Bild: Pixabay

Ihm konnte man eine ganze Herde anvertrauen

Trauerfeier für einen alten Mann, der sein Leben lang immer mit Tieren zu tun hatte. In seiner Traueransprache gehe ich auf Gott, den Guten Hirten, ein.

Ein Hirte mit einer Herde von Schafen und einem Hirtenhund
Ein guter Hirte kennt alle Schafe seiner Herde (Bild: S. Hermann & F. RichterPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Gemeinde, wir sind hier versammelt, weil Herr V. im Alter von [über 80] Jahren gestorben ist. Wir erweisen ihm heute die letzte Ehre.

Wir sind hier um des Verstorbenen willen – wir erinnern uns an ihn, zeichnen seinen Lebenslauf nach, versuchen, ihm gerecht zu werden.

Wir sind hier um unserer selbst willen – weil Verbindungen, die durch den Tod abreißen, wehtun, weil es nicht gut ist, beim Abschied allein zu sein.

Wir sind hier auch um Gottes willen. Denn von Gott her sind wir zur Welt gekommen, zu Gott hin gehen wir im Tod – und in seinen Augen hat jeder Mensch seine eigene einmalige Bedeutung.

Wir beten mit Worten aus dem Psalm 8:

2 HERR, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen, der du zeigst deine Hoheit am Himmel!

4 Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast:

5 was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?

6 Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.

7 Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk, alles hast du unter seine Füße getan:

8 Schafe und Rinder allzumal, dazu auch die wilden Tiere,

9 die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer und alles, was die Meere durchzieht.

10 HERR, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen! Amen.

Liebe Trauergemeinde!

Ja, was ist der Mensch, dass Gott seiner gedenkt, und des Menschen Kind, dass er sich seiner annimmt? Geschöpfe Gottes sind wir gemeinsam mit den Tieren auf dieser Erde, und Gott denkt an uns Menschen, weil er uns als seine Kinder herzlich liebt. Nachdem er Herrn V. aus diesem irdischen Leben abberufen hat, erinnern wir uns heute an den Lauf seines langen Lebens.

Er war ein gebürtiger Großstädter, und doch erlernte er nach seiner Schulzeit den Beruf des Melkers und behielt zeitlebens ein Herz für Tiere. Ihm könne man eine ganze Herde anvertrauen, so das Zeugnis seiner Ausbilder. Auch beim Militär kam er zu einer berittenen Einheit, so dass er seine Erfahrungen mit Tieren einsetzen und ausbauen konnte.

Vom Weltkrieg hat er nie viel erzählen wollen. Er habe so viel Schreckliches erlebt, damit wollte er vor allem seine Kinder nicht belasten. Sein Bruder fiel im Krieg; er wurde im Luftkampf über Berlin abgeschossen.

Er selbst konnte nach dem Krieg nicht in der alten Heimat bleiben; auf der Suche nach Arbeit verdingte er sich auf verschiedenen Bauernhöfen allerdings wieder in seinem alten Beruf als Melker. Später bekam er eine dauerhafte Anstellung als Tierpfleger.

Erinnerungen an das Familienleben des Verstorbenen

Als ich über das Leben von Herrn V. nachdachte, ist mir Psalm 23, 1 eingefallen:

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

Herr V. war zwar kein Hirte, aber er hat sein Leben lang mit Tieren zu tun gehabt: als Melker, bei der Kavallerie, als Tierpfleger. Er war einer, dem man eine ganze Herde anvertrauen konnte.

Es war der junge Schafhirte und spätere König David, der das Bild vom Hirten auf Gott übertragen hat. So wie ein Hirte für seine Herde da ist, so ist Gott für uns Menschen da. Er kennt uns alle beim Namen, so wie ein Schäfer seine Schäfchen kennt, oder wie in einem der Hochhäuser auf dem Gebiet unserer Kirchengemeinde der Hausmeister genau weiß, wer in welcher Wohnung wohnt. Mehr noch, Gott blickt sogar in unser Herz, und zwar mit liebevollen Augen, und weiß, was uns Sorgen und was uns Freude macht, er kennt unsere Gaben und unsere Grenzen, unser Gelingen und unser Versagen, unsere Enttäuschungen und unerfüllte Sehnsucht.

Dass Herr V. unerfüllte Sehnsucht kannte, wissen wir aus seinem Schicksal als einer, der die Heimat verlor. Es kann einem im Leben so vorkommen, als ob ein Verlust niemals auszugleichen wäre, als ob es im Leben niemals vollkommene Erfüllung geben könne. So klingt das Wort (Psalm 23, 1):

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

– fast zu überschwenglich und übertrieben, denn wer ist auf dieser Erde, der keinen Mangel leidet?

König David war überzeugt, dass derjenige, der auf Gott vertraut, keinen Mangel mehr kennt, da Gottes Liebe für ihn ALLES bedeutet.

Wo wir aber Mängel in unserem Leben erfahren, ist Gott die beste Adresse, um ihm unser Leid zu klagen, um uns aussprechen zu können, um sozusagen das Klagen zu üben und uns auch Menschen wieder öffnen zu können. Denn nicht der, der niemals klagen muss, ist wahrhaft glücklich, sondern wer ein schweres Schicksal durchzustehen lernt und sein Kreuz tragen kann. Nicht der ist wahrhaft reich, der alles hat, sondern derjenige, der auch mit Wenigem zufrieden sein kann.

Gott sieht uns, so wie wir sind, vor ihm können und müssen wir uns nicht verstecken. Unser Leben ist kostbar vor ihm, denn er hat uns gut erschaffen, und mit unseren Unvollkommenheiten nimmt er uns am Ende gnädig an. So können wir am Ende eines Lebens für alle Freude und Liebe Dank sagen, die dieser Mensch erfahren und verschenken durfte. Wenn wir einander etwas schuldig geblieben sind, können wir um Vergebung bitten. Wir sind alle nicht vollkommen, wir sind Wanderer auf einem Weg, den wir nicht perfekt vollenden werden, wir leiden unter Konflikten und Zerrissenheit, unter Krankheit und Wunden, die das Leben schlägt; und darum bitten wir Gott, dass er uns heilsam begegnet und unserer Seele das ewige Heil schenkt.

Herrn V. können wir getrost gehen lassen. Er ist friedlich eingeschlafen und zur Ruhe gekommen. Von der ewigen Ruhe, die in Gott auf uns wartet, reden wir, wenn wir ausdrücken wollen, dass im ewigen Leben alle Tränen abgewischt werden, dass unser Herz nicht mehr unruhig in uns schlagen muss und alle verzehrende Sehnsucht ihre Erfüllung findet.

In diesem Sinne nehmen wir Abschied von Herrn V. und vertrauen ihn den gnädigen Händen unseres himmlischen Vaters an. Amen.

Barmherziger Gott, du bist unser guter Hirte und willst, dass es uns an nichts mangeln soll. Liebe schenkst du uns, wo wir zu wenig Liebe haben, Vertrauen schenkst du neu, wo wir immer wieder Enttäuschungen erfahren, Hoffnung lässt du uns gewinnen, wo wir an Grenzen und Ausweglosigkeiten stoßen.

Wir danken dir für das lange Leben von Herrn V. und für alles Gute, das du ihm erwiesen hast. Wir denken zurück an Tage der Freude und auch an schwere Zeiten. Du hast den Verstorbenen durch Freude und Leid geführt bis zu seinem Tod. Nun nimm ihn gnädig auf in dein himmlisches Reich und hilf uns, dass wir ihn getrost loslassen können.

Wir wissen, wie kostbar die uns geschenkte Zeit ist. Richte unseren Sinn auf das, was bleibt, und lass uns spüren, dass du auch uns als guter Hirte nahe bist. Amen.

Hinweise zur Veröffentlichung anonymisierter Texte von Trauerfeiern auf dieser Homepage

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken des Kommentars stimmen Sie seiner Veröffentlichung zu (siehe Datenschutzerklärung). Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.