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„Meine Seele wird frei sein wie ein Engel“

Trauerfeier für einen Mann, der es sich kindlich ausmalte, wie es sein würde, wenn er einmal gestorben wäre. Er wollte nicht im Sarg liegen bleiben, sondern den Weg nach draußen finden und frei sein wie ein Engel.

Ein tanzender Engel auf einem Friedhof in Portugal
Ein tanzender Engel auf einem Friedhof in Portugal (Bild: olafpicturesPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Gemeinde, wir sind hier versammelt, um von Herrn R. Abschied zu nehmen, der mit [über 40] Jahren gestorben ist.

Wir denken an ihn – wir denken an uns – wir denken an Gott.

An ihn denken wir, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.

An uns denken wir, um Klarheit zu gewinnen über unsere gemischten Gefühle und unsere Erinnerungen.

An Gott denken wir, weil er die Antwort auf die letzten Fragen ist: woher wir kommen, wohin wir gehen und warum wir leben. An Gott denken wir, der unser Trost und unser Halt ist im Leben und im Sterben.

Wir hören Worte aus dem Psalm 34, einem alten Lied der Bibel:

5 Als ich den HERRN suchte, antwortete er mir und errettete mich aus aller meiner Furcht.

6 Die auf ihn sehen, werden strahlen vor Freude, und ihr Angesicht soll nicht schamrot werden.

7 Als einer im Elend rief, hörte der HERR und half ihm aus allen seinen Nöten.

8 Der Engel des HERRN lagert sich um die her, die ihn fürchten, und hilft ihnen heraus.

13 Wer möchte gern gut leben und schöne Tage sehen?

14 Behüte deine Zunge vor Bösem und deine Lippen, dass sie nicht Trug reden.

15 Lass ab vom Bösen und tu Gutes; suche Frieden und jage ihm nach!

16 Die Augen des HERRN merken auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Schreien.

19 Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.

23 Der HERR erlöst das Leben seiner Knechte, und alle, die auf ihn trauen, werden frei von Schuld.

Liebe Trauergemeinde, so denken wir zunächst an den Verstorbenen.

Erinnerungen an das Leben des Verstorbenen

So früh ist Herr R. gestorben. Denken wir nun an die, die er hinterlässt – Menschen, die ihn vermissen, die um ihn trauern, die ihm in ganz unterschiedlicher Weise begegnet sind. Einige haben viele Jahre seines Lebens mit ihm geteilt, andere ihn nur für kurze Zeit gekannt. Was hat er Ihnen allen bedeutet?

Von Kindheit an kannte man ihn als lustigen Bub, gutherzig und gebefreudig. Vielleicht war er daher auch leicht zu enttäuschen, denn in der Welt der Erwachsenen darf man nicht zu vertrauensselig sein. Aber er tat sicher gut daran, immer wieder neu auf Menschen zuzugehen und zu schauen, wem man sich anvertrauen kann. Denn wer nirgends vertrauen kann, findet nie auch nur ein Stück vom Glück.

Kinder liebte Herr R. über alles, und er war froh, wenn er ihnen mit einem kleinen Geschenk eine Freude machen konnte. Irgendwie bewahrte er sich auch selbst ein kindliches Gemüt, zum Beispiel, wenn er sich vorstellte, wie es einmal sein würde, wenn er tot wäre.

Er sehnte sich nach Freiheit, er wollte nicht, dass seine Seele gefangen wäre, er malte sich aus, dass er nicht in dem Sarg bleiben würde, in dem jetzt sein Körper liegt, sondern dass die Seele den Weg nach draußen findet und dass er frei sein würde, wie ein Engel.

Mich erinnern diese Gedanken an ein Wort von Jesus. Und damit kommen wir zu den Gedanken an Gott, denn in der Stimme Jesu meldet sich die Stimme dessen zu Wort, von dem unser Leben herkommt und in den es am Ende wieder einmündet. Jesus, die Stimme Gottes in Person, sagt also über die Menschen (Matthäus 22, 30):

In der Auferstehung … sind [sie] wie Engel im Himmel.

Jesus weiß im festen Vertrauen auf den himmlischen Vater, dass mit dem Tod nicht einfach alles aus ist. Er glaubt, wie es Herr R. getan hat, dass die Seele frei sein wird, dass der Mensch eine neue Freiheit findet, ja zum ersten Mal überhaupt wahre Freiheit.

Zugleich lassen Jesu Worte offen, wie das sein wird – Auferstehung, ewiges Leben, Sein wie die Engel. Engel, die wir uns als sanfte weibliche Gestalten vorstellen oder wie niedliche Kinder mit Flügeln, können in der Bibel als gewaltige Cherubinen erscheinen. Einmal stellt sich ein biblischer Engel sogar wie ein Dämon einem Mann zum Kampf in den Weg. Meist jedoch sind Engel junge Männer ohne Flügel, die Gottes guten Willen ausrichten und den Menschen als erstes sagen (zum Beispiel Matthäus 28, 5):

Fürchtet euch nicht!

Eins ist jedenfalls klar: Wenn die Menschen durch Gottes Gnade aufstehen vom Tod, dann ist das nicht eine unendliche Fortsetzung dieses irdischen Lebens. Anders werden wir sein, nicht wie Menschen hier auf Erden sind, wie Engel eben. Unvorstellbar ist für uns Menschen alles, was mit dem Himmel zu tun hat.

Das heißt: Ich weiß über den Himmel nicht mehr als der, der anzweifelt, ob es Leben nach dem Tod überhaupt gibt. Ich kann nicht einmal sagen, ob sich der Glaube an die Auferstehung nicht doch mit dem Glauben an die Wiedergeburt in einem anderen Erdenleben verträgt.

Aber ganz gleich, was man für Vorstellungen über den Tod hat und über das, was danach kommen mag, für die Botschaft Jesu kommt es auf eins an (Matthäus 22, 32):

Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.

Darum geht niemand, der auf Gott vertraut, verloren. Und ich glaube, das gilt sogar für die, die zu oft enttäuscht wurden, um überhaupt noch vertrauen zu können. Wer in sich die kindliche Sehnsucht nach Liebe kennt, der hat schon alles, was er braucht, um ewig gerettet zu sein. Um das zu merken, um damit ernst zu machen – dazu müssen wir allerdings Ballast abwerfen, all die vergeblichen Versuche, die wir unternehmen, um aus eigenen Kräften die Frage zu beantworten: „Warum lebe ich hier?“ Diese Frage war übrigens der Titel des Lieblingsliedes von Herrn R. Ich kenne nur eine wahre Antwort auf diese Frage; sie besteht in diesem einen Wort: „Liebe“.

Der Apostel Paulus sagt einmal (1. Korinther 13, 13):

Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Mit diesem Wort spürt Paulus dem Geheimnis unseres Lebens nach. Es gibt außer der Liebe nichts, was sonst von unserem Leben bleibt. Wir können nichts mitnehmen außer dem, was wir an Liebe empfangen und gegeben haben.

Vor unserem Schöpfer, der auch unser Richter sein wird, stehen wir mit leeren Händen – angewiesen auf seine Gnade. Und es ist ein Segen, dass er uns nicht mit einem unnahbaren und absolut fremden Gesicht gegenüberstehen wird, sondern dass der Weltenrichter das barmherzige Angesicht Jesu Christi trägt. Er fragt uns, ob wir barmherzig waren – mit den Schwestern und Brüdern auf Erden und mit uns selbst (Matthäus 25, 40). Und er ist immer noch barmherziger mit uns, als wir selbst das jemals sein könnten.

„Warum lebe ich hier?“ Um niemals die Sehnsucht nach Liebe aufzugeben, nicht einmal im Tode. Amen.

Barmherziger Gott, wir beten zu dir für den Verstorbenen, Herrn R., den du mitten aus dem Leben so plötzlich abberufen hast. Nimm ihn auf in dein ewiges Reich und lass ihn die Erfüllung seiner Sehnsucht erleben, die Freiheit der Seele in der Welt deiner Engel.

Traurig stehen alle da, die ihn vermissen und in deren Leben er eine große Lücke hinterlässt. Lass zusammenstehen, die einander brauchen, und vergib uns, wo wir uns das Leben schwerer machen, als es sein müsste.

Lehre uns erkennen, dass wir alle sterben müssen, damit wir klug werden. Lehre uns erkennen, wie kostbar dieses Leben ist, und dass es sich nicht lohnt, auch nur einen Augenblick dieses Lebens in Lieblosigkeit und Gleichgültigkeit zu vergeuden. Stärke die gute Kraft in uns, die von dir kommt, damit wir getrost die Frage zu beantworten wissen: Wozu lebe ich hier auf Erden? Um Liebe zu suchen, zu erfahren und zu verschenken, Tag für Tag. Amen.

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