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Trauern heißt nicht Verzagen

Trauern bedeutet nicht: Verzagen, den Mut verlieren, bedeutet nicht: Verlorengehen. Trauern muss nicht bedeuten: Es hat ja alles doch keinen Zweck! Gott hat uns vielmehr einen anderen Geist gegeben, der auch unser Traurigsein bestimmen kann: „den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“

Sonnenstrahlen brechen durch schwarze Wolken hindurch
Kraft, Liebe und Besonnenheit helfen, die dunklen Wolken der Furcht zu vertreiben (Bild: Dimitris VetsikasPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir sind zusammen im Trauergottesdienst aus Anlass des Todes von Frau G., die im Alter von [über 80] Jahren gestorben ist. Ihr und uns gilt die christliche Botschaft (Römer 14, 8):

Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.

Eingangsgebet

Wir können unserem Glauben aufhelfen lassen, indem wir mit Worten aus Psalm 31 beten:

2 HERR, auf dich traue ich, lass mich nimmermehr zuschanden werden, errette mich durch deine Gerechtigkeit!

4 Denn du bist mein Fels und meine Burg, und um deines Namens willen wollest du mich leiten und führen.

6 In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, HERR, du treuer Gott.

16 Meine Zeit steht in deinen Händen.

18 HERR, lass mich nicht zuschanden werden; denn ich rufe dich an.

20 Wie groß ist deine Güte, HERR, die du bewahrt hast denen, die dich fürchten, und erweisest vor den Leuten denen, die auf dich trauen!

22 Gelobt sei der HERR; denn er hat seine wunderbare Güte mir erwiesen in einer festen Stadt.

Liebe Frau G., liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde!

Als ich auf dem alten Konfirmationsschein von Frau G. die Bibelstelle angegeben fand, die ihr als Konfirmationsspruch von Herrn Pfarrer V. gegeben worden war, kam mir der Vers irgendwie bekannt vor, obwohl ich nicht gleich darauf kam, wie er lautete: 2. Timotheus 1, 7. Ich habe nachgesehen, und es war die Jahreslosung dieses Jahres, ihres Todesjahres:

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht [nicht einen Geist der Verzagtheit], sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.

Ich denke, dass dieses Bibelwort mit dem Leben von Frau G. allerhand zu tun gehabt hat und dass auch wir davon lernen können. Grund zur Verzagtheit hat Frau G. sicher häufig gehabt, wenn wir uns ihren Lebenslauf vor Augen führen: Fast ein halbes Jahrhundert hat sie als Witwe gelebt: man kannte sie nie anders, als dass sie in Schwarz gekleidet war. Im Krieg blieben Angehörige vermisst, auch die Nachkriegsjahre waren nicht einfach. Aber Verzagtheit? Frau G. hat ertragen, was sie ertragen musste, ohne viel zu klagen.

Sie hat zurückgezogen gelebt und beteiligte sich nicht an öffentlichen Ereignissen außer etwa am Kirchgang, so lange sie es noch konnte. In der Stille hat sie aber nicht etwa sinnlos dahingelebt, sondern – so denke ich – da war wirklich etwas zu spüren von dem Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit, den Gott schenkt.

  • Kraft heißt ja nicht immer aufsehenerregende Macht und Stärke: Kraft kann die Lebensenergie sein, die hilft, das Unausweichliche zu ertragen und das Menschenmögliche zu tun.
  • Liebe kann auch jemand geben, der viele Enttäuschungen und Traurigkeiten durchlitten hat und der gespürt hat, trotz allem nicht allein gelassen worden zu sein.
  • Und Besonnenheit ist die Haltung, in der man sich bestimmten Regeln und Ordnungen unterwirft, die man für richtig erkannt hat, und in der man nachdenkt über das, was man tut.

Vielleicht hilft das Bibelwort denen, die Frau G. schon längere Zeit als ich kennen, ihre Erinnerungen noch einmal in einem anderen Licht zu sehen und dankbar zu sein.

Wie ich gehört habe, hat ja auch Frau G. lieber von den schönen Erinnerungen aus ihrem Leben erzählt. Und da war viel zu erzählen! Wie sie den Großherzog in Darmstadt mit seinen kleinen Hündchen spazierengehen sah. Oder wie sie als kleines Mädchen ihrem Großvater, der einen langen Bart trug, aus diesem Bart Zöpfchen geflochten habe. Oder viel viel später ihren Enkelkindern die Fußballschuhe putzte.

Traurig sind jetzt alle, die in ihrem Leben die Liebe von Frau G. gespürt haben und die an ihr gehangen haben. Das lässt sich nicht einfach wegwischen, indem wir sagen: sie hat ja auch ein hohes Alter erreicht. Es ist noch gar nicht recht zu begreifen, dass ihr Leben zu Ende sein soll, wo sie doch selbstverständlich immer da gewesen ist für die, die ihr nahestanden. Nie war sie im Krankenhaus gewesen bis zu den letzten Tagen ihres Lebens, als sie immer schwächer geworden war und nicht mehr zu Hause bleiben konnte. Bis vor kurzem nahm sie doch noch regen Anteil am täglichen Geschehen, durch Zeitung und Fernsehen. Beim Adventssingen haben ihr die Kinder doch noch ein Lied gesungen.

Frau G. ist tot. Was wir mit ihr erlebt haben, ist nur in der Erinnerung noch lebendig. Doch sie ist nicht in ein ungewisses Schicksal oder in das Nichts hineingestorben, sondern bleibt getragen von der Liebe Gottes. Und uns, die zurückbleiben, gilt für unser weiteres Leben das Wort, das Frau G. seit ihrer Konfirmation begleitet hat: „Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben.“ Trauern bedeutet nicht: Verzagen, den Mut verlieren, bedeutet nicht: Verlorengehen. Trauern muss nicht bedeuten: Es hat ja alles doch keinen Zweck! Gott hat uns vielmehr einen anderen Geist gegeben, der auch unser Traurigsein bestimmen kann: „den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ Kraft bedeutet hier nicht die Selbstbeherrschung um jeden Preis, nicht die Unterdrückung der Gefühle. Kraft bedeutet des Ertragen- und Durchleben-Können von etwas, das wir nicht ändern können. Kraft bedeutet eine Energie, die wir auch im Klagen, im Weinen, im Sich-Aussprechen, im Wieder-Mut-Fassen für die täglichen Aufgaben brauchen. Und wenn Liebe unser Traurigsein bestimmt, sollen wir wissen, dass es natürlich ist, den Schmerz zu fühlen, wenn man einen geliebten Menschen verliert, dass es ebenso natürlich ist, allmählich Abschied zu nehmen und seine Liebe auch wieder anderen Menschen zuzuwenden. Viele Menschen haben Angst. ihren Verstand zu verlieren, wenn sie ihre Gefühle nicht beherrschen. Doch man kann sehr wohl fühlen und zugleich besonnen sein, Schmerz zulassen und zugleich überlegen, wann und vor welchen Menschen man ihn nach außen zeigt. Allein zu trauern ist allerdings oft sehr schwer; es ist gut, wenn wir einander dabei nicht allein lassen und auch den Mut finden, aufeinander zuzugehen. Auch dazu bitten wir Gott um seinen Geist. Amen.

Wir beten mit den Worten eines Gesangbuchliedes (EKG 302):

1. Wie Gott mich führt, so will ich gehen ohn alles Eigenwählen; geschieht, was er mir ausersehn, wird mirs an keinem fehlen. Wie er mich führt, so geh ich mit und folge willig Schritt für Schritt in kindlichem Vertrauen.

4. Wie Gott mich führt, so geb ich mich in seinen Vaterwillen. Scheints der Vernunft gleich wunderlich, sein Rat wird doch erfüllen, was er in Liebe hat bedacht, eh er mich an das Licht gebracht; ich bin ja nicht mein eigen.

5. Wie Gott mich führt, so bleib ich treu im Glauben, Hoffen, Leiden. Steht er mit seiner Kraft mir bei, was will mich von ihm scheiden? Ich fasse in Geduld mich fest: was Gott mir widerfahren lässt, muss mir zum Besten dienen.

6. Wie Gott mich führt, so will ich gehen, es geh durch Dorn und Hecken. Sein Antlitz lässet Gott nicht sehn: zuletzt wird ers aufdecken, wie er nach seinem Vaterrat mich treu und wohl geführet hat. Dies sei mein Glaubensanker.

Amen.

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