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Schweres kurzes Leben

Nach einem außerordentlich schweren kurzen leidgeprüften Leben stirbt ein junger Mann – wir halten die Trauerfeier für ihn mit Worten aus dem Psalm vom Guten Hirten.

Schweres kurzes Leben: Jesus nimmt einen jungen Mann tröstend in seine Arme
Jesus nimmt einen jungen Mann tröstend in seine Arme (Bild: Myriam ZillesPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Erschüttert, bestürzt, betroffen – uns fehlen angemessene Worte, um zu beschreiben, was uns bewegt hat, als wir es erfuhren: X. ist gestorben, im Alter von nur [fast 20] Jahren. Wir müssen heute von ihm Abschied nehmen, gemeinsam mit den Angehörigen. Wir müssen diesen schweren Weg gehen, möchten einander dabei nicht allein lassen und fragen zugleich auch nach dem Trost von Gott.

Wenn uns selbst die Worte fehlen, um auszudrücken, was wir fühlen, was uns bewegt, dann können uns manchmal die Psalmen der Bibel helfen, um ein Gebet zu formulieren. So beten wir mit Worten aus Psalm 73 (Verse 2-4+11 GNB):

1 Gott ist dennoch [unser] Trost für alle, die reines Herzens sind.

2 Doch beinahe wäre ich irre geworden, ich wäre um ein Haar zu Fall gekommen.

3 Ich war eifersüchtig auf die Menschen, die nicht nach dem Willen Gottes fragen; denn ich sah, wie gut es ihnen geht.

4 Sie kennen keine Krankheit bis zu ihrem Tod.

5 Sie führen ein sorgenfreies Leben.

7 Sie tun, was ihnen einfällt.

8 Sie achten alles für nichts und reden böse.

11 »Gott merkt ja doch nichts!« sagen sie. »Was weiß der da oben von dem, was hier vorgeht?«

13 Soll es denn umsonst sein, dass ich mein Herz rein hielt und meine Hände in Unschuld wasche?

16 So sann ich nach, ob ich‘s begreifen könnte, aber es war mir zu schwer.

23 Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand,

24 du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an.

25 Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.

26 Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.

28 Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf Gott, den HERRN, dass ich verkündige all dein Tun.

EG 530, 1+2:

1. Wer weiß, wie nahe mir mein Ende! Hin geht die Zeit, her kommt der Tod. Ach wie geschwinde und behende kann kommen meine Todesnot! Mein Gott, mein Gott, ich bitt durch Christi Blut: Machs nur mit meinem Ende gut.

2. Es kann vor Nacht leicht anders werden, als es am frühen Morgen war; denn weil ich leb auf dieser Erden, leb ich in steter Todesgefahr. Mein Gott, mein Gott, ich bitt durch Christi Blut: Machs nur mit meinem Ende gut.

Wir beten mit dem Psalm 23, aus dem der Konfirmationsspruch des Verstorbenen entnommen war:

1 Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

2 Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.

3 Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.

4 Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.

5 Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.

6 Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.

Liebe Familie X., liebe Trauergemeinde!

Viele Menschen sind hier zusammengekommen, die traurig sind, weil X. gestorben ist. Die junge Ehefrau, die Geschwister, die Verwandten und Freunde, Nachbarn und Bekannte sind betroffen von diesem Tod.

Erinnerungen an schweres Leid in einem kurzen Leben

Ich habe X. ja nicht gekannt; und ich weiß nicht, wie er mit all dem fertig geworden ist. Ich weiß auch nicht, wie sehr er damit gerechnet hat, schon früh sterben zu müssen. Angst wird er immer wieder gehabt haben bei seiner schweren Krankheit; und gefährliche Situationen gab es ja oft.

Als X. in der Klinik war, da hat er auch mitbekommen, wie schon Kleinkinder und Säuglinge so krank waren wie er selbst. Ich hörte, wie er sich gern um die Kleinen gekümmert hat, und wie es ihm nahegegangen ist, wenn schon eines dieser kleinen Kinder sterben musste.

Aber wie ging es ihm im Blick auf sich selbst? Vielleicht hat er geschwankt zwischen so einer Stimmung, als sei ihm alles egal: „Es hat ja doch alles keinen Zweck!“ und der Hoffnung: „Es wird schon wieder werden!“ Jedenfalls ist er auch in den Jahren seiner Krankheit auf die Leute zugegangen. Er ist ein paarmal, wenn der Pfarrer ihn angesprochen hatte, in den Gottesdienst gekommen und hat sich da hinten in die Kirche gesetzt. Er hat den Lebensmut nie ganz verloren und hat sogar geheiratet.

Dann musste er wieder ins Krankenhaus. Sie hatten nach einiger Zeit eigentlich Hoffnung geschöpft, dass er Chancen hätte, weiterzuleben, aber dann erhielten Sie so schnell die Nachricht: er ist tot.

Traurig sind alle, die ihn kannten, doch in der Familie wird X. natürlich am meisten fehlen. Niemand kann Ihnen den Schmerz der Trauer abnehmen. Wir können höchstens versuchen, Sie nicht allein zu lassen, nicht wegzulaufen vor unserer eigenen Hilflosigkeit, wenn ein Gespräch oder auch ein gemeinsames Schweigen hilfreich ist.

Noch ist es für uns alle unfassbar, dass X. so schnell, so früh sterben musste. Wir fragen nach dem „Warum?“ und erhalten keine Antwort, die uns zufriedenstellt.

„Warum?“ fragen wir, die wir nicht zur Familie gehören, warum trat dieser Tod so früh ein? Und manche fragen nach medizinischen Erklärungen. Aber hilft das weiter? Der Familie jedenfalls hilft es nicht, wenn spekuliert wird, was wohl war und was hätte getan werden können.

Doch auch die Familienangehörigen und die Freunde fragen: „Warum?“ Warum stößt menschliche, auch medizinische Kunst an Grenzen, warum müssen wir es manchmal hinnehmen, dass wir für einen geliebten Menschen nichts mehr tun können?

X. hat damals den Konfirmationsspruch vom Guten Hirten bekommen (Psalm 23, 1):

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

Warum hat ihn dieser Herr jetzt nicht vor dem Tod bewahrt? Warum hilft Gott uns oft nicht so, wie wir es uns gewünscht hätten?

Auf diese Frage gibt es keine glatte, runde, einfache Antwort. Ich kenne jedenfalls keine, die mich oder Sie zufriedenstellen würde. Die Frage bleibt, so wie die Traurigkeit bleibt und nicht weggewischt werden kann durch einen frommen Spruch.

Allerdings: mit der Trauer, mit den unbeantworteten Fragen, mit unseren gemischten Gefühlen sind wir nicht allein, sind wir jedenfalls von Gott nicht alleingelassen. Der Psalm vom Guten Hirten stammt ja nicht aus einer anderen Welt, er beschreibt vielmehr genau, wie finster und verzweifelt es oft aussieht zwischen Leben und Sterben auf dieser Erde. Und doch hält der Psalm fest an einem tiefen Vertrauen zu Gott (Psalm 23, 4):

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.

„Du bist bei mir!“ Nur das kann ein Trost sein. Nicht allein mit all dem fertig werden zu müssen, was uns bedrückt und belastet, mit all den Tränen, die geweint werden wollen und all den schweren Gedanken, die wir nicht loswerden. Gott tröstet uns nicht so, dass er wie mit Zauberei alle Probleme löst oder wegnimmt, sondern Gott sagt (Jesaja 66, 13):

Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

Und Gott kann uns wirklich ganz nahe sein in der Trauer. Ist er nicht in der Gestalt seines Sohnes Jesus uns ganz nahe gekommen? Hat er nicht selber am eigenen Leibe gespürt, wie es ist, gequält zu werden und sterben zu müssen? Hat nicht Jesus auch in ganz jungen Jahren sein Leben lassen müssen?

Das kann gewiss nicht alle Fragen beantworten. Doch Jesu Leben zeigt, dass der Sinn eines Lebens jedenfalls nicht allein von der Länge des Lebens abhängt. Viel mehr hängt davon ab, wie wir mit unserem Leben umgehen, wie wir in unserem Leben füreinander da sind. Liebe wird bleiben, sagt Paulus, die hört nie auf, vor allem, die Liebe, mit der Gott uns liebt und die wir einander weitergeben sollen. An Liebe ist bei Gott kein Mangel: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“ – bei ihm ist genug Liebe für uns, die reicht uns, um unser Leben durchzustehen und die reicht selbst über den Tod hinaus.

Endgültig, so sagt die Bibel, werden wir erst getröstet werden, wenn wir alle einmal im Reich Gottes aufgenommen worden sind. In der Offenbarung des Johannes heißt es (Offenbarung 21, 4):

Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.

Das ist Zukunftsmusik, wie wir manchmal etwas abfällig sagen, aber eine Musik, die herüberklingt in unsere Welt, die noch von Leid und Tod, von Schmerz und Tränen gezeichnet ist. Tröstlich ist, dass wir uns vor dem Jenseits nicht zu fürchten brauchen, denn jenseits dieser uns vertrauten Welt erwartet uns Gottes neue Schöpfung, in der der Tod überwunden ist und in der alle Tränen abgewischt werden. Wir dürfen darauf vertrauen: Im Tod hält uns Gott mit seinen Händen fest und lässt uns nicht verlorengehen. Auch X. dürfen wir deshalb heute dieser Liebe Gottes anvertrauen.

Was bleibt uns jetzt zu tun? Wir können nicht viel tun, und oft ist es das Schwerste, damit fertig zu werden, dass wir machtlos sind, dass wir etwas nicht ändern können, dass wir einen Schmerz einfach durchstehen müssen. Dann brauchen wir Menschen, die uns Zeit und Raum geben, auch einmal schwach zu sein, uns gehen zu lassen, unser Herz auszuschütten.

Es ist gut, dass wir hier, diesseits der Grenze des Todes, uns unserer Tränen nicht zu schämen brauchen, denn noch leben wir in der Spannung zwischen Tod und Leben, zwischen Gut und Böse, zwischen Freude und Leid. Noch gibt es Tränen, die geweint sein wollen. Besser ist es, wir wischen einander die Tränen ab, als dass wir unser Weinen immer unterdrücken.

Wer den X. geliebt hat, kann ihm seine Liebe über den Tod hinaus bewahren. Wenn irgendwo noch etwas offen ist, wo einer dem anderen etwas schuldig geblieben ist, dafür können wir Gott um Vergebung bitten. Und dankbar können wir sein für alles, was ihm geschenkt war oder was er mit seinem Leben anderen bedeutet hat. Amen.

Lied 283, 1-3:

1. Von Gott will ich nicht lassen, denn er lässt nicht von mir, führt mich durch alle Straßen, da ich sonst irrte sehr. Er reicht mir seine Hand; den Abend und den Morgen tut er mich wohl versorgen, wo ich auch sei im Land.

2. Wenn sich der Menschen Hulde und Wohltat all verkehrt, so findt sich Gott gar balde, sein Macht und Gnad bewährt. Er hilft aus aller Not, errett‘ von Sünd und Schanden, von Ketten und von Banden, und wenns auch wär der Tod.

3. Auf ihn will ich vertrauen in meiner schweren Zeit; es kann mich nicht gereuen, er wendet alles Leid. Ihm sei es heimgestellt; mein Leib, mein Seel, mein Leben sei Gott dem Herrn ergeben, er schaffs, wies ihm gefällt.

Gott im Himmel, du scheinst manchmal weit weg zu sein. Oder bist du ein grausamer Gott, ein allmächtiger Tyrann, der mit den Menschen macht, was er will? Wir verstehen nicht, warum du Menschen sterben lässt, die wir so lieb gehabt haben. Dennoch hoffen wir auf dich. Wir sehnen uns nach deiner Hilfe. Wenn etwas Schlimmes passiert, dann wäre es uns am liebsten, du würdest es ungeschehen machen. Doch das ist nicht die Art, wie du uns hilfst. Du wirkst oft nur wie ein Beobachter des Geschehens in der Welt, der nicht eingreift, wenn Menschen Leid und Unrecht geschieht – du, der du doch alles geschaffen hast, du, ohne den die Welt nicht wäre. Dennoch bist du ein Helfer und Tröster. Du hilfst auf unscheinbare, scheinbar schwache, ganz menschliche Art. Du tröstest uns, wie uns die Mutter trösten konnte. Du vertraust uns einander an, damit wir uns nicht allein lassen und uns Zeit geben, zu weinen, den Schmerz zu fühlen, die Spannung zu lösen, auch wieder auf andere Gedanken zu kommen. Du, Gott, bist Liebe. Schwach erscheint die Liebe, machtlos erscheinst du in unserer Welt. Als du deinen Geist wohnen ließest in Jesus, deinem geliebten Sohn, da erfuhrst du die Freude und die Last unseres menschlichen Lebens. Du wurdest geliebt, du wurdest abgelehnt, du warst für andere da, und du musstest Leiden ertragen. Zum Schluss bist du für uns gestorben. Was uns niederdrückt, was uns zur Verzweiflung treibt – du weißt, wie das ist, du bist ein Gott, der das Leiden kennt. Und darum hilfst du uns auch, zu tun, was wir können, um Leiden zu verhindern, zu lindern, oder aber, wenn unsere Macht am Ende ist, das Schwere zu ertragen. Amen.

EKG 248, 4 (nicht im EG):

4. O Jesu Christ, mein Herr und Gott, dir trauen hilft allein aus Not, hilf meinem schwachen Glauben, so kann mich auch der bittre Tod aus deiner Hand nicht rauben.

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