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„O Haupt voll Blut und Wunden“

Das Lied lädt ein, Jesus als liebstem Freund zu danken, dass er treu zu uns steht, indem er sogar eine unverdiente fürchterliche Todesstrafe auf sich nimmt. Wenn uns die Wärme des Lebens verlässt, soll die Kälte des Todes nicht das Letzte sein, das über unser Leben zu sagen ist; die Verbindung zur Liebe Jesu reißt auch im Tode nicht ab.

Kreuz tragender Jesus mit Dornenkrone und Blut im Gesicht, im Hintergrund Soldaten
O Haupt voll Blut und Wunden (Bild: Andrew MartinPixabay)
direkt-predigtGottesdienst am Karfreitag, den 29. März 2013, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße Sie herzlich im Gottesdienst mit dem Wort zum Karfreitag aus dem Evangelium nach Johannes 3, 16:

„Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“

Die Glocken haben heute nicht zum Gottesdienst geläutet, weil wir uns seit zwei Jahren der Gepflogenheit im evangelischen Dekanat Gießen angeschlossen haben, dass an diesem stillen Feiertag die Glocken schweigen.

Die Orgel in unserer Kirche schweigt jedoch nicht; sie begleitet auch am Karfreitag unseren Gesang. Das wohl bekannteste unserer Passionslieder, „O Haupt voll Blut und Wunden“, wird im Mittelpunkt der Predigt stehen. Aber zuerst singen wir das Lied 90:

1. Ich grüße dich am Kreuzesstamm, du hochgelobtes Gotteslamm, mit andachtsvollem Herzen. Hier hängst du zwar in lauter Not und bist gehorsam bis zum Tod, vergehst in tausend Schmerzen; doch sieht mein Glaube wohl an dir, dass Gottes Majestät und Zier in diesem Leibe wohne und dass du hier so würdig seist, dass man dich Herr und König heißt, als auf dem Ehrenthrone.

2. Ich folge dir durch Tod und Leid, o Herzog meiner Seligkeit, nichts soll mich von dir trennen. Du gehst den engen Weg voran; dein Kreuzestod macht offne Bahn den Seelen, die dich kennen. Ach Jesu, deine höchste Treu macht, dass mir nichts unmöglich sei, da du für mich gestorben; ich scheue nicht den bittern Tod und bin gewiss in aller Not: »Wer glaubt, ist unverdorben.«

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Am Stamm des Kreuzes hängt das Lamm Gottes, gequält, zur Schau gestellt, einem schmerzhaften Tod preisgegeben. Wenn Menschen Lämmer schlachten, zum Beispiel für das Passafest der Juden oder zum christlichen Osterfest, dann sollten sie die Tiere ohne unnötige Qualen töten. Aber wo menschliche Grausamkeit, Machtgier, Hass oder Lust am Quälen eine Rolle spielen, da wird der Mensch zu einem Zerrbild seiner selbst. Bild der Liebe Gottes sollte er sein, diesem Bild schlagen diejenigen, die Jesus kreuzigen, mitten ins Gesicht. Sie treffen sich selbst, aber nicht die Menschenwürde Jesu. Sie können den Leib Jesu töten, aber nicht seine Liebe.

Kommt, lasst uns Gott anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Wir beten abwechselnd mit Worten aus dem Psalm 22, den Jesus am Kreuz gebetet hat. Er steht im Gesangbuch unter der Nummer 709. Lesen Sie bitte die eingerückten Verse:

2 Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.

3 Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.

4 Du aber bist heilig, der du thronst über den Lobgesängen Israels.

5 Unsere Väter hofften auf dich; und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.

6 Zu dir schrien sie und wurden errettet, sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.

12 Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer.

20 Aber du, Herr, sei nicht ferne; meine Stärke, eile, mir zu helfen!

Wir rufen zu dir, Gott: Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Jesus, das Lamm Gottes, lässt sich von Menschen demütigen, schlagen und töten, die nicht wissen, was sie tun. Sie wissen nicht, dass sie das Bild Gottes in sich selbst zerstören. Sie wissen nicht, dass sie das Bild Gottes in Jesus nicht zerstören können. Obwohl sie Jesus verspotten, wohnt doch in ihm „Gottes Majestät und Zier“. Gerade am Kreuz ist Jesus wahrer Gott, dessen Liebe unendlich und allmächtig ist und alles Böse überwindet. Er ist sogar fähig, denen zu vergeben, die ihn foltern und töten, er will niemanden aufgeben, der doch nach dem Bilde Gottes geschaffen ist. Gerade am Kreuz erweist sich auch Jesu wahre Würde und Schönheit, denn die Demütigungen derer, die es nötig haben, einen Schwachen zu verspotten, können Jesus nicht wirklich treffen. Darum lasst uns Gott auch am Karfreitag lobsingen:

„Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gerechter und barmherziger Gott, mach uns offen für das Geheimnis des Karfreitags. Nimm uns hinein in die Geschichte deiner Liebe, die alles überwinden will, was in unserer Welt im Großen und im Kleinen im Argen liegt. Darum bitten wir dich im Vertrauen auf Jesus Christus, deiner Sohn, unseren Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung am Karfreitag aus dem Evangelium nach Matthäus 27, 33-50:

33 Und als sie an die Stätte kamen mit Namen Golgatha, das heißt: Schädelstätte,

34 gaben sie ihm Wein zu trinken mit Galle vermischt; und als er’s schmeckte, wollte er nicht trinken.

35 Als sie ihn aber gekreuzigt hatten, verteilten sie seine Kleider und warfen das Los darum.

36 Und sie saßen da und bewachten ihn.

37 Und oben über sein Haupt setzten sie eine Aufschrift mit der Ursache seines Todes: Dies ist Jesus, der Juden König.

38 Und da wurden zwei Räuber mit ihm gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken.

39 Die aber vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe

40 und sprachen: Der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz!

41 Desgleichen spotteten auch die Hohenpriester mit den Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen:

42 Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er der König von Israel, so steige er nun vom Kreuz herab. Dann wollen wir an ihn glauben.

43 Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn.

44 Desgleichen schmähten ihn auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren.

45 Und von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.

46 Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

47 Einige aber, die da standen, als sie das hörten, sprachen sie: Der ruft nach Elia.

48 Und sogleich lief einer von ihnen, nahm einen Schwamm und füllte ihn mit Essig und steckte ihn auf ein Rohr und gab ihm zu trinken.

49 Die andern aber sprachen: Halt, lass sehen, ob Elia komme und ihm helfe!

50 Aber Jesus schrie abermals laut und verschied.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Amen. „Amen.“

Glaubensbekenntnis

Wir singen das Lied 93:

Nun gehören unsre Herzen ganz dem Mann von Golgatha
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde,

wie können wir uns dem Geheimnis des Karfreitags nähern, wenn es denn ein Geheimnis ist, das mit dem Verstand nicht auszuschöpfen, letztlich nicht zu begreifen ist? Begreifbar ist das äußere Faktum: Jesus stirbt einen grausamen Tod. Allerdings wird selbst diese Tatsache zum Beispiel von Muslimen aus Glaubensgründen angezweifelt, weil es für sie undenkbar ist, dass Gott einen seiner bedeutendsten Gesandten, den Sohn der Jungfrau Maria, diesem schändlichen Tod preisgeben könne. Für uns Christen allerdings steht fest: Jesus hat diese Demütigung und Schmach am Kreuz hinnehmen müssen und die Kreuzigung sogar als Gottes Willen akzeptiert.
Ich möchte in der heutigen Predigt nichts anderes tun, als das Lied Paul Gerhardts „O Haupt voll Blut und Wunden“ auszulegen und mit Ihnen zu singen. Sicher gehe ich auch mit dem Verstand an die Frage heran, warum Jesus dieses Leid ertragen musste, aber nicht um irgendetwas zu beweisen, sondern um eine Art und Weise, wie wir Christen an Jesus und durch Jesus an Gott glauben können, nachzuvollziehen. Es muss doch Gründe geben, warum gerade dieses Lied 85 so vielen Menschen Trost und Hoffnung gegeben und sie im Glauben gestärkt hat. Hören wir nacheinander die Strophen des Liedes:

1. O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn,
o Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron,
o Haupt, sonst schön gezieret mit höchster Ehr und Zier,
jetzt aber hoch schimpfieret: gegrüßet seist du mir!

Drei Mal reden wir Jesus mit „O Haupt“ an. Das Wort ist vornehmer als das Wort „Kopf“; wenn wir Jesus so begrüßen, erweisen wir ihm besondere Ehre. Dieser Ehre scheint aber alles, was wir an diesem Haupt sehen, zu widersprechen: blutende Wunden, die höllisch weh tun, die Dornenkrone, mit der man den Möchtegern-Judenkönig verhöhnt, verspottet, beschimpft. Indem wir uns daran erinnern, wie hoch Jesus vorher geehrt wurde, als man ihn mit Hosianna-Rufen in Jerusalem empfing oder als Wundertäter bejubelte, machen wir uns klar, wie schnell die Stimmung sogar gegen den beliebtesten Menschen umkippen kann.

2. Du edles Angesichte, davor sonst schrickt und scheut
das große Weltgewichte: wie bist du so bespeit,
wie bist du so erbleichet! Wer hat dein Augenlicht,
dem sonst kein Licht nicht gleichet, so schändlich zugericht‘?

Ein gewaltiges Wort benutzt Paul Gerhardt, um den Gegensatz zwischen der Demütigung Jesu und seiner geheimen Macht als des Sohnes Gottes weiter zu unterstreichen: „das große Weltgewichte“. Gemeint ist alles, was in der Welt von Gewicht und Einfluss ist, was aber gegen die Allmacht der Liebe, des Friedens und der Gerechtigkeit Gottes keine Chance hat und daher auch nicht wagt, Jesus draußen in der Öffentlichkeit die Stirn zu bieten und sich mit seiner Predigt vom Reich Gottes auseinanderzusetzen. Als Jesus im Tempel predigte, scheuten sich seine Feinde, ihn anzugreifen, schreckten sie davor zurück, ihn vor aller Augen festzunehmen. In aller Heimlichkeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit wagt man es, ihn anzuspucken und bluten zu lassen. Jesus, das Licht der Welt, kann vor lauter Blut nichts sehen, teilt das Schicksal blinder Menschen, die Demütigungen ertragen müssen.

3. Die Farbe deiner Wangen, der roten Lippen Pracht
ist hin und ganz vergangen; des blassen Todes Macht
hat alles hingenommen, hat alles hingerafft,
und daher bist du kommen von deines Leibes Kraft.

Blass sind die Wangen Jesu, blutleer seine Lippen, vergangen ist die natürliche Schönheit eines menschlichen Gesichts. Blass ist die Farbe des Todes, der die Macht hat, einem Menschen alle Gesundheit und Stärke zu nehmen, ja ihn selbst hinwegzuraffen. So drastisch stellt uns Paul Gerhardt in seinem Lied das Leiden und Sterben Jesu am Kreuz vor Augen.

4. Nun, was du, Herr, erduldet, ist alles meine Last;
ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast.
Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat.
Gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad.

In der vierten Strophe wendet sich der Dichter der Ursachenerforschung zu. Warum muss Jesus solche Qualen leiden? Es ergibt sich eine klare Diagnose: Jesus ist keinesfalls selber schuld an seinen Leiden. Indem wir das Lied singen, bezichtigen wir stattdessen uns, dass wir die Verantwortung für Jesu Leiden tragen. Das wird nicht näher begründet, es ist eine Einsicht, die sich daraus ergibt, dass wir uns im Gegensatz zu Jesus immer wieder in Sünde verstricken, dass wir als Menschen nicht vollkommen dem Bild der Liebe Gottes entsprechen, dass wir die Gebote Gottes nur unvollkommen halten. Wir begegnen Jesus ja in den Menschen, die uns brauchen, aber werden wir tatsächlich jedem dieser Menschen gerecht, retten wir jeden Hungernden vor dem Hungertod, besuchen wir jeden Kranken, tun wir alles, um Übergriffe von Neonazis und von Missbrauchern zu verhindern?

Jesus trägt beispielhaft, was wir mitmenschlich zu verhindern versäumen oder direkt einander antun. Insofern verdienen wir Zorn, dürfen aber den Erbarmer bitten, dass er uns ansieht, so wie wir sind, und uns seine Gnade zeigt. Erbarmer, so dürfen wir Gott anreden, denn er hat zwar Grund zornig zu sein, ist in seinem Wesen jedoch der Barmherzige, der kein Interesse daran hat, uns zu vernichten. Stattdessen ist seine Liebe zu uns unendlich groß, sie hört nie auf, will uns verwandeln, indem auch wir von seiner Liebe erfüllt werden.

5. Erkenne mich, mein Hüter, mein Hirte, nimm mich an.
Von dir, Quell aller Güter, ist mir viel Guts getan;
dein Mund hat mich gelabet mit Milch und süßer Kost,
dein Geist hat mich begabet mit mancher Himmelslust.

Die fünfte Strophe malt die Gnade des Erbarmers in herrlichen Farben aus. Jesus wird als Hüter und Hirte angeredet, der mich erkennt, wie ich bin, und mich wunderbarerweise trotzdem annimmt. Von Jesus geht bildlich gesprochen eine Quelle aus, die mich mit allem Guten versorgt, was ich brauche. Vor allem brauche ich wegweisende Worte, die Jesus mit seinem Mund gesprochen hat; sie sind wie Milch und Süßigkeiten, die nicht nur gesund sind, sondern sogar gut schmecken. Was Jesus schenkt, macht Spaß und Freude. Der Geist, den er uns schenkt, zwingt uns zu nichts, sondern er macht uns Lust auf das Reich Gottes, das mitten unter uns zu wachsen anfängt.

6. Ich will hier bei dir stehen, verachte mich doch nicht;
von dir will ich nicht gehen, wenn dir dein Herze bricht;
wenn dein Haupt wird erblassen im letzten Todesstoß,
alsdann will ich dich fassen in meinen Arm und Schoß.

Wir kommen nun zu Liedstrophen, die wir normalerweise nicht singen. Mehr als fünf Strophen überfordern uns in der Regel. Vielleicht gefällt uns aber auch die Bildsprache dieser Strophe weniger. Wollen wir wirklich so eng bei Jesus bleiben, wenn sein letzter Todeskampf bevorsteht? Wollen wir ihn umarmen in all seinem Blut und Angstschweiß, ihn abnehmen vom Kreuz und auf unseren Schoß nehmen wie ein kleines Kind, das wir trösten?

7. Es dient zu meinen Freuden und tut mir herzlich wohl,
wenn ich in deinem Leiden, mein Heil, mich finden soll.
Ach möcht ich, o mein Leben, an deinem Kreuze hier
mein Leben von mir geben, wie wohl geschähe mir!

Fremd ist unserer Zeit, anders wohl als dem Lebensgefühl der Zeit Paul Gerhardts, auch dieser Wunsch, sich im Leiden Jesus selber wiederzufinden und am liebsten sofort auch selber zu sterben. Ich kann diese Strophe nur mit einer inneren Distanzierung singen. Bei genauerem Nachdenken ist noch nachvollziehbar, dass wir uns in Jesu Leiden selber finden: indem er stellvertretend für uns stirbt, dürfen wir uns unseres Lebens freuen, wir werden nicht verdammt, nicht mit Vernichtung bestraft. Er ist unser Heil und wendet das Unheil ab, das wir durch Untaten oder unterlassene gute Taten in dieser Welt anrichten. Aber gar nicht gern wünsche ich mir, im Nachdenken über Jesu Kreuz sofort zu sterben. Diese Entscheidung, ob mein Leben zu Ende sein soll oder nicht, überlasse ich doch lieber Gott. Allerdings können manche Menschen auch heute Gründe haben, sich von Gott zu wünschen, dass er die Last ihres Lebens endlich von ihnen nehmen möchte. Auf jeden Fall ist es ein Wunsch, ein Gebet, und die Erhörung dieses Gebetes steht bei Gott allein.

8. Ich danke dir von Herzen, o Jesu, liebster Freund,
für deines Todes Schmerzen, da du’s so gut gemeint.
Ach gib, dass ich mich halte zu dir und deiner Treu
und, wenn ich nun erkalte, in dir mein Ende sei.

Die drei letzten Strophen des Liedes werden wieder recht oft gesungen, vor allem als Trostlied, wenn man in einer Trauerfeier von einem geliebten Verstorbenen Abschied nimmt, und vielleicht auch um mit der eigenen Angst vor dem Sterben fertigzuwerden. Ziemlich krass und deutlich spricht Paul Gerhardt das eigene Sterben an: „wenn ich nun erkalte“. Er kannte den Tod, er ist ihm in seiner Familie allzu oft begegnet. Mit 14 Jahren war er Vollwaise, ein älterer Bruder starb an der Pest, er überlebte seine Frau und drei seiner vier Kinder. Das Lied lädt uns ein, sehr persönlich Jesus als liebsten Freund anzureden und ihm dafür zu danken, dass er es mit uns so gut gemeint hat und treu zu uns steht, indem er sogar eine fürchterliche Todesstrafe auf sich nimmt, die er nicht verdient. Wenn uns die Wärme des Lebens verlässt, soll die Kälte des Todes nicht das Letzte sein, das über unser Leben zu sagen ist; mein Ende soll in Jesus Christus sein, die Verbindung zu ihm und zu seiner Liebe reißt auch im Tode nicht ab.

9. Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir,
wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür;
wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein,
so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein.

Dies ist vielleicht die schönste Strophe unseres Liedes. Sie malt die Liebe in leuchtenden Farben aus, die uns auch im Tode mit Jesus verbindet. Tod bedeutet Trennung, Scheidung von vielen, die uns lieb sind auf der Erde, aber nicht von Jesus. Mit dem Lied können wir uns vorstellen, dass Jesus uns im Übergang vom Leben zum Tod nicht allein lässt. Er hilft uns, den Ängsten vor dem Sterben und vor dem Loslassen des Lebens standzuhalten, ja vielleicht reißt er uns sogar aus ihnen heraus, da er doch selber so furchtbare Angst und Qual ausgehalten hat.

10. Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod,
und lass mich sehn dein Bilde in deiner Kreuzesnot.
Da will ich nach dir blicken, da will ich glaubensvoll
dich fest an mein Herz drücken. Wer so stirbt, der stirbt wohl.

In der letzten Strophe gibt Paul Gerhardt mit einem beispielhaften Gebet zu Jesus sozusagen ein Modell für ein seliges Sterben. Ich denke nicht, dass es ein gangbares Modell für jeden Christenmenschen ist; zu unterschiedlich ist die Art, wie wir alle an Gott und an Jesus glauben. Aber es ist eine Möglichkeit auch heute noch, sich Halt zu suchen, wenn man sich plagt mit angstvollen Gedanken an den Tod oder wenn man den Tod unmittelbar vor Augen hat. Es kann uns Halt geben, wenn wir uns Jesus sozusagen als Verteidigungsschild gegen alle Ängste vor dem Sterben und vor dem Tod vorstellen. Es kann uns trösten, wenn wir uns vorstellen, dass wir von Jesus in den Arm genommen und festgehalten werden. Wer das Bild Jesu vor Augen haben kann, der in der Not des Sterbens am Kreuz zu Gott schreien, an seine Lieben denken, den Feinden vergeben und seinen Geist in Gottes Hände legen konnte, der kann getrost Abschied nehmen vom irdischen Leben. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Lasst uns beten.

Herr Jesus Christus, du nimmst am Karfreitag einen furchtbaren Tod auf dich und schenkst uns alle Chancen für ein sinnvolles, von Liebe erfülltes Leben und für die Überwindung unserer Ängste vor dem Tod. Du bist da für Schuldige und Unschuldige. Stellvertretend für alle, die schuldig wurden, trägst du eine furchtbare Strafe, wie nicht der Gott im Himmel, sondern grausame Menschen sie sich ausdenken. Du bist in deinem Leiden auch allen nahe, die unschuldig leiden, die sich gestraft fühlen, ohne schuldig zu sein.

Lass uns den Karfreitag zu Herzen gehen, nicht als Tag der ausweglosen Trauer, sondern als Tag der Überwindung des Todes. Öffne uns die Augen, überall, wo wir mit Leid und Angst und Tod konfrontiert sind, dass wir erkennen: du leidest mit und stirbst mit. Hilf uns auch unser eigenes Kreuz tragen. Hilf uns beim Klagen, dass wir unser Vertrauen nicht verlieren, und hilf uns zum Danken, wenn wir glückliche Stunden erfahren und Bewahrung.

Und wenn wir so verzweifelt sind, dass wir kaum vertrauen können: Schenke uns die kleine Kraft, die wir brauchen, um unser Leben Tag für Tag zu meistern. Lass uns den Glauben an dich nicht verlieren oder ihn neu lernen. Hilf uns Vorurteile zu überwinden und offen zu werden für ein getrostes, dankbares Leben. Amen.

In der Stille bringen wir vor dich, Gott, was wir persönlich auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser

Wir singen das Lied 89:

1. Herr Jesu, deine Angst und Pein und dein betrübtes Leiden lass mir vor Augen allzeit sein, die Sünde zu vermeiden. Lass mich an deine große Not und deinen herben, bittern Tod, solang ich lebe, denken.

3. Du hast verlassen deinen Thron, bist in das Elend gangen, ertrugest Schläge, Spott und Hohn, musstest am Kreuze hangen, auf dass du für uns schafftest Rat und unsre schwere Missetat bei Gott versöhnen möchtest.

4. Drum will ich jetzt in Dankbarkeit von Herzen dir lobsingen, und wenn du zu der Seligkeit mich wirst hinkünftig bringen, so will ich daselbst noch viel mehr zusamt dem ganzen Himmelsheer dich ewig dafür loben.

Abkündigungen

Geht mit Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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