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„Das nasse Korn wird wieder trocken“

Trauerfeier für eine alte Frau, die ihr Leben lang die Arbeit in der Landwirtschaft mitgetragen und im hohen Alter auch ihre Pflegebedürftigkeit mit großem Gottvertrauen angenommen hat.

Nasses Korn wird wieder trocken: Getreidehalme in einem Kornfeld, die im Regen nass geworden sind
Nasses Getreide auf dem Feld (Bild: Lars_Nissen_PhotoartPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat…: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! (Jesaja 43, 1)

Liebe Trauergemeinde, wir sind hier versammelt, um Abschied zu nehmen von Frau O., die im Alter von [über 90] Jahren gestorben ist.

Wir blicken zurück auf ihr Leben – traurig und doch in Dankbarkeit. Wir besinnen uns angesichts des Todes auf Gottes Wort, denn er will uns leiten auf Wegen, die zum Leben führen, hier und in der Ewigkeit.

Wir beten mit Worten aus Psalm 119, dem längsten Psalm der Bibel, in dem unermüdlich das Wort Gottes gepriesen wird. Ich wähle die Verse 1 bis 3, 105, und 165 bis 172:

1 Wohl denen, die ohne Tadel leben, die im Gesetz des HERRN wandeln!

2 Wohl denen, die sich an seine Mahnungen halten, die ihn von ganzem Herzen suchen,

3 die auf seinen Wegen wandeln und kein Unrecht tun.

105 Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.

165 Großen Frieden haben, die dein Gesetz lieben; sie werden nicht straucheln.

166 HERR, ich warte auf dein Heil und tue nach deinen Geboten.

167 Meine Seele hält sich an deine Mahnungen und liebt sie sehr.

168 Ich halte deine Befehle und deine Mahnungen; denn alle meine Wege liegen offen vor dir.

169 HERR, lass mein Klagen vor dich kommen; unterweise mich nach deinem Wort.

170 Lass mein Flehen vor dich kommen; errette mich nach deinem Wort.

171 Meine Lippen sollen dich loben; denn du lehrst mich deine Gebote.

172 Meine Zunge soll singen von deinem Wort; denn alle deine Gebote sind gerecht. Amen.

Wir singen drei Strophen aus dem Lied „Großer Gott, wir loben dich“ (331, 1+5+11):

1. Großer Gott, wir loben dich, Herr, wir preisen deine Stärke. Vor dir neigt die Erde sich und bewundert deine Werke. Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.

5. Dich, Gott Vater auf dem Thron, loben Große, loben Kleine. Deinem eingebornen Sohn singt die heilige Gemeinde, und sie ehrt den Heilgen Geist, der uns seinen Trost erweist.

11. Herr, erbarm, erbarme dich. Lass uns deine Güte schauen; deine Treue zeige sich, wie wir fest auf dich vertrauen. Auf dich hoffen wir allein: lass uns nicht verloren sein.

Liebe Gemeinde!

Erinnerungen an das Leben der Verstorbenen

Der November 1938 blieb der jungen Frau O. in doppelt schlimmer Erinnerung. Ihr erstes Kind starb im Alter von wenigen Monaten. Und als sie vom Arzt kam, sah sie, wie in der Stadt die Synagoge brannte und Uniformierte auf die Juden einschlugen. In der Stunde der Trauer um ihr eigenes Kind verlor sie nicht den Blick für fremdes Leid und fragte: „Was machen die denn da, warum schlagen sie die Menschen?“ Man hätte sie für diese Äußerung selber verhaften können, wenn nicht ein Polizist, der sie kannte, beiseitegenommen und nach Hause geschickt hätte. Wegen ihres eigenen Kindes tröstete sie sich später manchmal mit dem Gedanken: „Was ihm wohl alles erspart geblieben ist?“

Am wichtigsten war für sie die Partnerschaft mit ihrem Ehemann; viele Jahrzehnte lang teilten sie Freude und Leid. Wie das so ist in der Landwirtschaft: verreisen konnte Frau O. in ihrem Leben nicht viel. Aber sie war ein lebenslustiger und geselliger Mensch; sie feierte gern, ging auch gerne zu Veranstaltungen in die Kirchengemeinde.

Die jungen Leute in der Familie schätzten sie als eine Frau ein, die immer für alle da war und bis zuletzt trotz ihres Alters mit der Zeit ging und bereit war, sich auf Neues einzustellen. Als sie schwer erkrankte, war es für die Familie selbstverständlich, nun genauso für sie da zu sein und sie in ihrer vertrauten Umgebung zu umsorgen und zu pflegen. Sie ertrug ihre Pflegebedürftigkeit geduldig und tapfer und war eine duldsame Kranke, die sich nie beschwerte. Sie wusste sich liebevoll umsorgt von ihren Lieben, und auch die Pflegezentrale trug ihren Anteil an der Betreuung.

Im Grunde ihres Herzens blieb Frau O. ein dankbarer Mensch. Ihre Haltung dem Leben gegenüber war getragen durch ein unerschütterliches Gottvertrauen. Einmal, daran erinnere ich mich noch gut, fasste sie diese Lebenseinstellung in dem Spruch zusammen: „Wer das Korn nass gemacht hat, der macht‘s auch wieder trocken.“

So war sie zwar aktiv, so lange sie konnte, musste aber nicht am Leben verzweifeln, als sie auf Hilfe angewiesen war; sie konnte sich offenbar dem Gott anvertrauen, der unsere Menschenwege lenkt, während wir sie oft nur sehr unvollkommen planen können.

Am Anfang haben wir einige Verse aus dem Psalm 119 gebetet, darunter auch den Vers 105:

Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.

Das war der Konfirmationsspruch für mehrere Familienmitglieder gewesen, und ich denke, dass dieser Satz auch etwas mit der Art zu tun hatte, wie sie die Kindererziehung verstand. Wer Gottes Wort als Licht versteht, um den rechten Weg im Leben zu finden, der versteht es, Kindern gute Grenzen zu setzen und sie daran zu hindern, auf die schiefe Bahn zu kommen.

Und wenn der eigene Lebensweg von Worten des Trostes und der Ermutigung hell gemacht wird, selbst wo er durch finstere Täler und dunkle Zeiten führt, gewinnt man eben die innere Stärke und Tapferkeit, die Sie an Frau O. erlebt und geschätzt haben.

Auf Gottes Wort zu hören, war Frau O. wichtig; sowohl in der Zeit, als sie noch selbst in die Kirche gehen konnte, als auch in den Jahren, als sie auf den Fernsehgottesdienst angewiesen war, den sie gerne mitgefeiert hat.

Wenn wir vom Wort Gottes reden, dann meinen moderne Menschen oft: Was sind denn schon Worte? Von frommen Sprüchen hat man nichts; auf Taten kommt es an. Wer das Wort Gottes als fromme Sprüche ohne Folgen versteht, hat sie allerdings gründlich missverstanden.

In der hebräischen Bibel gibt es das Wort „dabar“, das heißt zugleich „Wort“ und „Tat“. Deshalb heißt es oft, dass ein Wort Gottes „geschieht“. Gott spricht, und Menschen erfahren Befreiung und Trost, Heilung, Vergebung, bekommen neue Chancen, neues Leben.

Solche Erfahrungen hat Frau O. in ihrem Leben gemacht, und solche Erfahrungen wünsche ich auch Ihnen auf dem Weg, der nun vor Ihnen liegt. Sicher war der Tod für Frau O. auch eine Erlösung; gewiss war ihr Leben ein erfülltes Leben und ihr Sterben ein seliges Sterben. Und doch ist es normal und natürlich, wenn Sie traurig sind, dass sie nun nicht mehr da ist, die so viele Jahrzehnte ganz selbstverständlich immer bei Ihnen war und für Sie da war und für die Sie in den letzten Jahren auch umgekehrt viel von Ihrer eigenen Lebenskraft eingesetzt haben.

Damit umzugehen, was jetzt in Ihnen vorgeht, das braucht Zeit, das will gut bedacht sein, dafür brauchen Sie nicht zuletzt vielleicht auch das gute Wort Gottes, gute Weisung, gute Ermutigung, damit Sie Kraft schöpfen auch für die zukünftigen Herausforderungen Ihres Lebens.

Es ist manchmal gar nicht so einfach, sich wieder voll auf das eigene Leben zu konzentrieren, wenn die Pflege eines geliebten Menschen den ganzen Tagesablauf in seiner Weise geprägt hat. Abschied nehmen und neu in die Zukunft blicken, das wird Ihr Weg in den nächsten Monaten sein, und dafür wünsche ich Ihnen gute Worte und Einsichten als Licht auf Ihren persönlichen Wegen.

Noch ein Satz aus dem Psalm, den ich vorhin gelesen habe, hat mir sehr gut gefallen (Psalm 119, 165):

Großen Frieden haben, die dein Gesetz lieben; sie werden nicht straucheln.

Der Mensch, der den Psalm 119 betet, wird nicht müde, vom Wort Gottes in immer anderen Formulierungen zu reden. Wenn er vom Gesetz redet, dann meint er nicht Paragraphen in einem Gesetzbuch, sondern er meint die gute Wegweisung Gottes, die uns hilft, dass wir auf unserem Lebensweg nicht zu Fall kommen und dass wir im Frieden miteinander leben.

Ich glaube, dass dieser Satz noch einmal sehr gut die Lebenshaltung von Frau O. charakterisiert: Ganz gleich, was in ihrem Leben passierte, sie ist nicht gestrauchelt, nicht zu Fall gekommen, sie bewahrte sich bis zuletzt ihr Selbstbewusstsein, ihr Gottvertrauen und ihre Würde, und sie lebte im Frieden mit den Menschen, die um sie waren.

Als sie gestorben ist, ist sie hineingegangen in den großen Frieden Gottes und kommt dort zu ihrer ewigen Ruhe in der Gemeinschaft mit allen, die ihr vorausgegangen sind; dort wird sie wohl auch ihren Mann wiedersehen und in irgendeiner Weise dem vor so vielen Jahren gestorbenen kleinen Kind wiederbegegnen; aber genau wissen wir das nicht und müssen es auch nicht wissen. Indem wir Abschied von ihr nehmen, genügt es uns, die Zuversicht zu haben, dass wir Frau O. nun den liebevollen Händen Gottes anvertrauen. Er nimmt sie am Ende mit Ehren an. Amen.

Wir singen das Lied 376:

1. So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich. Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt: wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit.

2. In dein Erbarmen hülle mein schwaches Herz und mach es gänzlich stille in Freud und Schmerz. Lass ruhn zu deinen Füßen dein armes Kind: es will die Augen schließen und glauben blind.

3. Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht: so nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich!

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