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„Dass dein Glaube nicht aufhöre!“

Petrus hat nicht nur Jesu Fürbitte nötig: er wird sich bekehren müssen. Der Glaube seines eifrigsten Gefährten wird nicht ausreichen, wenn es hart auf hart kommt, gerade weil er so draufgängerisch ist, ohne Selbstzweifel. Aber nicht nur seinen Abfall vom Glauben sieht Jesus voraus, sondern auch seine Umkehr. Nicht mit Zynismus spricht er von seinem Kleinglauben, sondern mit barmherziger Liebe.

Weizenkörner, die aus dem Mähdrescher herausgepustet werden
Wie Weizenkörner soll gesiebt werden, wer Jesus nachfolgen will (Bildausschnitt: CouleurPixabay)
direkt-predigtGottesdienst um halb 6 in Paulus an Neujahr, Samstag, den 1. Januar 2005, um 17.30 Uhr in der Pauluskirche Gießen

Guten Abend, liebe Gemeinde!

Ich begrüße alle herzlich im ersten Gottesdienst im Neuen Jahr „um halb 6 in Paulus“ mit dem Text der Jahreslosung für 2005. Jesus Christus spricht (Lukas 22, 32):

Ich … habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.

Unser „Team halb 6“ hat sich für diesen Gottesdienst über die Jahreslosung Gedanken gemacht und ihn unter das Thema gestellt: „Dass dein Glaube nicht aufhöre!“

Den ersten Gottesdienst im Monat feiern wir auch heute mit dem Heiligen Abendmahl, allerdings etwas anders als sonst.

An Stelle der Eingangsliturgie singen wir im Wechsel mit Texten und Gebeten das Lied 58, zuerst die Strophen 1 bis 3:

1. Nun lasst uns gehn und treten mit Singen und mit Beten zum Herrn, der unserm Leben bis hierher Kraft gegeben.

2. Wir gehn dahin und wandern von einem Jahr zum andern, wir leben und gedeihen vom alten bis zum neuen

3. durch so viel Angst und Plagen, durch Zittern und durch Zagen, durch Krieg und große Schrecken, die alle Welt bedecken.

Wir feiern unseren Gottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Paul Gerhardt hatte das Lied, das wir gesungen haben, kurz nach dem 30jährigen Krieg gedichtet; aktuell geblieben ist noch 350 Jahre später seine Erinnerung an „Krieg und große Schrecken, die alle Welt bedecken“.

Ein neues Jahr hat begonnen, doch die Schrecken des alten Jahres lassen uns nicht los. Die furchtbare Seebeben- und Tsunami-Katastrophe, die am 2. Weihnachtsfeiertag über Südostasien hereingebrochen ist, erschüttert die Welt noch immer; wieder einmal wird uns bewusst, wie zerbrechlich unser Leben auf der dünnen Erdkruste unseres kleinen Planeten ist.

Wir singen Strophe 4 und 5:

4. Denn wie von treuen Müttern in schweren Ungewittern die Kindlein hier auf Erden mit Fleiß bewahret werden,

5. also auch und nicht minder lässt Gott uns, seine Kinder, wenn Not und Trübsal blitzen, in seinem Schoße sitzen.

Am Anfang eines Neuen Jahres kommen wir in der Kirche zusammen und dürfen, bildlich gesprochen, wie Kinder in Gottes Schoß sitzen, „wenn Not und Trübsal blitzen“.

Die Schrecken hinter uns sind nicht bewältigt, sie lassen ahnen, dass niemand auf dieser Erde sicher vor künftigen Katastrophen ist. Hinzu kommen ganz gewöhnliche Sorgen und Ungewissheiten des Lebens, die viele von uns nicht zuletzt durch das Inkrafttreten der Hartz-IV-Gesetze am heutigen Tage auf sich zukommen sehen. Werden die politischen Reformen die massiven sozialen Probleme unseres Landes bändigen oder verschärfen? Niemand weiß es bis heute. Gut dran ist jedenfalls, wer sich nicht allein auf Menschen verlässt.

Wir singen Strophe 6 und 7:

6. Ach Hüter unsres Lebens, fürwahr, es ist vergebens mit unserm Tun und Machen, wo nicht dein Augen wachen.

7.Gelobt sei deine Treue, die alle Morgen neue; Lob sei den starken Händen, die alles Herzleid wenden.

Ewiger Gott, wir wenden uns zu dir, nicht um aus der Welt zu fliehen, sondern um es mit dieser Welt auszuhalten, um Leid zu lindern und zu verhindern, um Verantwortung zu übernehmen, damit nicht noch mehr Unrecht geschieht und Unfrieden um sich greift. Wir bitten dich um Freude mitten im Leid, um Geduld in der Sehnsucht nach Liebe und um Frieden nach viel zu viel Krieg und Gewalt.

Wir singen Strophe 8 bis 10:

8. Lass ferner dich erbitten, o Vater, und bleib mitten in unserm Kreuz und Leiden ein Brunnen unsrer Freuden.

9. Gib mir und allen denen, die sich von Herzen sehnen nach dir und deiner Hulde, ein Herz, das sich gedulde.

10. Schließ zu die Jammerpforten und lass an allen Orten auf so viel Blutvergießen die Freudenströme fließen.

Wir wollen uns heute mit der Jahreslosung für 2005 aus Lukas 22, 32 beschäftigen, Herr Klimas hat sie bereits vorgelesen:

32 Ich … habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.

Wir betrachten dieses Wort in dem Zusammenhang, in dem es im Lukasevangelium steht; Jesus sagt es nämlich nach der Einsetzung des Heiligen Abendmahls zu Petrus.

In den Tagen zuvor hat Jesus im Tempel wie so oft davon gepredigt, dass Gott nahe ist und er sein Reich aufrichten wird. Und dabei hat er vor drei falschen Erwartungen gewarnt.

1. Wer sich davor fürchtet, sich vor Gott verantworten zu müssen, sollte nicht denken, dass es noch ewig dauert bis zum Ende der Welt.

2. Wer verzweifelt darauf wartet, aus diesem Jammertal befreit zu werden, soll sich nicht dadurch entmutigen lassen, dass es ihm viel zu lange dauert bis zur endgültigen Erlösung.

Und 3. Wer annimmt, das Reich Gottes werde in Form eines Goldenen Zeitalters hier auf Erden anbrechen, etwa auf dem Weg einer Entwicklung zum immer besseren Leben, den enttäuscht Jesus.

Die Worte, die Jesus im 21. Kapitel des Lukasevangeliums sagt, klingen realistisch und nehmen auf, was auch wir an Schrecklichem wahrnehmen in unserer Welt:

9 Wenn ihr aber hören werdet von Kriegen und Aufruhr, so entsetzt euch nicht. Denn das muss zuvor geschehen; aber das Ende ist noch nicht so bald da.

10 Dann sprach er zu ihnen: Ein Volk wird sich erheben gegen das andere und ein Reich gegen das andere,

11 und es werden geschehen große Erdbeben und hier und dort Hungersnöte und Seuchen; auch werden Schrecknisse und vom Himmel her große Zeichen geschehen.

25 Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres,

26 und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.

Es geht nicht darum, aus bestimmten Ereignissen, die heute geschehen, den Termin des Weltuntergangs zu berechnen. Nein, Jesus macht deutlich: Das Reich Gottes beseitigt nicht einfach die Übel auf dieser Erde. Trotzdem ist es nahe. Trotzdem versammeln wir uns in der Kirche, sozusagen „im Schoß Gottes“ um Gottes Wort und fragen nach Hoffnung.

Etwas Ähnliches tut Jesus mit seinen Jüngern (Lukas 22, 1) beim jüdischen

Fest der ungesäuerten Brote, das Passa heißt.

Ihm ist bewusst: Schreckliches passiert nicht nur draußen in der Welt, sondern auch sein Leben ist in Gefahr, denn (Lukas 22, 2)

die Hohenpriester und Schriftgelehrten trachteten danach, wie sie ihn töten könnten.

In dieser Stunde der Ungewissheit setzt sich Jesus mit seinen Jüngern zur Feier des Passa-Lammes zusammen. Davon wird im Evangelium nach Lukas 22 erzählt:

14 Und als die Stunde kam, setzte er sich nieder und die Apostel mit ihm.

15 Und er sprach zu ihnen: Mich hat herzlich verlangt, dies Passalamm mit euch zu essen, ehe ich leide.

16 Denn ich sage euch, dass ich es nicht mehr essen werde, bis es erfüllt wird im Reich Gottes.

Ungewöhnlich ist es, kurz nach Weihnachten an die Einsetzung des Abendmahles zu denken. Wir haben doch noch nicht Gründonnerstag! Aber für die Jünger ist diese Passa-Feier auch ungewöhnlich. Zwar freuen sie sich sicher, als Jesus von seinem Herzenswunsch spricht, das höchste Fest der Juden mit ihnen zu feiern – das erinnert an Weihnachten bei uns. Aber dann sagt er: das wird die letzte Feier mit euch sein, „ehe ich leide“. Mein nächstes Passah-Fest findet erst im Reich Gottes statt! Ob die Freunde Jesu das begreifen? Wollen sie ihn missverstehen? Wie schön, vor Ablauf des nächsten Jahres bricht das Reich Gottes an!

Jesus fährt fort mit den vertrauten Handlungen des jüdischen Passah-Mahles, füllt wie ein Hausvater die Kelche der Jünger und teilt das ungesäuerte Mazzenbrot an sie aus, und wieder überrascht er sie, mitten im vertrauten Ritual, mit ungewöhnlichen Worten:

17 Und er nahm den Kelch, dankte und sprach: Nehmt ihn und teilt ihn unter euch;

18 denn ich sage euch: Ich werde von nun an nicht trinken von dem Gewächs des Weinstocks, bis das Reich Gottes kommt.

19 Und er nahm das Brot, dankte und brach’s und gab’s ihnen und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis.

20 Desgleichen auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird!

Zweimal nimmt Jesus den Kelch, einmal das Brot. Den Kelch am Anfang des Passah-Mahls wird Jesus erst im Reich Gottes wieder trinken. Zum Brotbrechen spricht er die denkwürdigen Worte: „Das ist mein Leib, für euch gegeben.“ Geheimnisvoll sind auch die Worte beim zweiten Austeilen des Kelches: „ein neuer Bund“, „in meinem Blut“, „für euch vergossen“. Begreifen die Jünger, was geschieht? Sie essen, sie trinken, hineingenommen in eine Geschichte, die sie erst später begreifen.

Hier geschieht etwas Gegenläufiges zu unserer altehrwürdigen Abendmahlstradition. Um das Abendmahl zu empfangen, musste man früher bestimmte Bedingungen erfüllen, vor der Konfirmation war es gar nicht erlaubt. Viele hatten Angst, das Abendmahl unwürdig zu empfangen, aufgrund eines oft missverstandenen Wortes von Paulus, der es für unwürdig hielt, dass reiche Christen vor dem Abendmahl in Anwesenheit der Armen erst einmal für sich allein ihr Sättigungsmahl verzehrten. Und hier bei Jesus und seinen Jüngern? Im Grunde erklärt Jesus gar nichts, er dankt und teilt aus und deutet auf ein Geheimnis hin. Was er austeilt, Brot und Kelch, hat mit ihm zu tun, mit seinem Leib, der sterben wird, mit seinem Blut, das er vergießen wird. Der Sohn Gottes, an Weihnachten geboren, wird von Menschen getötet. Doch unbegreiflicherweise steht sein zerstörter Leib und sein vergossenes Blut nicht dafür, dass der Bund zwischen Gott und den Menschen endgültig zerrissen ist. Im Gegenteil: Leib und Blut besiegeln einen neuen Bund zwischen Gott und den Menschen!

Lasst uns ausnahmsweise an dieser Stelle im Gottesdienst, noch vor der Predigt, das Heilige Abendmahl miteinander feiern, so wie es damals die Jünger taten, ziemlich unvorbereitet.

Wir stellen heute die Abendmahlsliturgie um, indem wir das Lied vom Lamm Gottes am Anfang singen. Nicht mehr das Blut von geschlachteten Passah-Lämmern versöhnt uns mit Gott, sondern die Liebe des Sohnes Gottes, der am Kreuz für uns sein Blut vergoss:

Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser. Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser. Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, gib uns deinen Frieden. Amen.

Gott, du nimmst uns an, so wie wir sind. Du findest nicht alles gut an uns und in uns, aber du weist uns nicht zurück. Du liebst uns mit einer unglaublichen Liebe, die wir nicht verdienen. Wir stehen vor dir und bitten dich: Gott, sei mir Sünder gnädig! In der Stille bringen wir vor dich, was unsere Seele belastet:

Beichtstille

Wollt ihr euch auf die Liebe Jesu Christi und auf Gottes Vergebung einlassen, so sagt laut oder leise oder auch still im Herzen: Ja!

Auf euer aufrichtiges Bekenntnis spreche ich euch die Vergebung eurer Sünden zu – im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der Herr sei mit euch. „Und mit deinem Geiste.“

Erhebet eure Herzen! „Wir erheben sie zum Herren.“

Lasset uns Dank sagen dem Herrn, unserem Gott. „Das ist würdig und recht.“

Würdig und recht ist es, den gebrochenen Leib dessen zu empfangen, den wir den Christus nennen: als Mensch geboren zu Bethlehem, verfolgt von Herodes, geflohen nach Ägypten, versucht durch den Teufel, angefeindet durch scheinbar fromme Menschen, die Gott in der eigenen Tasche zu haben meinten.

Würdig und recht ist es, den Kelch des neuen Bundes zu empfangen, der auf Jesus Christus zurückgeht: der Sündern Vergebung zusprach und Selbstgerechte vor den Kopf stieß, der Blinden die Augen öffnete und Gelähmte auf die eigenen Füße stellte, der Leprakranken und blutflussgeplagten Frauen ihre Reinheit zurückgab.

Würdig und recht ist es, miteinander das Abendmahl zu feiern, das uns hier auf Erden verbindet mit Jesus, der zu deiner Rechten sitzt, allmächtiger Vater im Himmel zu dem wir rufen und den wir preisen, du Heiliger Gott:

Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll. Hosianna in der Höhe. Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe.

Wir haben es gehört: Jesus hat uns eingeladen, seinen Leib zu empfangen, mit ihm aus seinem Kelch zu trinken. Wir essen Brot, wir trinken Saft der Weintrauben – wer es will, kommt nach vorn in den Abendmahlskreis; wer es nicht möchte, bleibt sitzen und gehört auch so mit zu unserer Gemeinschaft dazu.

Der Friede des Herrn sei mit euch allen! Kommt, denn es ist alles bereit! Amen.

Austeilung des Abendmahls

Jesus nimmt das Brot, dankt und bricht‘s und gibt es uns und spricht: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis.

Herumreichen des Korbs

Jesus nimmt den Kelch nach dem Mahl und spricht: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird!

Austeilen der Kelche

Jesus spricht: Ich habe mich sehr danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen. Denn ich werde es nicht mehr essen, bis das Mahl seine Erfüllung findet im Reich Gottes. Und ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes kommt.

Bleibt in meinem Frieden und hört auf meine Worte! Amen.

Wir singen nach dem Abendmahl und vor der Predigt das Lied 638:
Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt, damit ich lebe
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde! Warum folgt heute die Predigt erst nach dem Abendmahl? Weil das zur Tischgemeinschaft der Jünger mit Jesus beim letzten Abendmahl passt, wie Lukas davon erzählt. Auch dort wird es erst nach dem Abendmahl so richtig interessant.

Hören wir, was Jesus unmittelbar nach der Einsetzung des Kelches sagt:

21 Doch siehe, die Hand meines Verräters ist mit mir am Tisch.

22 Denn der Menschensohn geht zwar dahin, wie es beschlossen ist; doch weh dem Menschen, durch den er verraten wird!

23 Und sie fingen an, untereinander zu fragen, wer es wohl wäre unter ihnen, der das tun würde.

Nicht genug also, dass damals wie heute Unglück und Katastrophen die Menschen beunruhigen, nicht genug, dass die Jünger ganz konkret Angst vor der Bedrohung durch Jesu Feinde haben: Jetzt äußert Jesus auch noch dieses bittere Wort über einen seiner engsten Freunde. Von der „Hand seines Verräters“ spricht er. Einer aus der Runde seiner Vertrauten, der nach dem Brot greift, den Kelch zum Mund führt, wird die gleiche Hand als Verräter gegen den Freund und Meister ausstrecken. Aber damit nicht genug:

24 Es erhob sich auch ein Streit unter ihnen, wer von ihnen als der Größte gelten solle.

Was ist das für ein undisziplinierter Haufen, diese Jünger! Jesus schenkt ihnen sich selbst, sein Herzblut, und sie wollen ihre Rivalitätskämpfe austragen. Aber urteilen wir nicht voreilig. Wenn wir in uns gehen, erkennen wir: Es gibt auch bei uns Streit und Eifersüchteleien, auch in der Kirche. Vielleicht ist es sogar tröstlich, dass die Menschen der Bibel gar nicht so anders sind als wir – sondern eben menschlich.

Das heißt aber nicht, dass sie einfach so weitermachen sollen wie bisher. Jesus ermahnt sie:

25 Er aber sprach zu ihnen: Die Könige herrschen über ihre Völker, und ihre Machthaber lassen sich Wohltäter nennen.

26 Ihr aber nicht so! Sondern der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste, und der Vornehmste wie ein Diener.

27 Denn wer ist größer: der zu Tisch sitzt oder der dient? Ist’s nicht der, der zu Tisch sitzt? Ich aber bin unter euch wie ein Diener.

Damit beschämt Jesus seine Freunde. Er dient, statt zu herrschen. Eben am Tisch hat er das Brot und den Kelch ausgeteilt. Er hat sie bedient, als seien sie die Herren und er ihr Bediensteter. Das soll Schule machen in unserer Kirche, in unserer Welt, damit es weniger Unrecht gibt, weniger Unterdrückung und viel mehr Frieden.

Noch einiges mehr sagt Jesus den Jüngern bei dieser Gelegenheit. Wir greifen nur noch heraus, was er direkt seinem Jünger Simon Petrus sagt. Vielleicht haben Sie gedacht: Kommt die Jahreslosung denn gar nicht mehr dran in der Predigt? Doch, jetzt kommt sie:

31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.

32 Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.

Hier steht er, der Vers, der zur Jahreslosung für 2005 gewählt worden ist. Eingebettet in zwei andere Sätze steht er da, ein Gebet Jesu für den Glauben seines Jüngers: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Damit setzt Jesus voraus, dass Petrus das Gebet nötig hat, dass sein Glaube bedroht ist. Zugleich wird deutlich, wie persönlich Jesu Beziehung zu seinem Jünger ist. Der Meister betet für den Jünger. Jesus täte es weh, wenn Petrus sein Vertrauen verlöre, wenn er am Leben verzweifelte, verlorenginge.

Die Gefahr, in der er seinen Jünger schweben sieht, unterstreicht Jesus mit dem eindrucksvollen Wort vom Weizen-siebenden Satan; im Griechischen fängt auch noch das Wort „Weizen“ mit einem „s“ an. Wie der Satan im Alten Testament als Ankläger des frommen Hiob dessen Glauben auf eine harte Probe stellen durfte, so versteht Jesus die kommenden Ereignisse, seine Gefangennahme, Folterung und Kreuzigung, als wahrhaft teuflische Infragestellung des Glaubens der Jünger. Jesus versteht, was nicht nur seinem Jünger Petrus, sondern auch unserem Glauben zu schaffen macht: unschuldiges menschliches Leiden in Kriegen und Katastrophen, ganz gleich, ob von Menschen verursacht oder durch „höhere Gewalt“. Woher dieses Leid? Welchen Namen trägt die höhere Gewalt, die Zehntausende von Menschen rund um den Indischen Ozean hat sterben und weitere Millionen verarmen lassen? Ist es ein blindes Schicksal, ist es der Satan oder ist es Gott, der das alles wollte? Jesus deutet an, dass es der Teufel sei, der den Menschen Böses antut, um die Echtheit ihres Gottvertrauens zu prüfen; wer das Buch Hiob kennt, weiß aber, dass der Satan nicht die Macht hätte, so etwas ohne Gottes Einwilligung zu tun. Letzten Endes bleibt offen, woher das Böse kommt und warum Gott es zulässt.

Entscheidend ist: die Macht des Bösen ist nicht zu unterschätzen. Genau das tut allerdings Petrus, wenn er Jesus entgegnet:

33 Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.

Petrus glaubt, dass er nicht auf das Gebet Jesu angewiesen ist. Er baut auf die Stärke seines eigenen Glaubens. Er ist ein tapferer und mutiger Kämpfer für das Reich Gottes und seinen Herrn. Aber Jesus blickt tiefer:

34 Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.

So endet dieser Teil des Gespräches mit Petrus. Schon bald wird Petrus erkennen, wie sehr Jesus ihm gegenüber Recht behält. Petrus lässt seinen Herrn im Stich, sagt sich von ihm los, gerät an den Rand des gleichen Abgrunds, in den Judas nach seinem Verrat gestürzt ist. Doch das Gebet Jesu für Petrus wird erhört werden, wenn auch erst auf einem Umweg. Petrus erlebt zwar eine Nacht, in der sein Glaube nicht trägt, in der er fast ertrinkt im Meer einer ihm völlig unbewussten inneren Angst und Verzweiflung. Aber er bekommt eine zweite Chance und ergreift sie, als er nach der Auferstehung Jesu sich zu seiner Schuld bekennt und Jesu Vergebung annimmt. Das schaut schon jetzt das Wort Jesu voraus:

Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.

Jesus sieht: Petrus hat nicht nur Fürbitte nötig, sondern er wird sich bekehren müssen. Der Glaube seines eifrigsten Gefährten wird nicht ausreichen, wenn es hart auf hart kommt, gerade weil er so draufgängerisch ist und keine Selbstzweifel kennt. Aber nicht nur seinen Abfall vom Glauben sieht Jesus voraus, sondern auch seine Umkehr. Und nicht mit Zynismus spricht er vom Kleinglauben seines Jüngers, sondern mit barmherziger Liebe. So groß ist diese Liebe, dass Jesus dem Petrus die Seelsorge an den anderen Jüngern überträgt. Er, der weiß, wie leicht man den Glauben verlieren kann, soll seine Glaubensgeschwister stärken.

Wir wissen nicht, was uns im Neuen Jahr erwartet. Wird auch uns der Satan sieben wie Saatkörner? Wird auch unser Glaube auf die Probe gestellt? Ist unser Vertrauen stark genug, um ohne Zynismus und Resignation getrost zu leben und anzupacken, was zu tun ist? Es ist gut, wenn wir das Wort Jesu auch auf uns anwenden (Lukas 22, 32):

Ich … habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.

Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen aus dem Lied 58 die Strophen 11 bis 15:

11. Sprich deinen milden Segen zu allen unsern Wegen, lass Großen und auch Kleinen die Gnadensonne scheinen.

12. Sei der Verlassnen Vater, der Irrenden Berater, der Unversorgten Gabe, der Armen Gut und Habe.

13. Hilf gnädig allen Kranken, gib fröhliche Gedanken den hochbetrübten Seelen, die sich mit Schwermut quälen.

14. Und endlich, was das meiste, füll uns mit deinem Geiste, der uns hier herrlich ziere und dort zum Himmel führe.

15. Das alles wollst du geben, o meines Lebens Leben, mir und der Christen Schare zum sel’gen neuen Jahre.

Wir hören Gedanken von Jörg Zink:

Es gibt Menschen, die die Bibel nicht brauchen. Ich gehöre nicht zu ihnen…

Barmherziger Gott, wie du die Bitte Jesu für den Glauben des Petrus gehört hast, so höre auch seine Fürsprache für unseren Glauben. Zeige uns, was du mit uns im Neuen Jahr vorhast, lass unseren Mut nicht sinken, stärke unser Vertrauen und unsere tätige Liebe.

Barmherziger Gott, wir wissen nicht, was wir sagen sollen angesichts der Opfer der furchtbaren Seekatastrophe um den Indischen Ozean. Uns wird bewusst, wie kostbar das Geschenk unseres Lebens auf dieser Erde ist. Tröste die Menschen, die um ihre Angehörigen trauern, und steh denen bei, die alles verloren haben und ganz von vorn anfangen müssen.

Barmherziger Gott, hilf uns, mit den Herausforderungen in unserer eigenen Gesellschaft klug und mit Sinn für Gerechtigkeit umzugehen: dass die nicht vergessen werden, die durch Hartz IV in Armut geraten, dass mit Tatkraft und Phantasie wieder Arbeitsplätze geschaffen statt zerstört werden, dass wir weniger jammern und mehr Verantwortung übernehmen. Hilf uns persönlich auch dabei, dass wir uns in unseren Ansprüchen beschränken und dadurch zufriedener werden, dass wir uns weniger hohe Ziele setzen und unsere guten Vorsätze dann auch vielleicht durchhalten.

In der Stille bringen wir vor dich, was wir im Besonderen auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser

Wir singen zum Schluss aus dem Lied 65 die beiden ersten Strophen nach der bekannten anderen Melodie von Siegfried Fietz, jeweils mit der 7. Strophe als Refrain:

Von guten Mächten treu und still umgeben
Abkündigungen

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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