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Lied vom machtvollen Gott

Gott braucht Maria, um als Kind zur Welt zu kommen. An Jesus wird sie bestätigt finden, dass Gott ein Gott der Armen und Niedrigen ist. Er wird demütig den Menschen dienen, er wird Kinder in den Arm nahmen und streicheln. Er wird sich nicht wehren, wenn man ihm Gewalt antut, und wird in äußerster Schande sterben. So ist unser Gott.

Griechisch-orthodoxe Darstellung der Panagia, der Jungfrau Maria
Die Jungfrau Maria (Bild: Dimitris VetsikasPixabay)
direkt-predigtGottesdienst zum Christkindlmarkt am 2. Adventssonntag, 4. Dezember 1983, um 13.30 Uhr in Reichelsheim
Glockenläuten und Orgelvorspiel

Herzlich willkommen in der Reichelsheimer Kirche im Gottesdienst am 2. Advent! Zwei festliche Anlässe kommen heute wieder einmal zusammen in unserem Gottesdienst: Wir feiern nachher gemeinsam ein Fest der Begegnung, unseren Christkindlmarkt; und wir taufen heute ein kleines Mädchen, …, und begrüßen daher besonders ihre Eltern, Paten und Geschwister.

Lied EKG 4, 1-6 (EG 8):

1. Es kommt ein Schiff, geladen bis an sein’ höchsten Bord, trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort.

2. Das Schiff geht still im Triebe, es trägt ein teure Last; das Segel ist die Liebe, der Heilig Geist der Mast.

3. Der Anker haft’ auf Erden, da ist das Schiff am Land. Das Wort will Fleisch uns werden, der Sohn ist uns gesandt.

4. Zu Bethlehem geboren im Stall ein Kindelein, gibt sich für uns verloren; gelobet muss es sein.

5. Und wer dies Kind mit Freuden umfangen, küssen will, muss vorher mit ihm leiden groß Pein und Marter viel,

6. danach mit ihm auch sterben und geistlich auferstehn, das ewig Leben erben, wie an ihm ist geschehn.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, „Amen.“

Ihr lieben Christen, freut euch nun, bald wird erscheinen Gottes Sohn, der unser Bruder worden ist, das ist der lieb Herr Jesus Christ.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste, wie es war von Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Vater im Himmel! Wir danken dir, dass du nicht nur weit weg von uns bist. Wir stellen uns immer vor, dass dein Himmel irgendwo da oben hinter den Wolken und Sternen ist. Da bist du sicher auch, aber wenn wir da oben hin kommen könnten, könnten wir dich doch nicht sehen, genauso wenig wie hier unten auf der Erde. Denn du bist ja größer als das ganze Weltall und alle Sterne zusammen und heller als alles Licht der Welt – wie sollten wir dich da ansehen und dein Licht aushalten können? Aber du bist eben nicht nur so groß geblieben, du bist nicht nur so weit weg von uns, denn du hast uns lieb. Und weil du uns so lieb hast, bist du zu uns gekommen, bist einer von uns geworden. Da konnten Menschen wie wir dich sehen und hören und anfassen, mit dir leben, Vertrauen zu dir fassen oder sich über dich aufregen, Hilfe bei dir finden oder dich gleichgültig behandeln. Du bist nicht wie durch Zauberei zu uns gekommen, sondern auf ganz natürlichem Wege, auf die allerschönste menschliche Art und Weise: nämlich als ein Kind, das unter uns aufwächst. Das ist zugleich so einfach und so schwierig zu begreifen. Darum feiern wir in jedem Jahr Advent: um wieder neue Gelegenheit zu haben, uns auf dich einzulassen, auf dein Kommen als Kind, als das Christuskind. Komm auch zu uns in Jesus Christus, deinem Sohn, unserem Herrn. „Amen.“

Schriftlesung: Lukas 1, 26-38

26 Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth,

27 zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria.

28 Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!

29 Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das?

30 Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden.

31 Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben.

32 Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben,

33 und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.

34 Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß?

35 Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden.

36 Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei.

37 Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.

38 Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.

Lied EKG 3, 1-3 (EG 6):

1. Ihr lieben Christen, freut euch nun, bald wird erscheinen Gottes Sohn, der unser Bruder worden ist, das ist der lieb Herr Jesus Christ.

2. Der Jüngste Tag ist nun nicht fern. Komm, Jesu Christe, lieber Herr! Kein Tag vergeht, wir warten dein und wollten gern bald bei dir sein.

3. Du treuer Heiland Jesu Christ, dieweil die Zeit erfüllet ist, die uns verkündet Daniel,[a] so komm, lieber Immanuel.

Taufe
Lied EKG 12, 1-3 (EG 14):

1. Dein König kommt in niedern Hüllen, ihn trägt der lastbarn Es’lin Füllen, empfang ihn froh, Jerusalem! Trag ihm entgegen Friedenspalmen, bestreu den Pfad mit grünen Halmen; so ist’s dem Herren angenehm.

2. O mächt’ger Herrscher ohne Heere, gewalt’ger Kämpfer ohne Speere, o Friedefürst von großer Macht! Es wollen dir der Erde Herren den Weg zu deinem Throne sperren, doch du gewinnst ihn ohne Schlacht.

3. Dein Reich ist nicht von dieser Erden, doch aller Erde Reiche werden dem, das du gründest, untertan. Bewaffnet mit des Glaubens Worten zieht deine Schar nach allen Orten der Welt hinaus und macht dir Bahn.

Gnade und Friede sei mit uns allen von Gott unserm Vater und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Zur Predigt hören wir einige Verse aus dem Loblied der Maria, das sie gesungen hat, als sie hörte, dass sie mit Jesus schwanger ging (Lukas 1, 46-48a.51-53):

Und Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes. Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.

Gott, komm zu uns im Christkind, im wahren und wirklichen Christuskind. Amen.

Liebe Gemeinde!

Die Predigt soll jetzt nicht in ganz andere Richtungen gehen als das, was ich zur Taufe gesagt habe. Ich hatte gesagt: Gott wird ein Kind, er begegnet uns machtlos wie ein Kind, er wird unser Brüderchen, er bedroht und zwingt uns nicht.

Sie werden vielleicht schon vorhin gedacht haben: das habe ich aber früher auch anders gelernt. Und jetzt klingt das, was Maria von Gott sagt, auch nicht gerade freundlich: er zerstreut die Hoffärtigen, er stößt die Gewaltigen vom Thron, er lässt die Reichen leer ausgehen.

Fühlen wir uns bedroht, wenn wir das hören? Können wir von einem Stuhl gestoßen werden, auf dem wir es uns bequem gemacht haben? Gehören wir zu den Reichen, die satt zu essen haben und manchmal auch alles satt haben, die innerlich leer brennen und am Ende sind? Sind wir hoffärtig in dem Sinn, dass wir meinen, wir könnten ganz gut ohne Gott leben?

Vielleicht müssen sich von Gott alle die bedroht fühlen, die meinen, dass sie etwas zu verlieren haben. Gehören wir nicht auch dazu? Nicht weil Gott selbst uns bedroht. Aber wir können es nicht fassen, dass Gott uns gegenüber tritt als ein wehrloses, bedürftiges Kind – später als ein aus freien Stücken armer, waffenloser Mann. Gott kommt uns weltfremd vor – und gefährlich. Denn es heißt schon im Adventslied: „Und wer dies Kind mit Freuden umfangen, küssen will, muss vorher mit ihm leiden groß Pein und Marter viel.“

Kein Wunder, dass es die Armen, die Niedrigen, die Verachteten leichter haben, Gott zu verstehen. Maria gibt uns in ihrem Lobgesang ein Beispiel. Sie war eine arme Frau aus einer kleinen Handwerksstube, aus einem dunklen Bezirk der Welt, wo Sorge und Elend zu Hause waren. Martin Luther hat es plastisch in seinen Predigten ausgemalt, wie Maria eben nicht die Tochter des Hannas oder des Kaiphas oder des Herodes war und nicht in einem der wohlhabenden Häuser Jerusalems aufgewachsen war, wie Maria eben nicht eine schöne, gebildete und begüterte Frau aus der Schicht der oberen Zehntausend war, die sorglos in den Tag hineinleben konnte, sondern eine einfache Frau aus dem Volk, beladen mit all den Nöten und Ängsten, die einer hat, der von der Hand in den Mund leben muss. Maria hatte ein schweres Leben, und die Botschaft des Engels Gabriel an sie, dass sie dem Sohn Gottes das Leben schenken sollte, hat sie auch nicht in ein schönes Märchenidyll entrückt.

Sie wird begnadet, die Mutter unseres Herrn zu werden. Aber diese Begnadung doch nicht im menschlichen Sinne ein strahlendes Glück, sondern ruft Maria auf einen Weg voller Schmerzen. Sie wird unterwegs, sozusagen auf der Landstraße, unter elenden Verhältnissen ihrem Sohn das Leben schenken müssen. Sie wird als Mutter oft zurückstehen, weil ihr Sohn seinen Weg gehen muss. Sie wird in der Stunde der Hinrichtung Jesu auf Golgatha den unsäglichen mütterlichen Schmerz und zugleich jene Ächtung von den Umstehenden erfahren, die immer das Schicksal der Mutter eines Hingerichteten ist. Und dennoch lobt Maria Gott! Dennoch sagt Maria in einer tiefen Freude ja zu unserem Gott, der so seltsame und fremdartige Wege geht, dass er sie, die unbekannte Frau aus dem Volk, begnadet, die Mutter seines Sohnes zu werden.

Warum kann sich Maria so freuen? Sie weiß, dass sie trotz ihrer Armut, trotz ihrer Schmerzen, trotz ihres schweren Schicksals, das ihr nicht abgenommen wird, bei Gott nicht verlieren kann. Gott braucht sie, um als Kind zur Welt zu kommen. An ihrem Sohn wird sie bestätigt finden, dass Gott ein Gott der Armen und Niedrigen ist. Er wird demütig den Menschen dienen, er wird die Kinder in den Arm nahmen und streicheln, er wird sich für die Kranken und Behinderten Zeit nehmen, er wird sich mit den unter die Räder gekommenen und verachteten Leuten an einen Tisch setzen, er wird ein Freund der Bettler sein, aber auch einer, der sich mit verachteten Reichen, wie den Zöllnern, einlässt. Er wird sich nicht wehren, wenn man ihm Gewalt antut, und wird in äußerster Schande und Armut sterben. So ist unser Gott.

Wenn wir Gott anders sehen, ist es ein falscher Gott, ein Götze. Vor diesem Gott, dem Vater Jesu, hat alle Hoffart, alle Gewalt und aller Reichtum an Geld und Einfluss jeden entscheidenden Sinn verloren. Wenn Gott selber seine Allmacht, seine Größe nicht dazu gebrauchen wollte, sich durchsetzen, dann hat auch jeder begrenzte Anteil von Macht und Einfluss, den wir von ihm überlassen bekommen haben, im Grunde nur dann einen Sinn, wenn wir ihn auch nicht für uns selbst einsetzen. Gott macht es uns vor, für andere da zu sein, indem er für uns da ist. Wir brauchen es ihm nur nachzumachen.

Advent und Weihnachten können wir viel einfacher feiern, wenn wir uns auf diesen Gott konzentrieren. Wir brauchen nicht unseren Stress und unsere Hektik noch zu verstärken, indem wir meinen, von unserer Betriebsamkeit hinge der Erfolg von Weihnachten ab.

Nein, das Entscheidende an Weihnachten wird uns geschenkt. Z. B. wenn wir uns darauf konzentrieren, wie Gott für uns da ist. Wo er uns Menschen schenken will, die uns etwas Gutes tun. Wie er uns nicht überfordern will und sich Sorgen um uns macht, wenn wir uns meinen, allein herumquälen zu müssen. Etwas anders wird uns Weihnachten auch geschenkt, wann wir in einem anderen Menschen einen erkennen, der uns braucht, und wenn wir uns erinnert fühlen, dass Gott selbst in dem Kind in der Krippe auch Hilfe gebraucht hat. So können wir auch als Erwachsene wieder auf Begegnungen mit dem Christkind warten, mit Menschen, die uns zum Christkind werden, in denen wir den Gott erkennen, der uns brauchen will, oder auch mit dem Christus, der uns unsichtbar begleitet, und zwar jeden Tag, bis an das Ende der Welt. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied EKG 200, 5-8 (EG 308):

5. Der Menschen Hoffart muss vergehn, mag nicht vor deiner Hand bestehn; wer sich verlässt auf seine Pracht, dem hast du bald ein End gemacht.

6. Du machst zunicht der Menschen Rat, das sind, Herr, deine Wundertat’; was sie gedenken wider dich, das geht doch allzeit hinter sich.

7. Wer niedrig ist und klein geacht’, an dem übst du dein göttlich Macht und machst ihn einem Fürsten gleich, die Reichen arm, die Armen reich.

8. Das tust du, Herr, zu dieser Zeit, gedenkest der Barmherzigkeit; Israel willst du Hilfe tun durch deinen auserwählten Sohn.

Lasst uns beten!

Gott, viele haben für dich nur ein mitleidiges Lächeln übrig. Viele meinen, alles ohne dich viel besser machen zu können. Andere denken, auch mit dir nichts anders machen zu können. Herr, komm selbst in unser Herz. Befreie uns von unserem Hochmut, von unserer hoffärtigen Art, die dir nichts zutraut.

Gott, wir leiden unter den Zwängen von Drohung und Gegendrohung, von Konkurrenzkampf und Leistungsdruck, von Arbeitsüberlastung oder Überflüssigsein. Gib uns einen neuen Mittelpunkt in unseren Leben, von dem aus wir neuen Mut und neue Kraft gewinnen, die Herausforderungen unseres Alltags anzunehmen. Mach uns frei, dass wir mehr Vertrauen wagen können, statt immer alles unter Kontrolle halten zu müssen.

Wir bitten dich, Herr: Mach uns bereit, mit den Armen der Welt zu teilen. Mach uns bereit, unsere Vorurteile abzubauen. Mach uns offen für andere Menschen. Mach uns bereit für klärende Gespräche. Lass uns einander annehmen, auch auf unserem Fest. Hilf uns, dass wir diese Welt zu einen Platz gestalten, in dem auch unsere Kinder und Enkel groß werden können und gerne leben. Amen.

Vater unser
Lied EKG 6, 5 (EG 1):

5. Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. Ach zieh mit deiner Gnade ein; dein Freundlichkeit auch uns erschein. Dein Heilger Geist uns führ und leit den Weg zur ewgen Seligkeit. Dem Namen dein, o Herr, sei ewig Preis und Ehr.

Abkündigungen und Segen

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