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„Heilige in Gottes Hand“

Bei einer gemeinsamen Sitzung dreier evangelischer Kirchenvorstände gehe ich am Tag des katholischen Festes Allerheiligen auf die Frage ein, inwiefern Gott uns als heilige Menschen in seiner Hand hält und in Anspruch nimmt – auch in „personalschwachen Zeiten“.

Ein farbenfrohes Bild, auf dem viele Heilige, dicht aneinandergedrängt, in stilisierter Form, zu sehen sind.
Auch evangelische Christen glauben an die Gemeinschaft der Heiligen (Bild: Gerd AltmannPixabay)

Andacht zur gemeinsamen Kirchenvorstands-Sitzung der Gemeinden Michael, Thomas und Paulus am 1.11.2007

Herzlich willkommen im Saal der Paulusgemeinde!

Für den Einstieg in unsere gemeinsame Sitzung der drei evangelischen Nordgemeinden Gießens habe ich das Motto gewählt: „Mit gebündelter Energie durch personalschwache Zeiten“. Personalschwach, dabei dachten wir daran, dass zwei von den drei Gemeinden innerhalb der nächsten zwölf Monate aus durchaus erfreulichen Gründen zeitweise ohne ihre Pfarrerin auskommen müssen, die Michaelsgemeinde in der Mutterschafts- und Elternzeit von Carolin Kalbhenn schon ab Dezember 2007 und die Thomasgemeinde während des dreimonatigen Studienurlaubs von Barbara Görich-Reinel in den Monaten August bis Oktober 2008. Das Stichwort „personalschwach“ erinnert aber auch an weniger erfreuliche Entwicklungen: im Haushalt wenigstens der Paulus- und Thomasgemeinde muss der Abbau der Sonderzuweisungen für Personalausgaben verkraftet werden, und im Bereich der Ehrenamtlichen gestaltet sich zum Beispiel die Suche nach geeigneten Kandidaten für die Kirchenvorstandswahl, die im Laufe des kommenden Jahres wieder ansteht, erfahrungsgemäß eher mühsam. Immerhin muss nach der neuen Kirchengemeindewahlordnung nur noch ein Viertel mehr an Kandidaten auf der Liste stehen, als tatsächlich gewählt werden dürfen.

Wenn die Ernte groß ist und Arbeiter fehlen, gibt Jesus den Rat (Matthäus­ 9, 38):

38 Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.

Heute, am Feiertag aller Heiligen, der übrigens auch im Festkalender der evangelischen Kirche steht, erinnere ich daran, wie hoch in der Bibel alle Mitglieder des Volkes Gottes geschätzt werden, schon des Volkes Israel im Alten Te­stament und auch der Gemeinde Jesu Chri­sti aus Juden und Heiden im Neuen Testament.

In seinem Brief an die Gemeinde in Philippi beginnt der Apostel Paulus mit folgendem Gruß (Philipper 1):

1 Paulus und Timotheus, Knechte Christi Jesu, an alle Heiligen in Christus Jesus in Philippi samt den Bischöfen und Diakonen:

2 Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

3 Ich danke meinem Gott, sooft ich euer gedenke…,

5 für eure Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tage an bis heute;

6 und ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu.

Würde Paulus uns anreden, dann würde er uns genau so ansprechen: „An alle Heiligen im Messias Jesus, die im Norden der Stadt Gießen sind“. Wir stellen uns unter Heiligen herausragende Persönlichkeiten mit außergewöhnlichen moralischen oder sogar wunderbaren Fähigkeiten vor. Damit hat sicherlich die jahrhundertelange Praxis der Heiligsprechung besonderer Personen durch die römisch-katholische Kirche zu tun. Paulus jedoch denkt schlicht an Glieder am heiligen Leib Christi: an Menschen, die sich von Gott angesprochen wissen und Gott an sich arbeiten lassen:

6 Ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu.

Im Alten Testament hatte bereits Mose sein Volk Israel als ein Volk der Heiligen bezeichnet, als er es am Berg Sinai segnete.

Im 5. Buch Mose 33, 1-3, heißt es:

1 Dies ist der Segen, mit dem Mose, der Mann Gottes, die Israeliten vor seinem Tode segnete.

2 Er sprach: Der HERR ist vom Sinai gekommen…; in seiner Rechten ist ein feuriges Gesetz für sie.

3 Wie hat er sein Volk so lieb! Alle Heiligen sind in deiner Hand. Sie werden sich setzen zu deinen Füßen und werden lernen von deinen Worten.

Das ganze Volk Israel wird hier heilig genannt, nicht weil sie außerordentlich gute Menschen sind, sondern weil sie in Gottes Hand sind. Und wer ist und bleibt in Gottes Hand? Menschen, die sich zu Gottes Füßen setzen und von seinen Worten lernen, so wie wir es zum Beispiel in Gottesdiensten und Bibelabenden tun.

Die Energie, die wir in unseren Gemeinden zu bündeln versuchen, kommt also nicht aus übermenschlichen Anstrengungen einzelner Ehrenamtlicher und Professioneller, die sich über ihre Kräfte hinaus einsetzen, sondern sie kommt aus dem Hören auf das, was Gott uns schenkt: in seinem Zuspruch für uns und auch in seinem Anspruch an uns.

Gott fordert uns heraus, er überfordert uns aber nicht, sondern wir sind in seiner Hand: getragen, geborgen, angestoßen, um etwas zu bewegen. Amen.

Lied 253, 1+3+4: Ich glaube, dass die Heiligen im Geist Gemeinschaft haben

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