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Trügerische Stärke der Helden und der Rosse

Damals hatten die Feldherren eine neue Waffe entdeckt: nämlich Streitwagen, die von Pferden gezogen wurden. Aber nach Psalm 33 ist nicht der stark, der einen Gegner besiegen, töten, vernichten kann, sondern der, der vom Tode erretten kann, der Leben erhält, der den Hunger besiegt, der Gerechtigkeit schafft.

Ein Kriegsheld auf einem seiner Rosse in vollem Galopp
Wie weit reicht die Macht der Streitrosse und Kriegshelden? (Bild: Eduardo DavadPixabay)

#predigtGottesdienst am 10. Sonntag nach Trinitatis, den 30. Juli 1989 um 9.30 Uhr in der Kapelle der Landesnervenklinik Alzey

Ich begrüße Sie herzlich im Gottesdienst in unserer Kapelle! Heute werde ich einmal über einen Psalm predigen, den Psalm 33, das ist ein altes Lied über Gottes Allmacht und Güte, ein altes Gebet zu dem Gott, der im Himmel wohnt und alles sieht. Viele haben Schwierigkeiten, an solch einen allmächtigen, gütigen Gott zu glauben – dazu hören Sie mehr in der Predigt.

Zu Beginn singen wir das bekannte Loblied für den allmächtigen Gott, Lied 234, 1-4:

Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren, meine geliebete Seele, das ist mein Begehren. Kommet zuhauf, Psalter und Harfe, wacht auf, lasset den Lobgesang hören!

Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret, der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet, der dich erhält, wie es dir selber gefällt; hast du nicht dieses verspüret?

Lobe den Herren, der künstlich und fein dich bereitet der dir Gesundheit verliehen, dich freundlich geleitet. In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet.

Lobe den Herren, der deinen Stand sichtbar gesegnet, der aus dem Himmel mit Strömen der Liebe geregnet. Denke daran, was der Allmächtige kann, der dir mit Liebe begegnet.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“
Psalm 33:

4 Des HERRN Wort ist wahrhaftig, und was er zusagt, das hält er gewiss.

5 Er liebt Gerechtigkeit und Recht; die Erde ist voll der Güte des HERRN.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, deine Allmacht können wir leicht missverstehen. Wir denken an menschliche Herrscher, die unterdrücken und ausbeuten, die ihren Willen mit Gewalt durchsetzen, und dann meinen wir: du bist genauso, nur viel stärker. Oder wir meinen: wenn du allmächtig wärst, dann müsstest du viel stärker sein. Doch in Wirklichkeit bist du nicht so. Du bist auf Erden kein starker Mann gewesen, keiner, der seinen Willen brutal durchgesetzt hätte. Du bist auch keiner, der uns zum Glauben zwingt. Wehrlos, sehr verletzbar, hast du unter uns gelebt, und hast uns gezeigt, worin wahre Stärke besteht. Stark bist du als der Liebende, der selbst seine Feinde lieben kann, der selbst uns lieben kann, wenn wir dich vergessen, wenn wir dir zu wenig zutrauen, wenn wir dir Unrecht tun. Stark bist du als der, der uns Geborgenheit schenkt. Stark bist du als der, der unsere Angst überwindet. Gott, schenke uns ein Stück von deiner Kraft, ein Stück von deiner Liebe, schenke uns Glauben und neues Vertrauen! Das erbitten wir von dir im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören aus dem Evangelium nach Matthäus 5, 1-10, eine Lesung, in der Jesus sagt, wer in Gottes Augen selig ist, das heißt, wer übergroßen Grund zur Freude hat; vielleicht werden Sie staunen und es nicht glauben wollen, aber Jesus verbürgt sich dafür, es ist wahr:

Als [Jesus] das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich; und seine Jünger traten zu ihm. Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:

Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.

Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.

Selig sind die Sanftmütigen; denn sie sollen das Erdreich besitzen.

Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.

Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.

Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.

Selig sind, die Frieden schaffen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.

Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.

Lied 205, 1-4:

Lob Gott getrost mit Singen, frohlock, du christlich Schar! Dir soll es nicht misslingen, Gott hilft dir immerdar. Ob du gleich hier musst tragen viel Widerwärtigkeit: noch sollst du nicht verzagen; er hilft aus allem Leid.

Dich hat er sich erkoren, durch sein Wort auferbaut, bei seinem Eid geschworen, dieweil du ihm vertraut, dass er deiner will pflegen in aller Angst und Not, deine Feind niederlegen, die schmähen dich mit Spott.

Kann und mag auch verlassen ein Muttr ihr eigen Kind und also gar verstoßen, dass es kein Gnad mehr findt? Und ob sichs möcht begeben, dass sie so gar abfiel: Gott schwört bei seinem Leben, er dich nicht lassen will.

Darum lass dich nicht schrecken, o du christgläubge Schar! Gott wird dir Hilf erwecken und dein selbst nehmen wahr. Er wird seim Volk verkünden sehr freudenreichen Trost, wie sie von ihren Sünden sollen werden erlöst.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Zur Predigt hören wir den Psalm 33, 1-22:

1 Freuet euch des HERRN, ihr Gerechten; die Frommen sollen ihn recht preisen.

2 Danket dem HERRN mit Harfen; lobsinget ihm zum Psalter von zehn Saiten!

3 Singet ihm ein neues Lied; spielt schön auf den Saiten mit fröhlichem Schall!

4 Denn des HERRN Wort ist wahrhaftig, und was er zusagt, das hält er gewiss.

5 Er liebt Gerechtigkeit und Recht; die Erde ist voll der Güte des HERRN.

6 Der Himmel ist durch das Wort des HERRN gemacht und all sein Heer durch den Hauch seines Mundes.

7 Er hält die Wasser des Meeres zusammen wie in einem Schlauch und sammelt in Kammern die Fluten.

8 Alle Welt fürchte den HERRN, und vor ihm scheue sich alles, was auf dem Erdboden wohnet.

9 Denn wenn er spricht, so geschieht’s; wenn er gebietet, so steht’s da.

10 Der HERR macht zunichte der Heiden Rat und wehrt den Gedanken der Völker.

11 Aber der Ratschluss des HERRN bleibt ewiglich, seines Herzens Gedanken für und für.

12 Wohl dem Volk, dessen Gott der HERR ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat!

13 Der HERR schaut vom Himmel und sieht alle Menschenkinder.

14 Von seinem festen Thron sieht er auf alle, die auf Erden wohnen.

15 Er lenkt ihnen allen das Herz, er gibt acht auf alle ihre Werke.

16 Einem König hilft nicht seine große Macht; ein Held kann sich nicht retten durch seine große Kraft.

17 Rosse helfen auch nicht; da wäre man betrogen; und ihre große Stärke errettet nicht.

18 Siehe, des HERRN Auge achtet auf alle, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen,

19 dass er sie errette vom Tode und sie am Leben erhalte in Hungersnot.

20 Unsre Seele harrt auf den HERRN; er ist uns Hilfe und Schild.

21 Denn unser Herz freut sich seiner, und wir trauen auf seinen heiligen Namen.

22 Deine Güte, HERR, sei über uns, wie wir auf dich hoffen.

Liebe Gemeinde!

„Freuet euch des HERRN! Danket dem HERRN! Lobsinget ihm! Singet ihm ein neues Lied! Spielt schön auf den Saiten mit fröhlichem Schall!“ So fängt der 33. Psalm an.

Ich weiß nicht, ob Sie sich da gleich alle angesprochen fühlen. Wer kann das schon, auf Kommando fröhlich sein. Auf eine Aufforderung hin Dankbarkeit empfinden. Wer kann neue Lieder singen, wenn er nicht aus seiner alten Haut heraus kann, wenn ihm die immer gleichen Probleme im Nacken sitzen? Wer kann mit Spaß und Freude Musik machen, wenn ihm nicht danach ist?

Offensichtlich spricht da einer, der von Gott begeistert ist, dessen Mund überläuft, weil sein Herz voll ist – voll von Dankbarkeit und Lob für Gott, voll von Freude, weil Gott ihm geholfen hat. Und er will nun auch andere anstiften, es ihm gleich zu tun.

Wen redet der Psalmdichter überhaupt an? „Freuet euch des HERRN, ihr Gerechten!“ ruft er, „die Frommen sollen ihn recht preisen!“ Wobei Fromme und Gerechte nicht absolut vollkommene Menschen sind, sondern solche, die auf der Suche sind, auf der Suche nach Gerechtigkeit, auf der Suche nach Gott. Fromm und gerecht, das sind Leute, die wissen, dass sie nicht ohne Gott auskommen können. Leute, die so wie wir hier zusammenkommen, um zu Gott zu beten, Gottes Wort zu hören und nach Gott zu fragen.

Der Psalmdichter redet also auch uns an, auch uns hier in der Alzeyer Landesnervenklinik, hier in der Kapelle, heute im Gottesdienst. Uns ruft er zu: „Freut euch des HERRN! Singt ihm ein neues Lied!“

Welchen Grund sollten wir haben, uns zu freuen? Welchen Grund, ein neues Lied zu singen? Des HERRN sollen wir uns freuen? Wegen Gott Freude empfinden – um Gottes willen!

Der Psalmdichter zählt eine Menge Gründe auf, weshalb er sich um Gottes willen freut. Gründe. Keine Beweise. Nein, er kann nicht beweisen, dass Gott auch uns hilft. Aber er kann von seinen eigenen Erfahrungen reden. Wie Gott ihm geholfen hat. Und als erstes sagt er uns: Man kann sich auf Gott verlassen. „Denn des HERRN Wort ist wahrhaftig, und was er zusagt, das hält er gewiss.“ Gewissheit, das ist keine Sicherheit, die aus Beweisen kommt. Gewissheit, das ist ein Vertrauen zu Gott, das man wagt und das nicht enttäuscht wird.

Wie kommt der Psalmdichter zu so einem Vertrauen? Für ihn ist es keine Frage: Gott ist die höchste Macht, die es überhaupt gibt. Ohne Gott wäre er selbst nicht da, ohne Gott gäbe es die Menschen nicht, ohne Gott gäbe es noch nicht einmal den Himmel und die Erde. Wir würden heute sagen: Ohne Gott wäre auch das Weltall nicht da. „Der Himmel ist durch das Wort des HERRN gemacht“, sagt der biblische Dichter, „und alle Kräfte des Weltalls durch den Hauch seines Mundes. Er hält die Wasser des Meeres zusammen wie in einem Schlauch und sammelt in Kammern die Fluten.“ Deshalb wäre es für den Psalmdichter unmöglich, ohne Gott zu leben, und er versteht nicht, wie man einfach Gott vergessen kann. „Alle Welt fürchte den HERRN“, ruft er aus, „und vor ihm scheue sich alles, was auf dem Erdboden wohnet.“

Achten wir auch einmal darauf, wie der Dichter die Macht Gottes hier beschreibt: Nicht als eine körperliche Kraft, nicht als brutale Gewalt, sondern als die aufbauende Macht seines Wortes, eine sanfte Kraft. Gottes Wort genügt, um den Himmel zu schaffen, der „Hauch seines Mundes“ reicht aus, um alle Kräfte und Mächte des ganzen Weltalls ins Leben zu rufen.

Wenn wir uns das richtig vorstellen, nämlich so, dass Gott unser Weltall nach seinen Gedanken und Plänen entstehen ließ, nach kunstvoll aufeinander abgestimmten Gesetzen, die wir Menschen längst noch nicht alle erforscht haben, und zugleich in einer fast unvorstellbaren Freiheit, dann können auch wir modernen Menschen noch an die Schöpfung der Welt durch Gott glauben. „Wenn er spricht, so geschieht’s“, davon ist der Psalmdichter überzeugt, „wenn Gott gebietet, so steht’s da.“ Nach diesen Worten ist Gott die übergroße Macht und Kraft, die selbst unser unvorstellbar großes Weltall schaffen konnte – und geschaffen hat. Gott hält die Welt in seiner Hand, so können wir dann mit einem bildlichen Ausdruck sagen. Und das heißt: Er umfasst nicht nur unsere Erde, sondern das ganze Weltall.

Nun müsste der Glaube an einen so starken, einen so großen Gott nicht unbedingt ein Grund zur Freude sein. Man könnte ja auch Angst vor ihm bekommen. Aber der Dichter des Psalms ist davon überzeugt, dass der Schöpfer des Weltalls ein guter, ein gerechter Gott ist: „Er liebt Gerechtigkeit und Recht; die Erde ist voll der Güte des HERRN.“ Auch wenn es manchmal so aussieht, als ob die Frechheit der gottlosen Menschen in der Welt siegt, als ob das Unrecht die Oberhand behält, der Psalmdichter weiß es besser: „Der HERR macht zunichte der Heiden Rat und wehrt den Gedanken der Völker. Aber der Ratschluss des HERRN bleibt ewiglich, seines Herzens Gedanken für und für.“ Das Unrecht in der Welt ist für ihn kein Grund, sich von Gott abzuwenden; ohne Gott gehen ganze Völker zugrunde; aber „wohl dem Volk, dessen Gott der HERR ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat!“

Israel war das erste, das ursprüngliche Volk, das Gott erwählt hat. Es war kein vollkommenes Volk, aber ein von Gott geliebtes Volk, das mit Gott seine Erfahrungen machte. Israel lebte zwischen Glauben und Zweifel, zwischen Recht und Unrecht, zwischen glücklichen Zeiten und Zeiten des Leidens. Es war ein Volk, das Gott viel zu danken hatte, das aber auch den Zorn Gottes zu spüren bekam, den es als Strafe für seinen Ungehorsam empfand. „Wohl dem Volk, dessen Gott der HERR ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat!“ – das hat damals dem Volk Israel gegolten, und diese Zusage ist bis heute nicht aufgehoben; niemals hat Gott die Juden verdammt, niemals hat Gott ihnen seine Liebe entzogen.

Aber Erwählung schließt bei Gott niemanden aus. Aus dem Volk Israel stammte der eine von Gott Erwählte, der alle Menschen zu Gottes Kindern machen wollte: Jesus. Auch wir als Christen, die an Jesus Christus glauben, gehören zum Volk Gottes, zu den Menschen, die Gott erwählt, zu den Menschen, die er lieb hat.

Wenn wir noch einmal in den Psalm 33 schauen, dann merken wir: Die Liebe Gottes zu allen Menschen ist auch dort schon ausgedrückt – in Worten, die uns vielleicht vertraut vorkommen – im Bild von dem im Himmel thronenden Gott, der auf die Erde herabschaut: „Der HERR schaut vom Himmel und sieht alle Menschenkinder. Von seinem festen Thron sieht er auf alle, die auf Erden wohnen. Er lenkt ihnen allen das Herz, er gibt acht auf alle ihre Werke.“ Und Gott schaut nicht als Weltpolizist herunter auf die Erde, der nur darauf aufpasst, was wir alles falsch machen, nein, der Psalmdichter weiß es anders: „Siehe, des HERRN Auge achtet auf alle, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen, dass er sie errette vom Tode und sie am Leben erhalte in Hungersnot.“

Gott will vom Tode erretten, will am Leben erhalten. Er will nicht, dass wir verhungern, auch nicht seelisch. Gott sieht alles, das heißt nicht: Gott achtet vor allem auf unsere Fehler. Nein, Gott achtet auf alle, „die auf seine Güte hoffen“. Gott begleitet uns in guten und in schweren Zeiten, Gott bangt mit uns, ob wir aus unserem Unglück herauskommen, Gott ringt mit uns, dass wir uns helfen lassen, dass wir uns von ihm leiten lassen.

Viele verstehen das falsch. „Er lenkt ihnen allen das Herz“ – sind wir dann nicht Gottes Marionetten, Gottes Puppen, die an unsichtbaren Fäden nach seiner Pfeife tanzen? Gott lenkt uns anders. Man kann ein Herz nicht zwingen, in einer bestimmten Richtung zu fühlen und zu empfinden, einen bestimmten Willen zu haben. Man kann einem Menschen wohl den Willen brechen, aber das tut Gott nicht. Er leitet unser Herz auf sanfte Weise, im Kleinen so, wie er auch die Welt im Großen geschaffen hat: Durch sein Wort, „durch den Hauch seines Mundes“.

Den „Hauch seines Mundes“ – wie leicht überhören wir ihn. „Das Wort des HERRN“ – wie leicht wird es übertönt von lauteren Stimmen und Geräuschen. Die sanfte Kraft Gottes, die nicht gewaltsam von uns Besitz ergreift – wie leicht geschieht es, dass wir sie gar nicht spüren, weil sie nicht daherkommt mit Muskelkraft und Angeberei.

Das weiß auch der Psalmdichter, und deshalb erinnert er daran, dass wir Menschen uns oft auf eine falsche Stärke verlassen. „Einem König hilft nicht seine große Macht; ein Held kann sich nicht retten durch seine große Kraft. Rosse helfen auch nicht; da wäre man betrogen; und ihre große Stärke errettet nicht.“ Es war damals gerade die Zeit, als die Feldherren eine neue Waffe entdeckt hatten: nämlich Streitwagen, die von Pferden gezogen wurden. Da hieß es: Wir müssen eine Armee mit Pferden ausrüsten, mit Pferden, die man zuvor in Israel gar nicht gekannt hatte, da gab es nur Esel und Kamele und nicht die schnellen Pferde. War nicht ein Land, das Pferde besaß, viel stärker als ein anderes, dessen Soldaten nur zu Fuß kämpfen konnten? Der Psalmdichter hielt von solchen Überlegungen gar nichts: Denn nicht der ist stark, der einen Gegner besiegen, töten, vernichten kann. Vielmehr ist der stark, der vom Tode erretten kann, der Leben erhält, der den Hunger besiegt, der Gerechtigkeit schafft. Und der Stärkste ist der, der seinen Feind lieben kann. Wirklich stark ist der, der es nicht nötig hat, zurückzuschlagen. Wer innerlich stark ist, der kann sich mit Worten wehren, ohne dem anderen wehzutun. Der spürt es zwar, wenn er verletzt wird, und er schluckt es auch nicht einfach herunter, aber er braucht sich nicht zu rächen. Er verliert nicht die Kontrolle über sich.

Aber auch wenn wir an innere Stärke denken, kann es Verwechslungen geben. Innere Stärke ist nicht einfach ein starker Wille. Innere Stärke bedeutet nicht einfach: Sich immer zusammenreißen, die Zähne zusammenbeißen. Das wäre ein Krampf, keine wirkliche Kraft. Wir können nicht allein mit unserem Willen immer die Kontrolle über uns behalten. Wer abhängig ist, z. B. vom Alkohol oder von Tabletten, der muss wissen: Ich bin machtlos gegenüber dem Suchtmittel. Auch eine Depression lässt sich allein mit den eigenen Willenskräften nicht besiegen.

Aber wie kann uns dann Gottes Kraft helfen, seine sanfte Kraft, die nur wie ein „Hauch“ ist?

Das kann z. B. so sein: Seine Kraft ist eine sanfte Stärke, die uns auch festhält, wenn wir schwach sind. Er hält uns sozusagen von innen fest, so dass wir uns auch einmal gehen lassen können, ohne dass wir ins Bodenlose fallen.

Es kann auch so sein: Im Vertrauen auf Gottes sanfte Kraft lassen wir los, was wir so gern krampfhaft festhalten. Wir lassen eine falsche Stärke los, mit der wir unser Gesicht, unsere Fassade wahren. Wir lassen eine falsche Stärke los, die unser bisschen Energie, die wir noch haben, ständig auffrisst. Wir lassen unsere vielen Sorgen los, die wir doch nicht allein bewältigen können. Wir werfen alle unsere Sorge auf Gott, denn er sorgt für uns. Loslassen, uns öffnen für Gottes sanfte Kraft, das fällt vielen ungeheuer schwer, aber nur wer loslässt, kann neue Kraft empfangen.

Es kann auch so sein: Wenn wir wissen, wann wir leicht die Kontrolle über uns verlieren, vermeiden wir es, in solche Situationen zu kommen. Wer abhängig ist vom Alkohol, entscheidet sich dafür: ich trinke keinen Tropfen. Und wenn es mir schwerfällt, das durchzuhalten, dann gehe ich in eine Gruppe, die mir dabei hilft. Z. B. in einen Freundeskreis für Suchtgefährdete oder zu den Anonymen Alkoholikern.

Und was ist, wenn ich einfach kein Vertrauen zu Gott habe? Wenn ich nie gelernt habe, zu irgendwem Vertrauen zu haben? Oder wenn ich schon so oft enttäuscht worden bin? Dann habe ich es nötig, vertrauen zu lernen. Dann muss ich herausfinden, warum ich das nicht gelernt habe und warum ich so viele Schwierigkeiten damit habe. Ich weiß, dass man das lernen kann. Psychotherapie nennt man das, eine anstrengende Sache, aber auch ein guter Weg, um Gottes sanfte Kraft an sich heranlassen zu können.

Viele Wege gibt es, auf denen Gott uns helfen kann. Er lenkt unser Herz auf sanfte Weise, aber vielleicht müssen wir von alten Gewohnheiten Abschied nehmen, um seine lenkende Hand überhaupt zu spüren. Manchmal schickt Gott uns auch Menschen, die uns helfen, die uns zu neuen Einsichten führen wollen – aber annehmen müssen wir die Hilfe selber, neue Einsichten können uns nicht einfach übergestülpt werden, sondern wir müssen sie selber akzeptieren können. Deshalb ist Hilfe manchmal ein langer, schmerzhafter Prozess.

Wenn dann aber ein Durchbruch geschafft ist, wenn wir wieder einen Funken Hoffnung sehen, wenn ein Weg vor uns liegt, den wir gehen können, oder auch nur der nächste Schritt, dann können wir uns wirklich von Herzen freuen. Und wenn es noch nicht so weit ist, dann ist es vielleicht schon ein Grund zur Freude, dass wir nicht ganz allein sind. Dass hier und da ein Mensch es gut mit uns meint, dass wir nicht ganz verlassen sind, und vor allem, dass Gott es gut mit uns meint. Dann können wir mit dem Dichter der Bibel seinen Psalm zu Ende beten: „Unsre Seele harrt auf den HERRN; er ist uns Hilfe und Schild. Denn unser Herz freut sich seiner, und wir trauen auf seinen heiligen Namen. Deine Güte, HERR, sei über uns, wie wir auf dich hoffen.“ Amen.

Und der Friede Gottes, der viel größer ist, als unser Denken und Fühlen erfassen kann, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied 276, 1-2+5+8+9:

Geht hin, ihr gläubigen Gedanken, ins weite Feld der Ewigkeit, erhebt euch über alle Schranken der alten und der neuen Zeit; erwägt, dass Gott die Liebe sei, die ewig alt und ewig neu.

Der Grund der Welt war nicht geleget, der Himmel war noch nicht gemacht, so hat Gott schon den Trieb geheget, der mit das Beste zugedacht; da ich noch nicht geschaffen war, da reicht er mir schon Gnade dar.

Wie wohl ist mir, wenn mein Gemüte hinauf zu dieser Quelle steigt, von welcher sich ein Strom der Güte zu mir durch alle Zeiten neigt, dass jeder Tag sein Zeugnis gibt: Gott hat mich je und je geliebt.

Im sichern Schatten deiner Flügel find ich die ungestörte Ruh. Der feste Grund hat dieses Siegel: „Wer dein ist, Herr, den kennest du“. Lass Erd und Himmel untergehn, dies Wort der Wahrheit bleibet stehn.

Wenn in dem Kampfe schwerer Leiden der Seele Mut und Kraft gebricht, so salbest du mein Haupt mit Freuden, so tröstet mich dein Angesicht; da spür ich deines Geistes Kraft, die in der Schwachheit alles schafft.

Gott, deine Kraft ist in den Schwachen mächtig! Darum hilf auch uns! Hilf uns, unsere Sorgen auf dich zu werfen, hilf uns, mit unserem fruchtlosen Grübeln aufzuhören, hilf uns, unsere Angst zu überwinden! Schenke uns neue Kraft, und zeige uns den Weg, den wir gehen können!

Alles, was uns heute bewegt, schließen wir im Gebet Jesu zusammen:

Vater unser
Lied 141, 3:

Unsern Ausgang segne Gott, unsern Eingang gleichermaßen, segne unser täglich Brot, segne unser Tun und Lassen, segne uns mit selgem Sterben und mach uns zu Himmelserben.

Und nun lasst uns mit Gottes Segen in den Sonntag und in die neue Woche gehen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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