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Männlich und stark

Wie sieht männliche Stärke aus, mit der man das Leben einschließlich seiner Schicksalsschläge bewältigen kann? Ein Lieblingsbibelvers des Verstorbenen regt mich an, in seiner Trauerfeier auf diese Frage einzugehen.

Männlich und stark: Die Silhouette eines Mannes mit ausgebreiteten Armen vor einem Rad mit männlichen Qualitäten in englischer Sprache
Was sind wirklich männliche Qualitäten? (Bild: John HainPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Wir haben uns hier versammelt, um Abschied zu nehmen von Herrn A., der im Alter von [über 90] Jahren gestorben ist.

So spricht Gott (Jesaja 46, 4):

Bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten.

Wenn ein Mensch erst in einem so hohen Alter aus diesem Leben abgerufen wird wie Herr A., und wenn dieses Leben nach allem, was wir wissen, ein erfülltes Leben war, dann haben wir, obwohl wir traurig sind über den Tod eines geliebten Menschen, doch noch viel mehr Grund, Gott zu danken und zu loben für dieses lange Leben, für Bewahrung und Erfüllung, für alles, was Er Herrn A. in seinem Leben geschenkt hat, und auch für das, was anderen durch ihn geschenkt wurde.

Darum beten wir mit Worten aus Psalm 103:

1 Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!

2 Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:

3 der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen,

4 der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit,

5 der deinen Mund fröhlich macht, und du wieder jung wirst wie ein Adler.

6 Der Herr schafft Gerechtigkeit und Recht allen, die Unrecht leiden.

8 Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.

10 Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat.

11 Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten.

12 So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsere Übertretungen von uns sein.

13 Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten.

14 Denn er weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind.

15 Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde;

16 wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr.

17 Die Gnade aber des HERRN währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindeskind

18 bei denen, die seinen Bund halten und gedenken an seine Gebote, dass sie danach tun.

19 Der HERR hat seinen Thron im Himmel errichtet, und sein Reich herrscht über alles.

20 Lobet den HERRN, ihr seine Engel, ihr starken Helden, die ihr seinen Befehl ausrichtet, dass man höre auf die Stimme seines Wortes!

21 Lobet den HERRN, alle seine Heerscharen, seine Diener, die ihr seinen Willen tut!

22 Lobet den HERRN, alle seine Werke, an allen Orten seiner Herrschaft! Lobe den Herrn, meine Seele!

EKG 312, 1-2+5-6 (EG 521 nur Strophe 1-2):

1. O Welt, ich muss dich lassen, ich fahr dahin mein Straßen ins ewig Vaterland. Mein‘ Geist will ich aufgeben, dazu mein‘ Leib und Leben setzen in Gottes gnädge Hand.

2. Mein Zeit ist nun vollendet, der Tod das Leben endet, Sterben ist mein Gewinn; kein Bleiben ist auf Erden; das Ewge muss mir werden, mit Fried und Freud ich fahr dahin.

5. Ich bin ein unnütz Knechte, mein Tun ist viel zu schlechte, denn dass ich ihm bezahl damit das ewig Leben; umsonst will er mirs geben und nicht nach meim Verdienst und Wahl.

6. Drauf will ich fröhlich sterben, das Himmelreich erwerben, wie er mirs hat bereit‘; hier mag ich nicht mehr bleiben, der Tod tut mich vertreiben, mein Seele sich vom Leibe scheidt.

Liebe Trauergemeinde!

Ich habe bewusst dieses Lied an den Anfang des Gottesdienstes hier in der Kirche gestellt, weil damit ein Leitgedanke anklingt, der entscheidend ist für das Abschiednehmen von Herrn A.: Hier ist einer gestorben, dessen Leben erfüllt war nach gesellschaftlichen und menschlichen Maßstäben. Und doch steht er nun vor Gott nicht anders als jeder andere Mensch, als ein „unnütz Knechte“, dessen ganzes Tun nicht ausreicht, ja niemals ausreichen kann, um Gott damit das ewige Leben zu bezahlen. „Umsonst will er mirs geben“, umsonst umkleidet Gott auch Herrn A. mit ewigem Leben aus seiner freien Gnade, „und nicht nach meim Verdienst und Wahl.“

In menschlicher Größe liegt ja Gnade und Gefahr: Sie ist ein Geschenk, als ein Bündel von Begabungen, die einer ergriffen und entfaltet hat im Dienst an Wissenschaft und Kunst, in der Hingabe an andere Menschen; und man kann Gott nicht genug dafür danken, wenn einem diese Lebensgestaltung gelingt. Menschliche Größe ist aber auch eine Versuchung, sich zu überheben über andere Menschen und vielleicht sogar zu meinen, vor Gott besser dazustehen als andere.

Die Todesanzeige für Herrn A. in der Zeitung lässt mich in ihrer Schlichtheit vermuten, dass auch Sie davon ausgehen: Hier wird heute nicht der Mann, dessen Name in den Lexika erscheint, wegen seiner Titel und Verdienste geehrt, sondern wir tragen den Menschen A. zu Grabe, der wie jeder andere Mensch vor Gott treten muss und darf.

Erinnern wir uns heute also an das Leben dieses Menschen in Dankbarkeit für all das, was ihm von Gott geschenkt war an Begabungen und Neigungen, aber auch an Menschen, die ihm viel bedeutet haben, und Aufgaben und Herausforderungen, denen er sich gestellt hat.

Erinnerungen an das Leben des Verstorbenen

Ein Wissenschaftler, ein Kunstliebhaber, ein musikalisch und literarisch, philosophisch und religiös interessierter Mensch war Herr A. Er liebte die Bücher und die Arbeit am Schreibtisch, aber er saß doch nicht nur in einem Elfenbeinturm des Gelehrten. Sie haben ihn mir zugleich als einen Menschenfreund geschildert, kontaktfreudig, mit viel Familiensinn, der nicht gern allein war. Das Mittagessen mit der Familie war immer der wichtigste Ort für den Austausch in der Familie, hier wurden sogar Gedichte zitiert und philosophische Diskussionen geführt.

Einen Bibelvers hat Herr A. besonders geliebt, Sie haben ihn aus dem Gedächtnis so zitiert:

Harret aus im Glauben, seid männlich und seid stark!

Ich habe den Vers in der Lutherbibel von 1984 so im Paulusbrief 1. Korinther 16, 13 gefunden:

Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark!

Und daran schließt sich der Vers an (1. Korinther 16, 14):

Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!

Vielleicht können uns diese Verse, auch in der Verschiedenheit der Übersetzung, darauf hinweisen, dass Weichheit und Stärke keine Gegensätze sein müssen, dass Gemütsbewegtheit und Männlichkeit sich gut miteinander vertragen, dass der wirklich starke Mensch seinen Mut nicht aus der Verdrängung, sondern aus der Annahme seiner Schwächen und seiner Angst gewinnt. Sie haben in diesem Zusammenhang auch an das Wort Jesu aus dem Evangelium nach Johannes 16, 33 gedacht:

In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

Wirkliche Kraft gewinnen wir nicht aus uns selber, nicht einmal aus noch so großen geistigen Quellen heraus, sondern aus der Beziehung zu einem Gegenüber, mit dem wir in Liebe verbunden sind – seien es Menschen oder sei es der liebende Vater im Himmel, von dem es im Psalm vom Guten Hirten heißt (Psalm 23, 4):

Du bist bei mir!

„Wachet, steht im Glauben“, „harret aus im Glauben“ – diese Aufforderung meint nichts anderes als: Bleibt euch bewusst, dass wir nur in der Beziehung zu Gott allein, im Vertrauen auf den göttlichen Urgrund von allem, was ist, unser Heil und ewiges Leben finden können – aus freier Gnade und Barmherzigkeit. Ihm haben wir alles zu danken, was wir sind und was wir haben. Auf ihn können wir auch alle unsere Sorgen werfen, er ist uns nahe auch im Leid und in der Trauer. Er ist kein Weltenzauberer, der uns aller unserer Probleme enthebt, aber er schenkt uns – sich selbst und die Kraft seiner Liebe, mit der er die Welt trotz aller Bosheit und Angst und aller Feindschaft gegen Gott überwunden hat.

Im Vertrauen auf Gottes Liebe können wir „mutig“ unser Leben führen, „männlich“ heißt es in alten Übersetzungen, „andrizesthe“ (= „zeigt euch als ein Mann“) heißt es auch im griechischen Urtext. Wir vertrauen uns also einem Gott an, der uns nicht klein und abhängig machen will, sondern in dessen Begleitung wir mit aufrechtem Gang unser Leben führen. Seit dem Psychoanalytiker C. G. Jung wissen wir allerdings auch, dass der männliche Mensch ohne den entsprechenden weiblichen Seelenanteil nicht zur vollen Entfaltung seiner Menschlichkeit kommen kann, und deshalb ist es schön zu wissen, dass Herr A. in seiner Suche nach Männlichkeit doch immer auch ein sensibler Mensch geblieben ist. Zwar hat ihn der (sinngemäß zitierte) Satz aus der Biographie von Prof. Radbruch sehr angesprochen:

Das Leben mit den Schmerzen und Wunden, die es zufügt, nimmt zugleich Sensibilität und gibt Hilfskräfte, um sie zu ertragen.

Aber obwohl er Schicksalsschläge ertragen musste, ist Herr A. doch nicht vollständig abgestumpft, sondern offen geblieben für Gefühl und auch für Schmerz. Er musste oft von Familienmitgliedern einen schmerzlichen Abschied nehmen. Ich denke, dass es für ihn wichtig war, gerade auch in der Trauer einen Rückhalt in der Familie zu haben.

Das ist auch ein wichtiger Gedanke für uns heute, für die Familie, die von Herrn A. Abschied nimmt, und für alle anderen in Verwandtschaft und Freundschaft, die ihm nahestanden, denen er begegnet ist, die er mitgeprägt hat. Trost in der Trauer liegt letztlich doch nicht nur darin, dass die Zeit Wunden heilt und dass man sich ein dickes Fell anschafft, um den Schmerz nicht so stark zu spüren. Wirklicher Trost liegt darin, dass wir Trauer ertragen können in der Gemeinschaft von Menschen, die uns lieben. So ist es auch gemeint, wenn Gott uns durch den Propheten Jesaja in der Bibel zuruft (Jesaja 66, 13):

Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

So lange wir leben, schenkt uns Gott immer wieder Mut und Zuversicht, um unsere jeweilige Aufgabe zu erfüllen, unser Schicksal durchzustehen. Und auf dem letzten Weg, auf dem uns kein Mensch mehr begleiten kann, sind wir doch nicht verlassen, wenn wir uns Gott anvertrauen, der in seinem Sohn Jesus Christus selber den Tod erlitten hat. Amen.

EG 85, 9-10:

9. Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir; wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür; wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein.

10. Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod und lass mich sehn dein Bilde in deiner Kreuzesnot. Da will ich nach dir blicken, da will ich glaubensvoll dich fest an mein Herz drücken. Wer so stirbt, der stirbt wohl.

Gebet
Lied 352, 1+6:

1. Alles ist an Gottes Segen und an seiner Gnad gelegen über alles Geld und Gut. Wer auf Gott sein Hoffnung setzet, der behält ganz unverletzet einen freien Heldenmut.

6. Soll ich länger allhier leben, will ich ihm nicht widerstreben, ich verlasse mich auf ihn. Ist doch nichts, das lang bestehet, alles Irdische vergehet und fährt wie ein Strom dahin.

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