Buchcover: Manfred Josuttis

Der Maßstab des Evangeliums

Das Evangelium als Kriterium einer Theorie kirchlicher Praxis in der Gesellschaft

Wissenschaftliche Hausarbeit zum Ersten Theologischen Examen bei der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, thematisch abgesprochen mit Prof. Dr. Gert Otto (Mainz), verfasst von Helmut Schütz, abgeschlossen und eingereicht: Bochum, den 14. Juni 1976, zum ersten Mal auf der Bibelwelt veröffentlicht im Juni 2006.

Inhalt

0 Einleitung

0.1 Zum Interesse dieser Arbeit: Praxis und Theologie

0.2 Das Material der Arbeit: Josuttis und Barth

0.3 Zur Gliederung der Arbeit

0.4 Die Hauptschwierigkeit dieses Unternehmens

1 Theologie im gesellschaftlichen und kirchlichen Kontext

1.1 Die kämpferische Position Karl Barths

1.2 Die vermittelnde Position von Manfred Josuttis

2 Theologie als Dogmatik

2.1 Gott als Gegenüber zur Welt

2.1.1 Die Absage an die natürliche Theologie

2.1.2 Offenbarung Gottes als Gottes Praxis

2.1.3 Der Glaube als Erkenntnis Gottes und Gottes Werk

2.1.4 Reden von Gott als Zeugnis und Gerücht

2.2 Die Menschlichkeit Gottes

2.2.1 Jesus als Auslegung Gottes und des Menschen

2.2.2 Partikularität und Universalität

2.3 Die Weltlichkeit des Glaubens

3 Praktische Theologie als Handlungswissenschaft

3.1 Theologie als Wissenschaft

3.2 Das Verhältnis von Systematischer und Praktischer Theologie

3.3 Das Verhältnis von Theologie und Humanwissenschaften innerhalb der Praktischen Theologie

3.3.1 Die Humanwissenschaften als Gefahr für die Theologie

3.3.2 Die Theologie ohne humanwissenschaftliche Reflexion als Gefahr für die Theologie

3.3.3 Die Notwendigkeit humanwissenschaftlicher Reflexion für die Theologie

4 Praktische Theologie als kritische Theorie

4.1 Der differenzierte Zusammenhang zwischen göttlicher und menschlicher Praxis

4.1.1 Die Unterscheidung und Zuordnung von Gesetz und Evangelium

4.1.2 Medien des Evangeliums und das Wort

4.1.3 Zwei-Reiche-Lehre und Königsherrschaft Christi

4.2 Politik und Religion als Medien des Evangeliums

4.2.1 Politik

4.2.1.1 Gesellschaftskritik und Gesellschaftsveränderung

4.2.1.2 Absage an die Vermischung von Politik und `Theologie

4.2.2 Religion

4.2.2.1 Religion als Medium des Evangeliums

4.2.2.2 Religionskritik

4.3 Kritische Theologie und Kritische Theorie

4.3.1 Rezeption der Kritischen Theorie

4.3.2 Praxis des Evangeliums oder Praxis als Evangelium?

5 Biblische Exegese als Legitimation und Kontrolle des Evangeliums

5.1 Historisch-kritische Exegese

5.2 Theologische Exegese

6 Praktische Theologie als Theorie kirchlicher Praxis in der Gesellschaft

6.1 Kirche und Gesellschaft

6.2 Kirchliche Arbeitsfelder

7 Schlussbemerkung: Zur Konfliktregelung in Kirche und Theologie

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

A. Schriften von Manfred Josuttis

B. Schriften von Karl Barth

C. Sonstige Schriften

Brief an Prof. Dr. Manfred Josuttis

Brief von Prof. Dr. Manfred Josuttis

Gutachten von Prof. Dr. Gert Otto

0 Einleitung

Die vorliegende Arbeit bedenkt Grundprobleme einer praktisch-theologischen Konzeption. Sie greift dabei weit auf das Feld der systematischen Theologie über und berührt andere theologische Disziplinen; dabei erscheint mir eine klare Grenzziehung als nicht möglich und – da ich nicht als Vertreter von Fachinteressen schreibe – nicht notwendig.

Für allerdings notwendig halte ich es, einleitend meine Ziele und Interessen zu umreißen, die ich im Rahmen dieser Arbeit verfolge. Mit dem Begriff des Interesses meine ich einmal dessen sozioökonomische Bedeutung, der ich hier nur nach der subjektiven Seite hin andeutend entsprechen kann, darüber hinaus aber auch ein Bestreben, das sich vom Inhalt einer in bestimmter Weise erkannten und akzeptierten Tradition her nahelegt. Das erste wäre als Klasseninteresse, das zweite als Glaubensinteresse anzusprechen; vom ersten aus wird das zweite, vom zweiten aus das erste in jeweils anderer Hinsicht relativiert.

0.1 Zum Interesse dieser Arbeit: Praxis und Theologie

Meine Absicht ist, abgekürzt gesprochen, mir Klarheit über das Verhältnis der beiden Teile des Begriffs „Praktische Theologie“ zu verschaffen. An Praxis bin ich, künftig im Rahmen der Kirche arbeitend, interessiert im Blick auf die „Emanzipation des Menschen aus versklavenden Verhältnissen“ (1), die u. a. historisch-materialistisch (2) zu analysieren sind. Mein Interesse an theologischer Reflexion von Praxis ist schwerer zu verdeutlichen.

Was fügt die Theologie dem eben benannten Kriterium gesellschaftlicher Praxis hinzu? Ich sehe drei denkbare Antworten:

(a) Es könnte sein, dass der Begriff Glaube und ähnliche theologische Begriffe lediglich den Begriff Praxis verdoppeln, indem sie als kirchlich überkommenes und heute wirksames Traditionsgut notwendig zu reflektieren und an außerhalb dieser Tradition liegenden, heute relevanten Kriterien zu messen (z. B. reaktionärer Inhalte zu entkleiden) sind (3).

(b) Der Inhalt der theologischen Tradition, sei es der „Glaube“, sei es „Gott“, könnte aber auch über die obige Bestimmung von Praxis hinausführende, unersetzliche Implikate enthalten.

(c) Schließlich könnte die Theologie eine Abmarktung des Interesses an wirklicher Befreiung der wirklichen Menschen aus unmenschlichen Verhältnissen bedeuten (4). Ich bin entschlossen, im Sinne der zweiten Antwort das Verhältnis von Theologie und Praxis, von Glaube und Praxis nicht identifikatorisch oder diastatisch, sondern durch eine Zuordnung zu bestimmen, die erläutert werden muss und hier nur durch ein Zitat umschrieben werden soll: An theologischen Maßstäben ausgerichtete Praxis ist die Praxis jener, die „die Befreiung der Menschen tätig erwarten“ (5).

0.2 Das Material der Arbeit: Josuttis und Barth

Buch-Cover Manfred Josuttis, Praxis des Evangeliums zwischen Politik und Religion. Grundprobleme der Praktischen Theologie
Das Grundlagenbuch der Praktischen Theologie von Manfred Josuttis

Die Rolle der Theologie für die Praktische Theologie möchte ich anhand des Buchs „Praxis des Evangeliums zwischen Politik und Religion“ erörtern, in dem Manfred Josuttis den Begriff „Evangelium“ bzw. das mit diesem Begriff Bezeichnete als theologisches Kriterium in der praktisch-theologischen Reflexion fruchtbar zu machen sucht. Er steht, was diesen Aspekt seines Buches betrifft, in einer theologischen Tradition, die für unser Jahrhundert entscheidend durch Karl Barth (6) geprägt worden ist, und ist – so weit es mir bekannt ist – der erste, der die Intentionen Barths in die Ansätze einer explizit praktisch-theologischen Theorie umzugießen versucht (7). Die damit behauptete Kontinuität zwischen Barth und Josuttis – sie wird im Laufe der Arbeit zu belegen sein – ist aber kein ausgesprochenes Lehrer-Schüler-Verhältnis im Sinne der sogenannten Barthianer (8). Zum einen hat Josuttis noch andere Lehrer (9), hebt er sich in seiner lutherischen Position von Barths reformierten Akzenten ab und greift ganz anders als Barth ins Arsenal der nicht-theologischen Wissenschaften. Zum anderen kann und will Josuttis nicht dasselbe Wort „in derselben Weise sagen, wenn die Zeiten sich geändert haben“ (10). Der Vergleich zwischen beiden Positionen ist doppelt sinnvoll: von Barth aus gesehen, um Linien auszuziehen – vielleicht in anderer Weise, als er selbst oder seine unmittelbaren Schüler sie gezogen haben (11); von Josuttis aus zur inhaltlichen Füllung und Erläuterung der von ihm oft formelhaft verwendeten dogmatischen Begriffe und Begründungen.

Die Auswahl der Barthschriften erfolgte nicht aus einer Kenntnis des gesamten Barthschen Werks heraus; ich erhebe daher nicht den Anspruch, ihm insgesamt gerecht geworden zu sein. Eine gewisse Schwierigkeit liegt darin, dass bei Josuttis, der ja keine explizite Dogmatik im Sinn gehabt hat, oft wenige knappe Zitate weitreichende Zusammenhänge abdecken, was hoffentlich nicht zu Verzeichnungen führt – zumal im Vergleich mit dem breiten Material, das bei Barth zur Verfügung steht.

0.3 Zur Gliederung der Arbeit

Die Komplexität des Problems einerseits, die Notwendigkeit einer Gliederung andererseits haben dazu geführt, dass gelegentlich Überschneidungen vorkommen oder aber Zusammenhänge auseinandergerissen werden müssen. So setzt sich z. B. die dogmatisch-theologische Grundlegung in bestimmten Aussagen des vierten und fünften Kapitels fort wie umgekehrt politische Bezüge aus dem vierten Kapitel im zweiten vorweggenommen werden; die Frage des Praxisfelds der Praktischen Theologie klingt des öfteren an, wird aber erst im sechsten Kapitel weitergeführt. Der Sinn der vorliegenden Gliederung liegt von der Themenstellung der Arbeit her darin, nach der Kurzbeschreibung von Kontext und Interessen der behandelten Theologen (Kapitel 1) zunächst deren grundlegende dogmatischen Aussagen zu skizzieren, ohne die die nachfolgenden Kriterienformulierungen unverständlich bleiben würden (Kapitel 2), und (Praktische) Theologie zunächst formal als (Handlungs-) Wissenschaft zu beschreiben (Kapitel 3). Es folgt die Verknüpfung der Aspekte der Kapitel 2 und 3 in Form der Bestimmung der Praktischen Theologie – material – als kritische Theorie (Kapitel 4). Weiter ist nach der einen Seite zu überprüfen, woher das Kriterium in letzter (menschlicher) Instanz begründet wird (Kapitel 5), nach der anderen Seite, ob das Kriterium des Evangeliums in der Bestimmung der Praxis als kirchlicher Praxis auch wirklich zur Geltung kommt (Kapitel 6). Eine Nachbemerkung (Kapitel 7) gehört selbstredend an den Schluss, in der, falls sich im Laufe der Arbeit eine gewisse Enge des Ansatzes trotz aller gegenteiligen Absichten herausgestellt haben sollte, die Weite des Gesprächs und der Auseinandersetzung mit anderen Konzeptionen zumindest kurz thematisiert wird.

0.4 Die Hauptschwierigkeit dieses Unternehmens

Ich möchte die Einleitung nicht schließen, ohne die inhaltlich unausweichliche Schwierigkeit zu erwähnen, die dem hier nachgegangenen Theologieverständnis innewohnt. Nach Karl Barth gehört Ungesichertheit zum Wesen der Theologie (12); eine Theologie, die geradezu darauf angewiesen ist, mit dem „Wunder“ zu rechnen (13), muss mit erheblichen Vermittlungsschwierigkeiten rechnen. Theologie im Sinne des Redens von Gott ist nach wie vor infragegestellt durch die, die es – in allen Ausprägungen – für ideologisch oder beliebig oder jedenfalls reine menschliche Schöpfung halten, umgekehrt aber auch durch die Theologen und Gläubigen selbst, die sich allzu selbstverständlich ihres Gottes bedienen, schließlich durch die drohende Gefahr der Selbstüberschätzung, die sich selbst gegenüber anderen menschlichen Bemühungen einen zu hohen Stellenwert beimisst. Die Warnung Barths: „Könnte Theologie nicht eine Luxusbeschäftigung, könnten wir mit ihr nicht auf der Flucht vor dem lebendigen Gott sein?“ (14) soll also bei aller theologischen Bemühung nicht vergessen werden.

1 Theologie im gesellschaftlichen und kirchlichen Kontext

Barth und Josuttis machen kein Hehl daraus, dass sie ihre Theologie auf dem Hintergrund ihrer gesellschaftlichen, kirchlichen und theologischen Situation von bestimmten Interessen her entwerfen, und zwar letzten Endes um es zu ermöglichen, ihr eigenes Wort von dem theologischen Inhalt, der nicht ihr eigenes Wort sein kann, zu unterscheiden (15).

1.1 Die kämpferische Position Karl Barths

Barth geht es seit seiner Safenwiler Zeit als Pfarrer um entschiedenes Reden und Handeln. Das Wort „Kampfsituation“ (16), mit dem er die Zeit seiner Gemeindepraxis beschreibt, kann auch das Folgende in seinem Akzent beleuchten. Barth trifft in Safenwil eine Klassenkampfsituation an und ergreift Partei auf der sozialistischen Seite, indem er eine Gewerkschaftsbewegung aufbauen hilft (17). Mit dem theologischen Liberalismus, dem er zunächst selbst angehangen hat, zu dem er aber durch die kirchlich-pastoralen Aufgaben schon in eine gewisse Distanz geraten ist, bricht er endgültig, als er seine liberalen Lehrer die deutsche Kriegspolitik 1914 unterstützen sieht (18); auch der Sozialismus ist für ihn kein ungebrochen zu begehender Weg mehr, seit die „deutsche Sozialdemokratie den Sozialismus verraten“ hat (durch die Zustimmung zu den Kriegskrediten) (19). Von seiner neu gewonnenen theologischen Einsicht her kämpft er gegen jede Form der Vergötzung menschlicher Bemühungen, ob sie sich in der Religion, in der bestehenden Gesellschaft oder auch im religiösen Sozialismus ausdrücken. Wenn sein theologisches Anliegen später in der Kirche weithin verstanden und aufgenommen worden zu sein scheint und Barth selber in seiner Spätzeit eine in gewissem Sinne versöhnlichere Theologie vertritt, darf nicht vergessen werden, dass seine sozialistische Option – in relativierter Form (20) – weiterhin besteht und bewährt wird in zwei Eintritten in die Sozialdemokratische Partei der Schweiz und Deutschlands, im Kirchenkampf im Dritten Reich, in der Absage an eine „christliche“ Partei und an die politische Abstinenz der Bekenntnisbewegung nach dem 2. Weltkrieg (21). Ich kann auf diese Zusammenhänge zwischen gesellschaftlicher Erfahrung, politischem Handeln und theologischem Denken bei Barth hier nicht näher eingehen; F.-W. Marquardt hat sie in seiner „Analyse des sozialistischen Einflusses auf die Theologie Barths“ (22) eingehend und bisher unwiderlegt herausgestellt.

Eine „offene Zeitbestimmtheit der Barthschen Theologie“ (23) erweist sich darin, dass Barth in großer Freiheit außertheologische Denkformen und Begrifflichkeiten aufnimmt, um theologische Sachverhalte zu reflektieren, ohne sich allerdings an eine bestimmte Ontologie, Philosophie oder Weltanschauung zu binden (24). So stellt Josuttis heraus, dass Barth in der Zeit bis 1931 existentiell-subjektive Denkformen gebraucht, um von Gott zu reden, und sich mit dem Anselmbuch (25) einer gegenständlichen Ontologie zuwendet, deren philosophische Implikate er allerdings zu reflektieren unterlässt (26). Für Marquardt spielt diese Wende eine untergeordnete Rolle angesichts der Bedeutung der „Ontologie der Praxis“ (27) und des „Vorrang(s) des Handelns vor dem Sein“ (28), die sich durch die gesamte Theologie Barths hindurchzieht; er theologisiert vom gleichen Anliegen her, zunächst in apokalyptischen, später in christologisch konzentrierten Gedanken (29).

1.2 Die vermittelnde Position von Manfred Josuttis

Josuttis sieht sich in einer Zeit des Neuanfangs, nachdem in der BRD der kalte Krieg einmal abgebaut werden konnte, die Studentenbewegung den Weg zu verschüttetem sozialistischem Gedankengut freizuschaufeln half und die Bedeutung der Humanwissenschaften – auch für die Theologie – wuchs (30). Gleichzeitig stellt er eine tiefgreifende Identitätskrise der Theologie wie des Pfarramts fest, die darin begründet ist, dass es „derzeit keine einheitliche Verknüpfung von Religion und Gesellschaft mehr gibt“ (31). In dieser Situation der „Verunsicherung in einer pluralistischen Gesellschaft“, deren Aufhebung gar nicht möglich oder wünschenswert ist (32), ist Josuttis insbesondere auf die Vermittlung in dem von ihm 1974 als typisch angesehenen Fall des Pfarrers ausgerichtet, der „rechtsstehende Brüder und linksstehende Freunde“ hat und „zwischen den Fronten“ steht (33). Die Absicht der Vermittlung zeigt sich schon im Titel des Buches: es geht um die gegenseitige Verständigung der Politischen mit den Religiösen und umgekehrt (34). Praktisch bedeutet das, dass er vom hauptberuflich in der Kirche Arbeitenden die Respektierung der „ideologischen Besonderheiten“ des kirchlichen Raumes erwartet (35), obwohl er sich dessen bewusst ist, dass damit nicht nur die Inhalte des Evangeliums, sondern eine bürgerliche Klassenideologie angesprochen sein können (36).

Indem Josuttis mit seiner „Privattheologie“ (37) bzw. den konkreten politischen Konsequenzen theologischer Aussagen stärker als Barth hinter dem Berg hält, fragt er allerdings explizit mit Hilfe einer „soziologischen Hermeneutik“ (38) nach Bedingungen und Wirkungen von Theologie und kirchlichem Handeln, womit er über Barth hinausgeht.

2 Theologie als Dogmatik

Josuttis behandelt „Grundprobleme der Praktischen Theologie“ (39) mit Hilfe der Hauptkategorien Politik und Religion. Ihr Verhältnis wird definiert „im Rahmen der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium“ (40), welche wiederum „Ausdruck und Ermöglichungsgrund jener doxologischen Differenz zwischen Gott und Welt, Gott und Gesellschaft, Gott und Kirche, Gott und Glaube, die der Glaube vollzieht“, ist (41). Diese Zitate zeigen den grundlegend dogmatischen Charakter (42) der Theologie von Josuttis, der sich bemüht, seine „Identität als Theologe nicht zu verlieren“ (43), was für ihn bedeutet, Theologie nicht lediglich als Teil einer „gesellschaftskritischen, geschichtsphilosophischen oder funktional-positivistischen Theorie“ (44) abseits vom „biblischen Evangelium“ (45) zu verstehen. Die dogmatischen Grundpositionen seiner Theologie werden in diesem Kapitel vor dem Hintergrund entsprechender Theologumena von Karl Barth zu erhellen versucht.

2.1 Gott als Gegenüber zur Welt

„Gottes Göttlichkeit, Gottes Eigenständigkeit und Eigenart nicht nur dem natürlichen, sondern auch dem geistigen Kosmos gegenüber, Gottes schlechthin einzigartige Existenz, Macht und Initiative vor allem in seinem Verhältnis zum Menschen“ (46), das war die Entdeckung der frühen dialektischen Theologie, wie Karl Barth sie 1956 beschreibt. „Dass Gott Gott ist“, wie auch der späte Barth (47) unverrückbar stehen lässt, drückt Manfred Josuttis mit der immer wiederkehrenden Formel von der doxologischen Differenz aus, die „den Glauben konstituiert, indem sie Gott Gott und die Welt Welt sein lässt“ (48). Doxologie meint dem Wort nach Aussagen über Herrlichkeit und Ehre; die Formel will der Verherrlichung des Menschen, der Vergöttlichung des Menschen und der Welt wehren und weist der Welt mit dem Menschen einen Platz unterhalb Gottes zu. Die Behauptung, dass diese Unterscheidung und Unterordnung, indem sie „zur Ehre Gottes“ geschieht, zugleich „zum Heil für die Menschen“ erfolgt (49), obwohl sie für die Menschen das „Gericht“ (50) bedeutet, wird noch zu erläutern sein.

2.1.1 Die Absage an die natürliche Theologie

Die scheinbare Selbstverständlichkeit, mit der im Gefolge der dialektischen Theologie von Gott geredet zu werden pflegt, und die scheinbare Selbstverständlichkeit der Formeln von Josuttis trügt. Am Beginn der theologischen Wende Barths stehen die Sätze: „Wir sollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden“ (51). Die Anerkennung dieser Situation als menschlichen Ausgangspunkt der christlichen Theologie bedeutet die Absage an die natürliche Theologie als Erkenntnisquelle für Gott (52). Ein selbstverständlich, natürlich erkennbarer Gott ist für Barth noch in der Kirchlichen Dogmatik der Gott des bürgerlichen Menschen, der sich zur eigenen Selbstbehauptung mit dem Evangelium arrangiert (53). So gibt Barth gegenüber der Feuerbach-Marxschen Religionskritik jede apologetische Waffe aus der Hand. Wenn der herausragende heutige Vertreter einer natürlichen Theologie, Pannenberg, gegenüber Barths Anerkennung der atheistischen Argumentation geltend macht, dass auch Barth selbst in seinem „Reden von Gott nicht über ein leeres subjektives Behaupten hinauskommt“ (54), dass also die atheistische Projektionsthese auch den Barthschen Gott trifft, so ist dem entgegenzuhalten, dass sich Barth dieser Situation wohl bewusst ist (55) und die Ungesichertheit seines Redens von Gott im Gegensatz zur Pannenbergschen Apologetik ihre menschliche Schwäche nicht zu vertuschen sucht.

Josuttis sieht sich gerade in Bezug auf die Absage an die natürliche Theologie in einer ausdrücklichen Kontinuität mit Karl Barth (56). Seine Situation ist insofern anders, als die „Autorität Gottes“ nur noch für einen kleinen Teil der Kirchenzugehörigen unmittelbare Glaubwürdigkeit besitzt; sie kann also „in der Regel nicht Voraussetzung der Verkündigung sein, weil ihre Anerkennung am Ziel der Verkündigung steht“ (57). Er wendet sich damit gegen eine Tendenz, im Gefolge der dialektischen Theologie durch die Institutionalisierung der Verkündigung als „Proklamation“ (58) im Rahmen der Predigt wieder der Gefahr der Verfügbarmachung Gottes zu verfallen; dabei weiß er sich in der Intention mit der Reformation und mit Barth einig, für den auch und gerade in der Kirche Gott nicht verfügbar ist. Aber selbst das reformatorische Anliegen, dass Gott nicht selbstverständlich und verfügbar ist, „ist uns nicht selbstverständlich“ (59).

2.1.2 Offenbarung Gottes als Gottes Praxis

Dem Unvermögen der Theologen, von Gott zu reden, stellt Barth entgegen, dass „von Gott nur Gott selber reden kann“ (60). Gegen Feuerbach führt er schlicht ins Feld, dass letztlich nicht der Mensch nach Gott zu fragen hat, sondern wir uns „als die nach unserer Anerkennung und Respektierung, nach unserem Lob Gottes Gefragten erkennen“ müssen, eben „weil es um Gott geht“ (61). Das Gottesverständnis, das hier sichtbar wird, beschreibt Barth in der Frühzeit mit dem Begriff der „Bewegung von Gott her“, die er mit einem „Vogel im Fluge“ vergleicht und die „sozusagen senkrecht von oben her“ alle menschlichen Bewegungen relativiert und – in dieser Relativierung – ihnen Sinn und Kraft verleiht (62). In der Kirchlichen Dogmatik bedient er sich der Kategorie der Gegenständlichkeit, um Gott als reales Gegenüber des Menschen zu definieren. Gott hat einerseits „echte Gegenständlichkeit… wie alle übrigen Gegenstände“, lässt sich auf der anderen Seite „mit keinem anderen Gegenstand in eine Reihe stellen“ (63). Die „primäre Gegenständlichkeit Gottes“ wird in der Trinitätslehre von „seinem dreieinigen Leben als solchem“ ausgesagt, „bevor es geschöpfliche Gegenständlichkeit und Erkenntnis gibt“ (64). Nur durch die „sekundäre“ Gegenständlichkeit Gottes (65), durch die Wahl „besonderer Orte, Zeiten, Menschen, Begebnisse, geschichtlicher Zusammenhänge“ (66), ist aber dem Menschen die Erkenntnis Gottes indirekt möglich. Diese wirkliche Erkenntnis Gottes „in seinen Werken“ (67) ist Offenbarung.

Der frühe wie der späte Barth kann Gott mit den Kategorien der Praxis, des Handelns, Lebens und Subjektseins beschreiben (68). Gott ist alles andere als ein reiner Begriff oder eine Idee. Dieses Verständnis ist bei Josuttis vorausgesetzt, wenn er gelegentlich das Evangelium personalisiert (69); wenn er von „der transempirischen Wirklichkeit des theologischen Gegenstandes“ redet (70), wenn er schließlich mit Betonung – „ich weiß, was ich sage!“ – als ausschließlichen Inhalt des Evangeliums die Erzählung von dem, „was Gott zu Gunsten des Menschen gemacht hat“, herausstellt (71). So ist also auch die Formel von der doxologischen Differenz zwischen Gott und Welt im Sinne eines realen Gegenüber zu verstehen.

2.1.3 Der Glaube als Erkenntnis Gottes und Gottes Werk

Das auf den Menschen bezogene subjektive Korrelat der Offenbarung ist der Glaube. Glaube ist bei Barth vor allen weiteren Bestimmungen „als Liebe, Vertrauen und Gehorsam“ zuerst Erkenntnis Gottes, wie umgekehrt Gott nur im Glauben erkannt werden kann (72). Entsprechend ermöglicht bei Josuttis der Glaube die Unterscheidung von Gott und Welt, welche ihn zugleich konstituiert (73).

Über die Bedeutung des Glaubens für das „Heil“ des Menschen wird im Abschnitt 2.2 zu reden sein; ich möchte aber schon hier auf die entscheidende Übereinstimmung von Barth und Josuttis in der Frage, warum nicht jeder glaubt bzw. welche Folgen das hat, eingehen. Nach Josuttis muss diese Frage unbeantwortet bleiben und Gott selbst anheimgestellt bleiben (74); in genau diese Richtung zielt seines Erachtens die Prädestinationslehre in der „strengen“ Form der Reformatoren und in der „tröstlichen“ Form bei Barth (75). Die Konsequenz der hier zugrundeliegenden Anschauung, dass der Unglaube nicht ernster genommen werden darf als die Gnade Gottes (76), dass der Glaube kein Werk des Menschen (77) und die Erlösung der Menschen nicht an ihre Zustimmung gebunden ist (78), liegt darin, dass es keine prinzipielle Scheidung zwischen Glaubenden und Ungläubigen, zwischen Christen und Nichtchristen geben kann und dass der einzige Vorzug der Christen vor den anderen die Erkenntnis (im Glauben) des ein für allemal vorgegebenen Heils ist (79). Umgekehrt kann kein Mensch, auch kein Christ, behaupten, dass er den Glauben schon „habe“ (80), was bei Josuttis in der Formel von der „Rechtfertigung des Gottlosen durch Gott“ anklingt (81).

Das Subjektsein Gottes auch bezüglich des Glaubens der Menschen darf aber nicht im Sinne der Ausschaltung der Selbstbestimmung der Menschen missverstanden werden. Gerade indem der Mensch sich frei selbst bestimmt – allerdings vom im Glauben erkannten Handeln Gottes her -, indem er „sein eigenes Leben lebt“ – als einer, der nicht aus eigenem Vermögen „ein Anderer“ geworden ist -, weiß er, dass nicht er „zum Glauben gekommen, sondern der Glaube… durch das Wort zu ihm gekommen“ ist. „Der Mensch handelt, indem er glaubt, aber dass er glaubt, indem er handelt, das ist Gottes Handeln“ (82). Soweit Barth zur Subjektivität des Glaubenden; ähnliche Aussagen macht Josuttis, wenn es um die Subjektivität des Zeugen geht.

2.1.4 Reden von Gott als Zeugnis und Gerücht

Zwischen der Offenbarung, die sich durch ausgewählte sekundäre Gegenständlichkeiten Gottes und schließlich eindeutig und endgültig durch den Namen „Jesus Christus“ kundgetan hat, und dem Glauben der heutigen Menschen steht das „Zeugnis“. Reden von Gott ist immer aposteriorisches Reden; es geht heute vonstatten, indem das kontingente, deutende Wort der biblischen Zeugen nachvollzogen wird (83). Josuttis hält in seiner Interpretation des Zeugnisbegriffs im Barthschen Sinn daran fest, dass das Zeugnis „immer über sich hinaus auf eine jenseits seiner selbst liegende Sache oder Person“ weist (84). Wenn er den Kerygma- bzw. Proklamationsbegriff, der in der dialektischen Theologie mit dem Verkündigungszeugnis der Kirche verbunden wird, kritisiert, so will er damit dem Missverständnis entgegentreten, als könne heute das „Evangelium, das amtlich ergeht“ (85), glaubwürdig sein. Er wählt – im Anschluss an kommunikationswissenschaftliche Erkenntnisse – den Begriff des Gerüchts, um das Wesen des Zeugnisses kenntlich zu machen. „Die Christen haben ihr Leben an Gerüchte gehängt“ (86), „die gewisser und. unerschütterlicher (sind) als das Leben selbst und alle Erfahrung“ (87), obwohl sie „in manchmal kaum wiedererkennbarer Form“ weiterverbreitet werden (88). Die menschliche Ungesicherheit der Sprachform des Gerüchts, die allerdings, um nicht gar zu unkenntlich zu werden, einer gewissen Kontrolle „durch ausgebildete und beauftragte Theologen“ (89) bedarf, und die allein in den Inhalt des Gerüchts gesetzte Gewissheit halten die Intentionen Barths adäquater fest als die Verknüpfung von Zeugnis und Amtlichkeit, die als „Mythos der selbstwirkenden Predigt“ (90) sich zu Recht nach ihren Kommunikationsbedingungen fragen lassen muss.

Indem Josuttis außerdem betont, dass es „ein Zeugnis an der Person des Zeugen vorbei nicht gibt“ (91), wie sich Gerüchte ja überhaupt „nach den Bedürfnissen der Menschen, die sie verbreiten“, verändern (92), bricht er eine Lanze für die Subjektivität des Predigers – gegen eine Tradition der dialektischen Theologie, aber durchaus von Barthschen Argumentationen her (93). Schließlich wehrt er sich, Linien Barthschen Denkens ausziehend, dagegen, das „explizite Zeugnis von Evangelium“ zu einem Werk des Gesetzes zu machen (94). „Das Evangelium ist unserem ganzen Leben vorgegeben, es ist aber nicht unserem Denken und Reden vorgeschrieben“ (95).

2.2 Die Menschlichkeit Gottes

Bisher ist an Barths Theologie erst eine Seite beleuchtet worden, die in der Frühzeit der dialektischen Theologie das Hauptinteresse darstellte (obwohl sie hier durch das ganze Barthsche Werk hindurch verfolgt worden ist): das Interesse an Gott allein, an der „Diastase“ (96) zwischen Gott und Mensch. Die andere Seite wird am prägnantesten durch den Titel einer Schrift aus dem Jahr 1956 erhellt, der mit der Überschrift dieses Abschnitts gleichlautet. Hier versucht Barth „in einem neuen Ansatz und Angriff… das zuvor Gesagte erst recht, nur nun eben besser“ zu sagen (97), da die frühe Theologie „doch ein bisschen arg unmenschlich“ und abstrakt war und in der Gefahr stand, „eine neue Bestätigung der Hoffnungslosigkeit alles menschlichen Tuns“ zu sein (98). So spricht Barth nun von Gottes „Menschlichkeit“ und seiner „Menschenfreundlichkeit“ (99), eine Formel, die Josuttis in der Formulierung „die menschenfreundlichen Nachrichten der Bibel“ (100) mehrfach aufgreift.

2.2.1 Jesus als Auslegung Gottes und des Menschen

Humanität wird bei Barth nicht abstrakt aus einem Begriff des Menschen oder Gottes gewonnen, sondern christologisch begründet.

Anstelle einer Extrapolation der christologischen These aus den breiten Ausführungen der Kirchlichen Dogmatik soll ein Barthzitat diesen gesamten Bereich knapp zusammenfassen: „Eben in seiner einen Person ist ja Jesus Christus ebenso als wahrer Gott des Menschen, wie als wahrer Mensch Gottes getreuer Partner, ebenso der zur Gemeinschaft mit dem Menschen erniedrigte Herr wie der in die Gemeinschaft mit Gott erhobene Knecht, ebenso das aus dem höchsten, lichtesten Jenseits gesprochene wie das im tiefsten, dunkelsten Diesseits vernommene Wort: beides unverworren, aber auch unzertrennt, ganz das Eine und ganz das Andere… Und eben so, als dieser Mittler und Versöhner zwischen Gott und dem Menschen ist Jesus Christus auch ihrer beider 0ffenbarer“ (101). Josuttis übernimmt den Kern dieser Aussage, wenn er das Evangelium definiert sein lässt durch den „Mann Jesus aus Nazareth, der eine zureichende und endgültige Auslegung dessen, was Gott, und dessen, was der Mensch ist, darstellt“ (102), und wenn er von der „Kongruenz von Gott und Mensch in seiner Person“ spricht (103). Von hier aus muss im Blick auf den letzten Abschnitt ergänzt werden, dass Gottes Offenbarung sich letztgültig allein an der Person Jesu Christi festmachen lässt; umgekehrt wird von hier aus auch das Wesen des Menschen offenbart, erweist sich von Jesus aus die „Menschenfreundlichkeit Gottes als die Quelle und Norm aller Menschenrechte und aller Menschenwürde“ (104). Der axiomatische Charakter dieser Aussagen wird von Barth – von der Auferstehung Jesu Christi her – ausdrücklich angesprochen, von Josuttis vorausgesetzt (105). Im folgenden sollen sie in einer bestimmten Richtung konkretisiert werden.

2.2.2 Partikularität und Universalität

„Die Auferstehung ist für Barth eine weltliche Realisierung des Göttlichen, die keine Partikularität mehr darstellt“, umgekehrt ist „in der irdischen Geschichte Jesu Christi…, ein Partikulares die Verwirklichung des Allgemeinen“ (106). In dieser Spannung bewegt sich Barths Theologie nach Dieter Schellong in Übereinstimmung und Diskrepanz mit dem neuzeitlichen Denken. Der Widerspruch, der zwischen der Barthschen Parteinahme in den gesellschaftlichen Antagonismen auf der einen Seite und seinem Reden von „dem“ Menschen auf der anderen zu bestehen scheint, kann von hier aus beleuchtet werden.

„Der wirkliche Mensch aller Zeiten ist nun einmal, im Spiegel Jesu Christi erkennbar, der verlorene aber auch gerettete Mensch“: Zum christlichen Bekenntnis gehört die Rede „von Gottes Gericht und Gnade“ (107). Der Menschen ist verloren, denn „er wollte Gott nicht als Gott danken, gehorchen und anrufen. Und er wollte Mensch sein ohne seinen Mitmenschen“ (108). Die Rettung besteht darin, „dass Gottes Gnade bleibt, siegt, herrscht und gilt“ (109). Den Vorwurf der „Exklusivität“ dieser Theologie lässt er sich als Umschreibung des Bekenntnisses zu Christus „als dem alleinigen Retter der Welt“ gefallen, redet aber im gleichen Atemzug von der Inklusivität des „grundsätzlich jedem Menschen zugewendete(n) und offene(n) Bekenntnis(ses)“ (110). In diesem Sinn ist auch der partikulare Ort der Kirche der Ort der Verkündigung der Gnade, die aber zugleich die Welt angeht und von der „auch der Gleichgültige, auch der Gottesleugner und Menschenfeind“ lebt; die christliche Wahrheit ist „keine ‚religiöse‘, sie ist die universale Wahrheit“ (111). Dieser Universalismus der Menschlichkeit Gottes kann nicht durch ein abstraktes Programm eines „-ismus“ eingefangen werden; das Evangelium würde partikularisiert, wenn es als solches eine „Front oder Partei“ bilden würde (112). Von hier aus können aber die weltlichen Parteiungen, die verschiedenen Humanismen in ihrer Relativität teilweise bejaht werden; sie bekommen gerade ihr relatives Recht daher, dass die Theologie „ihnen kein Gleiches oder Ähnliches gegenüberzustellen“ hat (113). Umgekehrt kann man – unbeschadet der zunächst in aller Schärfe bestehenden Gegensätze und Widersprüche in der menschlichen Gesellschaft – erst im Gegenüber zu Gott von „dem“ Menschen reden, d. h. man muss es sogar, da angesichts der Solidarität der Sünder vor Gott die Zerrissenheit der Menschheit weder harmonisiert noch zu letztgültigen Freund-Feind-Schemata hochstilisiert werden darf.

Das Stichwort von der „Exklusivität“ – auf den „christologischen Heils- und Offenbarungsanspruch“ bezogen – in Verbindung mit dem Stichwort von der „Universalität“ – bezogen auf den „ekklesiologischen Verkündigungsauftrag“ – greift Josuttis positiv auf (114). Er anerkennt das „Ärgernis des Evangeliums“ (115), das „das Heil der Welt an einen Ort brutalen Unheils verlegt“ (116). Kreuzestheologie bedeutet „Gottes solidarische Nähe gegenüber dem leidenden Menschen… enttäuscht alle Erwartungen und widerspricht allen Erfahrungen“; aus diesem Grund kann das Evangelium nicht „funktional“ verwertet werden, indem es sich dagegen sperrt, „als Rahmen, Basis oder Begründung für einen Normen- und Wertekanon verbraucht zu werden“ (117). Institutionen und bestehenden Verhältnissen wird hier das Recht entzogen, sich von Jesus Christus her zu legitimieren, der in seinem Scheitern zum Heilsträger geworden ist. Auch Kirche kann nicht Partei gegenüber der Welt sein, indem sie exklusive Hüterin wahrer Menschlichkeit ist; sie hat lediglich zu verkünden, dass es „Freispruch nicht ohne Gericht, Bestätigung nicht ohne Kritik“ gibt (118) und dass Jesus in den Parteiungen der Welt als „Parteigänger der Armen“ (119) zu erkennen ist.

Barth und Josuttis wissen um die Parteiungen, die Klassengegensätze, die auch heute nicht überwunden sind; sie glauben nicht an eine „natürliche Versöhnung“ (120) der Widersprüche innerhalb der menschlichen Gattung. Aber im Evangelium, das „unserem ganzen Leben vorgegeben“ ist, hat „Gott endgültig geredet“ (so Josuttis (121)), ist „das letzte Wort zur Sache schon gesprochen“, gilt als Voraussetzung, von der wir immer schon herkommen: „Gottesgeschichte ist a priori Siegesgeschichte“ (so Barth (122)). Von hier aus, von „Gottes Zusage“ her (123), kann der Glaubende dem Leiden des einzelnen und den Widersprüchen in der menschlichen Gesellschaft gegenübertreten, ohne Sinnlosigkeit in Sinn umlügen zu müssen. Josuttis expliziert dies am Beispiel der Krankenseelsorge. Nur das Leiden Jesu hat Sinn; „weil Jesus ‚für alle Menschen‘, wie es die theologische Tradition formuliert, gelitten hat, ist alles Leiden in der Menschengeschichte nach diesem Leiden sinn-los geworden“ (124). Tröstlich daran ist, dass nicht ein Sinn im Leiden gesucht werden muss, sondern alle Kraft auf den Kampf gegen das Leiden, bis an die Grenzen des Möglichen, verwandt werden kann. Dabei ist nicht nur an die Hilfe im Einzelfall gedacht, sondern gleich auch an die gesellschaftliche Dimension des Leidens (125). Josuttis stützt sich ausdrücklich auf Barth, der noch in der Kirchlichen Dogmatik den Kampf für eine andere Gesellschaftsordnung zur Herstellung „bessere(r) Lebensbedingungen für Alle“ unter Umständen für notwendig hält (126). Theologisch ist dafür der Weg frei, indem Barth vom „ontologische(n) Zusammenhang zwischen dem Menschen Jesus einerseits und allen anderen Menschen andererseits“ (127) ausgeht, also durchaus die menschheitliche Gattung als Adressat der göttlichen Versöhnung durch Jesus Christus im Blick hat (128) – obwohl der Sinn des Geschichtsprozesses dieser Gattung nicht in ihm selbst zu suchen ist (129) und man sich von Jesus Christus her „keinen reaktionären, aber auch keinen revolutionären Krämpfen hingeben“ kann (130). Bei Josuttis und Barth wird also Jenseitigkeit im Interesse des Ernstnehmens der diesseitigen Wirklichkeit und nicht im Dienste einer Weltflucht ausgesagt.

2.3 Die Weltlichkeit des Glaubens

Die Weltlichkeit der Welt korrespondiert notwendig der Göttlichkeit Gottes, wie Josuttis in der Formel von der doxologischen Differenz ständig betont. Das ist keineswegs selbstverständlich, da die Religion, auch das Christentum, viel eher dazu tendiert, die Welt metaphysisch zu überhöhen bzw. der Welt oder Teilen der Welt einen Sinn zuzusprechen, der in der Welt als solcher erreichbar sei. Man mag die Rede von Gott als Gegenüber der Welt als metaphysisch bezeichnen; sie ist es allerdings nicht im Sinne der aristotelischen und neuzeitlichen Metaphysik, die gerade abseits eines Gottes, wie ihn die biblische Tradition bezeugt, Gott als Inbegriff und Grund der Welt versteht (131). Im Sinne von Barth und Josuttis ist die Folge des Glaubens an Gott die Entgötterung der Welt (132). Das schließt die Aufhebung der Trennung zwischen einem religiösen und einem profanen Bereich ein, da auch die religiöse Haltung und Handlung grundsätzlich weltlich ist; sie gehört für Josuttis schlicht „zur gesellschaftlichen Wirklichkeit“ (133) und ist für Barth geradezu „die Angelegenheit des gottlosen Menschen“ (134). Der glaubende Mensch soll daher an die Wirklichkeit der Welt mit der Vernunft herangehen und kein Bündnis mit dem Irrationalen oder prinzipiell Unmethodischen eingehen; Barth ist an „Sachlichkeit“ (135), Josuttis „an naturwissenschaftlicher und politischer Aufklärung“ (136) interessiert. Die Welt soll so wahrgenommen werden, wie sie ist, gerade auch in ihrer Negativität. Dieser Realitätsbezug kann hergestellt werden, weil das Evangelium „die Hoffnung für den Menschen nicht aus der Wirklichkeit holt“ (137). Es geht aber nicht um bedingungslose Anerkennung der jeweils bestehenden Realität. Mit dem Stichwort der „Differenz zwischen Macht und Recht“ (138) der Realität stellt Josuttis klar, dass „die vorurteils- und angstfreie Einsicht in die Realität der eigenen Situation… deshalb nicht auch schon die Anerkennung des Rechts dieser Situation“ bedeutet (139). Entsprechend gibt es für Barth zwei Arten von Sachlichkeit (140): die der „Naivität“ und die der „Kritik“ gegenüber der gesellschaftlichen Wirklichkeit (141). „Neben die schlichte sachliche Mitarbeit im Rahmen der bestehenden Gesellschaft (tritt) die radikale Opposition gegen ihre Grundlagen“ (142). Beides ist möglich, „weil wir noch ganz anderer Dinge warten (sc. als der Reform und Erneuerung der Verhältnisse), nämlich eines neuen Himmels und einer neuen Erde“ (143). Das ist die konkrete Form des von Barth und Josuttis vertretenen „Unglaubens gegenüber der Wirklichkeit“ (144), der die Kehrseite des Glaubens an Gott bildet.

Abgesehen von den Argumenten der doxologischen Differenz und der eschatologischen Siegeserwartung dient Josuttis auch die Inkarnationslehre zur Stützung der These vom weltlichen Glauben. „Sollten wir nicht, wenn Gott die Rettung der Menschheit als Mensch hat geschehen lassen, einander auch im Glauben auf menschliche und weltliche Weise zu helfen versuchen?“ (145) Er legt gerade darauf einen stärkeren Akzent, als dies Barth getan hat.

3 Praktische Theologie als Handlungswissenschaft

Josuttis versteht Praktische Theologie als „Handlungswissenschaft für den kirchlichen Raum“ (146). Er schließt sich damit einer Entwicklung an, die abseits und gegen die dialektische Theologie in den 60er Jahren an Boden gewonnen hat. Um Abgrenzung und Kontinuität von Josuttis mit den Barthschen Ansätzen in diesem Punkt zu beschreiben, ist es erforderlich, zunächst beider Stellung zum Problem der Wissenschaftlichkeit der Theologie überhaupt und zum Verhältnis von Systematischer und Praktischer Theologie darzustellen.

3.1 Theologie als Wissenschaft

Nach Barth hat die Theologie die ausschließliche Aufgabe, die kirchliche „Rede von Gott“ am „Sein der Kirche“, welches Jesus Christus ist, zu messen (147). Es ist „eine Misslichkeit“ aufgrund des Versagens der anderen Wissenschaften, dass diese Aufgabe einer besonderen Fakultät zufällt (148); ebensowenig lässt sich wissenschaftstheoretisch begründen, warum Theologie überhaupt den Namen „Wissenschaft“ tragen soll (149). Theologie bemüht sich zwar wie andere Wissenschaften auf einem „in sich folgerichtigen Erkenntnisweg… um einen bestimmten Erkenntnisgegenstand“ und legt darüber Rechenschaft ab; sie kann aber, da sie „Sätze über das freie Handeln Gottes“ enthält, nicht allen „Anforderungen eines zufällig oder nicht zufällig allgemein gültigen Wissenschaftsbegriffs“ genügen (150). Das pragmatische Interesse Barths, Theologie als Wissenschaft zu betreiben, liegt nach seinen Worten darin, in der menschlichen Bemühung der Theologie in einer Reihe mit den anderen Wissenschaften zugleich gegen das „Heidentum“ der anderen Wissenschaften zu protestieren und sie gelassen neben sich zu dulden, ja von der „Vergebung der Sünden“ her „mit sich selbst zur Kirche“ zu rechnen (151).

Nicht reflektiert wird hier, wie es überhaupt dazu kommt, dass die anderen Wissenschaften die Theologie als kirchliche Wissenschaft neben sich an der Hochschule dulden. Josuttis greift in einem ähnlich strukturierten Problemkreis, nämlich des Religionsunterrichts an der öffentlichen Schule, genau diese Frage auf. Dabei wehrt er sich wie Barth dagegen, den von der Kirche durchgeführten Religionsunterricht nicht ausschließlich theologisch, sondern außerdem gesamtgesellschaftlich einleuchtend legitimieren zu wollen (152). Es muss dann einfach der Gesellschaft überlassen bleiben, „ob sie dieses Besondere, das gleichwohl beansprucht, zur Menschlichkeit jedes Menschen zu gehören, in der Schule weiterhin zu dulden gedenkt“ (153).

3.2 Das Verhältnis von Systematischer und Praktischer Theologie

Für Barth gilt die eben genannte Definition von Theologie für die Theologie insgesamt; die einzelnen Disziplinen unterscheiden sich nur bezüglich ihres Verhältnisses zum Kriterium Jesus Christus. So fragt die Dogmatik, ob die Rede von Gott „ihm gemäß“ ist, die Praktische Theologie, ob sie „zu ihm hin“ führt (154). Durch diese Definition ist aber im Grunde nichts geklärt. Denn einerseits taucht bei Barth als Aufgabe der Praktischen Theologie auch schlicht „die Ausführung des Kirchendienstes in der Gegenwart“ auf, die der dogmatischen Reflexion bedarf, da in ihr immer auch „nebenbei mit dem Anspruch der Verkündigung geredet“ wird (155). Unklar bleibt, ob Praktische Theologie durchweg als Anwendungswissenschaft dogmatischer Inhalte gesehen wird, oder ob die Dogmatik hier nun etwa im Besonderen eine Kriterienfunktion gegenüber der Praktischen Theologie hat, die als solche sich um die Rede von Gott anders als dogmatisch bemüht. Auf der anderen Seite scheint doch die Definition der Praktischen Theologie als Bemühung um das „Ziel… der der Kirche eigentümlichen Rede“ (156) den dogmatischen Charakter der Praktischen Theologie selbst zu implizieren. Offensichtlich interessiert Barth die Praktische Theologie als gesonderte Disziplin nicht in besonderem Maße, da für ihn die Theologie als ganze praxisbezogen ist. Die Rede von Gott definiert er ja als das kollektive und individuelle „Handeln“ in der Kirche (157). Da für ihn schon die Auseinanderdividierung von Dogmatik und Ethik im Sinne von Lehre und Anwendung unmöglich ist, müsste dasselbe konsequent auch für das Verhältnis von Dogmatik und Praktischer Theologie gelten (158).

Für Josuttis ist dieser selbstverständliche Zusammenhang beider Disziplinen nicht (mehr) gegeben; heute ist das Bewusstsein der „Diskrepanz zwischen der Richtigkeit dogmatischer Sätze und ihrer gesellschaftlichen Sinnlosigkeit“ (159) einem naiven Vertrauen in die Praxisbezogenheit der dogmatischen Theologie entgegengetreten. Mit dem Begriff der „theologischen Dimension“ des Menschen (160) macht er deutlich, dass für ihn innerhalb der Theologie theologische Sätze neben gesellschaftskritischen, humanwissenschaftlichen Sätzen stehen (161), deren Zuordnung zueinander ein Problem darstellt (162). Festzuhalten bleibt, dass auf jeden Fall auch die Praktische Theologie eine theologische, und das heißt für Josuttis: dogmatisch bestimmte (163) Disziplin ist, dass sie aber keine „Anwendungswissenschaft“ im Sinne einer Einbahnstraße von der Dogmatik zur Praktologie sein darf (164). Das Problem der Verhältnisbestimmung der beiden theologischen Disziplinen wird so zur Frage des Verhältnisses zwischen Methoden und Erkenntnissen der Dogmatik auf der einen, der nicht-theologischen sog. Humanwissenschaften auf der anderen Seite innerhalb des Bereichs der Praktischen Theologie (165).

3.3 Das Verhältnis von Theologie und Humanwissenschaften innerhalb der Praktischen Theologie

Diese Frage lässt zwei Möglichkeiten der Beantwortung im Sinne eines „Missverhältnisses“ (166) zu, indem entweder die Theologie im Gespräch mit den Humanwissenschaften ihre Identität verliert oder aber sich grundsätzlich gegen jede Übernahme humanwissenschaftlichen Denkens in die Theologie wehrt. Beide Möglichkeiten werden im folgenden skizziert; ihnen gegenüber wird im Anschluss daran die Notwendigkeit vertreten, dass sich eine Praktische Theologie, die sich als Theologie versteht, gleichzeitig als Humanwissenschaft begreifen muss.

3.3.1 Die Humanwissenschaften als Gefahr für die Theologie

„Direkt übernommen haben Philosophie, Geschichtswissenschaft, Psychologie usw. in jedem der drei theologischen Problemgebiete faktisch noch nie etwas anderem als der Vermehrung der Selbstentfremdung der Kirche, der Entartung und Verwüstung ihrer Rede von Gott gedient“ (167). Von dieser empirischen Aussage her ist Barths Stellung zu den Humanwissenschaften zu verstehen, insbesondere seine (und seiner unmittelbaren Schüler) Absage gegenüber der Rhetorik und der Psychotherapie. Getreu dem Ansatz, dass Gott selbst sich in seinem Wort den Menschen offenbart, hat der Prediger und der Seelsorger alle Anstrengung darauf zu verwenden, ausschließlich das „Wort Gottes“ an die Gemeinde oder an den einzelnen auszurichten (168). Aus dem theologischen Anliegen heraus, das „wahre Heiligtum“ der evangelischen Kirche, „das Wort“ zu schützen (169), leitet Barth daher eigenständige methodische Wege zur Predigtvorbereitung ab, die sich über Kriterien wie „Schriftgemäßheit“ und „Amtsmäßigkeit“ bis in konkrete Einzelvorschriften hinein verästeln, als da sind die Ablehnung der Themapredigt oder einer Predigteinleitung (170). Außertheologische Methoden, in diesem Fall also der Rhetorik, werden abgelehnt als der Versuch, nun doch Gottes Wort verfügbar zu machen, einen „Anknüpfungspunkt“ zu suchen, „wo das Wort Gottes hineinkommen könne“ (171), dadurch aber im Grunde „eigenen Meinungen, Wünschen und Gedanken“ anstelle des schriftgemäßen Worts Raum zu verschaffen (172). In gleicher Weise ist bei Barths Freund Thurneysen die Seelsorge insofern prinzipiell von der Psychotherapie unterschieden, als der Seelsorger das Wort Gottes zur Sprache bringen muss; Psychotherapie als solche ist also nicht schon Seelsorge (173). Die Intention auch dieser Abgrenzung liegt darin, festzuhalten, dass das „Ereignis des Wortes Gottes jenseits aller methodischen Verfügbarkeit steht“ (174). Von hier aus ist diejenige Kritik an der Auffassung von Barth und Thurneysen abzulehnen, die bei beiden die Rolle des Predigers bzw, des Seelsorgers als die eines „Habenden“ gegenüber anderen, die lediglich empfangen, definiert sehen (175); vielmehr befinden sich Prediger und Hörer, Seelsorger und Hilfesuchender in einer „Solidarität der Verlegenheit“ (176), da sie in der gleichen Situation vor Gott stehen.

3.3.2 Die Theologie ohne humanwissenschaftliche Reflexion als Gefahr für die Theologie

Die Kehrseite der ablehnenden Haltung gegenüber den das Evangelium verfügbar zu machen drohenden Humanwissenschaften ist eine Theologie, die dasselbe zu machen droht. Denn auch Theologie ist ja menschliches Reden (177); sie hat als solche keine andere Qualität als Rhetorik oder Psychologie. In der Tat stößt man auf das für denjenigen erstaunliche Faktum, der sich die kirchenkritischen Anfänge der dialektischen Theologie ins Gedächtnis ruft, dass es zumindest in der Konzeption Thurneysens zu einer (nach Josuttis) „vorschnelle(n) Annäherung von Reich Gottes und Kirche“ kommt, indem sich Glaube in erster Linie in kirchentreuem, kirchenstabilisierenden Verhalten manifestiert (178). Diese Entwicklung setzt sich fort in der kritikabwehrenden Verwertung der dialektischen Theologie durch Kirchenbehörden (179). Obwohl Barth auf diese Linie nicht festzulegen ist, finden sich bei ihm immerhin die Ansatzpunkte, das – zwar prinzipiell unverfügbare – Gotteswort methodisch (wenn auch nicht humanwissenschaftlich, sondern eigenständig-theologisch) und institutionell abzusichern. Es ist ja schließlich auch eine menschliche Bemühung, in der Predigt nur Gottes Wort allein zur Geltung bringen zu wollen (180). In diesem Sinne weist Josuttis es als Inkonsequenz der dialektischen Theologie aus, dass sie die eigenen Interessen, das Ich des Predigers aus der Predigt verbannen will, denn die alleinige Berufung auf Gott verleitet gerade dazu, „unter dem Mantel der Objektivität seine eigenen Probleme und Positionen recht kräftig zur Geltung zu bringen“ (181). Zur Stützung der Ansicht, dass das Ich des Predigers ggf. auf die Kanzel gehört – was man entsprechend auf die humanwissenschaftlichen Anliegen in der Praktischen Theologie anwenden kann – verweist er direkt auf Barths Sündenlehre, die nicht nur das sich selbst behauptende, sondern auch das träge und resignierte Ich als Ausdruck der Sünde kennt (182).

Noch von einer anderen Ecke her erscheint Barths Missverhältnis zu den Humanwissenschaften als inkonsequent. Er, der Gottes Offenbarung wie kein anderer als Tat, als Leben, als die „Alle und in Allen Alles nicht nur neu beleuchtende, sondern real verändernde Tatsache“ (183) beschrieben hat, scheint in der kirchlichen Praxis alles aufs verbale Wort auszurichten, so dass der fatale Eindruck entsteht, als handele Gott doch nur durch die Worte, die der Pfarrer auf der Kanzel oder im Seelsorgegespräch aus der Schrift auslegt. Gegen dieses Missverständnis richtet sich vor allen Dingen der Begriff „Praxis des Evangeliums“, der die Alternative von Wort und Tat, von profaner Aktion und kerygmatischem Zuspruch nach Josuttis relativiert (184).

3.3.3 Die Notwendigkeit humanwissenschaftlicher Reflexion für die Theologie

Schon die Barthsche Argumentation impliziert im Grunde die Notwendigkeit humanwissenschaftlicher Reflexion im Rahmen der Theologie. Das fängt dort an, wo er selbst zuweilen eklektisch, unmethodisch „eine rein psychologische Überlegung“ zur Stützung seiner theologischen Methodik anstellt (185), geht weiter in dem Gedanken, dass „jede Auslegung – und mag sie noch so textgetreu und textgebunden sein – …wirkungslos im leeren Raum verhallen (muss), wenn nicht die Möglichkeit eines Widerhalls bei dem, der sie hört, gegeben ist“ (186), und wird unausweichlich bei dem Gedanken, dass „kirchliche Sozialarbeit“ oder der „kirchliche Jugendunterricht“ nebst vielen anderen Aufgabengebieten der Kirche eben nicht „als solche selber Verkündigung“ sind (187) und nur bezüglich ihrer Verkündigungsimplikate dogmatisch reflektiert werden müssen (188). Diese Gedanken, konsequent weitergedacht, führen notwendig dazu, kommunikationswissenschaftliche und rhetorische Überlegungen bei der Predigtvorbereitung, sozialwissenschaftliche in der kirchlichen Sozialarbeit, pädagogische im kirchlichen Unterricht anzustellen, was Barth allerdings unterlässt. Josuttis zieht diese Konsequenz. Die „methodische Bemühung“ (189) um Predigt, Seelsorge, Ritual usw. bedeutet ja nicht den Verzicht auf die theologische Interpretation dieses Handelns, sondern lediglich die verantwortliche Ausschöpfung aller vorhandenen menschlichen Möglichkeiten, die als solche auch dann nicht das Gelingen der Verkündigung von Gottes Wort garantieren können und wollen. Barths Satz: „Jetzt wolle man nicht eine Rampe bauen, die langsam ansteigt, denn es gilt ja nicht eine Höhe zu erreichen: nein, es soll doch etwas von oben herabkommen“ gilt von Josuttis aus auch dann, wenn der nächstfolgende Satz – „und das kann nur sein, wenn die Bibel (sc. in der Predigt) gleich zu Anfang redet“ – als gesetzlich gestrichen und anstattdessen im Blick auf die humanwissenschaftlich-methodische Bemühung mit Barth weiter gesagt wird: „Wir haben dann getan, was wir konnten“ (190).

Zwei Zitate sollen als Beleg dafür ausreichen, dass Josuttis den handlungs- oder humanwissenschaftlichen Ansatz seiner Praktischen Theologie in seinem Buch konsequent durchführt. So erfolgt „die Ausbreitung des Evangeliums nicht jenseits der allgemeinen sozialpsychologischen Mechanismen“ (191) und wird Seelsorge als „Gesprächstherapie“ (192) verstanden, deren Proprium sich erst aus der inhaltlichen Ausrichtung am Kriterium des Evangeliums ergibt. Theologisch ist der handlungswissenschaftliche Ansatz wohlbegründet von der Weltlichkeit des Glaubens her. Die Praktische Theologie nimmt am „Streit um die Wirklichkeit… in der Weise teil, dass sie von der transempirischen Wirklichkeit des theologischen Gegenstandes her die empirische Wirklichkeit der Kirche und der Gesellschaft zu verändern beiträgt, und das setzt eine präzise Kenntnis dieser Wirklichkeit auch in der Kirche voraus“ (193). Dieser Ansatz hat für Josuttis einen so großen Stellenwert, dass der theologische Gehalt einer theologischen Position geradezu vom Verständnis humanwissenschaftlicher Implikationen religiöser Handlungen abhängt (194).

In diesem Plädoyer für das Verständnis von Praktischer Theologie als theologischer Handlungswissenschaft ist der Wissenschaftsbegriff, insbesondere der der Humanwissenschaften, bisher abstrakt und formal verwendet worden; es ging zunächst darum, das Verhältnis von Theologie und Empirie überhaupt zu klären. Im nächsten Kapitel geht es darüber hinaus um die Frage der inhaltlichen Ausrichtung der Praktischen Theologie und ihres materialen Wissenschaftsverständnisses.

4 Praktische Theologie als kritische Theorie

Praktische Theologie als Handlungswissenschaft benötigt nach Josuttis zur verantwortlichen Reflexion ihres empirischen Materials einen „theoretischen Rahmen“, um „empirische Ergebnisse, hypothetische Konstruktionen und theologische Reflexionen“ miteinander zu verknüpfen (195). Noch weit von diesem Ziel entfernt, versucht er, vom Kriterium des Evangeliums her die Umrisse eines solchen Rahmens als eine „kritische Theorie“ (196) zu entwerfen. Die Darstellung dieses Ansatzes soll weiterhin im theologischen Gespräch mit Karl Barth, schließlich aber auch in einer Gegenüberstellung mit dem praktisch-theologischen Ansatz von Gert Otto, der von der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule ausgeht, geschehen (197).

4.1 Der differenzierte Zusammenhang zwischen göttlicher und menschlicher Praxis

Der dogmatische Satz von der doxologischen Differenz zwischen Gott und Welt könnte zur Auffassung führen, göttliche und menschliche Praxis gehe nach jeweils eigener Gesetzmäßigkeit vonstatten, beide hingen also lediglich insofern zusammen, als die Erkenntnis Gottes die weltliche Praxis von der Sinnfrage entlastet (198). Barth und Josuttis behaupten demgegenüber zugleich mit der Distanz zwischen Gott und Mensch auch deren Zusammenhang: menschliche Praxis erhält ihre Richtung und Norm vom Evangelium her (199).

4.1.1 Die Unterscheidung und Zuordnung von Gesetz und Evangelium

Nach Barth zielt das Handeln Gottes „auf unser Handeln, auf eine Konformität unseres Handelns mit dem seinigen“ (200). Das göttliche Geschenk des Evangeliums zieht die Erfüllung des Gesetzes durch den Menschen nach sich. Insofern ist „das Gesetz… nichts anderes als die notwendige Form des Evangeliums, dessen Inhalt die Gnade ist“ (201). In dieser Vorordnung des Evangeliums vor das Gesetz und Einordnung des Gesetzes in das Evangelium widerspricht Barth der in der reformatorischen Theologie vorherrschenden Reihenfolge von „Gesetz und Evangelium“, die für ihn nur einen sekundären Sinn hat als die Beendigung des durch die Sünde missbrauchten Gesetzes (202). Das Gesetz als Heilsweg führt ins Verderben, aber das Evangelium als „die wirklich frohe Botschaft für wirkliche Sünder“ (203) stellt das Gesetz in seinem auch für den Christen gültigen Sinn wieder her, „aus der Forderung: Du sollst! zu der Verheißung: Du wirst sein!“ (204). Dieser Ansatz führt konsequent dazu, Ethik als Teil der Dogmatik zu behandeln, in der sie die „Gnade Gottes“ als „heilsame Bindung und Verpflichtung“ des Menschen zu bezeugen hat (205).

Gegenüber dieser Betonung der spannungslosen Einheit von Evangelium und Gesetz (206) hält Josuttis – enger an die lutherische Tradition anschließend – an der in erster Linie notwendigen „Unterscheidung von Gesetz und Evangelium“ fest (207). Immerhin ist auch für ihn das Gesetz ein „abhängiges, aber selbständiges Element“ der Auslegung des Evangeliums, das den Menschen in die Richtung der Kritik an „jede(r) sonstige(n) Heilsverheißung und jeden sonstigen Herrschaftsanspruch(s)“ abseits von Jesus Christus stellt (208). Doch obwohl er an der Barthschen Intention des engen Zusammenhangs von Glauben und Handeln festhält, sieht er in der Barthschen Lösung des Problems die Gefahr der Gesetzlichkeit, die Werke (vielleicht sogar besonderer, religiöser Art) als Erweis des Glaubens fordert (209). In seiner Schrift „Die Gesetzlichkeit in der Predigt“ unterscheidet Josuttis daher zwischen der Predigt des Gesetzes als eindeutiger, verurteilender und befreiender „Sündenaufdeckung“ (210), die ihre „Stellung vor dem Evangelium“ (211) hat, und der Paränese, die „trotz ihrer imperativischen Form nicht im Gesetz, sondern im Evangelium zu Hause“ ist (212) und dazu anleitet, aus dem Leben im Glauben heraus „das wirklich Notwendige, das, was die wirkliche Not des wirklichen Nächsten wirklich zu wenden vermag“, zu tun (213).

4.1.2 Medien des Evangeliums und das Wort

Für Josuttis ist weiterhin der Übergang vom göttlichen zum menschlichen Handeln, vom Evangelium zum Gesetz im Sinne der Paränese problematischer als für Barth. Die Brücke zwischen beiden zu schlagen, die gleichzeitig ihre kritische Distanz bewahrt, versucht er mit der Hilfskonstruktion des Begriffs „Medium des Evangeliums“ (214). Solche Medien können sein: Handlungen, gruppendynamische Prozesse, Rituale, Sakramente, Worte. Ob in diesen Bereichen sich wirklich „Praxis des Evangeliums“ ereignet, muss am Evangelium selber, an einem bestimmten „Wort“ gemessen werden (215), denn kein Medium, auch nicht das der Sprache, ist „der Verkündigung des Evangeliums von vornherein und als solches adäquat“. Grundsätzlich steht jedes Medium des Evangeliums in Konkurrenz zum Kerygma, weil der Mensch sich durch die Mittel der Sprache, der rituellen Vollzüge, des politischen Handelns das Heil aneignen will, das das Kerygma als unverfügbares Geschenk verheißt (216). Das Mittel zur Unterscheidung zwischen „dem Heil aus der Aktion und dem Heil von Gott her“ liegt nun allein in der Sprache, und zwar nicht in ihr als solcher, sondern in einem bestimmten Wort (217). In der Sprache liegt die Möglichkeit, Situationen und Handlungen zu transzendieren, eine Praxis zu definieren, einen Namen anzurufen, durch den die Situation oder Praxis in der Meinung der Anrufenden bestimmt ist. Die Anrufung des Namens „des Gottes Jesu“ (218) qualifiziert alle anderen Namen als vorläufig (219) und stiftet zur Kritik und Relativierung der Medien des Evangeliums an.

Der Begriff des Mediums erleichtert die Abwehr einer Identifikation menschlicher Praxis mit dem Ereignis des Wortes Gottes und gestattet die kritische Reflexion der „Praxis des Evangeliums“, ob sie ihrem Anspruch wirklich gerecht wird. Inhaltlich knüpft die Formel an die Barthschen Aussagen über die sekundäre Gegenständlichkeit Gottes an (220), die nun nicht nur im Blick auf die Wahl bestimmter Gegenstände durch Gott zu seiner Offenbarung, sondern auch von der diesen Gegenständen eigenen weltlichen Geschichtlichkeit und Bedingtheit her betrachtet werden (221).

4.1.3 Zwei-Reiche-Lehre und Königsherrschaft Christi

Der Gebrauch der Begriffe „Gesetz“ und „Medium“ bei Josuttis lässt erkennen, dass er bestimmte Anliegen der Zwei-Reiche-Lehre aufnehmen will, die Barth rigoros ablehnt (222). Gegenüber der Gefahr, dass durch sie eine unmenschliche Eigengesetzlichkeit der Welt die Oberhand gewinnt, behauptet Josuttis mit Barth die Herrschaft Christi über alle Lebensbereiche (223); aber in der Zwei-Reiche-Lehre sieht er immerhin die legitime Abwehr der Gefahren der Gesetzlichkeit und des Klerikalismus, also der Identifikation des Reiches Gottes mit einer christlichen Bewegung, die in der Lehre von der Königsherrschaft Christi angelegt sind (224). Unterscheidungen, die mit derjenigen der Zwei-Reiche-Lehre vergleichbar sind, trifft auch Barth, so zwischen der Christengemeinde und der Bürgergemeinde und zwischen der noch unerlösten und der kommenden Welt (225); nur kommt es ihm darauf an, keine beziehungslose Unterscheidung zu treffen, sondern mittels des Gleichnisbegriffs für den Zusammenhang von Staat, Kirche und Reich Gottes eigenständige theologisch-politische Normen aufzustellen, also „die klare Eigengesetzlichkeit ihrer eigenen… Sache“ als „allein glaubwürdige und maßgebliche geistliche Norm“ auch in der profanen Praxis anzuwenden (226). Er trifft sich mit Josuttis darin, dass auch er die Beziehung zwischen Evangelium, Politik und Religion und keine Trennung aussagen will, jedoch, wie jetzt konkret zu zeigen ist, vom Begriff des Mediums her, vermittelter als bei Barth.

4.2 Politik und Religion als Medien des Evangeliums

Das Evangelium hat nach Josuttis „keine eigene Sprache und braucht kein separates Funktionsfeld“; es kann „mit Kategorien aus beiden Bereichen ausgelegt werden“ (227), die sich am „Wort“ als Kriterium messen lassen müssen. Bei dieser Auslegung und Prüfung ist auch das Josuttissche Kriterienverständnis dem Verständnis der Barthschen „geistliche(n) Norm“ gegenüberzustellen.

4.2.1 Politik

Politik ist für Josuttis „Suche nach Heil durch die gesellschaftliche Gestaltung seiner (sc. des Menschen) individuellen und kollektiven Beziehungen nach der Maßgabe von Macht und Recht“ (228). Seine Definition scheint sich nur auf eine bestimmte Art von Politik zu beziehen, die von vornherein einen sozialistischen, zumindest fortschrittlichen Einschlag hat, wenn er davon spricht, dass „jede politische Praxis… Antagonismen der gegenwärtigen Gesellschaft“ zu überwinden bestrebt sei, um dem Menschen „sein wahres Leben“ zu ermöglichen (229). Diese eingeengte Definition ist verständlich in einer Situation, in der zwar allenthalben – auch in der Kirche – konservative Politik betrieben und gestützt wird, die sich aber als unpolitisch tarnt und den Linken die Politisierung sogenannter unpolitischer, objektiv zu erfassender theologischer oder wissenschaftlicher Fragen vorwirft (230). Josuttis lehnt sich damit aber auch der politischen Option für „die äußerste Linke“ an, die Barth im Römerbriefkommentar zum Ausdruck bringt (231); noch 1946 gibt es für Barth in der Politik für die Christengemeinde nur die „Wahl zwischen den verschiedenen sozialistischen Möglichkeiten“ (232).

4.2.1.1 Gesellschaftskritik und Gesellschaftsveränderung

Zentrales Anliegen von Josuttis ist es, „den kritischen, auch gesellschaftskritischen Sinn theologischer Sätze zurückzugewinnen“ (233). Theologie als Stabilisierung bestehender Herrschaftsverhältnisse ist für ihn – so vermutet er – ein Missverständnis; stattdessen sieht er die „doxologische Differenz zwischen Gott und Welt, Gott und Gesellschaft (als) Urform und Basis aller theologischen Gesellschaftskritik“ (234), indem von der „Herrschaft Gottes“ her die „Legitimität der Herrschaft von Menschen über Menschen grundsätzlich“ bestritten wird (235). Von diesem Ansatz her kritisiert Josuttis z. B. beide bislang führenden Seelsorgekonzeptionen, die kerygmatische und die therapeutische, wegen der ihnen gemeinsamen Blindheit gegenüber ihren eigenen „gesellschaftlichen Funktionen“ (236); er setzt dagegen eine Konzeption, die auf ein differenziertes Verhältnis von Integration und Emanzipation abzielt (237), sucht „die Ursachen menschlicher Krankheit immer auch in der Gesellschaft“ (238) und spricht „die gesellschaftlichen und politischen Ursachen des Todes“ an (239).

Die Beziehung zwischen Evangelium und Politik ist zweierlei Art: es gibt die indirekte politische Wirkung der scheinbar unpolitischen Verkündigung des Evangeliums, das aber nach Barth „von Haus aus politisch“ ist (240). Auch für Josuttis kann z. B. der Gottesdienst als unpolitischer Freiraum Geltung beanspruchen, insofern als er von „politischer Reflexion und Disputation“ an einer Stelle entlastet und neue Energien bereitstellt „zum Leben in der Welt der Politik“ (241). Außerdem gibt es die direkte Verantwortung der Glaubenden in der Politik. Ihr Engagement bezieht sich auf „weltliche, profane Aufgaben und Probleme“; es unterscheidet sich in „Form und Inhalt“ nicht grundsätzlich von dem „anderer Bürger“; dennoch hat es seine Norm vom Evangelium her „in einer mit keiner anderen zu verwechselnden Richtung und Linie“, die sich auf „die Gleichnisfähigkeit und Gleichnisbedürftigkeit des politischen Wesens“ als „Analogon zu dem in der Kirche geglaubten und von der Kirche verkündigten Reich Gottes“ bezieht (242). Ich kann im Rahmen dieser Arbeit die Tragweite der von Barth im Anschluss an diese These erzielten Ergebnisse nicht beurteilen. Sein Interesse, die Beliebigkeit politischer Entscheidung von Christen durch den Hinweis auf die klare „Richtung und Linie“ abzuwehren, wird von Josuttis aufgenommen, aber vorsichtiger formuliert. Für ihn gibt es auch auf dem Gebiet der Normen keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen Christen und Nichtchristen, abgesehen von dem Zusammenhang, in dem sie bei den Christen mit ihrem Glauben an den alles Weltliche relativierenden Gott stehen. Er dürfte der These nicht verschlossen sein, dass christliche Normen nicht etwas absolut Neues sind gegenüber den in der Welt schon immer vorhandenen Normen, vielmehr die Aufgabe christlicher Ethik in der Reflexion und Kritik konkreter Alltagsnormen besteht – am Kriterium des konkreten Evangeliums in der Gestalt Jesu Christi, mit dem Blick auf wahre Universalität (243). Viel akuter ist das andere Interesse Barths, auf politische Entscheidungen in der Kirche nicht durch scheinbare Rücksicht auf die „Einheit des Glaubens“ zu verzichten (244). Ihm ist bewusst, dass diese Einheit infragegestellt ist, latent durch die nicht artikulierten politischen Gegensätze, offenkundig durch die, „die ihre politische Entscheidung am Bestimmtesten als ihre Glaubensentscheidung vollzogen und Anderen gegenüber vertreten“ haben (245); sie kann jedoch nicht durch Verzicht auf politische Willensbildung erreicht werden, sondern gerade dadurch, dass zunächst einzelne für die ganze Kirche sprechen und der Kirche zum Anstoß werden, durch die Reflexion der politischen Implikationen des Glaubens ihre Einheit auf einer neuen Ebene wiederherzustellen (246). Während Barth selbst politisch meist zu der in der Kirche unverstandenen oder angefeindeten Avantgarde zählte, versucht Josuttis einen Beitrag zur Herstellung der „Einheit des Glaubens“ zu leisten, indem er die Anliegen der neomarxistischen Theologen mit denen der Frommen im Lande zu vermitteln sucht (247). Doch lässt sich diese Einheit nicht im Sinne eines Meinungskonsensus, sondern nur im „Pluralismus des theologischen Streits“, der Mechanismen zur herrschaftsfreien Konfliktregelung entwickelt, herstellen (248). Dem entspricht, dass Josuttis das Kriterium des Evangeliums – in seiner Form als „Gesetz“ – nicht als eine von irgendeiner Instanz eindeutig auslegbare Norm ansieht (249). Deshalb verzichtet er auf eine ebenso detaillierte inhaltliche Präzisierung, wie wir sie bei Barth finden, und weist auf die Notwendigkeit der Integration der „kritische(n) Gesellschaftstheorie“ in die Theologie hin, durch die diese Aufgabe zu erfüllen ist (250).

4.2.1.2 Absage an die Vermischung von Politik und Theologie

In unzulässiger Weise vermischt werden Politik und Theologie überall da, wo entweder die Kirche politische Macht zu erringen oder zu behaupten versucht oder aber politische Bewegungen religiöse Ziele anstreben oder sich mit religiösen Legitimationen versehen. Die erste Gefahr des Klerikalismus verbietet sich deswegen, weil hier Herrschaft von Menschen über Menschen ausgeübt wird (251), weil Kirche und Reich Gottes, also menschliches und göttliches Handeln dadurch identifiziert werden (252) und weil um des universalen Anspruchs des Evangeliums willen Christen sich nicht als Partei gegenüber Nichtchristen abgrenzen dürfen (253). Darin sind sich Barth und Josuttis grundsätzlich einig, wenn auch Josuttis Anlass hat, in der Barthschen Theologie selbst angelegte Gefahren des Klerikalismus zu kritisieren (254).

Gegenüber der anderen Gefahr kommt das Kriterium des Evangeliums, des Wortes am deutlichsten in seiner Funktion als Kritik am Medium des Evangeliums selbst zum Tragen: politische Praxis muss vom Evangelium her kritisiert werden, insofern sie „religiöse Implikationen“ enthält und in ihrem Heilsstreben in Konkurrenz zum Evangelium tritt; der „Name Jesus“ legitimiert nicht nur, sondern relativiert auch den „Versuch einer Auslegung des Evangeliums in politischen Kategorien und politischen Praxisvollzügen“ (255). Für Josuttis gibt es von hier aus keine absolute Solidarität mit Kampfbewegungen der Unterdrückten (256), sondern nur eine kritische, die „gegen jeden Versuch protestiert, das Reich der Freiheit reaktionär oder revolutionär durch Menschenopfer herbeizuführen“ (257). Alltäglicher ausgedrückt: wo die Unterscheidung „zwischen Verwirklichung und Verheißung von Gottes Reich verloren zu gehen“ droht, steht die Gefahr der Selbstüberschätzung oder der Resignation ins Haus (258), zeigt sich, nebenbei bemerkt, eine politisch links gewendete Form des Klerikalismus. Das gleiche meint der Satz Barths, der uns heutigen linken Christen gesagt sein könnte: „Ihr dürft in keinem Fall in dem, was ihr gegen den jetzigen Staat tun könnt, die Entscheidung, den Sieg des Gottesreiches suchen“ (259). Damit wird Josuttis nicht Unrecht gegeben, wenn er die Konzeptionen des kerygmatischen und des politischen Gottesdienstes in keinem absoluten Gegensatz sieht (260); politisches Handeln ist den Christen als vorläufiges Handeln, anonym unter Nichtchristen, geboten: „Streik und Generalstreik und Straßenkampf, wenn’s sein muss, aber keine religiöse Rechtfertigung und Verherrlichung dazu! … Sozialdemokratisch, aber nicht religiös-sozial! Der Verrat am Evangelium gehört nicht zu den politischen Pflichten“ (261).

4.2.2 Religion

Religion ist für Barth „die Angelegenheit des gottlosen Menschen“, durch die der Mensch versucht, das zu erreichen, was ihm nur geschenkt werden kann (262). Josuttis sieht Religion ebenso in Konkurrenz mit dem Evangelium, betont aber zugleich, dass Religion wie die Politik auch Medium des Evangeliums sein kann. Sie besteht in der „Suche nach Heil durch die rituelle Ausgestaltung der Erfahrung seiner (sc. des Menschen) Abhängigkeit, seiner Schuld, seiner Begrenztheit“ (263). Josuttis nimmt damit die Tatsache ernst, dass die Qualifizierung der „Religion als Unglaube“ sich „auch und vor allem (auf) uns selbst als Angehörige der christlichen Religion“ bezieht (264), also dass das Christentum Religion ist und nicht in seinem empirischen Bestand als Nicht-Religion über die anderen Religionen gestellt werden kann.

4.2.2.1 Religion als Medium des Evangeliums

Für Josuttis steht zwar das Evangelium im Spannungsfeld zwischen Politik und Religion, gelegentlich hat es aber den Anschein, als werde Religion fast synonym mit Evangelium gebraucht. Wenn es heißt, dass „das Evangelium ohne Gesetz zum religiösen Stabilisator und dass das Gesetz ohne das Evangelium zum politischen Legislator wird“ (265), so scheint Politik auf der Seite des Gesetzes, Religion auf derjenigen des Evangeliums zu stehen. Dadurch, dass Josuttis die religiöse Interpretation des Evangeliums auf ein „Handeln Gottes“ bezieht, darauf, dass „der Mensch von sich aus nicht fähig (ist), das Heil zu erreichen“ (266), wird vollends deutlich, dass er den Religionsbegriff nun doch anders gebraucht als Barth es je getan hätte. Für Josuttis hat Religion vor allem ein passives Element, das sie geeignet macht, Medium des unverfügbaren Evangeliums zu sein; in religiösen Vollzügen konkretisiert sich „Erfahrung von Abhängigkeit und Schuld“ existentieller Art, die durch politisches Handeln nie völlig auszuräumen ist (267). Religiöse Vollzüge können auch die Rolle eines Freiraums neben und vor eigentlichem politischem Handeln haben, im Sinne von Ruhe, Atemschöpfen, zweckfreier, leistungs- und lernfreier Selbstbestätigung (268). Für Barth stellt demgegenüber Religion in erster Linie ein aktives, gegen Gott gerichtetes Handeln dar, das nur durch die Offenbarung des Evangeliums durchbrochen werden kann (269). Eine legitime Weiterführung des Barthschen Gedankens ist in der Auffassung von Josuttis (trotz der definitorischen Unterschiede) insofern zu finden, als man auch von Barth her nicht an der Frage vorbei kommt, in welchen menschlichen Vollzügen sich die Offenbarung ereignet; dass dies auch religiöse Aktionen sein können, braucht nicht durch eine Einengung des Begriffs Religion vom Tisch gewischt werden (270).

4.2.2.2 Religionskritik

Dass Josuttis inhaltlich doch an der Barthschen These festhält, dass Religion letztlich ein aktives Handeln gegen Gott ist, zeigt sich dort, wo er von der religiösen Praxis sagt, dass sie „mit Hilfe des Gesetzes, aber unter dem Schein des Evangeliums, das Ziel des Evangeliums, das Heil, zu erreichen“ sucht (271). Die Relativierung der religiösen Vollzüge hat konkret die Anstiftung zur politischen Praxis zur Folge (272), zumindest aber den Protest gegen jede „ideologische Verwendung von religiöser Theorie und Praxis“ zur Sanktionierung bestehender „Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnisse“ (273). Wie bei der Politik die religiösen Implikationen kritisch im Blick behalten werden sollten, so bei der Religion die politischen (274).

Eine nur scheinbare Widersprüchlichkeit liegt darin, dass Religion einerseits, wie eben erwähnt, als gesetzliche Bemühung vom Evangelium abgehoben wird, dass Josuttis andererseits von folgender Prämisse ausgeht: „Die Differenz zwischen Evangelium und Religion liegt im Gesetz“ (275). Gesetz im ersten Sinn bezieht sich auf die Bemühung des Menschen, sein Heil ohne Gott zu schaffen, Gesetz im zweiten Sinn meint die Verurteilung menschlicher Bemühungen durch Gott. Damit wird ausgedrückt, dass Evangelium nicht einfach Bestätigung des Bestehenden ist, zu dem ja auch das Schlechte, die Illusion gehört (276), sondern im Sinne Barths zu verstehen ist: Gott „macht uns lebendig, indem er uns tötet“ (277), wobei der Ton auf „lebendig“ liegt, da den uns rettenden Tod Jesus Christus schon erlitten hat (278). Von daher wird die Kritik „gegenüber dem eigenen Heilsverlangen“, den gesellschaftlichen und individuellen Illusionen (279), z. B. über den Sinn der Krankheit (280) oder über eine vermeintliche „Harmonie zwischen Politik und Religion, wie es im Leitbild vom christlichen Abendland ausgedrückt war“ (281), möglich und notwendig.

4.3 Kritische Theologie und Kritische Theorie

Josuttis definiert Praktische Theologie vom Kriterium des Evangeliums her, das eben zu entfalten versucht wurde, als „kritische Theorie der kirchlichen Praxis“ (282), wobei er sich terminologisch an die Frankfurter Schule anlehnt. Er nimmt aber die „Kritische Theorie“ nicht nur als begriffliche Stütze, sondern auch inhaltlich in Anspruch – während er der Systemtheorie und dem Positivismus ablehnend gegenüber steht (283) -, anders allerdings als etwa Gert Otto, der seinen praktisch-theologischen Ansatz explizit als „kritische Theorie religiös vermittelter Praxis in der Gesellschaft“ versteht (284). Unterschiede und Gemeinsamkeiten sollen, ohne erschöpfend behandelt werden zu können, kurz umrissen werden.

4.3.1 Rezeption der Kritischen Theorie

Im Unterschied zu Otto versteht Josuttis Praktische Theologie nicht als Gesellschaftstheorie, sondern als „Ekklesiologie, die ihre politisch-sozialen Implikate bedenkt“ (285). Er stimmt aber mit Otto überein, wenn er die Notwendigkeit einer „kritischen Theorie der Gesellschaft“ für Praktische Theologie als „kirchenkritische Theologie“, die nicht „traditionsverkrustet, kirchenkonform, gesellschaftsblind, emanzipationsfeindlich“ arbeiten muss, herausstellt (286). Gegenüber der „funktionalen Theorie des kirchlichen Handelns“, die für ihn „theoretisch, aber theorielos das Handeln einer ebenso theorielos funktionierenden Kirche“ (287) wiederholt, hält er die „Kritik der neomarxistischen Theologen“ als „Erinnerung an die bleibende Wichtigkeit der gesellschaftskritischen Fragestellungen“ für notwendig; wo er sich auf Theoretiker der Kritischen Theorie wie Horkheimer, Adorno, Habermas bezieht, zitiert er sie durchweg zustimmend, um ihre Ergebnisse zum Ausbau seines gesellschaftstheoretischen Rahmens zu verwenden (288). Josuttis dürfte damit die Aufgabe anvisiert haben, sich mit der wirklichen „Praxis, kirchliche Praxis eingeschlossen; auseinanderzusetzen, um der Gefahr zu begegnen, dass – wie Otto formuliert – „wissenschaftliche Theologie, pauschal genommen, in ihren verschiedensten Ausprägungen, einschließlich Dialektischer und existential orientierter Theologie… ganz andere als beabsichtigte Wirkungen in erheblichem Maße hat bzw. auch solche, die sie gar nicht erkennt“ (289). Ich habe dargestellt, wie Josuttis mit seinem handlungswissenschaftlichen Ansatz, der nun inhaltlich in der Richtung einer kritischen Gesellschaftstheorie ausgefüllt worden ist, die theologischen Ansätze Karl Barths konsequent weiterführt, indem er Engführungen und Missverständnisse, etwa der Möglichkeit einer eigenständigen theologischen Methodik, kritisiert und die behauptete praktische Relevanz der Barthschen Theologie einer kritischen Reflexion durch außertheologische Wissenschaften aussetzt.

4.3.2 Praxis des Evangeliums oder Praxis als Evangelium?

Josuttis – wie Barth – will aber Theologie nicht in „Religionswissenschaft“ (290) aufgehen lassen, die „das Evangelische des Evangeliums nicht mehr theologisch, sondern gesellschaftstheoretisch, im Rahmen der kritischen Theorie und mit dem Maßstab der Emanzipationsintention“ misst (291). Dass Otto wirklich diese von Josuttis abgelehnte Linie verfolgt, zeigt ein von ihm zustimmend zitiertes Habermas-Zitat, demzufolge die Kritische Theorie „mit ihrer radikalen Kritik der Religion die Grundlage für die Aufnahme der utopischen Gehalte auch der religiösen Überlieferung und des erkenntnisleitenden Interesses an Emanzipation“ bildet; ein Anspruch, hinter den nach Otto „nicht zurückgegangen werden kann“ (292). Josuttis sieht demgegenüber nicht „die biblische Tradition nur als Spezialfall eines allgemeinen Phänomens“, der Religion nämlich, sondern als Kriterium der Praktischen Theologie (293).

Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Positionen kann schlaglichtartig durch die Gegenüberstellung der Formeln „Praxis des Evangeliums“ und „Praxis als Evangelium“ (294) beleuchtet werden. Nach der letzteren – Ottoschen – Formel stellt sich die Wahrheit eines theologischen Satzes in jedem Fall erst in der Praxis her; vor, außerhalb oder über gesellschaftlicher Praxis gibt es nichts, was „als Evangelium“ qualifiziert werden könnte, höchstens in ideologischer Weise (295). Von der anderen Position her kann „die Wahrheit des christlichen Glaubens nicht identisch (sein) mit der Wirklichkeit der menschlichen Gesellschaft und auch nicht im historischen Prozess identisch werden“, weil zwar der Mensch das „Subjekt der gesellschaftlichen Wirklichkeit“ ist, als „Subjekt der christlichen Wahrheit (aber) nur Gott selbst gedacht werden kann“ (296). Das wird im – mit Recht – zweideutig gelassenen Genitiv der Formel „Praxis des Evangeliums“ angedeutet, die sowohl eine menschliche Praxis unter dem Kriterium des Evangeliums als auch ein Handeln des Evangeliums selbst – durch die Person des gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus definiert – umfasst. Im Evangelium wird auf ein von Gott her vorgegebenes Geschehen, den Sieg des am Kreuz Gescheiterten, zurückgegangen, der die im Glauben handelnden Menschen bestimmt. Von dieser „Osterbotschaft“ ist nun aber ganz in der Intention Ottos zu sagen, dass sich ihre Wahrheit erst in der Praxis herstellt, sie „wird Wahrheit, ist Bewegung und Wesen, indem sie ausgesprochen wird, oder es ist eben nicht die Osterbotschaft, die da ausgesprochen wird“ (297). Gegen Otto ist das, was dieser unter Evangelium und Glauben versteht, nämlich die „Verbesserung, … Humanisierung der Welt“ (298), von Barth und Josuttis aus reines Gesetz ohne Evangelium, Zumutung ohne Ermutigung, Forderung ohne Geschenk – mit den Gefahren sowohl der Selbstüberhöhung als auch der Resignation. Im Ziel der Humanisierung dürften sich Otto, Barth und Josuttis weitgehend einig sein, doch ist es für die letzteren nicht vom Menschen endgültig herstellbar, sondern nur zeichenhaft repräsentierbar, als etwas, das längst geschenkt, auf dessen letzte Verwirklichung – durch Gott selbst – aber noch tätig zu warten ist (299).

5 Biblische Exegese als Legitimation und Kontrolle des Evangeliums

Die kritische Theologie von Josuttis ist „am biblischen Evangelium“ orientiert (300); die empirische Kirche interessiert ihn trotz aller Vorbehalte wegen ihrer Ansprechbarkeit „auf die biblische Tradition“ (301); im christlichen Gottesdienst geschieht als Mittelpunkt der Selbstverständigung der Kirche „Verkündigung des Evangeliums“ (302), wird also „das wahre Wort als Auslegung der heiligen Schrift“ laut (303). Die Möglichkeit, dass das Evangelium einer heutigen Praxis als Kriterium gegenübertreten kann, liegt nach Barth darin, dass es sich auf den schriftlich fixierten Kanon der Bibel bezieht und daher eine „freie Macht gegenüber der Kirche“ sein kann (304). Die Weise der Beziehung auf biblische Tradition muss aber geprüft werden, da der Verdacht besteht, die Begriffe „Evangelium“, „Wort“, „biblische Tradition“ seien nichts als „Leerformeln“, die mit Hilfe exegetischer Anstrengungen je nach Interpretationsraster und eigenem Interesse zur Legitimation beliebiger Inhalte benutzt werden (305).

5.1 Historisch-kritische Exegese

Dass die Bibel als Sammlung der „literarischen Denkmäler einer vorderasiatischen Stammesreligion des Altertums und… einer Kultreligion der hellenistischen Epoche… auf eine besondere Beachtung und Betrachtung einen apriorischen dogmatischen Anspruch nicht machen kann“, ist Barth ebenso bewusst wie die Tatsache, dass innerhalb der Bibel inhaltlich verschiedene, sogar gegensätzliche Traditions- und Bedeutungsstränge vorliegen (306). Er anerkennt „Recht und Notwendigkeit“ der historischen Kritik, nicht nur bezüglich der „Feststellung dessen ‚was da steht‘“ (307), sondern auch in Hinsicht auf das Interesse der historisch-kritischen Exegeten, den Text zu verstehen und zu erklären, ggf. auch zu kritisieren (308). Barths Vorbehalt gegenüber diesen Auslegern besteht nicht darin, dass sie ihm zu kritisch, sondern zu unkritisch verfahren (309), nämlich gegenüber ihren eigenen Voraussetzungen. Da es keine „voraussetzungslose Exegese“ gibt (310), da jede Exegese „eine Kombination von Nehmen und Geben, Auslegen und Einlegen“ ist (311), kann ein wirkliches Verstehen des Textes nur so erreicht werden, dass man sich die eigenen Voraussetzungen und Annahmen vergegenwärtigt und am Text selbst misst (312) – „durch ein tunlichst lockeres und williges Eingehen auf die innere Spannung der vom Text mit mehr oder weniger Deutlichkeit dargebotenen Begriffe“ (313). Der Text ist nicht verstanden, wenn er lediglich eine „von irgendeinem zufälligen Standpunkt des Exegeten bestimmte Wertung“ erfährt (314) oder wenn eine Leerformel wie „das sog. ganze Evangelium“ durch die Beschäftigung mit einem Text „arbeitslos“ legitimiert werden soll (315).

In diesem Zusammenhang möchte ich nur kurz darauf hinweisen, dass Barth implizit über die historisch-kritische Methode hinaus nach einer historisch-materialistischen Auslegung fragt, die die Texte und ihre Überlieferungs- und Wirkungsgeschichte bis hin zum Exegeten selbst auf die hinter ihnen stehende gesellschaftliche Praxis sowie die mit ihnen verbundenen Interessen untersucht (316).

Josuttis macht zu diesem Bereich keine grundsätzlichen Aussagen, nimmt aber Ergebnisse der historischen Kritik selbstverständlich in Anspruch und dürfte im Interesse der „Entlarvung der Götzen“ (317) im politisch-ökonomischen Bereich auch der historisch-materialistischen Methode eine gewisse Bedeutung zumessen. Wesentlich erscheint mir, dass für ihn offensichtlich Exegese nur sinnvoll im empirie-bezogenen und interdisziplinären Zusammenhang getrieben werden kann (318).

5.2 Theologische Exegese

Exegese als „das Kriterium aller Sätze der Dogmatik“ (319), die sich wiederum auf die jeweils gegenwärtige Praxis beziehen, kann nach Barth nur als „theologische Exegese“ verstanden werden, die mit der Voraussetzung an die Bibel herangeht, „dass in diesem Buch die Kirche bisher Gottes Wort gehört hat“ und dieses Wort auch für die Gegenwart neu zu hören erwartet wird (320). Die Schriftgebundenheit der Kirche kann nach Barth nicht begründet, sondern nur erläutert werden; sie ist selber Bestandteil des Glaubens (321). Der zentrale Inhalt der Bibel ist „das Interesse an Gott selbst“; die wichtige „biblische Linie“ liegt darin, dass die biblischen Schriftsteller über sich und die Welt hinausweisen auf göttliche Offenbarung hin (322). In der theologischen Exegese muss „die Beziehung der Wörter auf das Wort in den Wörtern“ möglichst weitgehend aufgedeckt, d. h. die historische Begrifflichkeit so auf das inhaltliche Anliegen des Textes bezogen werden, dass nun fast nur noch das „Rätsel der Sache“, kaum noch das „Rätsel der Urkunde“ zur Debatte steht (323). Den Wahrheitsbeweis für die ausgelegte „Sache“ kann nur die Gemeinde antreten, indem „sie der Bibel selbst Gehör und Gehorsam schenkt und zu demselben Gehör und Gehorsam durch ihr eigenes Tun auch die Welt einladet“ (324).

Ohne dass Josuttis über diesen „Kreis der Wahrheit“ (325) ausführlich reflektiert, setzt offensichtlich auch er ihn voraus. Evangelium ist für ihn eine hermeneutische Chiffre für das, was Barth das „Wort in den Wörtern“ nennt, eine bestimmte Vorstellung vom in der Bibel Gemeinten, die immer wieder an der Bibel gemessen werden muss; sein Evangeliumsverständnis wird zum Kanon im Kanon der Bibel, um Zentrales vom Peripheren zu unterscheiden (326). Von diesem Ansatz her kann es eine Berufung auf die Bibel niemals als „objektives“ Beweismittel für die Richtigkeit dieser oder jener theologischen Position geben, ohne die jeweilige interessen- und situationsspezifische Hermeneutik in Rechnung zu stellen.

6 Praktische Theologie als Theorie kirchlicher Praxis in der Gesellschaft

Eine so von der Dogmatik und dem Glauben ausgehende praktisch-theologische Theorie kann nicht bei der Gesamtgesellschaft als Subjekt der hier reflektierten Praxis ansetzen, da der Zusammenhang zwischen ihr und der Dogmatik unmittelbar nicht herzustellen ist. Daher ist die Kirche „das Feld der Praktischen Theologie wie der theologischen Praxis, für jene als Aufgabe kritisch-konstruktiver Forschung, für diese als Bereich kritisch engagierter Aktivität“ (327). In welcher Weise Kirche allerdings Arbeitsfeld der Praktischen Theologie ist, bedarf noch einer Reflexion.

6.1 Kirche und Gesellschaft

Bis vor nicht allzu langer Zeit galt die Kirche mit Selbstverständlichkeit als Praxisfeld der Theologie, und zwar „die Kirche in ihrer überkommenen Gestalt“ (328). In dieser Situation ging zwar auch Barth bei seiner dogmatischen Reflexion von der empirischen Kirche aus, aber mit der kritischen Absicht, sie einer „Selbstprüfung“ am Kriterium des Evangeliums zu unterziehen (329). Die Kirche als „die lebendige Gemeinde des lebendigen Herrn Jesus Christus“ kann zur toten „Scheinkirche“ werden (330); umgekehrt wird die lebendige „wirkliche Kirche“ nur „sichtbar, indem sie als solche in der Kraft des Heiligen Geistes… aus ihrer Verborgenheit in der kirchlichen Einrichtung, Überlieferung und Gewohnheit, aber auch in aller kirchlichen Neuerung und Veränderung hervorbricht und herausleuchtet“ (331).

Für Josuttis ist Kirche als institutioneller Rahmen der Praxis des Evangeliums zwar keine fraglose Selbstverständlichkeit mehr, aber er hält dennoch – gegen Otto – daran fest, da die Gesellschaft im allgemeinen nicht fähig ist, ihre Praxis vom Besonderen der biblischen Tradition her zu verstehen, die Kirche aber darauf ansprechbar ist (332). Vor allem aber verfolgt Josuttis mit der Konzentration der praktisch-theologischen Arbeit „auf die Kirche als ihr primäres Forschungsfeld“ gerade das „Ziel, die Kirche vor der verhängnisvollen Anpassung an Traditionen und Trends der Gesellschaft, aber auch vor der selbstgefälligen Isolation gegenüber gesellschaftlichen Erfordernissen und Entwicklungen zu warnen“ (333). Damit ist die Kirche grundsätzlich – in kritischer Weise – offen gegenüber der Gesellschaft, ein Anliegen, das bei Barth einen hohen Stellenwert hat. Zu den ekklesiologischen Hauptthesen Barths gehört die Aussage, dass die Kirche als die „irdisch-geschichtliche Existenzform“ Jesu Christi die Rechtfertigung, Heiligung und Berufung „der ganzen Menschenwelt, ja aller Kreaturen“ vorläufig darzustellen hat (334); Mission bedeutet für ihn, an den „echten Sorgen, Nöten und Aufgaben“ der Gesellschaft „aufrichtig teilzunehmen“ und teils ein „ruhiges Zentrum echter Einkehr und Besinnung“, teils ein „Herd prophetischer Unruhe, Warnung und Anregung“ zu sein (335). Dazwischen mag man die Ver- oder auch Zumutung von Josuttis gegenüber der „Institution Kirche“ ansiedeln, sie könne sich vom Evangelium her „in einer Art Selbstvergessenheit… als Medium der Lebenshilfe zur Verfügung stellen…, ohne permanent an die eigenen Erfolge, Zuwachsraten, Missionsstatistiken denken zu müssen“ (336).

Gegenüber der empirischen Volkskirche hat aber Josuttis wie Barth die Frage, ob „die Selbstbezeichnung der Kirche als Kirche nicht einen Akt der Anmaßung und der Täuschung darstellt“ (337). Er vermag schließlich nur pragmatisch zu begründen, warum er noch in der Kirche arbeitet: die Kirche stellt ein „Kommunikationssystem“ zur Verfügung zur Vermittlung der biblischen Tradition an die Öffentlichkeit, ohne das der Einzelkämpfer oder die abgespaltene „Kaderkirche“ zum Scheitern verurteilt sind; die Kirche könnte noch „über sich selbst und ihre Aufgaben in der Gesellschaft anhand der biblischen Tradition zu lernen willig und fähig“ sein (338). Über die Ordnung der empirischen, verfassten Kirche sind beide nicht glücklich; Barth sähe sie gern durch eine „kongregationalistische“ abgelöst (339), während Josuttis „die Last einer auch fragwürdigen Tradition, …die Schwerfälligkeit eines bürokratischen Apparats und… die Vorurteilsklischees eines negativen Images“ (340) beklagt und feststellt, dass die Kirche in unserer Gesellschaft ohnehin kein „Privileg zur Verwaltung von Religion“ beanspruchen kann, das den volkskirchlichen Aufbau in der gegenwärtigen Form rechtfertigen würde (341).

Der einzig mögliche Weg der Veränderung und „Reformation der Kirche“ (342) besteht bei beiden in der Arbeit kleiner Gruppen innerhalb der empirischen Kirche, die die „kritische Potenz“ des Evangeliums „gegenüber Kirche und Gesellschaft“ zur Geltung zu bringen versuchen (343). Barth erwähnt einmal als „organisierte Querverbindungen zwischen den einzelnen Ortsgemeinden“ unter anderen auch „besondere christliche Gesinnungs- und Richtungsgemeinden“, die die Einheit der Kirche nicht infragestellen, sondern bestätigen (344). Von hier aus wäre die Frage nicht weit, ob nicht die westliche Theologie entschieden zu lernen hätte von einem inzwischen in den Ländern Lateinamerikas oder des südlichen Afrika verbreiteten Theologieverständnis, das nicht mit einem theologischen Veränderungsprogramm an die Gesellschaft herangeht, sondern von der Beteiligung an der gesellschaftlichen Befreiungspraxis ausgeht und diese theologisch reflektiert (345).

6.2 Kirchliche Arbeitsfelder

Dass ein kirchlicher Ansatz Praktischer Theologie gegenüber einem gesellschafts- und religionsbezogenen, statt „Weite und Offenheit“ zu erreichen, im kirchlichen „Konventionalismus“ stecken bleiben muss (346), wie Otto behauptet, ist nun an den bei Barth und Josuttis vorgesehenen einzelnen kirchlichen Arbeitsfeldern zu überprüfen.

Da Kirche nicht anders als durch das Evangelium konstituiert sein soll, stellt die Verkündigung des Evangeliums ihre identitätsstiftende Mitte dar (347). Sie geschieht nach Barth „in Predigt, Unterricht und Seelsorge“, eine Formel, die häufig wiederkehrt (348), die Barth aber lediglich aus dem kirchlich üblichen Sprachgebrauch und Praxisverständnis übernommen haben dürfte, da er selbst im Grunde nur der Predigt die Verkündigungsfunktion im eigentlichen Sinn zuschreibt (349) und die anderen Praxisfelder höchstens indirekt auch Verkündigung sein können (350). Zudem beschränkt sich das kirchliche Handeln, wenn es wirklich von der Mitte der Verkündigung ausgeht, nicht selbstgenügsam auf dieses Zentrum, sondern strahlt nach außen (351), ruft die „an Gott gerichtete Antwort des Lobes, der Buße und des Dankes“ hervor, die sich nicht nur in „Gebet“, „Lied“, „Bekenntnis“, sondern vor allem in der „Betätigung helfender Solidarität gegenüber der äußeren Lebensnot der menschlichen Gesellschaft“ und im Unterricht konkretisiert (352). Da aber der Zusammenhang zwischen Verkündigung und dieser Antwort, ja schon zwischen Verkündigung als Reden Gottes und als Reden des Menschen – wie ich oben beschrieben habe (353) – einfach vorausgesetzt und nicht theoretisch genügend reflektiert worden ist, blieb es praktisch doch bei einer eingeengten Gestaltung der kirchlichen Praxis, und zwar in doppelter Hinsicht: zunächst in der Verengung auf die drei eben genannten Gebiete, dann aber zusätzlich in der nahezu ausschließlichen Verknüpfung dieser Praxisfelder mit der Person des kirchlichen Amtsträgers. Josuttis ist in beidem – allerdings mit Unbehagen – noch verfangen. Bei der Zuordnung der acht Spezialkapitel in seinem praktisch-theologischen Abriss kann man sich geradezu an das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden (354) erinnert fühlen: fünf Kapitel behandeln Probleme von Predigt, Verkündigung, Gottesdienst (einschließlich Ritualien), zwei Kapitel sind für die Seelsorge reserviert und lediglich eines für den Religionsunterricht – wobei letzteres auch wirklich vergraben zu sein scheint, da lediglich eine Problemskizze und kein ausgeführter eigener Ansatz geboten wird. Die „Perspektivenverkürzung“ auf „Pastoraltheologie“ begründet er selbst damit, dass er selbst Pfarrer war und künftige Pfarrer ausbildet; Adressat seines Buches ist der Pfarrer „zwischen den Fronten“, er stellt den „berufsinstitutionellen Ausdruck“ dafür dar, „dass der Mensch coram Deo existiert“ (355).

Doch für Josuttis ist die Aufgabe klar, an der Überwindung der Verengungen der Praktischen Theologie auf „Anwendungswissenschaft“ dogmatisch schlechthin vorgeordneter Programme und auf „Pastoraltheologie“ arbeiten zu müssen (356). Zumindest die letztgenannte Aufgabe ist auch von Barth kräftig anvisiert worden, denn „dem Worte Gottes in seiner biblischen Bezeugung… dient die ganze Gemeinde in allen ihren Diensten“ (357). Um Praktische Theologie zur Reflexion dieses Zusammenhangs einzusetzen, fehlt aber noch viel empirisches Material, wie Josuttis konstatiert, etwa „Untersuchungen zur psychischen Konstitution von kirchlichen Mitarbeitern und zur Motivation der religiösen Bedürfnisse von Kirchengliedern“ (358).

„Weite und Offenheit“ des praktisch-theologischen Ansatzes ist also bisher noch Postulat. Als Ansatzpunkte für Arbeitsfelder, die über die traditionelle Praxis hinausführen können, erwähnt Josuttis die „Erwachsenenbildung“ und die „Kleingruppenarbeit“ (359) als Orte des Lernens und der Aufklärung, zu denen Praxisfelder zum „Aneignen und Ausagieren“ veränderter Haltungen hinzutreten müssen, da „Änderungsappelle“ allein keinen Sinn haben (360).

Sein eigentliches Thema sind aber die traditionellen kirchlichen Praxisfelder, die er nach dem in dieser Arbeit beschriebenen Ansatz „in einen weiteren theologischen und humanwissenschaftlichen Kontext“ stellt, dabei „kritische Einwände“ verarbeitet und stets „eine in sich verfangene oder stockende Diskussion“ ein Stück weiterbringt (361). Das ist bezüglich Predigt und Seelsorge im Laufe der Arbeit schon angesprochen worden (362). Durch eine klarere Funktionsbeschreibung dieser Praxisformen ist auch implizit den darüber hinausführenden oder erst noch zu findenden neuen Arbeitsfeldern gedient. Wenn z. B. der Gottesdienst nicht mehr dadurch definiert werden kann, dass in ihm „auf jeden Fall etwas zu lernen ist“ (363), sondern in erster Linie als Feier der „radikale(n) Unterscheidung zwischen Gott und Mensch… in Formen religiöser Tradition, mit Folgen politischer Art“ gesehen wird (364), so ist damit deutlich die Forderung nach geeigneteren Medien der politischen Aufklärung und der gesellschaftlichen Veränderungsarbeit gestellt. Wenn das Ritual in seiner begrenzten Funktion als Medium des Evangeliums anerkannt wird und eben nicht „mit dem Wort niedergekämpft werden muss“ (365), so ist damit die Aufgabe gestellt, nicht als Ersatz für, sondern im Hinausgehen über das Ritual Praxisformen zu suchen, in denen das, was das Ritual zudeckt, aufgearbeitet werden kann (366).

Offen bleibt die Frage, wie sich Josuttis einen biblischen Religionsunterricht in der Schule vorstellt. Er scheint ihn in der Alternative zu sehen: entweder Verlängerung des kirchlichen Unterrichts in die Schule hinein oder gar kein Religionsunterricht (367). Es ist allerdings zu überlegen, ob nicht von seinem Ansatz her auch in einem Religionsunterricht als „Ort ideologiekritischer Selbstreflexion der jeweiligen Gesellschaft“, wie Otto ihn begreift (368), ein Arbeitsfeld für Theologen (obzwar nicht ausschließlich für sie) zu sehen sein könnte. Denn die Kirche ist ja unbestreitbar Teil der Gesellschaft und als solcher an deren Selbstreflexion beteiligt. Selbstredend wäre ein solcher Unterricht ausschließlich gesellschaftlich legitimiert und würde daher nicht die biblische Tradition als thematische Mitte haben, ja sich im Sinne Ottos der Religionskritik öffnen müssen. Ob aber als Folge der Religionskritik wirklich eine Auflösung des Religionsunterrichts zu befürchten ist, muss differenziert betrachtet werden. Sicher handelt es sich dann inhaltlich um etwas anderes, das auch einen anderen Namen, etwa „ideologiekritischer Unterricht“ verdiente; aber ein Theologe, der in diesem Rahmen unterrichtet, bringt ja wie jeder andere Unterrichtsteilnehmer oder Lehrer seine eigene Überzeugung in das Unterrichtsgeschehen ein und müsste im Streit der Meinungen zur Klärung darüber beizutragen helfen, in welcher Weise Religionskritik zu verstehen ist und ob sie ihre Grenzen hat.

7 Schlussbemerkung: Zur Konfliktregelung in Kirche und Theologie

Vom Konfliktfeld Theologie – Gesellschaft ist schon die Rede gewesen (369). Die an Barth anschließende Konzeption von Josuttis führt jedoch zunächst einmal in innertheologische und innerkirchliche Konflikte hinein. Barth hat weniger über Konflikte gesprochen als selber hart gestritten (370); Josuttis reflektiert von seiner vermittelnden Absicht her ausdrücklich die Austragung von Konflikten (371), da er die gegenwärtig herrschende Konfliktvermeidungsstrategie angesichts realen Machtgefälles innerhalb der Kirche nur als Instrument zur Durchsetzung der herrschenden Meinung und Praxis verstehen kann (372). Er plädiert für den „Pluralismus des theologischen Streits“ zur Konfliktregelung in der Theologie, da es um die „Wahrheit des Wortes geht“ (373). Auch eine Theologie, die von irgendeiner Warte aus gar nicht mehr als Theologie erscheint, wie z. B. die Theologie Gert Ottos von Josuttis aus gesehen, verdient argumentative Auseinandersetzung und nicht Verurteilung (374). Die „Aufforderung zum Dialog“, vor allem wenn es um strittige gruppenrelevante Entscheidungen geht – wie die Besetzung von Pfarrstellen oder Lehrstühlen, die inhaltliche Ausrichtung von Unterricht oder Gottesdienst – bedarf aber der Stützung durch kirchenrechtlich abzusichernde Verfahren, damit es auch wirklich „in Konfliktsituationen zu einem solchen Dialog kommt und… er auch in extremen Fällen repressionsfrei bleibt“ (375). Die Frage ist aber, ob – zumindest zur Erreichung solcher Regelungen, und auch angesichts der von Josuttis ja nicht geleugneten antagonistischen Widersprüche, die sich von der Gesellschaft her in den Raum der Kirche erstrecken – völlig auf den „Antagonismus des Kampfes“, des Drucks von unten – begleitet durch Argumentation – verzichtet werden kann (376). Über Josuttis hinaus möchte ich auf die „gewaltfreie Aktion“ als „kämpferische Methode um Konflikte auszutragen“ hinweisen, die dort einsetzt, „wo andere Methoden nicht mehr weiterführen und an die Grenzen der bestehenden Institutionen stoßen“ (377).

Anmerkungen

(1) Otto, PrTh 19, wo er Horkheimer zitiert.

(2) Laut Helmut Gollwitzer, Hic et nunc. In: EvTh 35 (1975), 388f ist „die marxistische Kapitalismusanalyse… samt der historisch-materialistischen Geschichtsbefragung… theoretische Klärung für Gruppen, die in sozialer Befreiungspraxis stehen“. Der historische Materialismus ist dabei nach einer Definition von Karl Barth (KD III/2 464f) von dem Ausgangspunkt her zu verstehen, „dass die ganze Geschichte der Menschheit in ihrem Kern Geschichte der menschlichen Ökonomie, Wirtschaftsgeschichte ist, alles Andere – die Hervorbringungen der Kultur, der Wissenschaft, der Kunst, des Staates, der Moral, der Religion – nur Begleiterscheinungen dieser einen Wirklichkeit, Ausdrücke der jeweiligen wirtschaftlichen Machtverhältnisse: Versuche, diese zu verhüllen, zu beschönigen, zu rechtfertigen, zu verteidigen, vielleicht gelegentlich auch Ausdrücke ihres Ungenügens, Instrumente ihrer Kritik, Mittel zu ihrer Veränderung, aber auf alle Fälle sekundäre Gebilde, Ideologien, denen die Wirtschaft als das eigentlich geschichtlich Reale gegenübersteht“. Es sei schon hier angemerkt, dass Barth diese Sicht der Geschichte weitgehend als „geschichtlich zweifellos wahr und wirklich“ (466) ansieht, darüber hinaus aber von „der Auferstehung der Toten“ her behauptet, „dass Gottes Gericht und Gottes Verheißung den ganzen Menschen angehen und darum weder abseits von der materiell ökonomischen Wirklichkeit bejaht und geglaubt, noch im Gegensatz zur materiell ökonomischen Wirklichkeit als Ideologie verneint und beiseite geschoben werden können“ (467).

(3) Nach Gert Otto, Vernunft, Stuttgart 1970, 40 ist „im christlichen Glauben inhaltlich die Rede… von der Verbesserung, von der Humanisierung der Welt“, was er sicher nicht als spezifisch christlichen Inhalt bezeichnen würde. Gert Otto, Hans-Joachim Dörger, Jürgen Lott, Neues Handbuch des Religionsunterrichts, Hamburg 1972, 34 halten es für notwendig, „sich mit Religion auseinanderzusetzen, weil wir auf ihre ambivalenten Wirkungen stoßen“. Dass diese und ähnliche Ansätze deswegen, weil sie „auch ohne theologischen Vor- oder Überbau zu begründen“ sind, „für das öffentliche Interesse irrelevant“ werden, wie Josuttis 56f behauptet, ist allerdings ebenso wenig einsichtig wie die abwertende Bemerkung, die sich anschließt, gerechtfertigt erscheint, dass „die oppositionelle Kirche auf diese Weise zum Duplikat dessen, was einmal außerparlamentarische Opposition geheißen hat, degeneriert“.

(4) Ich verweise nur auf die von Bastiaan Wielenga, Lenins Weg zur Revolution. Eine Konfrontation mit Sergej Bulgakov und Peter Struve im Interesse einer theologischen Besinnung, München 1971, im Vorwort (VI) erwähnte „verständnislose Reaktion von Seiten einer rein akademischen Theologie“ gegenüber Versuchen, „die heutige Notwendigkeit einer politisch fragenden Theologie zu entwickeln“.

(5) Ton Veerkamp, Peter Winzeler, Was verstehen wir unter „Gemeinde Jesu Christi“? Entwurf zu einem verbindlichen Kommentar zur Präambel zur Satzung der Evangelischen Studentengemeinden in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West). In: ESG/KSG Göttingen, Alternatives Christsein, Dokumente, Materialien, Diskussionsbeiträge, Heft 6, Göttingen 1975, 15: „Im verantwortlichen Hören auf das biblische Zeugnis verstehen wir Gemeinde Jesu Christi als jene freie Versammlung von Menschen jeder Herkunft, – deren Gemeinschaft darin Bestand haben kann, dass sie sie unter allen Umständen auf denjenigen gegründet sein lassen…, der zuvor Knecht und Diener aller Menschen war…; – die sich aber zu diesem Herrn darum bekennen können, weil die von ihm errichtete Herrschaft gegen alle Macht und Rechthaberei von Menschen gegen Menschen die Herrschaft für die Machtlosen und Unterdrückten und das Recht der Gedemütigten und Entrechteten und die Rechtfertigung der Ausgestoßenen und Gottlosen ist…; – und die nun in gemeinsamer Praxis dieser Erkenntnis und so im Glauben an diesen Herrn deswegen die Befreiung der Menschen tätig erwarten, weil sie sich selbst immer noch als ungläubige oder träge, als entrechtete oder auch als selbstgerechte, als geknechtete oder auch als privilegierte Menschen erfahren“ (Hervorhebung von mir, H. S.).

(6) Ich beschränke mich absichtlich auf diesen Namen und nenne nicht die sog. Dialektische Theologie, eingedenk dessen, was Barth im Vorwort zur Kirchlichen Dogmatik schreibt (KD I/1 X): „Man wird dieses Buch… um so besser verstehen, je mehr man es… als Alleingänger, je weniger man es also als Exponenten einer Bewegung, Richtung oder Schule auffasst… Dass zwischen Eduard Thurneysen und mir eine alte und immer wieder als selbstverständlich bewährte theologische Zusammengehörigkeit besteht, darf ich als bekannt voraussetzen. Ich kenne darüber hinaus… manchen Mann und manche Frau, mit denen ich mich in gemeinsamer Gesinnung herzlich verbunden weiß. Aber eine Schule ist das nicht und gerade an die, die man mit mir selbst als Wortführer der sog. ‚dialektischen Theologie‘ oder als deren Anverwandte am meisten zu nennen pflegt, würde ich dabei nicht einmal in der hervorgehobensten Weise denken können“. Wo ich im folgenden dennoch von der Dialektischen Theologie rede, meine ich vornehmlich diejenigen Theologen, die sich von Barth und Thurneysen her verstehen.

(7) Mir sind nur Einzeldarstellungen praktisch-theologischer Probleme bekannt, die sich auf die Dialektische Theologie beziehen. Im übrigen hat sich auch Josuttis 11 noch auf dem Wege zu einer praktisch-theologischen Theorie gesehen: „Praktische Theologie hat hier und anderswo noch immer keinen zureichenden theoretischen Rahmen für ihre Forschung entwickelt“. Als weiteres Buch mit konzeptionellen Aussagen über Praktische Theologie von der Barthschen Theologie her ist inzwischen Rudolf Bohren, Dass Gott schön werde, erschienen.

(8) Karl Barth, Der Römerbrief. Zehnter Abdruck der neuen Bearbeitung, Zürich 1967 (erstmals München 1922), XXV beklagte sich schon 1926, „mit der Existenz von regelrechten ‚Barthianern‘“ gestraft zu sein.

(9) Als wichtigsten nannte er mir persönlich Ernst Bizer.

(10) So Georges Casalis, Karl Barth und die Zukunft der Theologie. In: Willi Gegenheimer (Hg.), Portrait eines Theologen. Stimmt unser Bild von Karl Barth?, Stuttgart 1970, 62.

(11) Das wird sich vor allem im Abschnitt 3.3 über die Rolle der Humanwissenschaften zeigen.

(12) Karl Barth, Not und Verheißung der christlichen Verkündigung, zuerst ZdZ 1 (1923), Heft 1, 1-25. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie, Gesammelte Vorträge, München 1925, 123: „Seufzen: Veni creator spiritus! ist nun einmal nach Röm. 8 hoffnungsvoller als triumphieren, wie wenn man ihn schon hätte. Sie sind in ‚meine Theologie‘ eingeführt, wenn Sie diesen Seufzer gehört haben“. Karl Barth, Einführung in die evangelische Theologie, Zürich 1962. Zit, nach: Siebenstern-Taschenbuch 110, München und Hamburg 1968, 48: „Evangelische Theologie… (kann) nur als pneumatische Theologie möglich und wirklich werden“. 50: „Ein vorausgesetzter Geist ist aber sicher nicht der Heilige Geist und so kann auch eine ihn voraussetzende Theologie nur ungeistliche Theologie sein… Veni creator Spiritus!… Mehr und etwas Besseres als diese Bitte in Gestalt von rüstiger Arbeit kann auch die beste Theologie nicht sein“.

(13) Karl Barth, Der Christ in der Gesellschaft (1919), zuerst: Eine Tambacher Rede, mit einem Geleitwort von Hans Ehrenberg, Würzburg 1920. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1925, 41: „Stellt uns in die Wirklichkeit Gottes! Das ist’s, was der Hörer verlangen dürfte… Das, wovon jetzt die Rede sein soll, müsste, indem es ausgesprochen wird, da sein, vermittelt werden, wirksam werden, sonst ist es gar nicht das, wovon die Rede ist… Geben, was ich Ihnen hier geben müsste, kann ich nicht, es müsste denn ein Wunder geschehen“.

(14) Karl Barth, Einführung in die evangelische Theologie, Zürich 1962. Zit, nach: Siebenstern-Taschenbuch 110, München und Hamburg 1968, 111.

(15) So sagt Josuttis 85 über den Einfluss von Situation und Interessen des Predigers auf die Predigt: „Gerade der Verzicht auf das Ich kann ein ideologisches Verstecken der eigenen Interessen bedeuten, während der klare Gebrauch dieses Wortes dem Hörer immerhin die Frage erlaubt, ob hier einer legitim im Namen Gottes zu reden wagt“. Bei Barth habe ich zwar keine entsprechende Reflexion gefunden (stattdessen nur eine beiläufige Bemerkung in Karl Barth, Der Römerbrief. Zehnter Abdruck der neuen Bearbeitung, Zürich 1967 (erstmals München 1922), VIII: „Wie sollte nicht alles in der Welt auch seinen Hergang haben?“), aber er praktiziert einfach ein solches Theologieverständnis, z. B. wenn er im Schleiermacher-Nachwort sein Verhältnis zu Schleiermacher biographisch nachzeichnet (Karl Barth, Nachwort zu: Schleiermacher-Auswahl, hg. von H. Bolli, München und Hamburg 1968, 290-312).

(16) Zitiert bei Eberhard Busch, Karl Barths Lebenslauf, München 1975, 86.

(17) Ebenda 81f.

(18) Karl Barth, Nachwort zu: Schleiermacher-Auswahl, hg. von H. Bolli, München und Hamburg 1968, 293: „Und dann brach der 1. Weltkrieg aus und brachte – für mich fast schlimmer noch als die Verletzung der belgischen Neutralität – das schreckliche Manifest der 93 deutschen Intellektuellen, die sich vor aller Welt mit der Kriegspolitik Kaiser Wilhelms II. und seines Kanzlers Bethmann-Hollweg identifizierten. Und unter denen, die es unterschrieben hatten, musste ich mit Entsetzen auch die Namen ungefähr aller meiner deutschen Lehrer… entdecken. Eine ganze Welt von theologischer Exegese, Ethik, Dogmatik und Predigt, die ich bis dahin für grundsätzlich glaubwürdig gehalten hatte, kam damit und mit dem, was man damals von den deutschen Theologen sonst zu lesen bekam, bis auf die Grundlagen ins Schwanken“.

(19) Karl Barth, Vergangenheit und Zukunft. Friedrich Naumann und Christoph Blumhardt, zuerst in: Neuer Freier Aargauer, 1919, Nr. 204/205. Zit. nach: Walter Feurich (Hg.), Karl Barth, Klärung und Wirkung. Zur Vorgeschichte der „Kirchlichen Dogmatik“ und zum Kirchenkampf, Berlin 1966, 281: „… der 4. August 1914, der dunkle Tag, an dem die deutsche Sozialdemokratie den Sozialismus verraten hat“. Bemerkenswert ist, dass Barth dennoch nach diesem Datum der Sozialdemokratie beitritt, siehe Anm. 21.

(20) Die Aufgabe der „polis“ ist nach Karl Barth, Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1946. Zit. nach: Karl Barth, Rechtfertigung und Recht. Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1970, 50 „die Sicherung der äußeren, relativen, vorläufigen Humanität“.

(21) Karl Barth, Eduard Thurneysen, Ein Briefwechsel aus der Frühzeit der dialektischen Theologie, München und Hamburg 1966, 33 (Barth an Thurneysen am 5.2.1915): „Ich bin nun in die sozialdemokratische Partei eingetreten. Gerade weil ich mich bemühe, Sonntag für Sonntag von den letzten Dingen zu reden, ließ ich es mir nicht mehr zu, persönlich in den Wolken über der jetzigen bösen Welt zu schweben, sondern es musste gerade jetzt gezeigt werden, dass der Glaube an das Größte die Arbeit und das Leiden im Unvollkommenen nicht aus- sondern einschließt. Die Sozialisten in meiner Gemeinde werden mich jetzt nach meiner öffentlichen Kritik an der Partei hoffentlich richtig verstehen“. Eberhard Busch, Karl Barths Lebenslauf, München 1975, 230: „am 1. Mai 1931 trat er der SPD als Mitglied bei“, um angesichts des Erstarkens des Nationalsozialismus, wie Karl Kupisch, Karl Barth. Reinbek bei Hamburg 1971, 75 es beschreibt, „sichtbar Stellung zu beziehen“, und zwar in der SPD als der „Partei der Arbeiterklasse, der Demokratie, des Nichtmilitarismus und einer bewussten, aber verständigen Bejahung des deutschen Volkes. ‚Diese Erfordernisse einer gesunden Politik sehe ich in der SPD und nur in ihr erfüllt‘“. Die Rolle Barths im Kirchenkampf setze ich als hinreichend bekannt voraus. Die Gründung besonderer „christlicher“ Parteien lehnt Barth aus verschiedenen Gründen ab, vgl. Karl Barth, Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1946. Zit. nach: Karl Barth, Rechtfertigung und Recht. Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1970, 76-78 und Anm. 253; in diesen Zusammenhang möchte ich ein Zitat stellen, das die Schärfe der Barthschen Stellungnahme verdeutlicht, Karl Barth, Neueste Nachrichten zur neueren deutschen Kirchengeschichte. Zit. nach: Walter Feurich (Hg.), Karl Barth, Klärung und Wirkung. Zur Vorgeschichte der „Kirchlichen Dogmatik“ und zum Kirchenkampf, Berlin 1966, 451: „Die deutsche evangelische Kirche ist jetzt in eine merkwürdige Zeit eingetreten. Der grobe (und dumme) Teufel ist mit Gestank abgegangen. Die Stunde des feinen (und klugen) Teufels scheint angebrochen: die Stunde der großen verkannten Antinazis, Bekenner, Helden und Beinahe-Märtyrer, die Stunde der glänzenden Alibis – die Stunde, wo der alte theologisch-kirchlich-politische Essig… eilig, geschickt und fromm, statt weggeschüttet, aus der dritten in die vierte Flasche umgegossen werden soll. Wer das gutheißt. der bewundere, propagiere, fördere und pflege… den Typus Eugen Gerstenmaier!“ Der Achtzigjährige lehnt nach Eberhard Busch, Karl Barths Lebenslauf, München 1975, 497f die Beteiligung an der sogen. „Bekenntnisbewegung“ deswegen ab, weil ihr Bekenntnis nicht „auch das gegen die Atombewaffnung, gegen den Vietnamkrieg der USA, gegen den neuen Antisemitismus und für einen deutschen Friedensschluss mit Osteuropa unter Anerkennung der Grenzen von 1945“ in sich schließt.

(22) Friedrich-Wilhelm Marquardt, Theologie und Sozialismus. Das Beispiel Karl Barths, München 2. Auflage 1972, 16.

(23) Ebenda 37.

(24) Ebenda 36: „Nicht die Darstellung einer Systemabhängigkeit, sondern im Gegenteil der Aufweis seiner Systemfreiheit ist der Sinn unserer Darstellung des Barthschen Sozialismus“. 35: „Barth hat ideologiekritisch gegen sich selber gearbeitet“. Manfred Josuttis, Die Gegenständlichkeit der Offenbarung. Karl Barths Anselm-Buch und die Denkform seiner Theologie, Bonn 1965, 154 weist darauf hin, dass die Barthschen Denkformen zwar „allein von ihrem Gegenstand (sc. der Theologie) bestimmt und allein auf ihn auszurichten (sind), obwohl sie gewiss ihre Herkunft aus einer bestimmten geschichtlichen Stunde nicht verleugnen können und sollen“.

(25) Karl Barth, Fides quaerens intellectum. Anselms Beweis der Existenz Gottes im Zusammenhang seines theologischen Programms, Zollikon 1958.

(26) Manfred Josuttis, Die Gegenständlichkeit der Offenbarung. Karl Barths Anselm-Buch und die Denkform seiner Theologie, Bonn 1965, 144: „Die grundsätzlich proklamierte Freiheit der Ontologie gegenüber ist von ihm dergestalt praktiziert worden, dass er selbst im Lauf seines Denkens die verschiedensten Kategorien aufgenommen und verarbeitet hat. Im Anselm-Buch liegt die Wende von einer existentiell-subjektiven zur gegenständlichen Denkform beschlossen“, die „so vom theologischen Thema getragen (ist), dass er ihre ontologischen Implikationen unbeachtet lässt“.

(27) Friedrich-Wilhelm Marquardt, Theologie und Sozialismus. Das Beispiel Karl Barths, München 2. Auflage 1972, 24.

(28) Ebenda 19.

(29) Ebenda 20f: „Im Zusammenhang der Analyse des Gottes-Begriffs ist die Feststellung nicht zu umgehen, dass Barth keineswegs von Anfang an christologische Theologie betrieben hat“, sondern „bei der zentralen Bedeutung, die ‚die Auferstehung‘ bei Barth von Anfang an hatte“, war zunächst gemeint „die Auferstehung ‚des Fleisches‘, also der apokalyptische, nicht der christologische Gehalt der Auferstehung, die Auferstehung als katastrophale und verheißungsvolle universale Geschichtswirklichkeit, nicht als Sein und Werk des Gottessohnes“.

(30) Josuttis 9: „Als ich 1968 meine Arbeit in Göttingen begann, … (stand) besonders die Praktische Theologie vor einem Neubeginn…: das Interesse und die Erwartungen der Studenten waren gestiegen, neue Fragestellungen, Einsichten und Methoden aus dem weiten Bereich der Humanwissenschaften wollten in diese Disziplin integriert werden“.

(31) Ebenda: „Die Theologie hat in diesen Jahren auf vielen Seiten versucht, mit ihrer Identitätskrise dadurch fertig zu werden, dass sie sich von den Wellen des öffentlichen Bewusstseins tragen und treiben ließ“. 26: „Was sich unter dem Stichwort von der Krise des Pfarramts verbirgt, ist die Erfahrung eines Defizits an sozialer Definition dieser beruflichen Rolle. Weil es derzeit keine einheitliche Verknüpfung von Religion und Gesellschaft mehr gibt, fehlt auch die eindeutige Funktionsfestlegung für den, der seinen Beruf dem religiösen Interesse eines sozialen Systems verdankt“.

(32) Ebenda 28. Ihre Aufhebung wäre nur „um den Preis einer uniformierten Theologie in einer formierten Gesellschaft und damit um den Preis einer extremen Unfreiheit zu erkaufen“.

(33) Ebenda 36.

(34) Ebenda 37: „Der Pfarrer versieht immer mehr die Funktion des ‚Grenzgängers‘ in seiner Gemeinschaft… (als) Wanderer zwischen zwei Welten, die er innerlich und beruflich vereinbaren muss“. 38: „Der Grenzbereich zwischen Glaube und Wissenschaft, Kirche und Gesellschaftskritik (ist allerdings) zwar gefährlich, aber nicht lebensschädlich… Es ist keine leichte Aufgabe, die rechten Brüder an die linken Freunde heranzuführen“; sie muss aber doch in Angriff genommen werden.

(35) Ebenda 25.

(36) Gegenüber dem Argument der „kirchlichen Hierarchie“ (20), dass eine „Reform des überlieferten Pfarramtes“ (19) ausgehend von den Erfahrungen von „Arbeiterpriestern und Industriepfarrern… eine schichtenspezifische Gemeindegliederung ergeben (könnte), verbunden mit der dazugehörigen Klassenideologie“ (20) führt Josuttis 20 ins Feld, „dass auch die jetzige Gemeindegestalt faktisch nur bestimmte bürgerliche Randkreise in der Volkskirche anspricht, weil sie deren Lebensstil praktiziert und deren Werte vertritt“.

(37) Ebenda 147.

(38) Ebenda 15.

(39) So der Untertitel des Buches „Praxis des Evangeliums zwischen Politik und Religion“.

(40) Josuttis 243, These (4).

(41) Ebenda 244, These (4.9).

(42) Ebenda 56: „Gewiss ergeht das Evangelium im gesellschaftspolitischen Kontext und schließt deshalb gesellschaftskritische Sätze ein. Aber man kann vom Evangelium nicht reden ohne die biblische Tradition – deshalb gehören historische Sätze dazu. Man kann vom Evangelium auch nicht reden, ohne das Verhältnis zwischen Gott und Mensch zu erwähnen, deshalb gehören theologische Sätze dazu“. Hier wird deutlich, dass Josuttis Theologie inhaltlich als Dogmatik definiert sieht.

(43) Ebenda 9.

(44) Ebenda 257.

(45) Ebenda 258.

(46) Karl Barth, Die Menschlichkeit Gottes, Zollikon-Zürich 1956, 6.

(47) Ebenda 7.

(48) Josuttis 87.

(49) Ebenda 10.

(50) In Karl Barth, Der Römerbrief. Zehnter Abdruck der neuen Bearbeitung, Zürich 1967 (erstmals München 1922), 40 erscheint „Das Gericht“ als Überschrift eines Abschnitts. Der göttliche Richter vollzieht es dem Menschen „zum Heil“, z. B. 50: „Es gibt einen Anspruch auf Errettung vom Zorne Gottes: da, wo aller Anspruch aufgegeben, von Gott selbst niedergeschlagen ist, da wo Gottes Nein als endgültig, Gottes Zorn als unentrinnbar, Gott als Gott erkannt ist“. 36: „Gott sucht im Menschen immer wieder Offenheit für sich, für sich allein. Er begründet uns, indem er uns aufhebt. Er macht uns lebendig, indem er uns tötet“. Entsprechend Josuttis 251: „Das Kreuz Jesu ist … auch der Ort, an dem Gott die menschlichen Erlösungsträume und Heilserwartungen enttäuscht und zerstört“.

(51) Karl Barth, Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie, zuerst: ChrW 36 (1922), 858-873. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1925, 158.

(52) KD II/1 200: Barth leugnet „die Möglichkeit einer natürlichen Theologie als solche durchaus nicht“, leugnet aber, „dass das Alles Quelle der kirchlichen Verkündigung, eine zweite Quelle neben und außer jenem einen Worte Gottes… das Jesus Christus heißt“ werden könne.

(53) Ebenda 157: „Der… Triumph der natürlichen Theologie im Raum der Kirche ist sehr schlicht der Prozess der Verbürgerlichung des Evangeliums. Indem das Evangelium dem Menschen angeboten wird, indem er seine Hand danach ausstreckt, indem er es in seine Hand nimmt, wird eine Gefahr akut, die noch größer ist als die, dass er es vielleicht verständnislos und entrüstet von sich stoßen könnte: die Gefahr nämlich, dass er es vielmehr friedlich annehmen könnte, um sich alsbald zu seinem Herrn und Besitzer und, um es so unschädlich zu machen, aus dem ihn Wählenden ein von ihm Gewähltes, das als solches neben all das Andere zu stehen kommt, was er auch wählen, über das er also auch verfügen kann… Es gibt soweit das Auge reicht – niemand sollte sich hier kühnlich ausnehmen wollen – immer nur dieses verbürgerlichte Evangelium“.

(54) Wolfhart Pannenberg, Anthropologie und Gottesfrage. In: Wolfhart Pannenberg, Gottesfrage und menschliche Freiheit, Göttingen 1972, 17.

(55) Barth kann nur innertheologisch von Gott reden, KD IV/3 95: „Wir haben so argumentiert: Die Aussage von der Prophetie des Lebens Jesu Christi gilt, weil und indem sie die Aussage über das Leben Jesu Christi ist! Also eine petitio principii? Also ein Zirkelschluss? Genau das“. Es kann und muss in dieser Sache „einen circulus virtuosus geben“. Wer von außerhalb der Theologie „die alte Frage Ludwig Feuerbachs“ stellt (79) oder innerhalb der Theologie vergisst, dass „nicht wir… es (sind), die hier zu fragen die Kompetenz haben“ (83), dessen Antwort muss „auf der Linie verlaufen…, auf der Feuerbach, nachdem er selbst diese Frage gestellt, sich selbst Antwort gegeben hat“ (79).

(56) Manfred Josuttis, Gesetzlichkeit in der Predigt der Gegenwart, München 1966, 13.

(57) Josuttis 49.

(58) Ebenda.

(59) Karl Barth, Not und Verheißung der christlichen Verkündigung, zuerst ZdZ 1 (1923), Heft 1, 1-25. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie, Gesammelte Vorträge, München 1925, 123: Zwar ist die Annahme, „das reformatorische Anliegen könne… einfach tot sein“, falsch, auch bezüglich der katholischen Kirche, ebenso falsch ist aber die Annahme, „als ob uns das reformatorische Anliegen etwa selbstverständlich sei. Es ist uns nicht selbstverständlich… Es muss heute, morgen, immer wieder in uns erwachen“.

(60) Karl Barth, Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie, zuerst: ChrW 36 (1922), 858-873. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1925, 176.

(61) KD IV/3 87: „Gehen wir zunächst davon aus, dass wir es im Leben Jesu Christi nicht mit irgendeinem Geschehen, sondern mit dem Geschehen der Gegenwart und Aktion Gottes zu tun haben… Eben darum können wir uns hier nur als die Gefragten erkennen. Ginge es nicht um Gott, dann könnte und möchte Alles anders sein. Es geht aber um Gott. Und weil es um Gott geht, können wir uns nur als die nach unserer Anerkennung und Respektierung, nach unserem Lob Gottes Gefragten erkennen“. 80: „Die Immunität gegenüber der Antwort, die Feuerbach sich selbst auf seine eigene Frage gegeben hat, beginnt mit der Erkenntnis, dass schon diese Frage unsere eigene Frage nicht sein kann, mit der Erkenntnis unserer Unzuständigkeit, uns hier als Fragende aufzuspielen“.

(62) Karl Barth, Der Christ in der Gesellschaft (1919), zuerst: Eine Tambacher Rede, mit einem Geleitwort von Hans Ehrenberg, Würzburg 1920. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1925, 41: „Um Gott handelt es sich, um die Bewegung von Gott her, um unser Bewegtsein durch ihn, nicht um Religion“. 40: „Unsere Stellung zur Lage ist tatsächlich ein Moment einer Bewegung, dem Augenblicksbild eines Vogels im Fluge vergleichbar, außer dem Zusammenhang der Bewegung ganz und gar sinnlos, unverständlich und unmöglich. Damit meine ich nun freilich weder die sozialistische, noch die religiös-soziale Bewegung, noch die allgemeine, etwas fragwürdige Bewegung des sogenannten Christentums, sondern die Bewegung, die sozusagen senkrecht von oben her durch alle diese Bewegungen hindurchgeht, als ihr verborgener transzendenter Sinn und Motor, die Bewegung, die nicht im Raum, in der Zeit, in der Kontingenz der Dinge ihren Ursprung und ihr Ziel hat und die nicht eine Bewegung neben anderen ist: ich meine die Bewegung der Gottesgeschichte oder anders ausgedrückt: die Bewegung der Gotteserkenntnis, die Bewegung, deren Kraft und Bedeutung enthüllt ist in der Auferstehung Jesu Christi von den Toten“.

(63) KD II/1 14: „Wird Gott im Glauben Gegenstand menschlicher Erkenntnis, so muss das heißen: Er wird Gegenstand menschlicher Anschauung und menschlichen Begreifens… wo das geleugnet würde, dass Gott Gegenstand ist, da würde… auch der Glaube an ihn geleugnet. Aber… wenn Gott echte Gegenständlichkeit hat wie alle übrigen Gegenstände, so hebt sich doch seine Gegenständlichkeit ab von der aller übrigen Gegenstände… Im Glauben geschieht wohl dasselbe, was immer und überall geschieht, wenn der Mensch in jene verbindende und unterscheidende Beziehung zu einem Gegenstand tritt, wenn seine Subjektivität für eine Objektivität geöffnet und insofern neu begründet und bestimmt wird. Im Glauben geschieht aber dasselbe ganz anders… Erkenntnis des Glaubens heißt als solche grundlegend: Verbindung des Menschen mit dem von ihm selbst wie von seinen anderen Gegenständen unterschiedenen Gott“. 15: „Kann der Glaube verleugnet werden, so ändert das doch nichts daran, dass der nicht verleugnete Glaube die Richtung des Menschen auf den Gegenstand ist, der… sich mit keinem anderen Gegenstand in eine Reihe stellen lässt, der sich vielmehr von allen anderen Gegenständen unterscheidet und damit auch eine besondere Erkenntnis seiner selbst möglich und notwendig macht“.

(64) Ebenda: „Schreiben wir Gott Gegenständlichkeit zu – wie es damit, dass wir von Erkenntnis Gottes reden, unvermeidlich geschieht – dann wird eine Unterscheidung unvermeidlich: Gott ist – so gewiss zuerst und vor Allem er selber sich selber erkennt – zuerst und vor Allem sich selber gegenständlich… In seinem dreieinigen Leben als solchem ist Gegenständlichkeit und damit Erkenntnis göttliche Wirklichkeit, bevor es geschöpfliche Gegenständlichkeit und Erkenntnis gibt. Wir nennen dies: die primäre Gegenständlichkeit Gottes und unterscheiden von ihr die sekundäre, d. h. die Gegenständlichkeit, die er in seiner Offenbarung auch für uns hat, in der er sich auch uns zu erkennen gibt, wie er selber sich erkennt“.

(65) Siehe Anm. 64.

(66) KD II/1 15.

(67) Ebenda 17: „Erkenntnis Gottes im Glauben ist grundsätzlich immer solche indirekte Erkenntnis Gottes, Erkenntnis Gottes in seinen Werken, und zwar in diesen seinen besonderen Werken: in der Bestimmtheit und in dem Gebrauch gewisser geschöpflicher Wirklichkeiten zum Zeugnis der göttlichen Gegenständlichkeit“.

(68) Karl Barth, Der Christ in der Gesellschaft (1919), zuerst: Eine Tambacher Rede, mit einem Geleitwort von Hans Ehrenberg, Würzburg 1920. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1925, 69: „Was kann der Christ in der Gesellschaft anderes tun, als dem Tun Gottes aufmerksam zu folgen?“ Für die Kirchliche Dogmatik als Beispiel KD II/1 288: „Gott ist, der er ist, in der Tat seiner Offenbarung. Gott sucht und schafft Gemeinschaft zwischen sich und uns und so liebt er uns. Eben dieser Liebende ist er aber als Vater, Sohn und Heiliger Geist auch ohne uns, in der Freiheit des Herrn, der sein Leben aus sich selber hat“.

(69) Josuttis 237: „Das Evangelium will Praxis werden…“. Solche Sätze gewinnen ihre Logik daher, dass Josuttis Evangelium letztlich so definiert, 239: „Das Evangelium ist der Mann Jesus aus Nazareth…“.

(70) Ebenda 49.

(71) Ebenda 186.

(72) KD II/1 13: „Es geht uns zunächst nicht darum, den Glauben als Erkenntnis Gottes, sondern die Erkenntnis Gottes als Glauben zu verstehen… Der Glaube beruht auf Gottes Gegenständlichkeit und ist insofern selbst Erkenntnis Gottes. Das musste vorausgeschickt werden. Aber wenn wir nun diese Erkenntnis Gottes verstehen wollen, dann müssen wir doch auf den Glauben als solchen zurückgehen: nicht auf seine besondere Bestimmung als Liebe, Vertrauen und Gehorsam jetzt, wohl aber auf die besondere Bestimmung seines Gegenstandes, der ihn sowohl als Liebe, Vertrauen und Gehorsam wie auch als Erkenntnis möglich und notwendig macht… es geht um die Erkenntnis des Gottes, der der Gegenstand des Glaubens ist. Nicht irgend ein Gegenstand also, nicht ein Gegenstand, der sich zu erkennen gäbe und erkannt würde wie irgend ein anderer Gegenstand, nicht ein solcher, der Liebe, Vertrauen und Gehorsam erweckte, wie man das auch von anderen Gegenständen sagen kann… diese Erkenntnis (ist) die besondere, die schlechterdings einzigartige Erkenntnis des Glaubens“.

(73) Josuttis 125: „Die theologische Qualität Glaube (kann) nicht mit bestimmten psychologischen Qualitäten identifiziert werden“. 114 spricht Josuttis vom Glauben, „der zwischen Gott und Welt unterscheidet und der dieses Unterscheidungsvermögen in alle Weltbezüge mit einbringt“. 244: „Die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium ist Ausdruck und Ermöglichungsgrund jener doxologischen Differenz zwischen Gott und Welt, Gott und Gesellschaft, Gott und Kirche, Gott und Glaube, die der Glaube vollzieht. Indem der Glaube Gott Gott sein lässt und den Menschen Mensch, hilft er dazu, dass die Politik politisch bleibt und die Religion religiös“. 87: „Die Verkündigung vollzieht anhand der Bibel jene doxologische Differenz zwischen Gott und Welt, die den Glauben konstituiert, indem sie Gott Gott und die Welt Welt sein lässt“.

(74) Manfred Josuttis, Gesetzlichkeit in der Predigt der Gegenwart, München 1966, 79.

(75) Ebenda.

(76) KD I/1 10: Die Theologie nimmt das „Heidentum“ der anderen Wissenschaften „nicht ernst genug…, um sich unter einem anderen Namen vornehm von ihnen abzusondern“, rechnet sie „vielmehr trotz ihres Versagens gegenüber der theologischen Aufgabe… mit sich selbst zur Kirche… Sie glaubt an die Vergebung der Sünden und nicht an die letzte Wirklichkeit eines heidnischen Pantheons“. Karl Barth, „Humanismus“. In: Karl Barth, Humanismus, Zollikon-Zürich 1950, 26 spricht davon, dass die Menschen von der Kirche „ich weiß nicht, welche Verurteilungen, Verbannungen, Verfluchungen ihres Unglaubens“ befürchten – fälschlicherweise, weil „ein Christ und Theologe mit seinem eigenen Unglauben notwendig viel mehr beschäftigt sei als mit dem der anderen Leute, mit denen er sich in dieser Hinsicht vielmehr nur zu solidarisch wisse“.

(77) KD I/1 258: „Der Mensch… hat sich seinen Glauben nicht erschaffen, sondern das Wort hat ihn erschaffen. Er ist nicht zum Glauben gekommen, sondern der Glaube ist durch das Wort zu ihm gekommen. Er hat sich den Glauben auch nicht genommen, sondern der Glaube ist ihm durch das Wort geschenkt worden. Er kann als Glaubender nicht sich selbst als handelndes Subjekt des Werkes, das da geschieht, verstehen. Unbeschadet dessen, dass es um seine Erfahrung und Tat geht, dass er im Glauben keineswegs ein Holzblock oder Stein, sondern eben der sich selbst bestimmende Mensch ist, unbeschadet dessen, dass er im Glauben keineswegs in eine passiv-apathische Kontemplation versinkt – auch in solchem Versinken wäre er ja übrigens immer noch der sich selbst bestimmende Mensch – sondern, in welchem besonderen Seelenzustand auch immer, jedenfalls denkend, wollend, fühlend, durchaus bei sich selber ist, sein eigenes Leben lebt. Es geht aber darum, dass er im Glauben eben diese seine keineswegs geschmälerte Selbstbestimmung, dass er sich selbst eben in seiner Aktivität, in seinem Leben seines eigenen Lebens als durch das Wort Gottes bestimmt, dass er sich eben in seiner Freiheit, in vollem Gebrauch seiner Freiheit als Mensch als ein Anderer verstehen muss, der zu werden er kein Vermögen hatte, der zu sein er auch kein Vermögen hat, der zu werden oder zu sein er also nicht frei ist (obwohl er frei ist, indem er es wird und ist!) -kurz, der er nur sein kann, indem er es ist. Der Mensch handelt, indem er glaubt, aber dass er glaubt, indem er handelt, das ist Gottes Handeln. Der Mensch ist Subjekt seines Glaubens. Nicht Gott, sondern der Mensch glaubt. Aber gerade dieses Subjektsein des Menschen im Glauben ist eingeklammert als Prädikat des Subjektes Gott, so eingeklammert wie eben der Schöpfer sein Geschöpf, der barmherzige Gott den sündigen Menschen umklammert, d. h. aber so, dass es bei jenem Subjektsein des Menschen bleibt, und gerade dieses, gerade das Ich des Menschen als solches, nur noch von dem Du des Subjektes Gott her ist“.

(78) KD IV/2 335 wird das Verhältnis von Erlösung und Bewusstsein der Erlösung beschrieben: „Laut dessen, was uns im Neuen Testament über uns selbst gesagt ist, sind wir… nicht in der Finsternis, sondern im Licht, können wir keine Unwissenden sein, können wir uns nicht als solche gehaben wollen“.

(79) Vgl. Anm. 76. KD IV/3 873f: „Sicher ist die Gemeinde das Volk, das durch Gottes Wort aus den anderen Völkern herausgerufen, von der Welt ausgesondert und, in ihrer Mitte eigens konstituiert, ihr gegenübergestellt ist. Sicher leuchtet in dieser ihrer Ausscheidung auch ihre eigene besondere Ehre auf: die Ehre des Erstgeborenen, dem das der Welt völlig Neue der Selbstkundgebung und Erkenntnis des allmächtigen Erbarmens Gottes anvertraut ist. … (Aber:) Herausgerufen aus der Welt wird und ist die Gemeinde erst recht in sie hinausgerufen“. 316: „Der Kampf, in welchem der lebendige Jesus Christus in seiner Prophetie noch und noch steht, ist, wie ernst er sich auch darstelle und wirklich sei, ein ungleicher, das Verhältnis zwischen Angreifer und Verteidiger ein solches, im Blick auf das man hinsichtlich seines Ausgangs keinen Zweifel haben kann. Indem das in Jesus Christus gesprochene Wort der Gnade nicht gegen, sondern für den Menschen ist, wird der Mensch seinerseits im Grunde, als der, der er wirklich ist, nicht gegen, sondern nur für dieses zu ihm gesprochene Wort sein können“. Vgl. außerdem Anm. 127.

(80) Karl Barth, „Humanismus“. In: Karl Barth, Humanismus, Zollikon-Zürich 1950, 26 (bereits zitiert in Anm. 76).

(81) Josuttis 9.

(82) Siehe Anm. 77.

(83) Karl Barth, Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie, zuerst: ChrW 36 (1922), 858-873. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1925, 178: „Wer ‚Jesus Christus‘ sagt, der darf nicht sagen: ‚es könnte sein‘, sondern es ist. Aber wer von uns ist in der Lage ‚Jesus Christus‘ zu sagen? Wir müssen uns vielleicht begnügen mit der Feststellung, dass Jesus Christus gesagt ist von seinen ersten Zeugen. Auf ihr Zeugnis hin zu glauben an die Verheißung und also Zeugen von ihrem Zeugnis zu sein, also Schrifttheologen, das wäre dann unsere Aufgabe“.

(84) Josuttis 85.

(85) Ebenda 50.

(86) Ebenda 67.

(87) Ebenda 68, wo er Luther zitiert.

(88) Ebenda 69.

(89) Ebenda 68. Barth, KD I/1 2, versteht „Theologie als Wissenschaft“ im Sinne der „Selbstprüfung“ der Kirche. „Es gibt also Theologie in diesem besonderen und eigentlichen Sinn, weil es in der Kirche vor ihr und ohne sie Rede von Gott gibt“.

(90) Josuttis 50f, wo er „Bahr im Anschluss an Bastian“ zitiert.

(91) Ebenda 86.

(92) Ebenda 67.

(93) Vgl, den Abschnitt 3.3 und die Anm. 77 und 15.

(94) Josuttis 111: „Dass das implizite Ereignis von Evangelium zum expliziten Zeugnis von Evangelium wird, dafür gibt es gerade vom Evangelium her kein Soll, keinen Leistungsdruck, keine absolute Notwendigkeit. Weil Gott endgültig geredet hat, dürfen wir endlos zuhören“.

(95) Ebenda.

(96) Karl Barth, Die Menschlichkeit Gottes, Zollikon-Zürich 1956, 9.

(97) Ebenda 7.

(98) Ebenda 8f.

(99) Ebenda 10 + 15.

(100) Josuttis 55, 64, 68.

(101) Karl Barth, Die Menschlichkeit Gottes, Zollikon-Zürich 1956, 11.

(102) Josuttis 239 (These (1)).

(103) Ebenda 10.

(104) Karl Barth, „Humanismus“. In: Karl Barth, Humanismus, Zollikon-Zürich 1950, 22.

(105) KD IV/3 47: „Wenn es ein christlich-theologisches Axiom gibt, so ist es dieses: Jesus Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Eben dieses Axiom kann sich aber niemand aus den Fingern saugen. Man kann es nur nachsprechen daraufhin, dass es uns als Zentralaussage des biblischen Zeugnisses in der erleuchtenden Kraft des Heiligen Geistes vorgesprochen ist“. Die dogmatischen Aussagen von Josuttis erscheinen unabgeleitet und unableitbar als Behauptungen, z. B. 239: „Mit dem Satz, dass der Mensch Jesus aus Nazareth Messias und Kyrios ist, behauptet der christliche Glaube, dass alles Heil und alle Herrschaft allein in diesem Namen beschlossen liegt“.

(106) Dieter Schellong, Karl Barth als Theologe der Neuzeit. In: Karl Gerhard Steck, Trutz Rendtorff (Hg.), Karl Barth und die Neuzeit, München 1973, 85, 82.

(107) Karl Barth, „Humanismus“. In: Karl Barth, Humanismus, Zollikon-Zürich 1950, 24f.: „Wie kann man von dem, was mit dem Stichwort ‚Humanismus‘ gemeint sein möchte, vom wirklichen Menschen der Gegenwart und von seiner Zukunft fruchtbar reden, wenn man davon, dass er effektiv verloren, aber auch effektiv gerettet ist, wenn man von dem eigentlichen Schrecken und der eigentlichen Hoffnung nichts weiß und auch nichts wissen will? Der wirkliche Mensch aller Zeiten ist nun einmal, im Spiegel Jesu Christi erkennbar, der verlorene aber auch gerettete Mensch. Wie kann ein Gespräch über ihn auch nur einen sinnvollen Anfang nehmen, wenn man vor dem christlichen Bekenntnis, das von Gottes Gericht und Gnade redet, bockt wie ein scheues Pferd, wenn man ihm nichts als die sentimentale Klage über seine ‚Exklusivität‘ entgegenzusetzen hat, um sich dann aufs neue in jene Zweideutigkeiten, in jene laukühle Region des halben Ernstes und der halben Beruhigungen zu flüchten, die sich zwischen dem eigentlichen, dem aufrichtig zu fürchtenden Schrecken und der eigentlichen, der zuversichtlich zu ergreifenden Hoffnung irgendwo in der Mitte oder vielmehr unter der Mitte in einer obskuren Tiefe befindet?“

(108) Barth, Karl Barth, Die Aktualität der christlichen Botschaft. In: Karl Barth, Humanismus, Zollikon-Zürich 1950, 9: „Der Mensch ist neben seinen eigenen Weg herausgetreten: dahin, wo er nicht stehen und gehen, sondern nur fallen und stürzen kann. Er wollte Gott nicht als Gott danken, gehorchen und anrufen. Und er wollte Mensch sein ohne seinen Mitmenschen. Er verachtete die Gnade. Er wollte sein wie Gott. Indem er das wollte, sündigte er. Indem er das wollte, blieb er Gott als seinem Anfang und Ziel, blieb er aber auch seinem Nächsten sich selbst schuldig, und zwar völlig schuldig“.

(109) Ebenda 11. 10: „Der Mensch ist untreu. Aber Gott ist treu!“

(110) Karl Barth, „Humanismus“. In: Karl Barth, Humanismus, Zollikon-Zürich 1950, 27: „Was man die ‚Exklusivität‘ der christlichen Botschaft und Theologie nennt, besteht – und das mag sie denn mit dem Kommunismus formal in der Tat gemeinsam haben – von ihr aus gesehen darin, dass sie zur Entscheidung und Verantwortung, zum Glauben und zum Gehorsam aufruft… Wenn das Bekenntnis zu ihm (sc. Christus) als dem alleinigen Retter der Welt ‚Exklusivität‘ zu nennen war, dann mussten wir uns diesen Vorwurf eben gefallen lassen. Niemand ist zu diesem Bekenntnis gezwungen. Es hat aber auch keinen Sinn, sich als Christ auszugeben, wenn man die Freiheit zu diesem Bekenntnis aus irgend einem Grund nicht zu haben meint. Es ist übrigens in Wahrheit das inklusive, das grundsätzlich jedem Menschen zugewendete und offene Bekenntnis“.

(111) Karl Barth, Die Aktualität der christlichen Botschaft. In: Karl Barth, Humanismus, Zollikon-Zürich 1950, 11.

(112) Karl Barth, „Humanismus“. In: Karl Barth, Humanismus, Zollikon-Zürich 1950, 21: „‚Christlicher Humanismus‘ ist ein hölzernes Eisen… Man müsste sich dieses Versuchs nur schon darum enthalten, weil die Worte mit der Endung „ismus“ für eine ernsthafte theologische Sprache eigentlich alle unbrauchbar sind… Sie kündigen die Existenz irgend einer Front oder Partei an. Das Evangelium ist aber weder Prinzip noch System noch Weltanschauung noch Moral, sondern es ist Geist und Leben, gute Botschaft von Gottes Gegenwart und Werk in Jesus Christus. Und es bildet auch keine Front oder Partei – auch nicht zugunsten einer bestimmten Auffassung vom Menschen – sondern es baut Gemeinde und diese zum Dienst unter allen Menschen“.

(113) Ebenda: „Zentral um den Menschen geht es freilich auch im Evangelium. Aber was von ihm her vom Menschen, für den Menschen (auch gegen den Menschen!) und zum Menschen zu sagen ist, fängt dort an, wo die verschiedenen Humanismen aufhören; oder es hört dort auf, wo diese anfangen. Man kann von ihm her sie alle verstehen, ein gutes Stück weit bejahen und gelten lassen… Aber man muss vom Evangelium her schließlich auch allen Humanismen widersprechen: eben darum, weil sie Humanismen, abstrakte Programme sind. Die Theologie konkurriert nicht mit ihnen. Sie hat ihnen kein Gleiches oder Ähnliches gegenüberzustellen“.

(114) Josuttis 41.

(115) Ebenda 48.

(116) Ebenda 251.

(117) Ebenda.

(118) Ebenda 253.

(119) KD IV/2 200: „Der kennte eben auch Jesus… nicht, der ihn nicht als jenen – wagen wir das gefährliche Wort: Parteigänger der Armen und schließlich als jenen Revolutionär erkennte“. Josuttis 251: „Das Kreuz Jesu ist der Ort, an dem sich Gottes solidarische Nähe gegenüber dem leidenden Menschen manifestiert“.

(120) Ludwig Feuerbach, Das Wesen des Christentums, Stuttgart 1974 (Leipzig 3. Auflage 1849), 250: „Glücklicherweise gibt es… eine natürliche Versöhnung. Der andere ist an und für sich der Mittler zwischen mir und der heiligen Idee der Gattung“.

(121) Josuttis 111.

(122) Karl Barth, Der Christ in der Gesellschaft (1919), zuerst: Eine Tambacher Rede, mit einem Geleitwort von Hans Ehrenberg, Würzburg 1920. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1925, 49. KD IV/3 316: „Jesus Christus selbst … ist und gibt die Garantie dafür, dass er siegen wird und schon im Siegen begriffen ist“.

(123) Josuttis 130: „Der christliche Glaube… weil er den Sinn seines Lebens in Gottes Zusage aufgehoben sieht, braucht… die offenkundige Sinnlosigkeit eigener Lebensereignisse nicht umzudeuten“.

(124) Ebenda 128.

(125) Ebenda 131: „Gerade weil der Glaube für den Kranken gegen die Krankheit eintritt, wird er zwischen der medizinischen und der religiösen Sinndeutung unterscheiden… Weil Gott mit dem Heil des Menschen auch dessen Heilung will, hält der christliche Glaube die eine, die medizinische Frage für sinnvoll, die andere dagegen, die religiöse, für schlechterdings sinnlos“. Weiter 127: „Die Entdeckung von vermeintlichem Sinn (sc. der Krankheit eines Individuums) kann gesellschaftlichen Un-Sinn verschleiern. Mit K. Barth ist daran zu erinnern: ‚Das Prinzip: mens sana in corpore sano kann ein höchst kurzsichtiges und brutales Prinzip sein, wenn es nur individuell, wenn es nicht in der Erweiterung verstanden wird: in societate sana‘“ (KD III/4 413).

(126) Ebenda.

(127) KD IV/2 305: „Es ist im Neuen Testament auch allen in der Welt lebenden Menschen als solchen eigentümlich, dass die in Jesus Christus gefallene Entscheidung tatsächlich auch sie, ihr Sein betrifft: Jesus Christus ist auch ihr Herr und Haupt und also sind auch sie, ob sie ihn schon erkannt oder noch nicht erkannt haben, nur vorläufig, nur subjektiv, nur in ihrer Unkenntnis und ihrem Unglauben außer ihm, ohne ihn, sind objektiv auch sie die Seinigen, sein Eigentum und eben darauf de iure anzusprechen. Es ist dieser ontologische Zusammenhang zwischen dem Menschen Jesus einerseits und allen anderen Menschen andererseits“, aus dem sich die in Jesus Christus selbst begründete Notwendigkeit von Gemeindesammlung und -aufbau und Mission ergibt. Vgl. Josuttis 229, Anm. 93.

(128) Ich stimme also der Hauptthese des Buches von Friedrich-Wilhelm Marquardt, Theologie und Sozialismus. Das Beispiel Karl Barths, München 2. Auflage 1972, zu, dass Barth sich „Feuerbachs gattungsgeschichtliche Wahrheit theologisch“ aneignet: „Gott und Mensch gehören nicht qua ‚Gott und die Seele‘, sondern qua ‚Gott und die Gattung‘ zuhauf“ (275). Dieter Schellong, Karl Barth als Theologe der Neuzeit. In: Karl Gerhard Steck, Trutz Rendtorff (Hg.), Karl Barth und die Neuzeit, München 1973, 85 hat Marquardts Deutung zugestimmt: „in der Tat ist das immanente Universale für Barth ‚die Menschheit‘“. Die Kritik von Hermann Diem, Der Sozialist in Karl Barth. Kontroverse um einen neuen Versuch, ihn zu verstehen. In: EvKomm 5 (1972), trifft insofern daneben, als er vergisst, dass Barth Feuerbach nicht bezüglich der natürlichen Versöhnung der Gattung folgt, und als er die Orientierung an der Gattung einfach mit „Kollektivismus“ gleichsetzt (296), den Karl Barth, Christus und Adam nach Röm 5. Ein Beitrag zur Frage nach dem Menschen und der Menschheit, Zollikon-Zürich 1952, 54 selbstredend ablehnt. In eben dieser Schrift belegt Barth die These, die Diem ablehnt: „Woher nimmt Paulus die Autorität, gerade aus dem Bild des korrupten Menschen mit dieser Bestimmtheit das herauszulesen, dass der Mensch in der Menschheit, die Menschheit im Menschen ist?“ 55: „Paulus behauptet … nichts Willkürliches, und er täuscht sich also nicht, wenn er diese Einheit auch auf Seiten Adams einfach als gegeben voraussetzt. Er tut es aber daraufhin, dass er sie in Christus vorausgegeben gefunden hat. Eben darin, worin Christus nicht nur Gottes Sohn, aber auch nicht sündiger Mensch wie Adam und wir alle, sondern wahrer Mensch schlechthin ist – eben darin haben wir die wahre, menschliche Natur in ihrem von Gott gewollten und geschaffenen Bestand und Wesen zu erkennen. Zu ihr gehört jedenfalls diese Einheit von Mensch und Menschheit“.

(129) Sondern in Christus, vgl. das letzte Zitat der Anm. 128. Dieter Schellong, Karl Barth als Theologe der Neuzeit. In: Karl Gerhard Steck, Trutz Rendtorff (Hg.), Karl Barth und die Neuzeit, München 1973, 86: „Der Gattungsbegriff meint… die Harmonie von Belangen des Einzelnen und Belangen der Gemeinschaft… Angesichts dessen, dass die Welt heillos zerspalten ist, führt Barth gegen das, was man Wirklichkeit zu nennen pflegt, eine andere Wirklichkeit, eine Gegenwirklichkeit ein: die Wirklichkeit Jesu Christi“. Was den Geschichtsprozess angeht, so gesteht Barth zu, KD II/2 570: „Mag es eine Philosophie der Geschichte und also ein geschichtliches Entwicklungsgesetz geben: etwa das, das in Fruchtbarmachung Hegel‘scher Anregung von Karl Marx verkündigt worden ist“. Wenn Geschichte aber andererseits „von Menschen gemacht werden“ muss, so stellt sich als Frage nach der richtigen Ethik 569: „Welches ist die wirkliche, die echte Kontinuität in all den angeblichen Kontinuitäten menschlichen Handelns? Was ist das Gültige in und über all den geltenden Besetzen?“

(130) KD IV/3 821, nämlich deswegen nicht, „weil es sich im Blick auf die in Jesus Christus schon präsente Wirklichkeit der Geschichte (Subjekt des Satzes ist ‚das Volk Gottes‘, H.S.) der Uneigentlichkeit und Vorläufigkeit alles menschlichen Aufbauens und Zerbrechens oder positiv: der Eigentlichkeit und Endgültigkeit des Abbrechens und Bauens bewusst ist, das in Jesus Christus schon stattgefunden hat, um nur noch seines Sichtbarwerdens in der Welt für die es geschehen ist, zu warten. Das ist die Zuversicht, in der die Gemeinde der Weltgeschichte gegenübersteht und in der sie der übrigen Menschheit, die solche Zuversicht nicht kennt, gegenübertritt“. 823: „Sie wird am Weltgeschehen auf alle Fälle, sei es redend, sei es eindrucksvoll schweigend, sei es Partei ergreifend, sei es Parteinahme verweigernd, sei es scheinbar von Fall zu Fall auch als eigene Partei, entschlossen teilnehmen“.

(131) Nach Hans-Georg Geyer, Metaphysik als kritische Aufgabe der Theologie. In: W. Dantine / K. Lüthi (Hg.), Theologie zwischen Gestern und Morgen. Interpretationen zum Werk Karl Barths, München 1968, 258: Von der in diesem Aufsatz angestellten Analyse des Wesens der Metaphysik her wird „die Ansicht, die Rede von Gottes Aseität in der Theologie sei eine Art metaphysische Interpolation, die Folge der in die Theologie eingebrochenen metaphysischen Spekulation, … insofern fragwürdig, als sich zeigt, dass es im Denken der Metaphysik gerade nicht zum Andenken an Gott selbst kommt. Der Gedanke geht vielmehr konsequent auf den letzten Grund für das endlich Seiende im Ganzen… Welchen Sinn die biblisch-theologische Rede von ‚Gottes-Offenbarung‘ auch immer sonst noch haben mag, so viel dürfte doch gewiss sein, dass dadurch Gottes unaufhebbare Subjektstellung auch für das Denken intendiert und demzufolge die wesenhaft notwendige Korrelativität des metaphysischen Gottesbegriffes ausgeschlossen wird“. Karl Barth, Der Christ in der Gesellschaft (1919), zuerst: Eine Tambacher Rede, mit einem Geleitwort von Hans Ehrenberg, Würzburg 1920. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1925, 45: „Tot ist alle Metaphysik“. Die Gefahr, „aufs neue von einer metaphysischen Dinglichkeit, von einer falschen Transzendenz“ (49) zu reden, sieht Barth auch für sein eigenes Reden von Gott.

(132) Josuttis 163: „Indem und wenn im Gottesdienst die Bibel ausgelegt wird, wird jene Unterscheidung zwischen Gott und den Göttern, Gott und der Welt, Gott und der Kirche aktuell, die für die biblische Rede von Gott charakteristisch ist. Deshalb beschränkt sich die Bedeutung des Gottesdienstes nicht auf die Kirchengemeinde. Im Gottesdienst, der zwischen Gott und Welt unterscheidet, kommt die Schöpfung zu sich selbst, indem sie den Schöpfer lobt. Der Gottesdienst der Kirche ist der einzige Ort in Natur und Geschichte, in der Gott als der Herr von Natur und Geschichte bewusst, explizit und öffentlich bekannt wird… Dass es einen solchen Ort in der Gesellschaft gibt, ist für die Gesellschaft, auch wenn sie das nicht einzusehen vermag, lebenswichtig. Denn sie kann nur human bleiben, wenn sie ihrer Weltlichkeit und damit der Grenzen ihrer Möglichkeiten innewird. Wo man den Altar in der Kirche vergisst, geht man daran, in der Welt Opferaltäre zu bauen“.

(133) Ebenda 39. 176 wendet er sich gegen die „Unterscheidung zwischen heiligen und profanen Bereichen“, die er durch die „Einrichtung spezifisch gottesdienstlicher Räume“ gefördert sieht.

(134) KD I/2 327. KD I/1 48: „Die Scheidung zwischen ‚weltlicher‘ und ‚religiöser‘ Rede… verläuft an sich noch innerhalb des profanen Daseins. Diese Scheidung ist wie die zwischen einer gläubigen, religiösen und einer ungläubigen, weltlichen Haltung überhaupt nur ein Symptom und noch dazu nie ein unzweideutiges Symptom der wirklichen und endgültigen Scheidung zwischen dem profanen und geheiligten Dasein. Immerhin: ein notwendiges Symptom“.

(135) Vgl. Anm. 140.

(136) Josuttis 125. 38: „Aufklärung ist ein Akt evangelischer Praxis. Das Evangelium schenkt Freiheit auch in dem Sinn, dass es den Aberglauben beseitigt, Vorurteile in Frage stellt, angeblich ewige Werte und Ordnungen relativiert“.

(137) Ebenda 206, und zwar beispielsweise „nicht aus der Wirklichkeit seiner unsterblichen Seele, nicht aus der Wirklichkeit seiner bedeutenden Lebensleistung, auch nicht aus der Wirklichkeit einer ungetrübten Familienliebe“.

(138) Ebenda 140.

(139) Ebenda 121.

(140) Karl Barth, Der Christ in der Gesellschaft (1919), zuerst: Eine Tambacher Rede, mit einem Geleitwort von Hans Ehrenberg, Würzburg 1920. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1925, stellt 56f heraus, „dass schlichte Sachlichkeit unsers Denkens, Redens und Tuns auch innerhalb der bestehenden Verhältnisse und im Bewusstsein der Gefangenschaft, in der wir uns hier befinden, eine Verheißung hat“. 62 führt weiter: „Es ist in der Wahrheit Christi, die uns eben noch zur Mahnung zur schlichtesten Sachlichkeit wurde, zugleich ein stürmisches Vorwärts, das uns und unser gesellschaftliches Leben auf eine noch ganz andere Sachlichkeit hinweist. Wir können ja nicht dabei stehen bleiben, in allem Vergänglichen nur das Gleichnis zu sehen“. 63: „Das Gleichnis ist Verheißung und Verheißung will Erfüllung“.

(141) Ebenda 62: „Gott der Schöpfer… ist auch Gott der Erlöser, dessen Spuren wir von uns aus folgen müssen, und im Fortgang der Gottesgeschichte, in die wir eingetreten sind, liegt es eben, dass wir von uns aus von der Verteidigung zum Angriff, vom Ja zum Nein, von der Naivität zur Kritik der Gesellschaft gegenüber fortschreiten müssen“.

(142) Ebenda 64f.

(143) Ebenda 67: „Wir glauben also darum an einen Sinn, der den einmal gewordenen Verhältnissen innewohnt, aber auch an Evolution und Revolution, an Reform und Erneuerung der Verhältnisse, an die Möglichkeit von Genossenschaft und Bruderschaft auf der Erde und unter dem Himmel, weil wir noch ganz anderer Dinge warten, nämlich eines neuen Himmels und einer neuen Erde… Wir haben darum die Freiheit, mit Gott naiv oder mit Gott kritisch zu sein, weil uns so oder so der Ausblick offen ist auf den Tag Jesu Christi, da Gott alles in allem sein wird“.

(144) Dieter Schellong, Karl Barth als Theologe der Neuzeit. In: Karl Gerhard Steck, Trutz Rendtorff (Hg.), Karl Barth und die Neuzeit, München 1973, 90f: „Dieser Unglaube bedeutet keine Verharmlosung der weltlichen Realität, keine Desolidarisierung ihr gegenüber…; er bedeutet, dass die ‚Götter‘ dieser Welt nicht anerkannt und der Lauf der Weltgeschichte so, wie er ist, nicht akzeptiert wird“. Josuttis 121 und 140 lehnt es ab, dass Glaube einfach als „Glaube an die Wirklichkeit“ bezeichnet wird, wie Faber es tut.

(145) Josuttis 125.

(146) Josuttis 49.

(147) KD I/1 2.

(148) Ebenda 3.

(149) Ebenda 5.

(150) Ebenda 6: „Wenn die Theologie sich eine ‚Wissenschaft‘ nennen lässt und selber nennt, so erklärt sie damit: 1. Sie ist wie alle anderen sog. Wissenschaften menschliche Bemühung um einen bestimmten Erkenntnisgegenstand. 2. Sie geht dabei wie alle anderen Wissenschaften einen bestimmten, in sich folgerichtigen Erkenntnisweg. 3. Sie ist wie alle anderen Wissenschaften in der Lage, sich selbst und jedermann… über diesen Weg Rechenschaft abzulegen… Sie kann sich… (von den anderen Wissenschaften) nicht… darüber belehren lassen, was das (sc. Methodentreue) in ihrem Fall konkret zu bedeuten hat. Sie hat methodisch nichts bei ihnen zu lernen. Sie hat sich nicht vor ihnen zu rechtfertigen, vor allem nicht dadurch, dass sie sich den Anforderungen eines zufällig oder nicht zufällig allgemein gültigen Wissenschaftsbegriffs unterzieht“. 7: Zu von Heinrich Scholz aufgestellten Kriterien für Wissenschaftlichkeit, zu denen u. a, die „Widerspruchsfreiheit“ als „Mindestpostulat“ gehört, bemerkt Barth u. a.: „Die Theologie wird zwar keine prinzipielle Unaufhebbarkeit der von ihr geltend zu machenden ‚Widersprüche‘ behaupten. Aber die Sätze, in denen sie ihre Aufhebung behauptet, werden Sätze über das freie Handeln Gottes und also keine die Widersprüche ‚aus der Welt schaffenden‘… Sätze sein. Alle übrigen Paragraphen jenes Gesetzes (sc. des Kriterienkataloges) können den Theologen nur daran erinnern, dass er wissen soll, was er tut, wenn er sie übertritt, und dass er als Theologe nicht umhin kann, sie übertreten zu müssen“.

(151) Ebenda 9: „Indem die Theologie sich als ‚Wissenschaft‘ bezeichnet, stellt sie sich in die Reihe, bekennt sie sich als menschliche Bemühung um die Wahrheit zu ihrer Solidarität mit den heute nun einmal unter diesem Begriff vereinigten sonstigen Bemühungen dieser Art… Indem sie den Begriff ‚Wissenschaft‘ nicht einfach den anderen überlässt, meldet sie aber auch 2. den… nötigen Protest gegen jenen zugestandenermaßen ‚heidnischen‘ allgemeinen Wissenschaftsbegriff an“. Weiter siehe Anm. 76.

(152) Josuttis 207: „Die Berechtigung einer kirchlichen Einflussnahme auf die Erziehung in der öffentlichen Schule (gerät) immer stärker ins Kreuzfeuer der Kritik“. In dieser Situation gibt es den Versuch, „die Notwendigkeit des Religionsunterrichts… auf neue Weise zu begründen“, und zwar nicht mehr nur „mit rein theologischen Argumenten“, sondern mit „allgemein einleuchtenden Gründen“. Diesen Versuch kritisiert Josuttis 232 deswegen, weil die Religionspädagogik damit „beiden Herren dienen (will). Sie will ihre kirchliche Herkunft nicht verleugnen und ihre gesellschaftliche Relevanz verteidigen“.

(153) Ebenda 235.

(154) KD I/1 3: „Kommt die christliche Rede von ihm her (von Jesus Christus)? Führt sie zu ihm hin? Ist sie ihm gemäß? Keine dieser Fragen ist ohne die andere, aber jede ist mit ganzem Gewicht selbständig zu stellen. So ist Theologie als biblische Theologie die Frage nach der Begründung, als praktische Theologie die Frage nach dem Ziel, als dogmatische Theologie die Frage nach dem Inhalt der der Kirche eigentümlichen Rede“.

(155) Ebenda 82f: „Die dogmatische Frage kann dem praktischen Theologen nicht erspart werden, weil auch die alleräußerlichste Frage in Bez. auf die Ausführung des Kirchendienstes in der Gegenwart je nach der Einsicht in das, was rechte Verkündigung ist oder nicht ist, sehr verschieden beantwortet werden kann“. Ebenso wird auch in der „kirchlichen Sozialarbeit wahrlich nicht nur gehandelt, sondern auch allerlei geredet, und zwar nebenbei mit dem Anspruch der Verkündigung geredet: es wird anders geschehen, wenn dogmatische Besinnung dahintersteht, als wenn dies nicht der Fall ist“.

(156) Siehe Anm. 154.

(157) KD I/1 1: „Die Kirche bekennt sich zu Gott, indem sie von Gott redet. Das geschieht einmal durch ihre Existenz im Handeln jedes einzelnen Glaubenden. Und das geschieht zweitens durch ihr besonderes Handeln als Gemeinschaft… Die Wirklichkeit der Kirche geht zum Glück nicht auf in ihrem Handeln. Aber ihr Handeln geht darin auf, dass sie… in ihrer Existenz… als solcher von Gott redet. Ihr Handeln ist ‚Theologie‘ in jenem weiteren und in diesem engeren Sinn“.

(158) KD II/2 564ff wird „Ethik als Aufgabe der Gotteslehre“ abgehandelt.

(159) Josuttis 35.

(160) Ebenda: Der Pfarrer „sieht den Menschen nicht nur als ein psychisches oder soziales Wesen, er sieht ihn auch in seiner theologischen Dimension“.

(161) Siehe Anm. 42.

(162) Josuttis 11: „Praktische Theologie hat hier und anderswo noch immer keinen zureichenden theoretischen Rahmen für ihre Forschung entwickelt. Empirische Ergebnisse, hypothetische Konstruktionen und theologische Reflexionen werden miteinander verknüpft, ohne dass es bisher schon gelungen wäre, den Prozess der Verknüpfung samt den darin enthaltenen Transformationsimplikaten eindeutig zu definieren oder auch nur durch die Entwicklung unterschiedlicher Verkopplungsmodelle diskutabel zu machen“.

(163) Siehe Anm. 42.

(164) Josuttis 254 protestiert mit Gert Otto „gegen eine Auffassung…, die die Praktische Theologie als eine ‚Anwendungswissenschaft‘ versteht“. 258 merkt er an, „dass Praktische Theologie weder reine Erfahrungswissenschaft im Blick auf die empirische Kirche noch reine Anwendungswissenschaft von einem dogmatischen Kirchenbegriff her auf die empirische Kirchenwirklichkeit hin sein kann“.

(165) Vgl. Anm. 30. Den Begriff der Humanwissenschaften verwende ich ebenso synonym mit dem der Handlungswissenschaften, wie dies Josuttis tut, und zwar als Pauschalbegriff für alle wissenschaftliche Bemühung um den Menschen in seinen weltlich-gesellschaftlichen Dimensionen.

(166) Den Begriff des „Missverhältnisses“ entlehne ich von Richard Riess, Seelsorge. Orientierung, Analysen, Alternativen, Göttingen 1973, 32, 40.

(167) KD I/1 4.

(168) Karl Barth, Homiletik. Wesen und Vorbereitung der Predigt. (Nachschrift eines homiletischen Seminars 1932/33), Zürich 1966, 85: „Wir Theologen haben nur das zu wiederholen, was Menschen von dem, was ihnen begegnete, sagten. Indem wir das schlicht und bescheiden tun, dienen wir dem Selbstworte Gottes“. Josuttis 97: Seelsorge in Thurneysens Verständnis ist „die Ausrichtung des Wortes Gottes an den Einzelnen in einer je und je bestimmten Situation“.

(169) Karl Barth, Homiletik. Wesen und Vorbereitung der Predigt. (Nachschrift eines homiletischen Seminars 1932/33), Zürich 1966, 82: „Wir, die wir gegenüber der katholischen Kirche das wahre Heiligtum, das Wort, haben, sollten in der Predigtvorbereitung und der Predigt selbst die eigentliche Aufgabe und den Sinn pfarramtlicher Arbeit sehen und danach tun“.

(170) Ebenda 32ff: hier werden „Kriterien der Predigt“ abgehandelt. 77: „In der Kirche haben wir nicht die Vollmacht, christliche Prinzipien oder sonstige Themata abzuhandeln“. 84: Es ist „schlechthin unmöglich, nach dem Thema, dem Skopus des einzelnen Textabschnittes zu fragen“. 101: „Grundsätzlich soll die Predigt keine Einleitung haben“.

(171) Ebenda 104.

(172) Ebenda 77: „Die Schrift soll alles von eigenen Meinungen, Wünschen und Gedanken säubern; es gilt in strenger Disziplin am Wort zu bleiben und nur das hören zu wollen, was das Wort sagt, nicht was die große Öffentlichkeit, die engere Gemeinde oder das eigene Herz hören möchten“.

(173) Josuttis 99: „Das Wort Gottes muss zum Reden, der Mensch zum Hören kommen“ (Zitat von Thurneysen).

(174) Ebenda.

(175) Jedenfalls dann, wenn diese Auffassung konsequent durchgehalten wäre. Offensichtlich legt aber die im Anschluss an Barth und Thurneysen Praxis dennoch die genannte Kritik nahe. Nach Richard Riess, Seelsorge. Orientierung, Analysen, Alternativen, Göttingen 1973, 183 wirft Offele im Zusammenhang mit Thurneysen die Frage auf, „ob überhaupt ein wirkliches mutuum colloquium, ein echtes Gespräch stattfindet, wenn der Seelsorger so konsequent bestrebt ist, sein Gegenüber ‚unter die Hand und in das Eigentum Gottes‘ zu bringen“.

(176) Josuttis 98.

(177) Siehe Anm. 151.

(178) Josuttis 112. „Dass um des Reiches willen auch ein distanziertes und kritisches Verhältnis zur aktuellen Kirche nötig sein könnte, kommt hier nicht in den Blick“. 98: „Das Schönste, was wir an sogenanntem Erfolg erfahren können, besteht darin, dass wir da einen Mann, dort eine Frau dazu führen dürfen, dass sie wieder beten, dass sie die Bibel zu sich reden lassen, und dass sie vielleicht scheu und unauffällig dann und wann wieder zur Predigt kommen, oder dass wir ihnen ganz unerwartet am Abendmahlstisch begegnen“ (Zitat Thurneysen).

(179) Ebenda 159, Am. 44.

(180) Siehe Anm. 168, 169 und 172.

(181) Josuttis 85.

(182) Ebenda 81f: „Zweifellos ist der Hochmut eine Gestalt menschlicher Sünde… (Aber) der Mensch dient Gott nicht nur in der Weise, dass er auf seinen Selbstbehauptungswillen und also auf das Zur-Geltung-Bringen der eigenen Person verzichtet. Er dient Gott ebenso in der Weise, dass er mit seiner eigenen Person zum Zeugen der Gnade Gottes wird“.

(183) KD II/1 289.

(184) Josuttis 110: „Der Begriff ‚Praxis des Evangeliums‘ soll … zwei für mein Verständnis unzulässige Alternativen relativieren. Das Evangelium Jesu wird weder allein in verbaler noch allein in aktionaler Kommunikation zureichend weitergegeben, weil für das NT das Wort immer auch Tat und die Tat immer auch Wort ist. Und innerhalb des verbalen Bereichs ist es wiederum unzulässig, eine inhaltlich bestimmte Form verbaler Interaktion, etwa den Zuspruch der Absolution, für das Proprium der Seelsorge zu erklären“. „Praxis des Evangeliums in Wort und Tat“ umfasst, am Beispiel der Seelsorge, „profane Beratung und… kerygmatischen Zuspruch“.

(185) Karl Barth, Homiletik. Wesen und Vorbereitung der Predigt. (Nachschrift eines homiletischen Seminars 1932/33), Zürich 1966, 102.

(186) Ebenda 92.

(187) KD I/1 51: „Der kirchliche Jugendunterricht… als solcher hat zu belehren, nicht zu bekehren“. „Wollte kirchliche Sozialarbeit als solche selber Verkündigung sein, dann könnte sie nur zur Propaganda, und zwar zur nicht eben würdigen Propaganda werden“.

(188) Siehe Anm. 155.

(189) Josuttis 203: „Eine Verkündigung des Glaubens macht die methodische Bemühung um diese Verkündigung nicht überflüssig, wie man am Verhältnis von Homiletik und Rhetorik belegen kann“.

(190) Karl Barth, Homiletik. Wesen und Vorbereitung der Predigt. (Nachschrift eines homiletischen Seminars 1932/33), Zürich 1966, 105.

(191) Josuttis 62, „eine solche Betrachtung… will die urchristliche Botschaft weder aus ihrer sozialpsychologischen Funktion erklären noch deren Inhalt auf diese Funktion reduzieren“.

(192) Ebenda 126. „Die therapeutischen Effekte eines solchen Gesprächs (sind) auch in der Seelsorge als so weltlich, natürlich, säkular einzustufen, wie in jeder anderen gesprächstherapeutischen Kommunikation auch“.

(193) Ebenda 49.

(194) Ebenda 206, Anm. 33.

(195) Siehe Anm. 162.

(196) Josuttis 258: „Praktische Theologie ist, wenn sie Theologie bleiben will, am biblischen Evangelium orientierte kritische Theorie der kirchlichen Praxis“.

(197) Vgl. den Abschnitt 4.3. Ich wähle Otto zur Gegenüberstellung, weil er ebenso konsequent Praktische Theologie von einem gesellschaftstheoretischen, religionswissenschaftlichen Rahmen aus verstehen will, wie Josuttis dies von einem kirchlichen, theologischen aus tun will.

(198) Diesen Weg ist nach Karl Barth, Vergangenheit und Zukunft. Friedrich Naumann und Christoph Blumhardt, zuerst in: Neuer Freier Aargauer, 1919, Nr. 204/205. Zit. nach: Walter Feurich (Hg.), Karl Barth, Klärung und Wirkung. Zur Vorgeschichte der „Kirchlichen Dogmatik“ und zum Kirchenkampf, Berlin 1966, 280 Friedrich Naumann gegangen: „Der stürmische Konflikt zwischen Religion und Leben, Gott und Welt, löste sich auf in ein verständiges Schiedlich-Friedlich, Sowohl-Als auch, das beiden Seiten ihr Recht gab. Naumann war wieder dort, von wo er ausgegangen war: bei dem unerforschlich waltenden ‚Gott‘ und bei der Religion der Seele, die wohl Trost und Kraft in der Welt, aber nicht den Sieg über die Welt sucht“.

(199) Karl Barth, Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1946. Zit. nach: Karl Barth, Rechtfertigung und Recht. Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1970: Der Christengemeinde ist als „maßgebliche geistliche Norm“ für ihr weltliches Handeln (62) eine bestimmte „Richtung und Linie“ gegeben (65). Josuttis 239: Das „Gesetz“ als Implikat des Evangeliums hat als richtungweisende Folge, dass es „jede sonstige Heilsverheißung und jeden sonstigen Herrschaftsanspruch“ neben Jesus Christus bestreitet (These (1.2)).

(200) Karl Barth, Evangelium und Gesetz, München 1935, 10.

(201) Ebenda 11.

(202) Ebenda 27: „Die Gnade Gottes, Jesus Christus selbst, macht gerade das Gericht, in das uns das missbrauchte und doch gültige Gottesgesetz stellt, zu unserer Rechtfertigung. Er offenbart sich als Heiland durch das Gesetz auch in dieser Gestalt. Er macht lebendig durch das Evangelium, indem er durch das Gesetz tötet. Jetzt wird diese Reihenfolge: ‚Gesetz und Evangelium‘ legitim und sinnvoll!“

(203) Ebenda 26.

(204) Ebenda 29.

(205) KD II/2 564: „Die Ethik als Lehre von Gottes Gebot erklärt das Gesetz als die Gestalt des Evangeliums, d. h. als die dem Menschen durch den ihn erwählenden Gott widerfahrende Heiligung… Ihre Funktion besteht in der grundlegenden Bezeugung der Gnade Gottes, sofern diese des Menschen heilsame Bindung und Verpflichtung ist“.

(206) Manfred Josuttis, Die Gegenständlichkeit der Offenbarung. Karl Barths Anselm-Buch und die Denkform seiner Theologie, Bonn 1965, 155: „Weil das Gesetz eindeutig dem Evangelium integriert wird, stehen sich beide nicht mehr in einer Spannung gegenüber, die für unser Denken in diesem Leben unauflöslich ist und deren Überwindung immer nur dem Glauben selbst geschenkt wird“.

(207) Z. B. Josuttis 243: „Evangelische Theologie definiert das Verhältnis von Politik und Religion im Rahmen der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium“. Vgl. Kapitel 2.

(208) Ebenda 239, These (1.2).

(209) Manfred Josuttis, Gesetzlichkeit in der Predigt der Gegenwart, München 1966, 117: Diese Gefahr wird herbeigeführt durch ein Missverständnis von Barths „tertius usus legis“, indem die „Rechtfertigung zu einer Funktion der Heiligung“, obwohl „christologisch zentriert“, wird und außerdem noch aus der Freiheit zur Menschlichkeit wieder ein besonderes religiöses Verhalten wird.

(210) Ebenda 51: „In der Eindeutigkeit der Sündenaufdeckung liegt auch ein Akt der Befreiung von der Sündenmacht, gegen die der nur in Frage gestellte Mensch allein ankämpfen muss, wenn er sie von sich aus durchschauen soll“. 118f: „Die Gesetzlichkeit der gegenwärtigen Predigt gründet in der mangelnden Unterscheidung von Gesetz und Evangelium sowie in der mangelnden Predigt des Gesetzes“.

(211) Ebenda 119: „Wer das Gesetz aus seiner Stellung vor dem Evangelium verdrängt, der schiebt es auf den Platz hinter dem Evangelium“.

(212) Ebenda 88.

(213) Ebenda 87.

(214) Josuttis 199: „Das Ritual ist ein Medium des Evangeliums wie die Sprache, das Sakrament oder die Gruppe“.

(215) Ebenda 200: „Die Prävalenz des Evangeliums gegenüber dem Ritual liegt allein im Wort“. 201: „Praxis des Evangeliums heißt im Fall des rituellen Vollzugs durch das Wort definierte Praxis“.

(216) Ebenda 200: „Es gibt kein Medium, das der Verkündigung des Evangeliums von vornherein und als solches adäquat wäre. Es gibt aber auch kein Medium, das der Verkündigung auf besondere Weise und in besonderem Maße gefährlich werden könnte“.

(217) Ebenda 201: Josuttis begründet den „Vorrang der Sprache… in doppelter Weise… Allein durch die Sprache ist es möglich, eine Handlung, einen Gegenstand, eine Situation oder eine Gemeinschaft als solche zu qualifizieren, die im Namen des Gottes Jesu steht. Denn allein in der Sprache vermag der Mensch die Situation oder Aktion, in der er sich bewegt, zu transzendieren, indem er zwischen dem Heil aus der Aktion und dem Heil von Gott her differenziert“. Das Argument von Yorick Spiegel, In einem weiten Kontext (Rezension von M. Josuttis, Praxis des Evangeliums zwischen Politik und Religion). In: EvKomm 7 (1974), 766, dass Josuttis „auf einen Vorrang des Wortes vor dem Handeln zurückgegriffen“ habe, den „Josuttis längst überwunden hat“, begreift nicht die kritische Funktion des Wortes, die es gegenüber allen Medien des Evangeliums auszuüben hat, die es gerade nicht „niederkämpfen“ soll, wie Spiegel unterstellt. Die „Ablehnung des Rituals“, die Spiegel nicht versteht, ist schlicht nicht vorhanden, vgl. z. B. Josuttis 204: „Der Vollzug des Rituals ist eine Praxis des Evangeliums im Bereich der religiösen Dimension menschlicher Existenz, eine Form des Beistands gegenüber den Trauernden und ein erster Akt der Hilfe zur Trauerarbeit, die in der seelsorgerlichen Beratung fortgeführt wird“.

(218) Siehe Anm. 217.

(219) Vgl. dazu Ton Veerkamp, Peter Winzeler, Was verstehen wir unter „Gemeinde Jesu Christi“? Entwurf zu einem verbindlichen Kommentar zur Präambel zur Satzung der Evangelischen Studentengemeinden in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West). In: ESG/KSG Göttingen, Alternatives Christsein, Dokumente, Materialien, Diskussionsbeiträge, Heft 6, Göttingen 1975, 16: „Gemeinde Jesu Christi (ist) als Gemeinde von Ungläubigen, die versuchen zu glauben, oder als Gemeinde von ‚Sündern, die gerechtfertigt sind‘, wie es der alte evangelische Glaubenssatz sagt, immer nur in der Hoffnung auf die Verheißung: ‚Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammengeführt sind, dort werde ich mitten unter euch sein‘… Wenn sich also um diese zwei oder drei viele in vielen anderen guten, aber vorläufigen Namen versammeln, so ist das das Zeichen der Gemeinde Jesu Christi auch dann, wenn ein ‚böses und abtrünniges Geschlecht ein anderes Zeichen begehrt‘“.

(220) Siehe Anm. 64.

(221) Das jetzt skizzierte Verständnis von Medien des Evangeliums ist schon im Abschnitt 3.3 über das Verhältnis von Theologie und Humanwissenschaften implizit vorausgesetzt.

(222) KD IV/3 171: Barth geht es um die „Verschiedenheit“, aber doch auch „Beziehung“ zwischen dem einen „Licht und Wort der einen Wahrheit Gottes“ und den „vielen Lichter(n), Worte(n) und Wahrheiten der Welt“, damit es nicht „mit einer bloßen Feststellung der Verschiedenheit beider… zu der unseligen Lehre von den ‚zwei Reichen‘“ kommen kann.

(223) Josuttis 239; siehe Anm. 105.

(224) Manfred Josuttis, Gesetzlichkeit in der Predigt der Gegenwart, München 1966, 72: Die Formeln „Königsherrschaft Jesu Christi“ und „Zwei-Reiche-Lehre“ vertreten beide sprünglich eine berechtigte Intention, die Abwehr der Klerikalisierung des weltlichen, vor allem des politischen Lebens auf der einen und die Kritik an dessen Emanzipierung auf der anderen Seite. Aber beide stehen im Verfolg dieser Absicht auch ständig in der Gefahr, dem jeweiligen Gegenextrem zu verfallen“. Zur Gesetzlichkeit vgl. Anm. 209.

(225) Karl Barth, Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1946. Zit. nach: Karl Barth, Rechtfertigung und Recht. Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1970, 65: „Das politische Wesen kann weder eine Wiederholung der Kirche noch eine Vorwegnahme des Reiches Gottes darstellen. Es ist in seinem Verhältnis zur Kirche ein eigenes, in seinem Verhältnis zum Reich Gottes (wie die Kirche selbst!) ein menschliches, ein die Art dieser vergänglichen Welt an sich tragendes Wesen. Eine Gleichung zwischen ihm und der Kirche auf der einen, dem Reich Gottes auf der anderen Seite kann darum nicht in Frage kommen. Wiederum hat es, indem es auf besonderer göttlicher Anordnung beruht, indem es zum Reiche Jesu Christi gehört, keine Eigengesetzlichkeit, keine der Kirche und dem Reich Gottes gegenüber selbständige Natur. Eine einfache und absolute Ungleichung zwischen ihm und der Kirche einerseits, dem Reich Gottes andererseits kann darum auch nicht in Frage kommen. Es bleibt somit übrig und es drängt sich zwingend auf: die Gerechtigkeit des Staates in christlicher Sicht ist seine Existenz als ein Gleichnis, eine Entsprechung, ein Analogon zu dem in der Kirche geglaubten und von der Kirche verkündigten Reich Gottes“.

(226) Ebenda 62: „Es sind nicht christliche, sondern ‚natürliche‘, weltliche, profane Aufgaben und Probleme, an denen sich die Christengemeinde in Wahrnehmung ihrer politischen Mitverantwortlichkeit zu beteiligen hat. Es ist aber gerade keine natürliche, sondern die für sie allein glaubwürdige und maßgebliche geistliche Norm, die klare Eigengesetzlichkeit dieser ihrer ihrer eigenen und nicht die dunkle Eigengesetzlichkeit dieser ihr fremden Sache, an der sie sich dabei orientiert, von deren Erkenntnis her sie auch ihre Entscheidungen im politischen Raum vollziehen wird“.

(227) Josuttis 9.

(228) Ebenda 241, These (3).

(229) Ebenda 242, These (3.14).

(230) Um diese These zu verifizieren, genügt ein Einblick in die politisch-wissenschaftlichen Auseinandersetzungen an theologischen Fachbereichen.

(231) Karl Barth, Der Römerbrief. Unveränderter Nachdruck der ersten Auflage von 1919, Zürich 1963, 381: Es lasse jeder „die heilsame Unruhe die ihm von Gott ins Herz gegeben ist, sich vertiefen, potenzieren und als Verstärkung der allgemeinen steigenden Flut des Göttlichen zukommen, die einst von selbst die Dämme zerreißen wird. Unterdessen aber: unterzieht euch (sc. den obrigkeitlichen Gewalten)! Dass Maß und die Art eurer Anteilnahme an der Gestaltung des politischen Lebens soll durch diesen Wink nicht präjudiziert sein. Sie kann nach Maßgabe der Umstände sehr weitgehend sein und ihr werdet euch schwerlich anderswohin stellen können als auf die äußerste Linke“.

(232) Karl Barth, Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1946. Zit. nach: Karl Barth, Rechtfertigung und Recht. Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1970, 69: „Die Christengemeinde steht im politischen Raum als solche und also notwendig im Einsatz und Kampf für die soziale Gerechtigkeit. Und sie wird in der Wahl zwischen den verschiedenen sozialistischen Möglichkeiten (Sozial-Liberalismus? Genossenschaftswesen? Syndikalismus? Freigeldwirtschaft? Gemäßigter? Radikaler Marxismus?) auf alle Fälle die Wahl treffen, von der sie jeweils (unter Zurückstellung aller anderen Gesichtspunkte) das Höchstmaß von sozialer Gerechtigkeit erwarten zu sollen glaubt“.

(233) Josuttis 35.

(234) Ebenda 36.

(235) Ebenda 241, These (3.11).

(236) Ebenda 108.

(237) Ebenda 114: „Am Ziel evangelischer Seelsorge (steht) die Integration des Menschen in die Gemeinschaft als seine Emanzipation ihr gegenüber“.

(238) Ebenda 126.

(239) Ebenda 204.

(240) Karl Barth, Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1946. Zit. nach: Karl Barth, Rechtfertigung und Recht. Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1970, 78. Vgl. Eberhard Busch, Karl Barths Lebenslauf, München 1975, 239: Gerade 1933 komme es darauf an, „Theologie und nur Theologie“ zu treiben – „als wäre nichts geschehen… Ich halte dafür, das sei auch eine Stellungnahme…, indirekt sogar eine politische Stellungnahme!“ (Barthzitat)

(241) Josuttis 158.

(242) Karl Barth, Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1946. Zit. nach: Karl Barth, Rechtfertigung und Recht. Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1970, 62 (vgl. Anm. 226); 78: „Im politischen Raum können nun einmal die Christen gerade mit ihrem Christentum nur anonym auftreten… In den eigentlich politischen, den Aufbau der Bürgergemeinde als solcher betreffenden Fragen können sie nur in Form von Entscheidungen antworten, die nach Form und Inhalt auch die anderer Bürger sein könnten, ja von denen sie geradezu wünschen müssen, dass sie ohne Rücksicht auf deren Bekenntnis auch die aller anderen Bürger werden möchten“. 79 oben: „… in einer mit keiner anderen zu verwechselnden Richtung und Linie…“. 65: „Die Richtung und Linie des christlich-politischen Unterscheidens, Urteilens, Wählens, Wollens und Sicheinsetzens bezieht sich auf die Gleichnisfähigkeit und Gleichnisbedürftigkeit des politischen Wesens“. Weiter siehe Anm. 225.

(243) Diese These habe ich in Anlehnung an Chr. Frey aufgestellt, der sie sinngemäß auf einer Tagung so vorbrachte. Vgl. Josuttis 9 und 239ff (Abschnitt 10.1).

(244) Karl Barth, Politische Entscheidung in der Einheit des Glaubens, München 1952, 18: „Die Krisis, in die die Einheit des Glaubens durch die in ihr stattfindende politische Entscheidung geraten muss, ist auf keinen Fall als ausweglos zu bezeichnen“.

(245) Ebenda 9.

(246) Ebenda 10: „In einer Kirche, die nicht tot ist, sondern lebt, muss gerade das nicht nur möglich sein, ist gerade das notwendig: dass ihre Einheit tatsächlich je und je in Frage gestellt wird, um dann erst auf einer höheren Stufe, in einer weiteren Stunde ihrer Geschichte wiedergefunden u. zw. neu und besser wiedergefunden zu werden“. 12: „Entscheidungen einzelner Christen, auch die politischen Stellungnahmen, um die es heute geht, können, dürfen und müssen mit allen ihren Auswirkungen darum in der Einheit des Glaubens stattfinden, weil diese selbst nur, wenn sie dynamischen Charakter hat, die Einheit des christlichen, des evangelischen Glaubens sein kann. Warum soll eine solche politische Entscheidung einzelner Christen nun eigentlich nicht, statt Seufzen und Schelten zu erregen, als ein in der Gemeinde an die Gemeinde ergehender Anruf und Aufruf verstanden werden?“

(247) Vgl. Kapitel 1 dieser Arbeit.

(248) Josuttis 154. Siehe Kapitel 7.

(249) Ebenda 201: Hier wird zwar nur bezüglich der Religion gesagt, dass „die Differenz zwischen Evangelium und“ ihr „im Gesetz“ liegt. Aber der „Gott, den das Evangelium Jesu bezeugt, ist exklusiv, und der Glaube an diesen Gott macht kritisch, kritisch gegenüber sich selbst, gegenüber dem eigenen Heilsverlangen und gegenüber den eigenen und gesellschaftlichen Versuchen, sich das Heil des Lebens selbst zu besorgen“. Dies gilt genauso auch für die Politik. 239, These 1.2, ist jedenfalls das Gesetz auf die Bereiche von Religion und Politik bezogen. Im Gegensatz zu Barth sieht Josuttis das Gesetz nicht als spezifisch christliche Norm, sondern als die einfache Notwendigkeit der Kritik nach gewissen Grundlinien, die aber nicht als spezifisch christlich abgrenzbar sind. 150 weist er auf die Gefahr der Unterdrückung Andersdenkender durch eindeutige Kriterienfestlegungen hin.

(250) Ebenda 36.

(251) Ebenda 67: „Amtliche Appelle und Verlautbarungen zu den Angelegenheiten der Öffentlichkeit geraten zum Anspruch eines machthungrigen Klerikalismus, wenn ihnen die Basis an den Lebens- und Arbeitsgruppen der jeweiligen Gesellschaft fehlt“.

(252) Ebenda 112: Josuttis bemängelt bei Thurneysen „eine vorschnelle Annäherung von Reich Gottes und Kirche“, durch die „ein distanziertes und kritisches Verhältnis zur aktuellen Kirche“ verhindert wird. Vgl. Anm. 225.

(253) Karl Barth, Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1946. Zit. nach: Karl Barth, Rechtfertigung und Recht. Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1970, 77: „Gibt es in christlicher Sicht eine andere ‚Partei‘ im Staat als eben – die christliche Gemeinde selber mit ihrem allerdings besonderen Sinn und Auftrag dem Ganzen gegenüber?… Wie soll es eine besondere christliche Partei neben anderen geben?“ Der Christengemeinde „muss doch alles daran liegen, dass die Christen sich im politischen Raum… gerade nicht zusammenballen, sich gerade als die zeigen und verhalten, die, indem sie ihren besonderen Weg gehen, nicht gegen irgendwelche, sondern schlechterdings für Alle, für die gemeinsame Sache der ganzen Bürgergemeinde sind“. Hier können ihre „Entscheidungen nicht dadurch, dass sie christlich begründet, sondern allein dadurch, dass sie politisch besser“ sind, wirksam werden. Vgl. weiter Anm. 244 und 112.

(254) Vgl. Anm 224.

(255) Josuttis 242f, These (3.14) und (3.6).

(256) Ebenda 243: Jesus wird „aufgrund einer Koalition zwischen Herrschenden und Beherrschten als politischer Rebell hingerichtet“ (Hervorhebung von mir, H. S.).

(257) Ebenda 242, These (3.21).

(258) Ebenda 159.

(259) Karl Barth, Der Römerbrief. Unveränderter Nachdruck der ersten Auflage von 1919, Zürich 1963, 381. „Das Göttliche darf nicht politisiert und das Menschliche nicht theologisiert werden, auch nicht zugunsten der Demokratie und Sozialdemokratie“.

(260) Josuttis 159.

(261) Karl Barth, Der Römerbrief. Unveränderter Nachdruck der ersten Auflage von 1919, Zürich 1963, 390.

(262) KD I/2 327. „Dieser Satz… soll nicht nur irgendwelche andere mit ihrer Religion, sondern er soll auch und vor allem uns selbst als Angehörige der christlichen Religion treffen. Er formuliert das Urteil der göttlichen Offenbarung über alle Religion“.

(263) Josuttis 239, These (2).

(264) Vgl. Anm. 262.

(265) Josuttis 10.

(266) Ebenda 239, These (2.13) und (2.12).

(267) Ebenda 240, Thesen (2.22) bis (2.25).

(268) Ebenda 187: „Der Gottesdienst als Bestätigungssituation (stellt) eine sinnvolle und notwendige Form der Praxis des Evangeliums“ dar. Vgl, auch Anm. 217, letztes Zitat.

(269) KD I/2 330f: „Um einen ausschließenden Widerspruch geht es hier: in der Religion wehrt und verschließt sich der Mensch gegen die Offenbarung dadurch, dass er sich einen Ersatz, für sie beschafft, dass er sich vorwegnimmt, was ihm in ihr von Gott gegeben werden soll“.

(270) Walter Birnbaum, Theologische Wandlungen von Schleiermacher bis Karl Barth. Eine enzyklopädische Studie zur praktischen Theologie, Tübingen 1963, 193 kritisiert „Wortbedeutungsfestlegungen“ wie die „Einschränkung des Sinns von ‚Religion‘ auf menschliches Transzendieren, statt des Bewusstseins, von Gott in Gehorsam genommen zu sein“.

(271) Josuttis 244, These (4.2).

(272) Ebenda 241, These (2.65).

(273) Ebenda 240, These (2.21).

(274) Ebenda 244f, These (4.9): „Indem der Glaube Gott Gott sein lässt und den Menschen Mensch, hilft er dazu, dass die Politik politisch bleibt und die Religion religiös. In jenem Glauben, der aus der doxologischen Differenz lebt, lernt der Glaube in der politischen Praxis auf religiöse Ziele in der Politik zu verzichten und in der religiösen Praxis politischen Funktionen der Religion kritisch zu unterlaufen“.

(275) Ebenda 201.

(276) Ebenda: „Der Freispruch des Sünders (schließt) auch immer die Verurteilung seiner Sünde ein, die Offenbarung Gottes bedeutet auch immer eine Entlarvung der Götzen, die Heilsverheißung wird begleitet von einer Kritik an der Heilsillusion“. Auf den Seiten 201-206 wird die Ritualkritik vom Evangelium her dargestellt.

(277) Karl Barth, Der Römerbrief. Zehnter Abdruck der neuen Bearbeitung, Zürich 1967 (erstmals München 1922), 36. Vgl. Anm. 50.

(278) Ebenda 80: „Eben in seinem Blut bewährt sich Jesus als der Christus,… als Eröffnung der unmöglichen Möglichkeit unsrer Errettung“, mit der „Erinnerung daran, dass Gott durch Töten lebendig macht“.

(279) Josuttis 201.

(280) Ebenda 127: „Christlicher Glaube… kann dem Ereignis der Erkrankung keinen spezifischen religiösen Sinn unterschieben, er kann die Erkrankung aber auch nicht mit spezifisch religiösen Mitteln beenden… in (der) eindeutigen Ablehnung einer Koalition mit der Krankheit meldet sich die Differenz zwischen dem christlichen Glauben und der Welt der Religion“.

(281) Ebenda 232.

(282) Ebenda 258. Vgl. Anm. 196.

(283) Ebenda 253: „Die funktionale Theorie des kirchlichen Handelns wiederholt theoretisch, aber theorielos das Handeln einer ebenso theorielos funktionierenden Kirche“. „Indem Dahm das ‚Evangelium‘ auf seine Integrationsfunktion reduziert, hat er… keineswegs wenigstens die Hälfte erhalten, sondern das Ganze verloren“. 249: „Einerseits will (Dahm) an Poppers positivistisches Verständnis anknüpfen, auf der anderen Seite betont er, dass heute keiner ‚den Grundimpuls der sogenannten ‚Kritischen Theorie‘… außer Acht lassen‘ könne. Wie er beide sich selbst als kontradiktorisch verstehende Ansätze miteinander vereinigen will, darüber schweigt er.“

(284) Otto, PrTh 23.

(285) Josuttis 257: Im Kontext ist das Zitat umgedreht auf Otto bezogen: „Das ‚gesellschaftsbezogene Kirchenverständnis‘ ist ja nicht eine Ekklesiologie, die ihre politisch-sozialen Implikate bedenkt, sondern eben eine Theorie der Gesellschaft, die neben anderen Formen religiöser Praxis auch die Kirche mit einbezieht“.

(286) Ebenda 258.

(287) Ebenda 245. Siehe Anm. 283.

(288) Z. B. ebenda 77ff (Horkheimer); 83 Anm. 42 (Adorno); 157 Anm. 40 (Habermas).

(289) Otto, PrTh 11.

(290) Josuttis 257. Karl Barth, Die Autorität und Bedeutung der Bibel. In: Karl Barth, Die Schrift und die Kirche, Zollikon-Zürich 1947, 18: „Es mag ihr (sc. der Theologie) gegebenen Falles freistehen, als Theologie abzudanken und sich in Religionswissenschaft zu verwandeln… Es steht ihr aber nicht frei, christliche Theologie zu sein, als solche der Gemeinde Jesu Christi dienen und als solche ein Existenzrecht unter den anderen Wissenschaften in Anspruch nehmen zu wollen, um unterdessen für die Autorität der Schrift… theoretisch und praktisch keine Verwendung zu haben. Theologie ist in dem Maß Theologie (und nicht Pseudotheologie!), als sie sich und der Gemeinde und der Welt über die Autorität der Bibel… Rechenschaft abzulegen und als sie diese Erkenntnis in allen ihren Disziplinen praktisch fruchtbar zu machen weiß. Ist sie dazu nicht in der Lage, dann ist ihr Dienst in der Kirche faktisch längst zu einer Störung und ihre Existenz an der Universität faktisch längst zu einem Schattendasein geworden… Niemand muss gerade Theologe sein…“. Vgl. aber Abschnitt 3.1!

(291) Josuttis 256.

(292) Otto, PrTh 19.

(293) Josuttis 257f.

(294) Die letztere Formel wurde von Gert Otto spontan in einer Seminarsitzung über die praktisch-theologische Konzeption von Manfred Josuttis geprägt, in bewusster Abgrenzung zur Josuttis’schen Formulierung (19.5.1975).

(295) Otto, PrTh 22: Es geht „darum, religiöses Verständnis der Wirklichkeit und religiöses Verhalten in der Wirklichkeit, in diesem Zusammenhang auch christlich-religiöses, darauf hin zu befragen, ob es gemessen sowohl am eigenen Selbstanspruch wie auch am historischen Stand der Auseinandersetzung mit externer und interner Natur adaequat ist“. Es geht „um Wirkung und Bedeutung der Religion in der Gesellschaft, und zwar in kritischer Hinsicht, nicht unreflektiert stabilisierend oder integrierend gegenüber Bestehendem… Interesse an Religion ist… kritisch-projektiv. Die Frage ist offen, ob und wie Religion stimulierend für Lebenspraxis wirken kann“.

(296) Hans-Georg Geyer, Das Recht der Subjektivität im Prozess der Vergesellschaftung. In: Hans-Georg Geyer, Hans-Norbert Janowski, Alfred Schmidt, Theologie und Soziologie, Stuttgart 1970, 47.

(297) Karl Barth, Biblische Fragen, Einsichten und Ausblicke. Vortrag für die Aargauer Studentenkonferenz, April 1920, München 1920. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1925, 92: „Wenn irgendein Wort der Begründung, der Beglaubigung, der Erfahrung durch die entsprechende sittliche, sozial, politische Tat bedarf, so ist es das biblische Wort vom Tode, der verschlungen ist in den Sieg. Wissen wir auch nur ein wenig, wie problematisch seine Begründung, Beglaubigung und Erfahrung durch unsre Taten ist, dann müssen wir uns doch klar sein darüber, dass wir dieses Wort nur in höchster Beschämung, Verwirrung und Zurückhaltung auf die Lippen nehmen können. Denn als Tat zählt in diesem Fall nur das, was aufgrund jener außer Betracht fallenden Möglichkeit: Sieh ich mache alles neu! getan wird. Den Gegenstand der Bibel, die Osterbotschaft, wirklich nennen, würde heißen, ihn geben, ihn haben, ihn zeigen. Die Osterbotschaft wird Wahrheit, ist Bewegung und Wesen, indem sie ausgesprochen wird, oder es ist eben nicht die Osterbotschaft, die da ausgesprochen wird“. In KD IV/2 571f hat Barth diese Einsicht im untrennbaren Zusammenhang von Rechtfertigung und Heiligung dogmatisch festgehalten: „Was hieße Sündenvergebung, wenn ihr nicht… eine faktische Befreiung vom Tun der Sünde unmittelbar zur Seite ginge?… Hoffnung auf des ewigen Gottes universale und endgültige Offenbarung ohne Streben nach vorläufigen aber konkreten Nahzielen? Glaube ohne Gehorsam?“ Dieter Schellong, Karl Barth als Theologe der Neuzeit. In: Karl Gerhard Steck, Trutz Rendtorff (Hg.), Karl Barth und die Neuzeit, München 1973, 91: „Weil die Gotteswirklichkeit keine abseitige und keine leblose Wirklichkeit ist, kann ihr Bewahrheitung durch weltliches Tun nicht unterbleiben. Das dogmatische System Barths ist also nicht nur zur Praxis hin offen, sondern es wird erst durch Praxis wahr. In sich ist es nicht wahr. Es will ja auf Wirklichkeit zeigen und von Wirklichkeit reden. Ob es darin wahr ist, kann sich nur an der Wirklichkeit, von der es redet, erweisen – und d. h, bis zur endgültigen Wiederkehr Christi: durch menschliches Tun, durch die Praxis derer, die mit der neuartigen Weltwirklichkeit Gottes rechnen“.

(298) Gert Otto, Vernunft, Stuttgart 1970, 40; vgl. Anm. 3. In der zweiten Auflage des Praktisch Theologischen Handbuchs ist übrigens die Chiffre „Evangelium“ zur „zur Debatte stehende(n) ‚Sache‘“ verblasst (Otto, PrTh 14); vgl. dazu auch Anm. 305.

(299) Vgl. Anm. 113, 231 und 122.

(300) Josuttis 258: „Praktische Theologie ist, wenn sie Theologie bleiben will, am biblischen Evangelium orientierte kritische Theorie der kirchlichen Praxis… Wenn sie darauf besteht, dass das biblische Evangelium ihr eigentlicher Gegenstand ist, dann auch deswegen, um ihre kritische Potenz gegenüber Kirche und Gesellschaft zu erhalten“.

(301) Ebenda 263.

(302) Ebenda 158f: „Der Gottesdienst der christlichen Gemeinde (ist) auch etwas mehr und etwas anderes… als Ort politischer Reflexion und Disputation. Dieses Mehr möchte ich im Gefolge der kerygmatischen Theologie als Verkündigung des Evangeliums bezeichnen… Nicht die liturgische Feierlichkeit als solche, sondern das wahre Wort als Auslegung der heiligen Schrift qualifiziert den christlichen Gottesdienst zu dem, was er sein soll“.

(303) Siehe Anm. 302.

(304) KD I/1 106f: „Apostolische Sukzession der Kirche muss heißen: … dass sie eintritt in die Nachfolge der Propheten und Apostel in ihrem Amt der Verkündigung und das so, dass deren Verkündigung frei und selbständig vorangeht, die Verkündigung der Kirche aber auf sie bezogen ist, im Blick auf sie hin im Gehorsam gewagt wird, an ihr gemessen ist, sie also nur ersetzt, indem und insofern sie ihr gemäß ist, – dass sie ihr freie Macht über sich selbst immer wieder zugesteht. Alles kommt gerade für den Begriff einer lebendigen Sukzession darauf an, dass der antecessor als noch lebendig und dem successor gegenüber im Besitz freier Macht gedacht wird. Dies kann aber, wenn der antecessor, wie es hier der Fall ist, ein längst Verstorbener ist, nur dann der Fall sein, wenn seine Verkündigung schriftlich fixiert ist und wenn anerkannt wird, dass er eben in diesem seinem geschriebenen Wort heute noch Leben und freie Macht über die Kirche hat. Gerade an der Schriftlichkeit des Kanons… hängt seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit und also seine freie Macht gegenüber der Kirche“.

(305) Den Begriff der „Leerformel“ verwendet Gerd Petzke, Exegese und Praxis. Die Funktion der Exegese in einer christlichen oder nachchristlichen Gesellschaft. In: Theologia Practica X (1975), 9 für eine Größe, die bei vielen Exegeten der Gegenwart an die Stelle der „unter dem Druck der Ergebnisse historischer Wissenschaft“ preisgegebenen „Autorität der Bibel“ gesetzt wird und „die Funktion (übernimmt), die vorher die Autorität der Bibel innehatte: Eine Berufung auf diese Größe ersetzt oder verbietet sogar eine wissenschaftlich geführte Argumentation“. Als Beispiele für solche Leerformeln führt er u. a. an: „Wort Gottes…, das Evangelium…, oder rein formal und damit am verräterischsten: ‚die‘ Sache, das ‚eigentlich‘ Gemeinte… Man wird unter diese Kategorie der Leerformel alle Versuche zu subsumieren haben, die formal die Identität der christlichen Tradition bestimmen sollen, um dann autoritativ oder normativ angewandt werden zu können“.

(306) Karl Barth, Biblische Fragen, Einsichten und Ausblicke. Vortrag für die Aargauer Studentenkonferenz, April 1920, München 1920. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1925, 76; 85: „Die biblische Linie (siehe Abschnitt 5.2, besonders Anm. 322, H. S.) ist ja nicht identisch mit dem Bibelbuch. Sie liegt in der Bibel selbst ungeschützt mitten in der allgemeinen Religionsgeschichte und kaum ein Punkt, wo sie nicht von andern, fremdartigen Linien geschnitten würde“. Auch Josuttis verweist auf „die Vielfalt der neutestamentliehen Konzeptionen… (und) ihre auf Geschichtlichkeit beruhende Differenziertheit“ (260).

(307) Karl Barth, Der Römerbrief. Zehnter Abdruck der neuen Bearbeitung, Zürich 1967 (erstmals München 1922), X.

(308) Ebenda: „Exakte Wissenschaft… müsste sich genau genommen auf die Entzifferung der Handschriften und auf die Aufstellung einer Konkordanz dazu beschränken. Aber die Historiker wollen sich mit Recht nicht darauf beschränken; vielmehr“ wollen sie versuchen, dazu vorzudringen, die Texte „zu verstehen, d. h. aufzudecken, wie das, was dasteht, nicht nur griechisch oder deutsch irgendwie nachgesprochen, sondern nach-gedacht werden, wie es etwa gemeint sein könnte“. XXI: „Ich halte es für ausgeschlossen, dass man irgend einem Schriftsteller gerecht werden, irgend einen Schriftsteller wirklich wieder zum Reden bringen kann, wenn man jene Hypothese nicht wagt, jenes Treueverhältnis zu ihm nicht eingeht“. XXII: „Die unvermeidliche Kritik des Buchstabens durch den Geist (sc. der jeweiligen Schrift) fällt damit durchaus nicht dahin. Im Gegenteil gerade unter der Vorraussetzung jenes Treueverhältnisses zum Texte ergibt sich von selbst die Notwendigkeit, die im einzelnen Textwort gezogenen Linien stillschweigend oder ausdrücklich zu verlängern oder zu verkürzen, wo ein Stehenbleiben beim Wortlaut ein offenbares Unterdrücken dessen, was zu Worte kommen möchte und muss, bedeuten würde“.

(309) Ebenda XII: „Kritischer müssten mir die Historisch-Kritischen sein!“

(310) Karl Barth, Credo. Die Hauptprobleme der Dogmatik, dargestellt im Anschluss an das Apostolische Glaubensbekenntnis, Zollikon-Zürich 1946, 153: „Eine sogenannte voraussetzungslose Exegese… gibt es nicht. Die angebliche ‚Voraussetzungslosigkeit‘, deren sich eine gewisse Gnosis zu rühmen pflegt, bedeutet ja nur dies, dass hier eben eine andere Voraussetzung gemacht wird, die konkret bedeutet, dass hier mit Gottes Offenbarung nicht zu rechnen sei, sondern dass man dem, auf was diese Schrift hinweist, neutral gegenüberstehen könne, wie dies anderen Dingen gegenüber möglich ist“.

(311) KD I/1 108.

(312) Karl Barth, Der Römerbrief. Zehnter Abdruck der neuen Bearbeitung, Zürich 1967 (erstmals München 1922), XIV: „Setze ich nun vorläufig voraus, Paulus habe im Römerbrief wirklich von Jesus Christus geredet und nicht von irgend etwas anderem, so ist das zunächst eine Annahme so gut oder so schlecht wie irgend eine von den vorläufigen Annahmen der Historiker. Die Auslegung allein kann darüber entscheiden, ob und wie weit es mir gelingt, meine Annahme durchzuführen“.

(313) Ebenda XII.

(314) Ebenda.

(315) Ebenda XVI: „Es (geht) mir jetzt wie vor drei Jahren mehr um das wirkliche als um das sog. ganze Evangelium…, weil ich keinen Weg zum ganzen Evangelium sehe als den über das Erfassen des wirklichen, das sich noch keinem von allen Seiten zugleich gezeigt hat. Das übliche arbeitslose Reden und Schreiben vom ganzen Evangelium, das Glaube, Liebe und Hoffnung, Himmel, Erde und Hölle in schöner Proportion gleichmäßig umfasst, halte ich für wenig erbaulich“.

(316) Nach Friedrich-Wilhelm Marquardt, Theologie und Sozialismus. Das Beispiel Karl Barths, München 2. Auflage 1972, 106 kann bei Barth „jede unter den Bedingungen ihrer Zeit zusammenbrechende Exegese… nur durch neue zeitbedingte Exegese ersetzt, sie kann niemals als solche überwunden werden“. 314ff bringt er Argumente bei für die Behauptung, dass „Barths Geschichtsbegriff… historisch-materialistisch akzentuiert“ ist (315). 317: „Die so oft vermisste Geschichtlichkeit der Barthschen Theologie ist in ihrer Gesellschaftlichkeit zu suchen. Sie ist präsent in den Kategorien des historischen Materialismus“. Indizien für die Richtigkeit dieser These sind z. B. Barths Darstellung des historischen Materialismus selbst (vgl. Anm. 2); die Tatsache, dass er drei verschiedene Römerbriefexegesen zu verschiedenen Zeiten zu schreiben für notwendig befand (zu einzelnen Stellen noch weitere); oder ein Zitat wie das folgende: Karl Barth, Der Römerbrief. Zehnter Abdruck der neuen Bearbeitung, Zürich 1967 (erstmals München 1922), 263: „Warum soll dazu (zur Erklärung des Bewusstseins Jesu über sich selbst und von Gott, H. S.) nicht jüdische Eschatologie den Schlüssel bieten, warum nicht Psychoanalyse, warum nicht historischer Materialismus?“

(317) Josuttis 201.

(318) Ebenda 259f: Um die Frage zu beantworten „Beruft sich die empirische Kirche in ihrer aktuellen institutionellen Gestalt zu Recht auf das biblische Christentum?“, reichen „exegetische Einsichten“ und „dogmatische Aussagen als solche“ nicht aus, sondern es muss empirisch-kritisch geklärt werden, welche „offizielle Selbstdefinition“ welcher „faktischen Selbstdarstellung“ und welchem „Image“ der aktuellen Kirche gegenübersteht.

(319) Karl Barth, Credo. Die Hauptprobleme der Dogmatik, dargestellt im Anschluss an das Apostolische Glaubensbekenntnis, Zollikon-Zürich 1946, 154.

(320) Ebenda 153. Karl Barth, Der Römerbrief. Zehnter Abdruck der neuen Bearbeitung, Zürich 1967 (erstmals München 1922), XVI: „Genau genommen dürfte der ganze ‚Biblizismus‘, den man mir nachweisen kann, darin bestehen, dass ich das Vorurteil habe, die Bibel sei ein gutes Buch und es lohne sich, wenn man ihre Gedanken mindestens ebenso ernst nimmt, wie seine eigenen“.

(321) Karl Barth, Die Autorität und Bedeutung der Bibel. In: Karl Barth, Die Schrift und die Kirche, Zollikon-Zürich 1947, 3f: „Alle gehaltvollen… Sätze über die Autorität und Bedeutung der Bibel (bezeichnen) einen Sachverhalt, über dessen Bestand es keine Diskussion geben kann, weil er, als in sich selbst begründet, auch für sich selbst spricht und also nur wiederholend und bestätigend erläutert werden kann. Dieser Sachverhalt besteht darin, dass die Bibel in der Gemeinde Jesu Christi eine bestimmte Autorität und Bedeutung hat… (Ich kann) den Kreis der Wahrheit, in welchem wir uns hier allein bewegen dürfen, weder von innen noch von außen… öffnen“.

(322) Karl Barth, Biblische Fragen, Einsichten und Ausblicke. Vortrag für die Aargauer Studentenkonferenz, April 1920, München 1920. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1925, 84: „Die Bibel hat… nur ein theologisches Interesse und das ist rein sachlich: das Interesse an Gott selbst“. 76: „Wir stoßen in der Bibel mit den Historikern und Psychologen zunächst auf die Tatsache, dass es offenbar einmal Menschen mit einer ganz außerordentlichen geistigen Haltung und Blickrichtung gegeben hat“. 78: „Immer dasselbe… ebenso unbegreifliche wie unleugbare epidemische Stillgestelltsein und Umgekehrtwerden der Menschen“. 79: „Wir denken an Johannes den Täufer auf Grünewalds Kreuzigungsbild mit seiner in fast unmöglicher Weise zeigenden Hand. Diese Hand ist’s, die in der Bibel dokumentiert ist“. 81: „Ich sehe hierin das entscheidende Merkmal der Bibel gegenüber der Religionsgeschichte – zu der selbstverständlich vor allem auch die christliche Kirchengeschichte gehört -, dass in der Bibel eine ganz auffallende Linie von Treue, von Beharrlichkeit, von Geduld, von Warten, von Sachlichkeit der unfassbaren, unpsychologischen, unhistorischen Wahrheit Gottes gegenüber sichtbar wird“. 84: „Das ist’s, was ich die Jenseitigkeit, die Ungeschichtlichkeit, die Weltlichkeit der biblischen Linie nennen möchte“.

(323) Karl Barth, Der Römerbrief. Zehnter Abdruck der neuen Bearbeitung, Zürich 1967 (erstmals München 1922), XII. Nach Gerd Petzke, Exegese und Praxis. Die Funktion der Exegese in einer christlichen oder nachchristlichen Gesellschaft. In: Theologia Practica X (1975), 9 arbeitet Barth hier auch „ganz deutlich mit einer Leerformel – ‚die‘ Sache“; dazu ist jedoch einerseits zu bemerken, dass Barth ja eine Leerformel gar nicht nötig hat, um sich auf eine Autorität berufen zu können – für ihn gilt ja, im Sinne von Petzke: horribile dictu!, nach wie vor die Autorität der Schrift (vgl. Anm. 321) -, andererseits, dass Barth die Formel von der „Sache“ in seinem Buch ja inhaltlich füllt und nicht jedes gelegentliche Ausweichen auf ein solches Kürzel als Ersatz oder Verbot wissenschaftlicher Argumentation angesehen werden muss (vgl. Anm. 305 und 298).

(324) Karl Barth, Die Autorität und Bedeutung der Bibel. In: Karl Barth, Die Schrift und die Kirche, Zollikon-Zürich 1947, 10.

(325) Siehe Anm. 321.

(326) Dies ist etwa an einer Formulierung wie „biblisches Evangelium“ abzulesen, vgl. Anm. 300.

(327) Josuttis 253.

(328) Ebenda.

(329) KD I/1 2: „Kirche bringt Theologie… hervor, indem sie sich einer Selbstprüfung unterzieht“.

(330) Karl Barth, Die Kirche – die lebendige Gemeinde des lebendigen Herrn Jesus Christus. In: Karl Barth, Die Schrift und die Kirche, Zollikon-Zürich 1947, 21: „Die Wirklichkeit, an die wir beim Gebrauch des Wortes ‚Kirche‘ denken, ist die lebendige Gemeinde des lebendigen Herrn Jesus Christus“. 33: Aber es gibt „unter dem Namen der Kirche viel tote, viel Scheinkirche“, und zwar da, wo das „Ereignis des göttlichen Wortes und der menschlichen Antwort“ ins Stocken gerät.

(331) KD IV/2 700.

(332) Josuttis 235: In der biblischen Tradition „sind eingeschlossen Religions- wie Gesellschaftskritik, aber nicht im Rahmen eines ‚Allgemeinen‘ und deshalb ‚alle Menschen Angehenden‘, sondern vom Zentrum eines Besonderen her, das dennoch alle Menschen anzugehen beansprucht“; 263.

(333) Ebenda 258.

(334) So in der dritten der drei ekklesiologischen Leitthesen in der Barthschen Versöhnungslehre: KD IV/1 718, IV/2 695, IV/3 780. Josuttis 163: „Die Bedeutung des Gottesdienstes (beschränkt sich) nicht auf die Kirchengemeinde. Im Gottesdienst der zwischen Gott und Welt unterscheidet, kommt die Schöpfung zu sich selbst, indem sie den Schöpfer lobt“. Vgl. Anm. 132.

(335) Karl Barth, Die Kirche – die lebendige Gemeinde des lebendigen Herrn Jesus Christus. In: Karl Barth, Die Schrift und die Kirche, Zollikon-Zürich 1947, 26: „Es geht um die Vollstreckung ihrer (sc. der Kirche) Mission dieser Welt gegenüber. Es geht darum, dass sie ihre Türen und Fenster weit öffnet, um – nicht an dem Schwindel und vor allem auch nicht an den religiösen und moralischen Illusionen ihrer Umgebung, wohl aber an deren echten Sorgen, Nöten und Aufgaben aufrichtig teilzunehmen, um ihrer Geschäftigkeit wie ihrem Müßiggang gegenüber ein ruhiges Zentrum echter Einkehr und Besinnung darzustellen, um aber auch in ihrer Mitte der Herd prophetischer Unruhe, Warnung und Anregung zu sein, ohne die jene nicht einmal als vergehende Welt Bestand haben könnte – und vor allem um mit ihrer Botschaft vom Reiche Gottes den hellen, aber strengen Horizont aller menschlichen Bewegungen und Bestrebungen, Fortschritte und Rückschläge, Aufstiege und Niedergänge sichtbar zu machen“.

(336) Josuttis 116.

(337) Ebenda 259.

(338) Ebenda 262f: „Wer meint, der Gesellschaft etwas Wahres und Wertvolles sagen zu können, der muss seine individualistische Isolation aufbrechen und mit Hilfe einer Gruppe versuchen, die Informationskanäle der Öffentlichkeit mit seiner Nachricht zu infiltrieren. Um aber im öffentlichen Gespräch zu bleiben, braucht man die institutionelle Basis… Ich nehme… die Kirche beim Wort ihrer Ordnungen, Präambeln und Bekenntnisschriften und gehe vorläufig davon aus, dass sie über sich selbst und ihre Aufgaben in der Gesellschaft anhand der biblischen Tradition zu lernen willig und fähig ist… Gewiss ist die Aufgabe, als einzelner mit einer Gruppe von Freunden gegen die Last einer auch fragwürdigen Tradition, gegen die Schwerfälligkeit eines bürokratischen Apparats und vor allem gegen die Vorurteilsklischees eines negativen Images anzugehen, nicht leicht. Aber wahrscheinlich sind die Chancen zur Praxis des Evangeliums trotz aller Schwierigkeiten in diesem Bereich noch größer, als wenn man sein Ziel als Einzelkämpfe oder in einer Kaderkirche zu erreichen versucht“.

(339) Karl Barth, Die Kirche – die lebendige Gemeinde des lebendigen Herrn Jesus Christus. In: Karl Barth, Die Schrift und die Kirche, Zollikon-Zürich 1947, 44.

(340) Siehe Anm. 338.

(341) Josuttis 235.

(342) Karl Barth, Die Kirche – die lebendige Gemeinde des lebendigen Herrn Jesus Christus. In: Karl Barth, Die Schrift und die Kirche, Zollikon-Zürich 1947, 42: „Gegen die papale, aber auch gegen die episkopalen und presbyterial-synodalen Verfassungen (sc. der Kirche) ist grundsätzlich das einzuwenden, dass sie der Bereitschaft, der Offenheit, der Freiheit der Gemeinde für das Wort Gottes und also der Reformation der Kirche nicht nur nicht dienlich, sondern hinderlich sind“.

(343) Siehe Anm. 300 und 338, 246 und 248.

(344) Karl Barth, Die Kirche – die lebendige Gemeinde des lebendigen Herrn Jesus Christus. In: Karl Barth, Die Schrift und die Kirche, Zollikon-Zürich 1947, 41.

(345) Otto PrTh 25. Beispiele solcher Reflexion können schon gesehen werden im Tambacher Vortrag Barths vor den Religiösen Sozialisten (Karl Barth, Der Christ in der Gesellschaft (1919), zuerst: Eine Tambacher Rede, mit einem Geleitwort von Hans Ehrenberg, Würzburg 1920. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1925) oder in der Schrift anlässlich der bundesdeutschen Remilitarisierungsdebatte (Karl Barth, Politische Entscheidung in der Einheit des Glaubens, München 1952). Karl Barth, Die Kirche – die lebendige Gemeinde des lebendigen Herrn Jesus Christus. In: Karl Barth, Die Schrift und die Kirche, Zollikon-Zürich 1947, 44 erwähnt übrigens auch „die sog. ‚jungen Kirchen‘“, von denen bezüglich der Kirchenverfassung zu lernen wäre. Vgl. auch Helmut Gollwitzer, Hic et nunc. In: EvTh 35 (1975), siehe Anm. 2 dieser Arbeit.

(346) Nach Otto, PrTh 26 kann, wo „Kirche der (Praktischen) Theologie normativ vorgeordnet“ ist, „die Weite und Offenheit…, die der Ansatz bei Religion ermöglicht, …so gar nicht erreichbar werden“. 27: Ein kirchlicher Ansatz Praktischer Theologie steht in der Gefahr „‚ein(es) extreme(n) kirchliche(n) Konventionalismus‘ (Pannenberg)“.

(347) Siehe Anm. 302. Josuttis 162f: „Eine Gruppe von Menschen versichert sich dadurch, dass sie zusammenkommt, ihres Bestandes, ihres Grundes, ihrer gemeinsamen Ziele. Die christliche Gemeinde wäre nicht Gemeinschaft von Menschen, wenn sie auf die Konkretisierung ihrer Identität in der Zusammenkunft dieser Gemeinschaft verzichten könnte… Es ist für das Bewusstsein aller Gemeindeglieder, auch derer am Rande, wichtig, dass es unter den vielfältigen Gemeindeveranstaltungen jenen Ort gibt, in dem die Gemeinde ihrem Selbstverständnis nach sich als Gemeinde konstituiert… Die christliche Gemeinde findet im Gottesdienst darin ihre Identität, dass sie sich anhand der Bibel auf den Grund und das Ziel ihrer Existenz besinnt“.

(348) Karl Barth, Die Kirche – die lebendige Gemeinde des lebendigen Herrn Jesus Christus. In: Karl Barth, Die Schrift und die Kirche, Zollikon-Zürich 1947, 24; Karl Barth, Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1946. Zit. nach: Karl Barth, Rechtfertigung und Recht. Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1970, 78.

(349) KD I/ l 56.

(350) Siehe Anm. 187.

(351) Karl Barth, Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1946. Zit. nach: Karl Barth, Rechtfertigung und Recht. Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1970, 78f: Das „Evangelium… ist von Haus aus politisch, und wenn es in Predigt, Unterricht und Seelsorge in rechter Auslegung der heiligen Schrift und in rechter Anrede an den wirklichen (christlichen und nicht-christlichen) Menschen verkündigt wird, notwendig prophetisch-politisch… Für die heilsame christliche-politische Beunruhigung des weiteren Bereichs der Bürgergemeinde wird dann (sc. bei der Verkündigung des „ganze(n) Evangelium(s)“ im eigenen Bereich der Christengemeinde) sicher reichlich gesorgt sein“.

(352) KD I/1 50, 49, 50, 51.

(353) Vgl. Abschnitt 3.3.2.

(354) Matthäus 25, 14-30.

(355) Josuttis 11, 36, 35.

(356) Ebenda 258: „Deutlich dürfte… sein, dass Praktische Theologie weder reine Erfahrungswissenschaft im Blick auf die empirische Kirche noch reine Anwendungswissenschaft von einem dogmatischen Kirchenbegriff her auf die empirische Kirchenwirklichkeit hin sein kann. Praktische Theologie kann ihren Kirchenbegriff nicht ohne Reflexion über das Verhältnis von Theorie und Praxis bestimmen!“; 11.

(357) Karl Barth, Die Kirche – die lebendige Gemeinde des lebendigen Herrn Jesus Christus. In: Karl Barth, Die Schrift und die Kirche, Zollikon-Zürich 1947, 38.

(358) Josuttis 11.

(359) Ebenda 187, 162.

(360) Ebenda 64.

(361) Yorick Spiegel, In einem weiten Kontext (Rezension von M. Josuttis, Praxis des Evangeliums zwischen Politik und Religion). In: EvKomm 7 (1974), 765.

(362) Vgl. u. a. Abschnitt 3.3.2 und 4.2.1.1.

(363) Gegen die „Voraussetzung…, im Gottesdienst sei auf jeden Fall etwas zu lernen“, setzt Josuttis 161 die These: „Der Gottesdienst hat seinen Sinn auch in sich selbst“. Siehe Anm. 347. 185: „Die Identitätskrise, die jedes Lernen bewirkt, muss aufgefangen werden durch stabilisierende Kommunikation“. 187: Ohnehin gilt, „dass im Gottesdienst mit seiner heutigen kommunikativen Struktur gar nichts oder nur sehr wenig gelernt werden kann“.

(364) Ebenda 163; vgl. Anm. 347.

(365) Yorick Spiegel, In einem weiten Kontext (Rezension von M. Josuttis, Praxis des Evangeliums zwischen Politik und Religion). In: EvKomm 7 (1974), 766.

(366) Z. B. „die gesellschaftliche Illusion von der Natürlichkeit jedes menschlichen Sterbens“ (Josuttis 204), ebenso wie die individuelle Trauer, die in der „seelsorgerlichen Beratung“ (ebenda) aufgearbeitet werden kann.

(367) Vgl. Abschnitt 3.1, zweiter Absatz.

(368) So nach Josuttis 225.

(369) Vgl. Abschnitt 3.1, zweiter Absatz, und Abschnitt 6.2, letzter Absatz.

(370) Vgl. Anm. 21.

(371) Josuttis 151ff: „6.3 Zur Konfliktregelung…“.

(372) Z. B. erwähnt Josuttis 156 „als bekanntes Zerrbild einer christlichen Konfliktlösung… das sogenannte seelsorgerliche Gespräch zwischen dem Leiter einer Kirchenbehörde und einem Vikar, das weder seelsorgerlich ist noch ein Gespräch, weil beide Partner auch nicht einmal scheinbar auf gleicher Ebene miteinander reden“. 150: „Kriterien… können immer nur einem einzelnen oder seiner Anhängerschar dazu dienen, die eigene Position in der umstrittenen Angelegenheit zu fixieren… Das private Vergnügen, Kriterien zu finden und zu besitzen, wird dann gefährlich, wenn es sich mit politischer oder bürokratischer Macht verbindet“. 179f: Im Gottesdienst lässt die agendenmäßig „klar definierte und eindeutig fixierte Rollenverteilung keine Konfliktsituationen aufkommen… (obwohl) die Meinungs- und Rivalitätskonflikte… eher gesteigert als beseitigt (werden), weil sie nicht ausagiert und nicht gelöst werden können“.

(373) Ebenda 154.

(374) Ebenda 257.

(375) Ebenda 156, 155, 157.

(376) Ebenda 154.

(377) Siegfried Rupnow, Zur Frage der Gewaltlosigkeit im Dialog zwischen Christen und Sozialisten, Vorabdruck aus: Junge Kirche 37 (1976), 7. Vgl. dazu Karl Barth, Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1946. Zit. nach: Karl Barth, Rechtfertigung und Recht. Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1970, 59: Obwohl die Gemeinde „Vieles verstehen und Alles erleiden kann, hat ihr Handeln doch „eine ganz bestimmte Richtung“.

Literaturverzeichnis

In den Anmerkungen zitiere ich die Literatur mit Titel und Seitenangabe (ohne S.) – mit drei Ausnahmen:

Nur mit „Josuttis“ greife ich auf das meist zitierte Buch von Manfred Josuttis zurück: Praxis des Evangeliums zwischen Politik und Religion. Grundprobleme der Praktischen Theologie, München 1974.

Auf die Kirchliche Dogmatik von Karl Barth nehme ich mit dem Kürzel „KD“ und der Nummer des jeweiligen Bandes Bezug.

Mit „PrTh“ zitiere ich Gert Otto, Praktische Theologie als kritische Theorie religiös vermittelter Praxis in der Gesellschaft. Zur Einleitung und Standortbestimmung. In: Gert Otto (Hg.), Praktisch Theologisches Handbuch, Hamburg 2. Auflage 1975.

A. Schriften von Manfred Josuttis:

Manfred Josuttis, Praxis des Evangeliums zwischen Politik und Religion. Grundprobleme der Praktischen Theologie, München 1974.

Manfred Josuttis, Die Gegenständlichkeit der Offenbarung. Karl Barths Anselm-Buch und die Denkform seiner Theologie, Bonn 1965.

Manfred Josuttis, Gesetzlichkeit in der Predigt der Gegenwart, München 1966.

B. Schriften von Karl Barth:

Karl Barth, Die Kirchliche Dogmatik, Zollikon-Zürich 1932-1967 (Abk. KD), Bände I/1 – II/2, III/2, III/4, IV/1 – IV/3.

Karl Barth, Die Aktualität der christlichen Botschaft. In: Karl Barth, Humanismus, Zollikon-Zürich 1950, 3-12.

Karl Barth, Die Autorität und Bedeutung der Bibel. In: Karl Barth, Die Schrift und die Kirche, Zollikon-Zürich 1947, 3-20.

Karl Barth, Biblische Fragen, Einsichten und Ausblicke. Vortrag für die Aargauer Studentenkonferenz, April 1920, München 1920. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1925, 70-98.

Karl Barth, Der Christ in der Gesellschaft (1919), zuerst: Eine Tambacher Rede, mit einem Geleitwort von Hans Ehrenberg, Würzburg 1920. Zit. nach: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1925, 33-69.

Karl Barth, Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1946. Zit. nach: Karl Barth, Rechtfertigung und Recht. Christengemeinde und Bürgergemeinde, Zürich 1970, 49-82.

Karl Barth, Christus und Adam nach Röm 5. Ein Beitrag zur Frage nach dem Menschen und der Menschheit, Zollikon-Zürich 1952.

Karl Barth, Credo. Die Hauptprobleme der Dogmatik, dargestellt im Anschluss an das Apostolische Glaubensbekenntnis, Zollikon-Zürich 1946.

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Karl Barth, Fides quaerens intellectum. Anselms Beweis der Existenz Gottes im Zusammenhang seines theologischen Programms, Zollikon 1958.

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Richard Riess, Seelsorge. Orientierung, Analysen, Alternativen, Göttingen 1973.

Siegfried Rupnow, Zur Frage der Gewaltlosigkeit im Dialog zwischen Christen und Sozialisten, Vorabdruck aus: Junge Kirche 37 (1976), Heft 6.

Dieter Schellong, Karl Barth als Theologe der Neuzeit. In: Karl Gerhard Steck, Trutz Rendtorff (Hg.), Karl Barth und die Neuzeit, München 1973.

Hans-Jürgen Schmutzler (Übersetzer), Erster lateinamerikanischer Kongress „Christen für Sozialismus“ (23.-30.4.72 in Santiago, Chile), Schlussdokument (nach einem von IDOC – International Documentation Center, Cuernavaca, Mexico – publizierten Text. In: ThP VIII (1973), 59-67.

Yorick Spiegel, In einem weiten Kontext (Rezension von M. Josuttis, Praxis des Evangeliums zwischen Politik und Religion). In: EvKomm 7 (1974), 765f.

Ton Veerkamp, Peter Winzeler, Was verstehen wir unter „Gemeinde Jesu Christi“? Entwurf zu einem verbindlichen Kommentar zur Präambel zur Satzung der Evangelischen Studentengemeinden in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West). In: ESG/KSG Göttingen, Alternatives Christsein, Dokumente, Materialien, Diskussionsbeiträge, Heft 6, Göttingen 1975, 14-19.

Bastiaan Wielenga, Lenins Weg zur Revolution. Eine Konfrontation mit Sergej Bulgakov und Peter Struve im Interesse einer theologischen Besinnung, München 1971.

Brief an Prof. Dr. Manfred Josuttis

Bochum-Weitmar, am 14. Juni 1976

Lieber Herr Josuttis!

In letzten Jahr auf der Siegener Tagung der Westfälischen Theologiestudenten sprach ich Sie wegen einer geplanten Seminararbeit über Ihr „Praxis“-Buch und sein Verhältnis zur Barthschen Theologie an, und Sie baten mich, Ihnen die Arbeit nach Fertigstellung zuzuschicken.

Ich möchte nun, etwas später als geplant, mein Versprechen einlösen. Im Wintersemester kam ich zunächst nicht dazu, an der Arbeit weiterzuschreiben; dafür lernte ich bei Prof. Oswald Bayer und einigen Assistenten in Bochum noch etwas über Karl Barth hinzu, und ich beschloss, das Thema als Examensarbeits-Thema zu wählen, eine Möglichkeit, die mir Herr Otto (bei dem ich die Seminararbeit hatte schreiben wollen und der jetzt Erstkorrektor meiner Arbeit ist) schon im letzten Jahr nahegelegt hatte. Heute reiche ich nun die fertige Arbeit beim Prüfungsamt der EKHN ein und schicke Ihnen gleichzeitig einen Durchschlag.

Mir hat die Arbeit neben manchen Mühen auch viel Spaß gemacht; ich habe eine Menge dabei gelernt – sehe mich allerdings in manchem auch erst ganz am Anfang der Erkenntnis (vor allem, weil ich ja selbst noch gar nicht weiß, was kontinuierliche Gemeindepraxis bedeutet). Für ein Feedback von Ihnen wäre ich dankbar, ob ich Sie richtig interpretiert habe, ob Sie Ihr Verhältnis zu Barth ähnlich sehen würden, schließlich auch, was Sie zu den Linien sagen, die ich versucht habe, auszuziehen (beim Religionsunterricht z. B.). Ich könnte allerdings verstehen, dass Sie dazu vielleicht zu wenig Zeit haben.

Im „Fluchblatt“ der Rheinischen Theologiestudenten fand ich kürzlich die Nachricht, dass Sie sich in einem Gutachten für die Möglichkeit der konfessionsverschiedenen Pfarrerehe eingesetzt haben. Als Betroffener, der eben deswegen aus Westfalen nach Hessen-Nassau auswandert, danke ich für Ihre Solidarität!

Ein alter CPT-Genosse aus Bethel … sagte mir übrigens, dass Sie doch viel stärker von Tillich als von Barth beeinflusst seien; wodurch ich mich aber nicht beirren ließ: man kann schließlich den Barthschen Grundansatz übernehmen und trotzdem von Tillich lernen…!

Sei‘s drum! Mit den besten Wünschen und Grüßen
Ihr Helmut Schütz

Brief von Prof. Dr. Manfred Josuttis

Bovenden, am 12. August 1976

Lieber Herr Schütz,

endlich bin ich dazu gekommen, Ihre Examensarbeit, in der Sie sich auch mit meinen theologischen Versuchen beschäftigen, genauer durchzulesen.

Nach der Lektüre der Arbeit möchte ich mich für Ihre faire und verständnisvolle Interpretation herzlich bedanken. Eigentlich nur an einer einzigen Stelle habe ich mich etwas missverstanden gefühlt, und zwar wenn Sie in Abschnitt 4.2.1 mein Verständnis von Politik charakterisieren. Ich meine nicht, dass die dort zitierten Definitionen sich nur auf eine bestimmte Art von Politik beziehen lassen; auch ein konservativer Ansatz wird ja „die Antagonismen der gegenwärtigen Gesellschaft zu überwinden“ bestrebt sein, wenn auch auf seine spezifische Art und Weise. Aber das ist auch nur eine Randbemerkung, die die verdienstvolle Leistung insgesamt in keiner Weise schmälern kann. Inzwischen, vor allem durch ein Seminar im letzten Wintersemester, habe ich mich vom Ansatz der dialektischen Theologie etwas gelöst; aber es wird sicher noch etwas dauern, bis das literarisch greifbar sein wird. Einstweilen möchte ich Ihnen als Zeichen meines Dankes den Sonderdruck eines gerade erschienenen Aufsatzes neben einigen kleineren Sachen zuschicken.

Mit guten Wünschen für ihr Examen und die dann beginnende Praxis grüßt Sie herzlich
Ihr Manfred Josuttis

Gutachten von Prof. Dr. Gert Otto

Eine wissenschaftliche Hausarbeit, die im Zusammenhang mit einem Theologischen Examen verfasst wird, bekommt als wichtigstes Feedback die Beurteilung durch den Korrektor, in meinem Fall war das Prof. Dr. Gert Otto (damals Praktischer Theologe im Fachbereich Evangelische Theologie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz). Ich zitiere aus seinem Gutachten vom 27. August 1976:

… Man merkt der Arbeit an, dass sie aus einem längeren Prozess heraus entstanden ist. Im Zusammenhang mehrerer Praktisch-Theologischer Seminare konzentrierten sich die Fragen des Verfassers immer stärker auf Grundsatzprobleme der Praktischen Theologie. Auf sie vermochte er diverse andere theologische Problemstellungen, die sich in seinem Studium ergeben hatten, fruchtbar zu beziehen. Dies bildet den Hintergrund der spezielleren Untersuchung in der Examensarbeit. Das Interesse des Verfassers kommt in Abschnitt 0.1 deutlich zur Sprache. Dabei ist die Orientierung der Examensleistung an der künftigen Berufspraxis und ihren Anforderungen bemerkenswert.

Systematische Kraft und Arbeitsdisziplin des Verfassers zeigen sich nicht zuletzt darin, dass er sein Thema in der Auseinandersetzung mit einer vorliegenden Konzeption verhandelt, anstatt der nicht seltenen Versuchung zu erliegen, spekulativ bleibende Thesen im luftleeren Raum zu entwickeln.

So sind die Hauptabschnitte der Arbeit eine eindringliche Interpretation des Konzepte von Manfred Josuttis. Diese Interpretation ist sowohl kritisch-analytisch wie auch flexibel, auf die eigenen Interessen von Josuttis eingehend. Es fällt die behutsame Art der Interpretation auf. Dabei wird durchgehend versucht, Josuttis dadurch besser verständlich zu machen – in seinen Stärken wie in seinen problematischen Aussagen -, dass seine differenzierte Beziehung zu Karl Barth aufgedeckt wird.

… Es gelingt dem Verfasser, sowohl seinen Autor verständlich zu machen, wie auch seine eigene Position ansatzweise zu entwickeln.

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