbrut“ und „Lila Blätter“ (32). Die Anwendung eines feministischen Ansatzes auf den Glauben und auf kirchliche Strukturen in der kirchlichen Öffentlichkeit wird zwar von vielen misstrauisch beäugt, als ob nur Feministinnen eine interessengeleitete Bibelauslegung und Theologie betrieben und als ob nicht auch jede andere, scheinbar objektive, systematische Beschäftigung mit dem Glauben immer von bestimmten Voraussetzungen und Interessen ausginge. Sicher geht es nicht um eine unkritische Übernahme aller Aussagen und Wertungen der sehr unterschiedlichen feministischen Theologien, die ich hier nicht einmal im Ansatz würdigen kann, aber das Grundanliegen der feministischen Theologie ist sicher auch ein „maskulinistisches“ im Sinne von Marianne Krüll: „Es ist aber auch keine Frage, dass die Männer in der Familie davon profitieren können, wenn ein männlicher Therapeut von seinen persönlichen Problemen mit der Männerrolle in dieser Gesellschaft spricht und damit Männern sowohl ein Modell für alternatives Verhalten bietet als auch ein Beispiel dafür abgibt, wie man sich selbst unsexistisch, ‚maskulinistisch´ betrachten kann.“ Eine maskulinistische Sicht steht also nicht im Gegensatz zum Feminismus, sondern versteht sich als die männliche Seite der Bemühung um eine Überwindung des geschlechtsdiskriminierenden Sexismus (33). Ein derartiger maskulinistisch-theologischer Ansatz ist zum Beispiel die Theologie des „wilden Mannes“ von Richard Rohr (34). Krüll hält es übrigens zumindest für „theoretisch möglich, dass ein Mann ein ‚feministischer´ Therapeut wird“, wenn er bereit ist, „sich wirklich ‚auf die andere Seite´ zu begeben, hinzuhören, sich ein Bild zu machen und mitzufühlen, wie es ist, Frau im Patriarchat zu sein… Zu fordern ist auf jeden Fall ein Nachdenken über dieses Thema“ (35).

In jedem Fall liegt es auch im Interesse von Männern, sexistische Herrschaftsstrukturen abzubauen. Nach Fiora Schüssler Fiorenza darf weder kirchliche Sprache noch die tatsächliche Verteilung von Einfluss innerhalb kirchlicher Institutionen „patriarchale und kyriarchale Machtverhältnisse“ weiterhin rechtfertigen und aufrechterhalten. Sie fordert daher, „dass die christlichen Theologien und Kirchen, wenn sie der kyriarchalen Gewalt nicht länger zuarbeiten wollen, einen Beitrag leisten müssen zur Entwicklung einer sinnvollen Ethik und Politik, die in der Lage sind, Widerstand zu erzeugen gegen alle Formen von ungerechtfertigtem Leiden, und die an die Verantwortung appelliert, alle Strukturen und Diskurse zu verändern, die Leid, Gewalt und Mord hervorrufen“ (36). Ich halte Schüssler Fiorenzas Wortprägung „kyriarchal“ im Sinne von „Herrschaftsausübung der Herren“, also derjenigen Männer, die es geschafft haben, eine Machtposition zu erreichen, für sinnvoll. Das gängige Wort „patriarchal“ bezieht sich ja eigentlich auf ein im Grunde überholtes Stammesdenken bzw. auf eine Gesellschaftsstruktur, in der die Macht des Familienvaters die zentrale Rolle spielt. Da innerhalb der Familien die traditionelle Macht- und Rollenverteilung nach wie vor noch lange nicht überall überwunden ist, behält der Begriff des Patriarchats seine Bedeutung, aber er sollte eingebettet sein in ein übergreifendes Verständnis von gesellschaftlichen Machtformen, die nichts mehr mit dem Vatersein in einer Familie zu tun haben, der Macht der Konzerne und Institutionen, der Staaten und der sie tragenden Parteien. Das Wort „kyriarchal“ ist natürlich in den Ohren von christlichen Theologen auch eine Anfrage an den unkritischen Gebrauch des Wortes „Herr“ (griechisch kyrios) für Jesus. Nur wenn aus dem Zusammenhang eindeutig klar wird, dass die Bezeichnung Jesu als Kyrios, als Herr, die Ablehnung menschlicher Herrschaft im Sinne von Unterdrückung bedeutet, kann man guten Gewissens Jesus oder auch Gott als „Herrn“ anbeten.

Feministisch orientierter Theologie verdanke ich im einzelnen eine Reihe spannender Einsichten für die Bibelauslegung, zum Beispiel Irmtraud Fischers Annäherungen an alttestamentliche „Gottesstreiterinnen“ (37), Jane Schabergs Beweisführung über die Tradition der illegitimen Geburt Jesu (38) oder den Auslegungen von Phyllis Trible (39), Mieke Bal und anderen (40) über biblische Terrorgeschichten.

Während meines Aufenthalts in den Niederlanden sprach ich in Haarlem in der Geschäftsstelle der Stichting „Pastoraat en seksueel geweld Noord Holland“ mit Winne Vogel-Dijkstra und Marthe Link. Die Gruppe besteht seit 1985, seit der Veröffentlichung des Buches „Godsdienst en Incest“ von Imbens und Jonker, und hat in ca. 200 Gesprächen pro Jahr schon vielen Frauen geholfen, die sexuell missbraucht wurden und deren Leben zusätzlich von religiösen Machtbotschaften durchtränkt war, wie sie zum Beispiel in der vielgelesenen Kinderbibel von Anne de Vries vorkommen (41), und ungewollt selbst in der gefühlvollen Sprache des Amsterdamer Dichterpriesters Huub Oosterhuis mit ihren mystisch-verschmelzenden Anklängen erscheinen, zum Beispiel in dem Gedicht: „Der Herr will uns bewohnen als Sein Haus, pflanzt wie einen Baum in uns hinein Sein eigenes Leben, will mit uns spielen, nimmt uns als Seine Braut“ (42). Link und Vogel-Dijkstra machten mich auch auf die Opferung des unschuldigen Kindes von David und Bathseba für die Schuld ihrer Eltern aufmerksam, eine Bibelstelle, die ich bisher als Gewalttext nicht wahrgenommen hatte. Und ich erfuhr von ihnen, dass in Einzelfällen auch lesbische Frauen Kinder missbrauchen.

„Parteilichkeit“ – „Gegenbewegung“ – „Modethema“

Sicher kann es für die Kirche auch problematisch sein, sich an der Debatte um ein sogenanntes „Modethema“ zu beteiligen, das sowohl von feministisch-parteilichen Gruppierungen als auch von sensationsvermarktenden Medien in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gehoben wurde, zu dem seit Beginn der 80er Jahre eine Fülle von Literatur den deutschen Markt überschwemmt, nachdem dasselbe in den USA bereits zehn Jahre zuvor geschehen war, während eine stärker werdende „Gegenbewegung“ nicht nur die hohen Missbrauchszahlen in Frage stellt, sondern in den Kampagnen gegen den sexuellen Missbrauch auch eine Gefahr für die in den vergangenen Jahrzehnten erreichte sexuelle Befreiung erblickt. Auch diese „Gegenbewegung“ besteht aus einem Spektrum sehr verschiedener Gruppierungen, die den „Missbrauch mit dem Missbrauch“ beklagen und vor allem gegen parteilich arbeitende Beratungsstellen Front machen: auf der einen Seite Organisationen von Eltern, die des Missbrauchs beschuldigt wurden, wie „Schuldig auf Verdacht“, auf der anderen Seite die „Arbeitsgemeinschaft humane Sexualität“, die unter bestimmten Bedingungen auch die Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern freigeben möchte.

Ich habe zwar Verständnis für die Entscheidung, lieber zu schweigen, als aus mangelnder Sachkenntnis dem falschen Trend hinterherzulaufen. Aber falls Christen und Verantwortliche in der Kirche der Überzeugung sind, dass hier in der Verborgenheit Unrecht geschieht, sollten sie besonnen und mutig auch von ihrer Seite aus sagen, was zur Klärung der Problematik und zur Hilfe für Betroffene notwendig ist. Zu anderen umstrittenen Tabuthemen hat die Kirche Stellung bezogen, selbst wenn sie dadurch „Prügel“ bekam, wie vor 50 Jahren im „Stuttgarter Schuldbekenntnis“, vor 30 Jahren in der „Ostdenkschrift“, in den letzten Jahren zum Thema „Homosexualität“. Das letztere Thema taucht im Deutschen Pfarrerblatt hin und wieder auf, auch in Stellungnahmen von Kirchensynoden und kirchlichen Gruppierungen oder in der praktisch-theologischen Literatur (43), während der sexuelle Missbrauch dort noch nicht thematisiert wurde. Meines Erachtens verdient dieses Thema in jedem Fall unsere christliche, kirchliche und seelsorgerliche Aufmerksamkeit, auch wenn man über die zahlenmäßige Verbreitung des Missbrauchs streiten kann, denn jeder einzelne Fall ist eine menschliche Katastrophe und stellt auch eine massive Infragestellung unseres Glaubens an einen Gott der Liebe dar.

Es geht bei diesem Thema auch um politische Weichenstellungen, zum Beispiel um die Frage, ob es vertretbar ist, in Zeiten der Knappheit öffentlicher Gelder auch die Finanzen der Kinderschutzzentren und der Beratungsstellen für sexuell missbrauchte Mädchen und Frauen wie „Wildwasser“ zu kürzen. Fatal wäre es, wenn es zwischen Beratungsstellen, die mit unterschiedlichen Konzeptionen arbeiten, zu einer Rangelei um Gelder käme, statt dass man sich zu einer Klärung der Positionen und zur Zusammenarbeit trotz unterschiedlicher Konzeptionen entschließt.

Ich konnte mich im Rahmen meines Studienurlaubes mit dieser Seite des Themas nur am Rande beschäftigen, möchte aber doch die Ergebnisse einiger Gespräche festhalten, die zu weiterem Nachdenken anregen.

In einer kleineren Stadt wie Alzey hat ein Frauenzentrum neben anderen Aufgaben auch die Beratung im Zusammenhang mit Erfahrungen des sexuellen Missbrauchs übernommen. Frau Altmayer und Frau Aust-Job beklagten im Gespräch mit mir die knappe Ausstattung mit Personal und Geldmitteln, so dass man sich nur mit den krassesten Fällen befassen kann, in denen körperliche Schäden und grobe Verhaltensauffälligkeiten eine Rolle spielen. In die Beratung kommen zu 30 % Selbstmelderinnen, Mütter missbrauchter Kinder sowie Frauen, die als Kind missbraucht worden waren, und zu 70 % Fremdmelder, die daraufhin beraten werden, in ihrer Einrichtung selber helfen zu können.

Im Kinderschutzzentrum Mainz wurde ich von Wolf Sartorius mit dem hilfe-orientierten Konzept des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB) vertraut gemacht, das in Anlehnung an das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) zum Zwecke des Kinderschutzes keine in Familien eingreifende Maßnahmen vorsieht. Eine Hilfeeinrichtung müsse bürgernah und offen sein, dann könne sie angstfrei angenommen werden. So kommen hier denn auch sehr viele Familien zur Beratung – „manchmal werden die Kinder so schwierig, dass sie uns die Eltern bei uns vorbeibringen“ -, die im Zusammenhang einer Beratung auch das Thema des sexuellen Missbrauchs auf den Tisch bringen und sich sozusagen „um Kopf und Kragen reden“. Nur Leute, die schon oft abgewiesen oder durch ein Drängen auf Geständnisse vor den Kopf gestoßen werden, verheimlichen nach Sartorius ihre Probleme. Kinder seien in der heutigen Gesellschaft nicht wichtig, Kommunikation mit ihnen finde kaum noch statt; daher sei es vor allem wichtig, ihnen Kommunikationsmöglichkeiten anzubieten, zum Beispiel auch in Kindergruppen oder im Konfirmandenunterricht. Unter anderem muss man ihnen eine Sprache für Sexualität vermitteln. Bei der Fremdmelderberatung werden die eigenen Hilfsressourcen an Ort und Stelle zu entwickeln versucht. Nur falls Kinder oder Jugendliche selbst aus der Familie herauswollen, wird das Jugendamt oder Vormundschaftsgericht eingeschaltet, oder in extremen Fällen der Gefahr für das Kind bietet das BGB 1666 eine Hintertür, wenn die Eltern sich einer Hilfe absolut verschließen.

Mit Frau Winzig von der „Wildwasser“-Beratungsstelle in Worms sprach ich über den Unterschied der konzeptionellen Ansätze zum DKSB. Die Kinderschutzzentren arbeiteten vorwiegend mit bereits motivierten Familien, da könne das hilfeorientierte Konzept sinnvoll sein, wenn auch bezweifelt werden müsse, ob der Schutz des Kindes vor einer Fortsetzung des Missbrauchs immer gewährleistet sei. Die Täter beanspruchten in einer familienorientierten Hilfe zu viel Aufmerksamkeit. Während die Kindesmisshandlung als Hilfeschrei von Erwachsenen angesehen werden könne, sei beim sexuellen Missbrauch zu beachten, dass er eine geplante Ausbeutung von Kindern für die eigenen Bedürfnisse des Erwachsenen, einen eindeutigen Machtmissbrauch, bedeute. Bei einem Missbrauchsverdacht dürfe man nichts über den Kopf des Kindes hinweg machen, allerdings werde dem Kind auch nicht die alleinige Verantwortung zugeschoben. Man müsse dem Kind Zeit lassen, den richtigen Zeitpunkt selber zu finden, wann es sich öffnen möchte. Um professionell zu arbeiten, zum Beispiel Suggestionen und „Entharmlosungen“ kindlicher Aussagen zu vermeiden, sei Supervision notwendig. Wenn es später wieder Kontakt zum Täter aufnehmen möchte, werde das in geschütztem Rahmen, zum Beispiel im Jugendamt, in einer Erziehungsberatungsstelle oder bei einer vertrauenswürdigen Oma, ermöglicht. Frau Winzig äußerte auch Kritik an christlichen Normen, zum Beispiel einer rigiden Sexualethik – „die Kirche bietet keine Sprache für Sexualität an“ -, und am Verbot der Wut, vor allem gegen die Eltern: „Sobald die Opfer anfangen zu vergeben, ist die Wut wieder weg“. Kirche tut sich oft auch schwer mit der Wertschätzung eigener Stärke und Schwäche: Darf man gut für sich sorgen und sich gegen erdrückende Normen und Machtmissbrauch wehren? Darf man schwach sein, ohne ausgenutzt zu werden?

Im Kinderschutzzentrum Frankfurt wurde im Gespräch mit Herrn Niebergall deutlich, dass die Gegensätze des DKSB zum parteilichen Ansatz nicht überall ganz so groß sind. Strafanzeigen gegen Täter lehnt man zwar auch hier seitens der Hilfeeinrichtung grundsätzlich ab, aber es kommt doch vor, dass man zum Schutz von Kindern Vormundschaftsverfahren einleitet. Manche Einschätzungen des Missbrauchsthemas durch Autoren wie Reinhart Wolff oder Autorinnen wie Katharina Rutschky werden auch hier als bedenklich angesehen, zum Beispiel die Verharmlosung von sexuellem Missbrauch ohne Körperkontakt.

Durch Antje Kroh vom Vorstand des Kinderschutzbundes Hessen wurde ich auf eine Fachveranstaltung des hessischen Landesjugendamtes zum Thema „Gegen die erneute Verunsicherung von Opfern, Helferinnen und Helfern bei Sexueller Gewalt“ aufmerksam, an der ich am 11. Oktober 1995 teilnahm. Auf dieser Tagung in Gießen lernte ich zwei der profiliertesten Vertreterinnen des feministisch-parteilichen Ansatzes kennen, Barbara Kavemann und Ulrike Bommert. In den Beiträgen von Kavemann war mir besonders wichtig, dass sie die Angriffe der „Gegenbewegung“ nicht mit einer pauschalen apologetischen Gegenwehr, sondern auch mit selbstkritischen Überlegungen beantwortete. Und in Bommerts Äußerungen wurde noch einmal deutlich, dass die parteilich arbeitenden Frauen wirklich davon überzeugt sind: ein Kind kann über sexuellen Missbrauch nicht lügen; auch Suggestionen würden bei einem Kind nichts ausrichten, jedenfalls würde ein nicht betroffenes Kind Suggestionen in jedem Falle zurückweisen. Das Problem sei nur, dass die aussagepsychologischen Gutachter, die nicht einmal nonverbale Äußerungen eines Kindes zuließen, jegliche Kontakte des Kindes zu Beraterinnen vor der Begutachtung zum Anlass nähmen, aufgrund vermuteter Suggestivbefragung kindliche Aussagen nicht mehr zuzulassen. Andererseits könne man kaum von einem seelisch so sehr verletzten Kind erwarten, dass es sich vertrauensvoll so schnell einem fremden Gutachter öffne. Genauso wenig, wie man beweisen könne, dass Kinder suggestiv zu beeinflussen seien, könne man auch beweisen, dass das nicht der Fall sei.

Auch Frau Dr. Maucher traf ich auf der genannten Tagung in Gießen. Sie bemüht sich seit Jahren, eine Arbeitsgemeinschaft von Einrichtungen an einem Tisch zu versammeln, die sich in Frankfurt am Main mit dem Kinderschutz beschäftigen, von parteilich arbeitenden Stellen bis hin zu den Kinderschutzzentren. Konzeptionsunterschiede in der Arbeit mit missbrauchten Kindern und im Umgang mit dem Verdacht des Missbrauchs sollten nicht zur totalen Abgrenzung, sondern zur Zusammenarbeit führen. Je vertrauter sich Gruppen seien, desto mehr würde inhaltlich auch gestritten.

Telefonisch sprach ich mit Dierk Schäfer von der Ev. Akademie Bad Boll, die vor einigen Jahren eine Tagung zum Thema des sexuellen Missbrauchs veranstaltet hatte und in diesem Frühjahr darauf angesprochen wurde, auch einmal das Thema des „Missbrauchs mit dem Missbrauch“ eingehend zu untersuchen. Männer, die sich zu Unrecht dem Verdacht des Missbrauchs ausgesetzt sahen, waren daran interessiert, ein Forum für ihre Klagen zu finden; psychologische Gutachter, die nach objektiven Kriterien die Glaubwürdigkeit von Missbrauchsvorwürfen zu prüfen bemüht sind, kamen auf dieser Tagung zu Wort, und ebenso auch Vertreter eines familienorientierten Ansatzes im Umgang mit dem sexuellen Missbrauch. „Parteilich“ arbeitende Organisationen hatten versucht, die genannte Tagung als „täterfreundlich“ zu verhindern. Er wiederum warf Organisationen wie „Zartbitter“ oder Fachleuten wie Prof. Tilman Fürniss unter Hinweis auf „Spiegel“-Artikel vor, dass sie sich durch falsche, entharmlosende Deutungen der Aussagen eines Kindes bzw. durch Suggestivverfahren in der Befragung von Kindern diskreditiert hätten. (Laut Einschätzung des bereits erwähnten niederländischen Therapeuten Ruud Bullens wurde Tilman Fürniss „kaputtgemacht“.)

Die vorigen Absätze lassen erahnen, wie umstritten das Themenfeld des sexuellen Missbrauchs ist. Ich konnte in meiner Abhandlung die Konzeptionsfragen lediglich streifen. Vor allem musste ich darauf verzichten, im Streit um die Schlagworte wie „Parteilichkeit“ oder „Hilfe statt Strafe“ Stellung zu beziehen, obwohl es mich sehr gereizt hätte, zwischen den Stühlen des „parteilichen“ und des „familienorientierten“ Ansatzes, zwischen denen sich tiefe Gräben befinden, doch auch die gemeinsam begehbaren Brücken zu suchen. Leider ist oft schwer zu entscheiden, wo falsche Unterstellungen hinüber und herüber gegenseitig ausgeteilt werden und wo das Unterstellte wirklich gemeint ist. So werfen „parteilich“ arbeitende Feministinnen von „Wildwasser“ oder „Zartbitter“ der „Gegenbewegung“ Täterfreundlichkeit und eine Verharmlosung von Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern vor. Umgekehrt kritisiert zum Beispiel Heinrich Kupffer den Begriff der „Parteilichkeit“, wenn er mehr als die Selbstverständlichkeit bedeutet, „dass man sich in pädagogischen und sozialen Berufen für seine Klientel einsetzt“, sondern „ein spezifisches Engagement und ein stets wachsames Misstrauen signalisieren“ soll (44).

Wer mit Kindern zu tun hat, bei denen ein Missbrauchsverdacht besteht, muss sich mit vielen Fragen auseinandersetzen, auf die ich in meiner Abhandlung nicht näher eingehen kann: Reicht ein ausschließlich hilfeorientiertes Konzept auch für Fälle von innerfamiliärem sexuellem Missbrauch als Strategie des Kinderschutzes aus? Oder gibt es Fälle, in denen eine Strafverfolgung von Missbrauchstätern auch von Seiten einer Hilfseinrichtung angestrebt werden sollte? Wie werden Kinder wirksam vor Primär- und Sekundärschäden geschützt – vor der Fortsetzung des Missbrauchs einerseits – vor dem Verlust der Familie oder den seelischen Verletzungen in den Mühlen der Gerichtsbarkeit andererseits (45)? Welche Therapieangebote für Kinder gibt es (46)? Kann Familientherapie ein Mittel der Wahl sein (47)? Darf, soll oder muss man auch Tätern Therapie anbieten (48)? Und wie steht es mit dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs bei Kindern, die schweigen, aber durch verschiedenste Verhaltensauffälligkeiten zeigen, dass mit ihnen etwas nicht in Ordnung ist? In welcher Form ist Aufdeckungsarbeit zu verantworten, sowohl im Blick auf das zu schützende Kind als auch auf die Unschuldsvermutung gegenüber einem mutmaßlichen Täter (49)?

Auch bei inzwischen erwachsen gewordenen Opfern stellen sich Fragen, die ich in dieser Arbeit nicht einmal ansatzweise beantworten kann: Welche therapeutischen Möglichkeiten sind zu empfehlen, um den in der Kindheit erfahrenen sexuellen Missbrauch zu erinnern, durchzuarbeiten und zu bewältigen (50)?

Immer noch muss man sich auch mit verschiedenen im Zusammenhang mit der Freudschen Psychoanalyse gestellten Fragen auseinandersetzen: Sind Erinnerungen an frühkindlich erlittenen sexuellen Missbrauch unterscheidbar von ödipalen Phantasien? Können sich missbrauchende Erwachsene auf die Entdeckung der kindlichen Sexualität durch Sigmund Freud berufen? Darauf gehe ich ausführlich im Kapitel „Sexueller Missbrauch und Psychoanalyse“ ein.

Zu klären ist schließlich grundsätzlich die Frage, wo überhaupt sexueller Missbrauch beginnt. Was ist sexueller Missbrauch und wie häufig kommt er vor? Gibt es klare Grenzen zwischen zärtlicher und sexueller Nähe in der Beziehung von Eltern und Kindern? Ich versuche, im Kapitel „Wo fängt sexueller Missbrauch an?“ eine Antwort zu geben. Ein gesondertes Kapitel verdient die Beantwortung der Frage: Auf welche Art von Nähe sind Kinder und Jugendliche unbedingt angewiesen?

Anmerkungen

(1) Ellen Bass und Laura Davis, Trotz allem. Wege zur Selbstheilung für missbrauchte Frauen. Aus dem amerikanischen Englisch von Karin Ayche, Berlin 1992, S. 12.

(2) Richard G. Erskine und Janet P. Moursund, Kontakt – Ichzustände – Lebensplan. Integrative Psychotherapy in Action, Paderborn 1991, S. 223f. u. 236.

(3) Terry S. Trepper und Mary Jo Barrett, Inzest und Therapie. Ein (system)therapeutisches Handbuch, Dortmund 1992, S. 18.

(4) Elke Garbe, Martha. Psychotherapie eines Mädchens nach sexuellem Missbrauch, Münster 1993, S. 10.

(5) Helmut Gollwitzer, Krummes Holz – aufrechter Gang. Zur Frage nach dem Sinn des Lebens, 6. Auflage, München 1973, S. 9.

(6) Paul Tillich, Systematische Theologie, Band I, Stuttgart 1956, S. 18ff. und 283f.

(7) Manfred Josuttis, Praxis des Evangeliums zwischen Politik und Religion. Grundprobleme der Praktischen Theologie, München 1974, S. 124f.

(8) Ton Veerkamp und Peter Winzeler, Was verstehen wir unter „Gemeinde Jesu Christi“? Entwurf zu einem verbindlichen Kommentar zur Präambel zur Satzung der Evangelischen Studentengemeinden in der BRD und Berlin (West), S. 15. In: ESG/KSG Göttingen, Alternatives Christsein, Dokumente, Materialien, Diskussionsbeiträge, Heft 6, Göttingen 1975, S. 14-19.

(9) „Langsam kommen wir schneller ans Ziel“. Ursula Enders, Mitarbeiterin der Beratungsstelle Zartbitter e. V. Köln, berichtet von ihrer Arbeit. In: Sozialmagazin, 16. Jahrgang, Heft 5, 1991, S. 30-31.

(10) Aus dem Text des Liedes „We Used To Know“, Words and music by Ian Anderson, 1969. In: Jethro Tull, „Stand Up“, „Aqualung“, „Benefit“. The complete words and music from three of Jethro Tull´s most famous albums in one book, London / New York / Sydney. Der volle Text der Strophe lautet: „Nights of winter turn me cold / Fears of dying, getting old / We ran the race and the race was won / By running slowly.“

(11) Thomas Weil, In seinen Wurzeln gründet der Baum. Tiefenpsychologie und Transaktionsanalyse. Vortrag an den Tagen Tiefenpsychologischer Transaktionsanalyse (TTTA) vom 24.9.-26.9.1993 in Kassel. Die Zitate liegen mir nur in meiner persönlichen Mitschrift vor.

(12) Josephine Rijnaarts, Lots Töchter. Über den Vater-Tochter-Inzest, Düsseldorf 1988.

(13) Claudia Schewe, „Die Rache ist mein…“. Zur Heilung bei Missbrauch gehört echte Gerechtigkeit! In: Befreiende Wahrheit. Zeitschrift für Seelsorge und Christliche Therapie, Heft 4, 1995, S. 19.

(14) Jürgen Ebach, Der Gott des Alten Testaments – ein Gott der Rache? Versuch der Klärung einer gerade von Christen immer wieder gestellten Frage. In: Junge Kirche, 55. Jahrgang, Heft 3, 1994, S. 130-139.

(15) Zum Thema der Vergebung nehmen verschiedene Artikel der Zeitschrift Befreiende Wahrheit. Zeitschrift für Seelsorge und Christliche Therapie, Heft 4, 1995, Stellung sowie folgende Artikel aus verschiedenen Zeitschriften: Schuldige Opfer? Interview mit Jenny Schneider-van Egten. Von Beate Hoffmann. In: Publik-Forum, 21.10.1994, S. 31-32. Ineke Jonker, Intervention bei akutem sexuellem Missbrauch in der Familie unter Berücksichtigung der ungleichen Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen / Eltern und Kindern. In: Schlangenbrut. Streitschrift für feministisch und religiös interessierte Frauen, 7. Jahrgang, Heft 25, 1989, S. 5-13. Jochen Kuhn, Der missbrauchte Gott. Zur sexuellen Kindesmisshandlung in christlichen Familien. In: Reformierte Kirchenzeitung, Nr. 5, 1995, S. 223-230.

(16) Hierzu sei an dieser Stelle nur ein wenig Literatur erwähnt. Ein Buch und ein Artikel zur Situation im katholischen Bereich: Elinor Burkett und Frank Bruni, Das Buch der Schande. Kinder und sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche. Aus dem Amerikanischen von Sabine Steinberg, Wien / München 1995. Wunibald Müller, Dem Problem nicht ausweichen. Zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Priester. In: Herder-Korrespondenz, 49. Jahrgang, Heft 7, 1995, S. 362-366. Und ein Buch über den sexuellen Missbrauch durch Seelsorger auch in der evangelischen Kirche in den Niederlanden: Gideon van Dam und Marjo Eitjes, „Een pastor moet je toch kunnen vertrouwen!“ Over seksueel misbruik door pastores, Zoetermeer 1994 („Einem Pastor muss man doch vertrauen können!“ Über sexuellen Missbrauch durch Seelsorger).

(17) Mary Shawn Copeland, Gewalt, S. 187. In: Concilium, 30. Jahrgang, Heft 2, 1994. Themenheft: Gewalt gegen Frauen.

(18) Martin Hagenmaier, Seelsorge mit „Sexualstraftätern“: Möglichkeiten – Schwierigkeiten. Ein Fallbeispiel aus der forensischen Psychiatrie. In: Wege zum Menschen, 36 Jahrgang, 1984 S. 80-89.

(19) Kirchenkanzlei der EKD, Denkschrift zu Fragen der Sexualethik, Gütersloh 1971, S. 37.

(20) Hermann Ringeling, Freiheit und Liebe. Beiträge zur Fundamental- und Lebensethik III, Freiburg, Schweiz 1994, S. 21.

(21) Manfred Josuttis, Gottesliebe und Lebenslust: Beziehungsstörungen zwischen Religion und Sexualität, Gütersloh 1994, S. 20.

(22) Jochen Kuhn, Der missbrauchte Gott. Zur sexuellen Kindesmisshandlung in christlichen Familien. In: Reformierte Kirchenzeitung, Nr. 5, 1995, S. 223-230.

(23) Mechthild von Luxburg, Und bist du nicht willig… Gewalt und sexueller Missbrauch von Kindern in Familie und Gesellschaft, S. 320. In: Richard Riess und Kirsten Fiedler (Hg.), Die verletzlichen Jahre. Handbuch zur Beratung und Seelsorge an Kindern und Jugendlichen, Gütersloh 1993, S. 302-322.

(24) Chris Clulow, Sexueller Missbrauch innerhalb der Familie. Die Herstellung eines ausgewogenen Verhältnisses von öffentlichen und privaten Interessen, S. 501. In: Wege zum Menschen, 42. Jahrgang, 1990, S. 496-503.

(25) Das Baugerüst. Zeitschrift für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der evangelischen Jugendarbeit und außerschulischen Bildung, Heft 4, 1992. Themenheft: Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen.

(26) Achim Frick, Missbrauch an Kindern im vertrauten Umfeld. In: Religionspädagogische Hefte B, Heft 1, 1993, S. 1-59.

(27) Annegret Böhmer, Prävention von sexuellem Missbrauch im Religionsunterricht. Bericht von einem Projekt Berliner Religionslehrerinnen. In: Der evangelische Erzieher, 45. Jahrgang, Heft 4, 1993, S.436-446.

(28) Gisela Braun, Sexueller Missbrauch von Mädchen. Handlungsmöglichkeiten von Erzieherinnen, in: Theorie und Praxis der Sozialpädagogik. Evangelische Fachzeitschrift für die Arbeit mit Kindern, Heft 3, 1989, S. 147-151.

(29) Helmut Lang, Was tun bei dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs? In: was + wie? Heft 4, 1994, S. 227-229.

(30) Rita Klemmayer, Wer schützt die Missbrauchten vor dem missbrauchten Gott derer, die sie missbrauchen? oder: Sexueller Missbrauch an Mädchen in christlichen Familien. In: Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen, Villigster Forum: „Therapie, Interventionen u. Prävention bei sexuellem Missbrauch von Mädchen u. Jungen“, 24.-25.3.1990 in Haus Villigst, Schwerte 1991, S. 149-165.

(31) Jenny Schneider-van Egten, Religion und Inzest. In: Das Baugerüst. Zeitschrift für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der evangelischen Jugendarbeit und außerschulischen Bildung, Heft 4, 1992. Themenheft: Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen, S. 318-324.

(32) Concilium, 30. Jahrgang, Heft 2, 1994. Themenheft: Gewalt gegen Frauen. Lila Blätter. Rundbrief des Frauenreferats der Evangelischen Kirche von Westfalen, Heft 7, 1993. Schwerpunktthema Sexuelle Gewalt, S. 13-51. Schlangenbrut. Streitschrift für feministisch und religiös interessierte Frauen.

(33) Marianne Krüll, Feministisches Denken als Kritik am Sexismus in der Familientherapie und in der Gesellschaft, S. 99. In: Almuth Massing und Inge Weber (Hg.), Lust und Leid. Sexualität im Alltag und alltägliche Sexualität, Berlin / Heidelberg / New York 1987, S. 79-102.

(34) Richard Rohr, Der wilde Mann. Geistliche Reden zur Männerbefreiung. Aus dem Amerikanischen übersetzt, bearbeitet und mit einer Vor-Rede versehen von Andreas Ebert, München 1986, S. 84f.

(35) So formuliert in Anlehnung an Miriam Greenspan Marianne Krüll, Feministisches Denken als Kritik am Sexismus in der Familientherapie und in der Gesellschaft, S. 97. In: Almuth Massing und Inge Weber (Hg.), Lust und Leid. Sexualität im Alltag und alltägliche Sexualität, Berlin / Heidelberg / New York 1987, S. 79-102.

(36) Elisabeth Schüssler Fiorenza, Gewalt gegen Frauen, S. 102. In: Concilium, 30. Jahrgang, Heft 2, 1994. Themenheft: Gewalt gegen Frauen, S. 95-107.

(37) Irmtraud Fischer, Gottesstreiterinnen. Biblische Erzählungen über die Anfänge Israels, Stuttgart 1995.

(38) Jane Schaberg, The Illegitimacy of Jesus. A Feminist Theological Interpretation of the Infancy Narratives, New York, USA 1990.

(39) Phyllis Trible, Mein Gott, warum hast du mich vergessen! Frauenschicksale im Alten Testament, 3. Auflage, Gütersloh 1995.

(40) Mieke Bal (Hg.), Anti-Covenant. Counter-Reading Women´s Lives in the Hebrew Bible, JSOT 81 (Journal for the Study of the Old Testament, Supplement Series), Sheffield 1989.

(41) Anne de Vries, Die Kinderbibel, Konstanz 1956.

(42) Marthe F. Link, Inleiding, gehouden in de workshop Godsdienst en seksueel geweld, Stichting „Pastoraat & Seksueel Geweld“ Noord Holland, Haarlem. Manuskript.

(43) Zum Beispiel in dem Buch von Manfred Josuttis, Gottesliebe und Lebenslust: Beziehungsstörungen zwischen Religion und Sexualität, Gütersloh 1994.

(44) Heinrich Kupffer, Aufklärung oder Hexenjagd. Eine Pathologie der Abwehrmechanismen. Vortrag auf der Tagung der Ev. Akademie Bad Boll, 26.-28. Mai 1995: Sexueller Kindesmissbrauch in der Familie – Ein Vorwurf und seine Folgen. Manuskript, S. 3.

(45) Ich verweise dazu auf einige Veröffentlichungen von Brinkmann und Saller („familienorientiert“) sowie von Hartwig und Enders („parteilich“): Wilhelm Brinkmann, Gewalt gegen Kinder. Eine provokative Skizze gegen Scheinheiligkeit und vordergründige Aufregung. In: Wilhelm Brinkmann und Michael-Sebastian Honig (Hg.), Kinderschutz als sozialpolitische Praxis. Hilfe, Schutz und Kontrolle, München 1994, S. 21-43. Wilhelm Brinkmann, Sexuelle Gewalt gegen Kinder und wie der Deutsche Kinderschutzbund damit umgehen kann. In: Deutscher Kinderschutzbund, Bundesverband e. V., Sexuelle Gewalt gegen Kinder. Ursachen, Vorurteile, Sichtweisen, Hilfsangebote. Hannover 1987, S. 7-26. Helga Saller, Sexueller Missbrauch von Kindern – ein gesellschaftliches Problem. In: Theorie und Praxis der sozialen Arbeit, 37. Jahrgang, Heft 5, 1986, S. 179-184. Helga Saller, Sexuelle Ausbeutung von Kindern. In: Deutscher Kinderschutzbund, Bundesverband e. V., Sexuelle Gewalt gegen Kinder. Ursachen, Vorurteile, Sichtweisen, Hilfsangebote. Hannover 1987, S. 27-39. Helga Saller, Handlungsfeld Therapie: Ohne Vertrauen geht gar nichts. In: Deutscher Kinderschutzbund e. V., Das ist unser Geheimnis. Sexuelle Ausbeutung. Bedingungen, Familiendynamik, Handlungsfelder. Sonderdruck aus Kinderschutz aktuell, Heft 2, 1989, S. 10-12. Helga Saller, Gewalt statt Hilfe. Zum straforientierten Umgang mit dem Problem sexueller Ausbeutung von Kindern. In: Sozialmagazin, 16. Jahrgang, Heft 5, 1991, S. 32-34. Luise Hartwig, Sexuelle Gewalterfahrungen von Mädchen. Konfliktlagen und Konzepte mädchenorientierter Heimerziehung, Weinheim 1992. Ursula Enders (Hg.), Zart war ich, bitter war´s. Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen. Erkennen – Schützen – Beraten, Köln 1990.

(46) Dazu möchte ich nur das Buch von Elke Garbe, Martha. Psychotherapie eines Mädchens nach sexuellem Missbrauch, Münster 1993, und das Handbuch von Ursula Enders (Hg.), Zart war ich, bitter war´s. Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen. Erkennen – Schützen – Beraten, Köln 1990, erwähnen.

(47) Vgl. hierzu zum Beispiel: Terry S. Trepper und Mary Jo Barrett, Inzest und Therapie. Ein (system)therapeutisches Handbuch, Dortmund 1992. Deutscher Kinderschutzbund e. V., Das ist unser Geheimnis. Sexuelle Ausbeutung. Bedingungen, Familiendynamik, Handlungsfelder. Sonderdruck aus Kinderschutz aktuell, Heft 2, 1989. Tilman Fürniss, Arbeit mit Familien. In: Gabriele Ramin (Hg.), Inzest und sexueller Missbrauch. Beratung u. Therapie. Ein Handbuch, Paderborn 1993, S. 31-62. Wilhelm Körner, Die Familie in der Familientherapie, Opladen 1992. Noël R. Larson, Familientherapie mit Inzestfamilien. In: Lone Backe, Nini Leick, Joav Merrick und Niels Michelsen (Hg.), Sexueller Missbrauch von Kindern in Familien, Köln 1986, S. 104-117. Michael Märtens, Familienorientierte Behandlung sexueller Grenzverletzungen. In: Praxis der Klinischen Verhaltensmedizin und Rehabilitation, Heft 14, 1991, S. 105-115. Kind im Zentrum: Beratung und Hilfe für die gesamte Familie. Petra Wellershaus sprach mit Sigrid Richter-Unger, Kind im Zentrum, Berlin. In: Psychomed, Jahrgang 4, Heft 1, 1992, S. 28-31. Ingeborg Rücker-Embden-Jonasch, vom Umgang mit Inzest und sexuellem Missbrauch in der systemischen Familientherapie. In: Ulrike Lehmkuhl (Hg.), Familie und Gesellschaftsstruktur, München 1994, S. 35-47. Nicole Sornig, Familientherapie bei sexuellem Missbrauch? Neue Gedanken zu einem alten Streit. In: Päd extra & Demokratische Erziehung, 2. Jahrgang, Heft 5, 38-41.

(48) Vgl. dazu: Günther Deegener, Sexueller Missbrauch: die Täter, Weinheim 1995. Klaus-Jürgen Bruder und Sigrid Richter-Unger, Monster oder liebe Eltern? Sexueller Missbrauch in der Familie, Berlin 1995. Ruud Bullens, Behandlungs von Inzesttätern. In: Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen, Villigster Forum: „Therapie, Interventionen u. Prävention bei sexuellem Missbrauch von Mädchen u. Jungen“, 24.-25.3.1990 in Haus Villigst, Schwerte 1991, S. 54-74 und 104-106. Ruud A. R. Bullens, Ambulante Behandlung von Sexualdelinquenten innerhalb eines gerichtlich verpflichtenden Rahmens. In: Gabriele Ramin (Hg.), Inzest und sexueller Missbrauch. Beratung u. Therapie. Ein Handbuch, Paderborn 1993, S. 397-412.

(49) Vgl. dazu auf der einen Seite: Tilman Fürniss, Verleugnungsarbeit. In: Gabriele Ramin (Hg.), Inzest und sexueller Missbrauch. Beratung u. Therapie. Ein Handbuch, Paderborn 1993, S. 63-89, und auf der anderen Seite: Burkhard Schade, Das Kind und der/die Beschuldigte zwischen Beweislast und Unschuldsvermutung. Ein Leidensweg durch die Institutionen: Jugendämter, Polizei, Justiz, Gutachter. Vortrag a. d. Tagung d. Ev. Akademie Bad Boll, 26.-28.5.1995: Sexueller Kindesmissbrauch i. d. Familie – Ein Vorwurf u. seine Folgen. Manuskript, sowie: Udo Undeutsch, Valide und invalide Methoden zur Beurteilung des Wahrheitsgehaltes von Kinderaussagen über sexuellen Missbrauch. Vortrag auf der Tagung der Ev. Akademie Bad Boll, 26.-28. Mai 1995: Sexueller Kindesmissbrauch in der Familie – Ein Vorwurf und seine Folgen. Manuskript.

(50) Ich verweise auf die Bücher und Artikel von: Francine Albach, Probleme in der Behandlung bei den langfristigen Folgen von Inzest. In: Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen, Villigster Forum: „Therapie, Interventionen u. Prävention bei sexuellem Missbrauch von Mädchen u. Jungen“, 24.-25.3.1990 in Haus Villigst, Schwerte 1991, S. 12-33 und 88-95. Ellen Bass und Laura Davis, Trotz allem. Wege zur Selbstheilung für missbrauchte Frauen. Aus dem amerikanischen Englisch von Karin Ayche, Berlin 1992. Thijs Besems und Gerry van Vugt, Wo Worte nicht reichen. Therapie mit Inzestbetroffenen, München 1990. Claudia Bommert: Körperorientierte Psychotherapie nach sexueller Gewalt, Weinheim 1993. Ursula Enders (Hg.), Zart war ich, bitter war’s. Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen. Erkennen – Schützen – Beraten, Köln 1990. Mathias Hirsch, Psychoanalytische Therapie mit Opfern inzestuöser Gewalt. In: Jahrbuch der Psychoanalyse. Beiträge zur Theorie und Praxis, Band 31, 1993, S. 132-148.

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