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Josef – Vater wider Willen

Der Engel stellt Josef gegenüber unmissverständlich klar: Mit Gott kann man keine Doppelmoral rechtfertigen, die den Männern erlaubt, sich die Hörner abzustoßen, dem gehörnten Ehemann aber das Recht gibt, Frauen und Kinder dafür büßen zu lassen. Das Kind, das in Maria entsteht, ist ein Kind vom Heiligen Geist, ganz gleich, wer wirklich der leibliche Vater ist.

Holzschnitzerei: Josef steht hinter Maria, die ihr Kind Jesus im Arm hält
Wie wird Josef zum Vater des Sohnes der Maria? (Bild: Hans BraxmeierPixabay)
Dieser Gottesdienst ist ein erster Gottesdienst um „halb 6 in Paulus“ – am 2. Adventssonntag, den 8. Dezember 2002, um 17.30 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Zum erstenmal feiern wir einen Gottesdienst um halb 6 in Paulus. Wir freuen uns, dass Sie gekommen sind um mitzufeiern! Wir, das ist das „Team halb 6“; es besteht bis jetzt aus einigen Frauen und Pfarrer Schütz, und wir hatten viel Freude beim Vorbereiten.

Wenn ein Gottesdienst am frühen Abend stattfindet, ist die Atmosphäre anders. Auch für die Gestaltung haben wir uns etwas überlegt, was anders ist als sonst.

Und es gibt ein besonderes Thema, das den Gottesdienst prägt. Heute ist es das Thema: „Vater wider Willen!“, und es geht um Josef, den Mann der Maria, die mit Jesus schwanger ist.

Besonders freuen wir uns, dass unser Organist Werner Schütz heute nicht nur unseren Gesang am Klavier begleitet, sondern einen ganzen Chor mitgebracht hat, der für uns singen wird. Zuerst singen wir selber – und zwar das Adventslied Nr. 8:

Es kommt ein Schiff geladen bis an sein‘ höchsten Bord, trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort.

Das Schiff geht still im Triebe, es trägt ein teure Last; das Segel ist die Liebe, der Heilig Geist der Mast.

Der Anker haft‘ auf Erden, da ist das Schiff am Land. Das Wort will Fleisch uns werden, der Sohn ist uns gesandt.

Zu Bethlehem geboren im Stall ein Kindelein, gibt sich für uns verloren; gelobet muss es sein.

Und wer dies Kind mit Freuden umfangen, küssen will, muss vorher mit ihm leiden groß Pein und Marter viel,

danach mit ihm auch sterben und geistlich auferstehn, das ewig Leben erben, wie an ihm ist geschehn.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Amen.“

„Ein Schiff wird kommen“, so hieß einmal ein Schlager der Sehnsucht. Im Advent singen wir auch von einem Schiff, das kommt. Es ist beladen mit dem Wort Gottes, das Fleisch und Blut annimmt, angetrieben vom Segel der Liebe; es trägt den Sohn Gottes an die Ufer, an denen wir stranden.

Merkwürdiges Adventslied vom Schiff, das kommen wird. Bevor wir Leben erben, müssen wir sterben. In der Weihnachtsfreude bleibt das Leid nicht ausgeklammert. Da ist sogar die Rede von „groß Pein und Marter viel“ – das sind unerträgliche Folterqualen, die sich Menschen für Menschen ausdenken und auch für den Gottessohn ausgedacht haben. Passen solche Worte in den stimmungsvollen Advent? Die Geburt in Bethlehem wird nicht als idyllische Szenerie ausgemalt.

Vielleicht gerade deshalb lässt die Geburt dieses Kindes uns überschwenglich frohe Lieder singen. Gott selbst wird Fleisch und Blut – einer von uns. Indem er alles mit sich machen lässt, verändert er unsere Situation: Er lässt uns die Wahl. Wir können mit den Wölfen heulen, die ihn umbringen. Oder uns aufmachen und nachfolgen auf seinem Weg.

Wir hören den ersten Teil der Choralmotette für Soli und 4- bis 6-stimmigen Chor von Michael Praetorius: „Ein Kind geborn zu Bethlehem“.

Ein Kind geborn zu Bethlehem, des freuet sich Jerusalem.
Hier liegt es in seim Krippelein, ohn Ende ist die Herrschaft sein.
Das Öchslein und das Eselein erkannten Gott den Herren sein.
Die König aus Saba kamen da, Gold, Weihrauch und Myrrhen brachten sie dar.
Sein Mutter ist die reine Magd, die ohn ein Mann geboren hat.

Gott wird in Jesus geboren. Gott wird einer von uns. Aber stimmt das so ganz? Wenn Maria ihn ohne einen Mann geboren hat – kann er dann ganz und gar Mensch sein? Ist er dann nicht ein Halbgott?

Ohne einen Mann… In der Vorbereitungsgruppe haben wir das einmal anders gehört. Ganz unbefangen. Wenn eine Frau ein Kind bekommt, ohne einen Mann, dann denken wir nicht automatisch an eine glückliche übernatürliche Geburt. Sondern traurige Geschichten fallen uns ein.

Ich erzähle einige dieser Geschichten und bitte Sie, am Ende in die Klage einzustimmen: Herr, erbarme dich!

Da ist die Urgroßmutter, die aus ihrer Kindheit erzählt. Sie war die älteste Tochter ihres Vaters und kam vor der Hochzeit der Eltern zur Welt. Sie trug den Namen der Mutter, ihre später in der Ehe geborenen leiblichen Geschwister den Namen des Vaters. Sie hatte zu leiden unter den Sticheleien ihrer Schwestern und Brüder: „Du gehörst ja gar nicht zu uns. Du hast einen anderen Namen!“ Als ob sie einen anderen Vater gehabt hätte.

Gott, wir rufen zu dir: „Herr, erbarme dich, erbarme dich. Herr, erbarme dich, Herr, erbarme dich.“

Da ist der Sohn aus erster Ehe, der oft Streit bekommt mit dem neuen Ehemann der Mutter. „Von dir lasse ich mir nichts sagen, du bist nur mein Stiefvater!“ Kann ein Stiefvater Vater sein? Der leibliche Vater ist vertrauter, aber der ist nie da, und wenn, dann muss man sich immer entscheiden – steht man auf seiner Seite oder hält man zur Mutter. Zwei Väter – und doch ohne einen Vater?

Gott, wir rufen zu dir: „Herr, erbarme dich, erbarme dich. Herr, erbarme dich, Herr, erbarme dich.“

Da ist der Vater, der nach vierzig Jahren der Tochter eröffnet: „Du hast da noch einen Halbbruder!“ Warum konnte er vorher nicht dazu stehen? Ja, was hätten die Leute denken sollen…?

Gott, wir rufen zu dir: „Herr, erbarme dich, erbarme dich. Herr, erbarme dich, Herr, erbarme dich.“

Da ist das 14jährige Mädchen, das in einer christlichen Jugendgruppe sagt: „Ich kann meinen Vater nicht ehren!“ Er ist ihr leiblicher Vater, aber sie kann ihn nicht als Vater anerkennen. Er ist Alkoholiker, er schlägt seine Frau und die Kinder, die Tochter ekelt sich vor ihm.

Gott, wir rufen zu dir: „Herr, erbarme dich, erbarme dich. Herr, erbarme dich, Herr, erbarme dich.“

Und nun heißt es auch von Jesus: „Sein Mutter ist die reine Magd, die ohn ein Mann geboren hat.“ Unser frommes Denken will protestieren. Das kann doch nicht so gemeint sein wie in unseren traurigen Erfahrungen. Oder doch? Wurde Jesus uns gleicher als wir denken?

Wir hören den zweiten Teil der Motette, der an die zuletzt gehörte Strophe: „Sein Mutter ist die reine Magd, die ohn ein Mann geboren hat“ mit den Worten anschließt: „Damit er uns ihm machet gleich!“

Damit er uns ihm machet gleich und wieder brächt zu Gottes Reich.
Lob sei der Heiligen Dreifaltigkeit von nun an bis in Ewigkeit.
Für solche gnadenreiche Zeit sei Gott gelobt in Ewigkeit.

Gott, wir loben dich in der Höhe und in der Tiefe. Du bist ewig und heilig und zugleich bist du uns nahe und wirst einer von uns. Deine Heiligkeit hindert dich nicht daran, unter ungeklärten Umständen empfangen und in einem Stall geboren zu werden. Mach uns offen für die Botschaft des Josef, der ein Vater wider Willen wurde. Amen.

Wir hören die Lesung aus dem Evangelium nach Matthäus 1, 18-25:

18. Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem heiligen Geist.

19. Josef aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen.

20. Als er das noch bedachte, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem heiligen Geist.

21. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.

22. Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht:

23. »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns.

24. Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.

25. Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

Wir singen das Lied 181.6:

Laudate omnes gentes, laudate Dominum
Lobsingt, ihr Völker alle, lobsingt und preist den Herrn

Auf der ersten Seite des Neuen Testaments steht diese Geschichte über Josef, den Mann der Maria, die Mutter Jesu. Wie mag Josef das erlebt haben?

Ein paar unserer Konfirmanden spielen uns seine Geschichte vor – zwei Szenen aus dem alten Israel vor 2000 Jahren:

Simon: He, Micha, Johann, habt ihr schon das Neueste gehört?

Micha: Nee, was denn?

Simon: Das glaubt ihr nicht!

Johann: Nun sag‘s schon!

Simon: Ihr kennt doch Josef!

Micha: Josef, Josef, welchen Josef meinst du?

Simon: Den frommen Josef!

Johann: Ja, den kenne ich.

Micha: Ich auch. Der ist so fromm, der geht immer in die Synagoge.

Johann: Der hält sich sogar an die Zehn Gebote.

Simon: Aber wisst ihr, was ich von ihm gehört habe?

Micha: Mach‘s doch nicht so spannend!

Simon: Seine Verlobte ist schwanger!

Johann: Was? Die Maria?

Micha: Die reine Maria?

Simon: Ja, die reine Maria. Die keinen an sich ranlässt.

Johann: Hat sie es nun doch getan?

Micha: Das kann ich mir gar nicht vorstellen.

Simon: Aber von Josef ist das Kind auf keinen Fall.

Micha: Stimmt. Der würde so was nicht machen.

Johann: Nicht vor der Ehe.

Simon: Josef war einfach zu sicher, dass Maria ihm treu sein würde.

Micha: So kann man sich irren.

Johann: Was wird Josef jetzt mit dem Bankert machen?

So reden sie über Josef – seine besten Freunde, die, mit denen er ausgeht und mit denen er auch ganz groß seine Hochzeit feiern wollte.

Josef selbst steht zur gleichen Zeit bei Marias Eltern vor der Haustür und klopft an.

Jakob: Hallo Josef, mein Schwiegersohn, was führt dich zu uns?

Josef: Schwiegersohn? Damit wird‘s wohl nichts.

Jakob: Ich verstehe nicht. Komm doch erst mal rein!

Josef: Nein, ich will Maria nicht begegnen.

Jakob: Ich dachte, du willst deine Braut besuchen.

Josef: Nein, sie ist nicht mehr meine Braut.

Jakob: Warum? Ihr seid doch schon so lange verlobt.

Josef: Und jetzt ist Maria schwanger.

Jakob: Aber Josef, davon solltest du doch am besten wissen!

Josef: Ich weiß aber nichts davon.

Jakob: Wir wissen ja, dass du ein frommer junger Mann bist. Aber es ist doch nichts dabei, wenn ihr… Wir waren doch alle einmal jung.

Josef: Ich habe nichts damit zu tun!

Jakob: Wirklich nicht? Erzählt Maria deshalb so merkwürdige Geschichten?

Josef: Was erzählt sie denn?

Jakob: Eigentlich sagt sie nicht viel. Ein Engel wäre zu ihr gekommen.

Josef: Ein Engel – dass ich nicht lache! Was für ein Engel das wohl war!

Jakob: Beleidige nicht meine Tochter! Ich passe gut auf sie auf!

Josef: Du hast wirklich sehr gut aufgepasst – jeder kann es ihr ansehen!

Jakob: Aber für Maria ist das Kind heilig. Der Engel hat‘s gesagt. Ein Kind vom Heiligen Geist.

Josef: Heilig? Die Leute reden anders daher. Lässt dir ein hübsches Bankert andrehen, sagen sie.

Jakob: Aber du weißt doch selber, dass Maria nie etwas für andere Jungen übrig hatte, nur für dich.

Josef: Ich verstehe es ja auch nicht. Ich weiß nur, dass jetzt alle über mich reden. Und selbst meine Freunde lachen mich aus.

Jakob: Willst du etwa Maria vor Gericht bringen?

Josef: Ich könnte sie verklagen, wegen Untreue. Aber ich will sie gar nicht in Schande bringen. Ich hab sie schließlich gern gehabt.

Jakob: Du weißt doch gar nicht, was geschehen ist.

Josef: Das ist es ja eben. Deswegen kann ich sie ja auch nicht heiraten. Wie soll ich ihr denn noch vertrauen?

Jakob: Was willst du tun?

Josef: Ich gehe von hier fort – dorthin, wo mich niemand kennt.

Jakob: Aber was soll denn aus ihr und dem Kind werden? Wir können es nicht großziehen, wir sind schon alt!

Josef: Das hätte Maria sich früher überlegen sollen. Sagt ihr einen Gruß von mir!

Kaum zu glauben, aber es ist wahr: Die erste Mitteilung über Jesus aus seiner eigenen Familie läuft in der Bibel daraus hinaus, dass er vaterlos aufwachsen wird, weil der Verlobte seiner Mutter mit diesem Kind nichts zu tun hat und nichts zu tun haben will.

Lassen wir dahingestellt sein, wer der wirkliche der Vater des Kindes war. Für die einen ist das sowieso kein Problem, denn sie sagen: Für Gott ist alles möglich, darum konnte Gott in seiner Allmacht seinen Sohn durch ein biologisches Wunder im Leib der Maria erschaffen. Viele andere zweifeln an dieser Art, die Empfängnis der Jungfrau zu erklären. Aber entscheidend ist nicht, wie wir darüber denken. Entscheidend ist, was hier zwischen Josef und seiner Verlobten geschieht, als den beiden dieses Kind dazwischenkommt. Wird es sie trennen? Wird das Kind Mutter und Vater haben? Wird die Mutter in ihrer Existenz abgesichert sein, damals, als eine Frau nur innerhalb des Schutzes einer Ehe angemessen versorgt war?

So verschieden die damaligen der Verhältnisse von unseren zu sein scheinen – das Grundproblem dieser drei Menschen stellt sich heute wie damals in gleicher Schärfe: Wie wird ein Mann mit seiner Verantwortung als Vater eines Kindes fertig. „Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr“, dichtete schon der Humorist Wilhelm Busch. Viel öfter als früher wird heutzutage ein Mann mit der Herausforderung konfrontiert, nicht nur eine Frau als Partnerin zu bekommen, sondern gleich eine Familie zu heiraten. Ich sage bewusst: „heiraten“ – auch wenn kein Trauschein im Spiel ist, ist der Partner der Mutter grundsätzlich auch in seiner Rolle als Vater für die Kinder der Mutter gefragt. Doch wie wir am Beispiel des Josef sehen: Ganz neu ist diese Situation nicht.

Ich glaube auch nicht, dass die Schwierigkeit, Vater zu sein, wirklich nur davon abhängt, ob man leiblicher Vater oder Stiefvater ist, verheiratet mit der Mutter oder „nur“ ihr Freund. Es gibt viele Ausreden, sich vor der väterlichen Verantwortung zu drücken: „Das Kind akzeptiert mich ja sowieso nicht.“ „Erziehungsfragen überlasse ich ganz der Mutter.“ „Ich bin beruflich so sehr eingespannt, dass ich die Kinder viel zu wenig sehe.“ Ein Kind kann vaterlos aufwachsen, auch wenn es einen Vater hat und er sogar in der Familie wohnt.

Der Heilige Josef der Bibel sieht zunächst also gar nicht wie ein Heiliger aus, sondern er stellt ein Vaterbild in Frage: Wie selbstverständlich ist es, dass Männer ihre väterliche Verantwortung wahrnehmen?

Wie nahe liegt es vielen Männern, ihren Beruf, ihre weitverzweigten Interessen, ihre Männerfreundschaften, ihren verletzten Stolz und vieles andere wichtiger zu nehmen als ein Kind, das ihnen anvertraut ist?

Zunächst ist Josef ein Mann, der sich drückt, obwohl oder weil er fromm ist. Er verschließt vor männlicher Doppelmoral die Augen. Das Thema „Schande“ stellt sich für ihn nur im Blick auf seine Verlobte.

Wie mag es Maria in ihrer Zeit der Erwartung ergangen sein – in ihrer Adventszeit? Denn Advent heißt: Ankunft, Erwartung der Niederkunft.

Hier ist Maria, und was sie empfindet, was sie sich wünscht, davon singt sie ein Lied, das Sie vielleicht vom Text her etwas anders in Erinnerung haben. Damit sie es nicht allein singen muss, singen wir dieses Lied alle gemeinsam:

Josef, lieber Josef mein, will nicht Jesu Vater sein, lässt mich mit dem Kind allein, das Kind wird sein der Jungfrau Sohn Maria.

Josef, lieber Josef mein, hörst du nicht den Engel dein, was er sagt vom Kindelein, vom Jesuskind, der Jungfrau Sohn Maria.

Josef, lieber Josef mein, komm zurück zum Kindelein, lass uns beide nicht allein, das Jesuskind und deine Frau Maria.

Josef, lieber Josef mein, steh doch zu dem Kindelein, wirst ein guter Vater sein, fürs Jesuskind, der Jungfrau Sohn Maria.

Josef, lieber Josef mein, hilf mir wiegen mein Kindelein, wird es erst geboren sein, das Jesuskind, der Jungfrau Sohn Maria.

Es musste ein Wunder geschehen, bevor Marias Wunsch in Erfüllung ging. Das erste Wunder im Neuen Testament. Wieder sind es Konfirmanden, die uns in zwei Szenen dieses Wunder vor Augen stellen.

Es ist Nacht. Morgen will Josef abreisen und woanders neu beginnen. Unruhig schläft er, wälzt sich hin und her.

Engel: Josef!

Josef: He, wer weckt mich auf, mitten in der Nacht?

Engel: Josef, Sohn Davids!

Josef: Das ist mein voller Familienname. Wer bist du?

Engel: Ich bin ein Engel. Ein Bote von Gott.

Josef: Was? Wie? Wer? Du jagst mir einen ganz schönen Schrecken ein!

Engel: Fürchte dich nicht! Ich habe dir etwas zu sagen.

Josef: Mir? Ich bin doch nur ein einfacher Zimmermann!

Engel: Das mag sein, aber von deinem Sohn wird man noch in 2000 Jahren reden.

Josef: Mein Sohn? Ich habe keinen Sohn.

Engel: Doch, Marias Kind wird dein Sohn sein.

Josef: Wenn du ein Engel bist, dann weißt du wie ich: das Kind ist nicht von mir.

Engel: Und doch wird es dein Kind sein.

Josef: Du weißt auch, wie die Leute es nennen.

Engel: Ja, das weiß ich. Bankert, sagen die Leute. Zu allen Zeiten büßen die Kinder für die Sünden der Eltern.

Josef: Aber ich habe nichts mit Maria gehabt. Ich würde nie vor der Ehe…

Engel: Das weiß ich, Josef.

Josef: Dann weißt du bestimmt auch, was Maria getrieben hat.

Engel: Ich weiß, dass ihr Kind ein heiliges Kind sein wird, ein Kind vom Heiligen Geist.

Josef: Und wer ist der Vater?

Engel: Was interessiert es dich? Niemand weiß es.

Josef: Wenn du wüsstest, was die Leute über mich reden!

Engel: Ich weiß es. Lass die Leute dumm schwätzen.

Josef: Was soll ich also deiner Meinung nach tun?

Engel: Fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen.

Josef: Und ihr Kind soll ich gleich mit heiraten?

Engel: Das Kind braucht einen guten Vater, der für es sorgt.

Josef: Weißt du vielleicht auch schon einen Namen für das Kleine?

Engel: Ja, es wird ein Junge sein, und du sollst ihn Jesus nennen.

Josef: Jesus heißt Retter – er soll der Retter sein?

Engel: In der Bibel heißt es: Er wird sein Volk retten von ihren Sünden.

Josef: Und ich soll Maria nicht einmal nach ihrer Sünde fragen?

Engel: Nein. Es geht um dich. Du sollst keine Sünde begehen. Lass deine Frau und dein Kind nicht im Stich!

Ob Josef wohl wirklich auf den Engel hört?

Am nächsten Morgen klopft Josef wieder an der Haustür von Marias Eltern.

Jakob: Hallo Josef, was willst du denn hier? Ich dachte, du bist längst über alle Berge!

Josef: Ich muss unbedingt Maria sprechen! Schnell!

Jakob: Maria!!! Da ist sie schon. Ich lass euch mal lieber alleine.

Maria: Josef? Du bist doch nicht weggegangen?

Josef: Ich habe noch mal drüber geschlafen. Und in der Nacht habe ich etwas Merkwürdiges geträumt.

Maria: Was denn?

Josef: Ein Engel ist zu mir gekommen.

Maria: Ach, ein Engel. Und über meinen Engel hast du dich lustig gemacht!

Josef: Entschuldige, Maria. Es war ja wirklich schwer zu glauben.

Maria: Ich kann wirklich nicht sagen, was geschehen ist.

Josef: OK, du musst nicht darüber sprechen.

Maria: Ich weiß nur – der Engel hat gesagt: Es ist ein heiliges Kind.

Josef: Hat er dir auch gesagt, wie das Kind heißen soll?

Maria: Ja, Jesus soll es heißen.

Josef: Das hat er mir auch gesagt – Jesus, der Retter.

Maria: Und was wirst du nun tun, Josef?

Josef: Wenn du mich noch willst, dann heirate ich dich.

Maria: Ich will! Aber erst nach der Entbindung. Eine Hochzeitsfeier halte ich mit dem Bauch nicht mehr durch.

Josef: Wie du willst. Und ich versuche, ein guter Vater für Jesus zu sein.

Danke, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, für die Szenen aus der Heiligen Familie, die ihr gespielt habt!

Ja, das erste Kapitel des Neuen Testaments weiß am Ende durchaus davon zu berichten, dass aus der beinahe zerrütteten Familie eine heile und sogar heilige Familie wird. Heile Familien entstehen nicht etwa dadurch, dass man so tut, als sei nichts kaputt. So heil ist die Welt nicht von selbst.

Wie wenig diese Welt heil ist, zeigt sich in Josefs Geschichte darin, dass dieser gerechte und fromme Mann gerade weil er so gerecht und fromm ist, auch das Recht gehabt hätte, seine Verlobte im Stich zu lassen und sein Kind als wertlosen Bankert, als uneheliches, der Verachtung preisgegebenes Kind groß werden zu lassen.

Dass gerade unsere menschlichen Vorstellungen von Gerechtsein und Frommsein der Heilung bedürfen, weil sie oft mit Doppelmoral gekoppelt sind, bei der die Schwächsten auf der Strecke bleiben, zeigt die Rede des Engels an Josef. Er stellt unmissverständlich klar: Gott steht nicht auf der Seite falsch verstandener männlicher Ehrbegriffe. Mit Gott kann man keine Doppelmoral rechtfertigen, die den Männern erlaubt, sich die Hörner abzustoßen, dem gehörnten Ehemann aber das Recht gibt, Frauen und Kinder dafür büßen zu lassen. Das Kind, das in Maria entsteht, ist ein Kind vom Heiligen Geist, ganz gleich, wer wirklich der leibliche Vater ist. Im Bibelkreis hörten wir, wie eine psychisch kranke Frau ihr Kind zur Adoption freigeben musste. Sie sagte der adoptierenden Frau: „Vergessen Sie nie, dieses Kind ist ein göttliches Kind.“ In den Augen Gottes ist jedes Kind vom Heiligen Geist, es gibt keine minderwertigen Kinder, in jedem Kind, das uns anvertraut ist, begegnet uns Jesus selbst. Der erwachsene Jesus betont das selbst in seinem Gleichnis vom Weltgericht.

Wie wird also in dieser Welt etwas heil? Dadurch, dass trotz aller Brüche und Verletzungen die Liebe siegt! In diesem Fall mit Josefs Bereitschaft, Verantwortung für Frau und Kind zu tragen.

Der Psychoanalytiker Ezzelino von Wedel konnte mit solchen Gedanken nichts anfangen und versuchte in seinem Buch „Als Jesus sich Gott ausdachte“ die Gestalt des Josef lächerlich zu machen. Er schrieb: „Alles, was wir von Josef wissen, deutet auf einen schwachen Vater, der zudem ein schwacher und in seiner Schwäche fürchterlich treuer Gatte einer dominanten Frau und Mutter war.“

Damit bringt er auf den Punkt, was schon die Freunde Josefs in unserer Spielszene ihm vorhalten: „Du lässt dich betrügen, erst von deiner Frau, dann von einem Engel, der dich zutextet, und merkst es nicht einmal!“

Es ist wahr, Josef gehorcht der Stimme des Engels (Matthäus 1):

24 Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.

Aber in meinen Augen ist Josef hier der wahrhaft Starke. Ich denke nicht, dass ein Mann stark ist, der sein Kind verlassen muss, um seinen Freunden zu beweisen: „Mich betrügt man nicht!“ Nein – stark ist der Mann, der liebt, über seinen eigenen Schatten springen kann, der Verantwortung übernimmt. Zu welch zärtlicher Liebe Josef fähig ist, sogar bereit, zeitweise auf sogenannte eheliche Rechte zu verzichten, deutet der letzte Vers im ersten Kapitel des Neuen Testamentes an:

25 Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

So rücksichtsvoll verhält sich Josef seiner jungen Frau gegenüber, die offenbar bis zur Geburt ihres ersten Kindes beides braucht – den Mann, der für sie da ist, und den Mann, der von ihr Abstand wahrt. In dieser Behutsamkeit kann Liebe wachsen und Familienglück blühen. Amen.

Wir singen aus dem Adventslied 15 in den Strophen 1-2 und 5-6 von Gottes Sohn, der tröstend in diese Welt hineingeboren wurde und sich dazu die Familie Josefs aussuchte:

„Tröstet, tröstet“, spricht der Herr, „mein Volk, dass es nicht zage mehr.“ Der Sünde Last, des Todes Fron nimmt von euch Christus, Gottes Sohn.

Freundlich, freundlich rede du und sprich dem müden Volke zu: „Die Qual ist um, der Knecht ist frei, all Missetat vergeben sei.“

Alles, alles Fleisch ist Gras, die Blüte sein wird bleich und blass. Das Gras verdorrt, das Fleisch verblich, doch Gottes Wort bleibt ewiglich.

Hebe deine Stimme, sprich mit Macht, dass niemand fürchte sich. Es kommt der Herr, eu’r Gott ist da und herrscht gewaltig fern und nah.

Danke, Vater Gott, dass wir dich Vater nennen können. Danke, dass Jesus in Josef einen Vater erfahren durfte, in dessen Fürsorge und Verantwortungsgefühl sich deine Liebe widerspiegelte. Danke, dass du uns erlaubst, dich als Vater zu beanspruchen, der uns zeigt, wo es lang geht, an dem wir uns auch reiben können, der uns nicht im Stich lässt.

Bitte, Vater Gott, hilf uns klarzukommen mit unseren Rollenkonflikten, mit unserer Angst, uns selbst zu verlieren, und mit den Schwächen unseres eigenen Ego. Gib uns die nötige Energie und Ausdauer, auf Kinder und Jugendliche einzugehen, auch wenn sie anstrengend sind. Gib uns Kraft, gute Grenzen zu setzen und Werte zu vermitteln, auch wenn der Widerstand dagegen ungeheuer groß ist.

Hilf uns, dem Beispiel des Josef zu folgen und auf den Rat des guten Engels zu hören. Dass wir uns nicht ängstigen um das, was die Leute sagen, sondern nach dem fragen, was die Liebe fordert – die Liebe zu denen, die uns anvertraut sind. Amen.

In der Stille bringen wir vor dich, Gott, was wir außerdem auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser

Wir singen aus dem Lied 536 die Strophen 1, 2 und 4:

Singet fröhlich im Advent, lasst nun alles Trauern

Und nun geht mit Gottes Segen. Vielleicht bleiben Sie auch noch ein wenig zusammen im Gemeindesaal bei heißem Orangensaft, Tee oder Glühwein.

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

Ein Kommentar zu „Josef – Vater wider Willen“

  1. Josef ist die Person im Hintergrund und doch ist er für das Leben Jesus von besonderer Bedeutung. Sein Ja war ebenso wichtig wie Marias Ja, denn nur so konnte Gottes Sohn in einer Familie aufwachsen.
    Eine Frau trägt das Kind neun Monate in sich und es wird Blut von ihrem Blut. Und sie fängt an es zu lieben, wie auch immer es gezeugt wurde.
    Mehr als Maria sollte Josef geehrt werden, er hat die ganze Last der Verantwortung getragen. Er hat Jesus die Liebe und Fürsorge gegeben, das ein Kind braucht, obwohl es nicht sein Kind war. Er steht für alle Männer, die ein fremdes Kind aufnehmen und lieben.
    Auf den Bildern wirkt Josef so bodenständig, ein Mann, der Verständnis für alles Menschliche hat. Er ist keine Übergröße. Er ist ein Mann der Arbeit. Er hat den Rahmen geschaffen, in dem Jesus seine Persönlichkeit formen und ausbilden konnte, um sein Werk auszuführen.
    In ihm hat Jesus einen Vater, den man in vielen seiner Gleichnisse wiederfindet.

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