Bild: Pixabay

Gelassenheit und Humor trotz schwerer Zeiten

„Au“, ruft Petrus. Wer hat ihn getreten? Der Soldat links schnarcht. Der Soldat rechts schlummert selig. „Steh schnell auf!“ Er hebt die Arme. Hoppla, das geht ja! Die Ketten fallen von seinen Händen. Wer spricht da eigentlich? „Zieh dich an, vergiss den Gürtel nicht!“ Wie eine Mama, die ihr verschlafenes Schulkind weckt.

Petrus wird von einem Engel im Gefängnis an die Seite gestoßen
So stellt sich ein Maler die Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis vor (Bild: Freddy AmendPixabay)

#predigtTaufgottesdienst am 16. Sonntag nach Trinitatis, den 8. Oktober 2000, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße Sie und Euch herzlich mit dem Wochenspruch aus 2. Timotheus 1, 10:

Christus Jesus [hat] dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium.

Das ist ein starkes Wort: Der Tod hat keine Macht mehr. Denn in Jesus lebt und stirbt die Liebe Gottes, und sie steht auf vom Tod.

In Jesu Namen taufen wir heute ein kleines Mädchen. Wir freuen uns, dass sie hier ist mit ihren Eltern, Paten und anderen Verwandten!

Wir werden hören: Getauft sein heißt: Von Gott geliebt sein. Getauft sein heißt: Mir wird nichts mangeln.

Lied 620: Gottes Liebe ist wie die Sonne
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Wir taufen heute ein Kind. Wir wissen: Nicht erst dann wird dieses Kind ein Kind Gottes. Nicht erst dann hat Gott das Kind lieb. Nein, es ist Gottes Kind, von ihm geliebt, schon ehe es geboren ist. Alle Menschen hat Gott geschaffen nach seinem Bild. Wir alle sind seine Kinder. Darum preisen und loben wir Gott:

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Zweifel tauchen auf. Wir sollen nach Gottes Bild geschaffen sein? Wir – ein Spiegel, in dem Gott sich selbst erkennen könnte? Dann müsste sich in unserem Verhalten Gottes Liebe widerspiegeln.

Doch an Vertrauen und Mut zur Liebe mangelt es uns oft. Darum bitten wir Gott um Vergebung:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Wir taufen heute ein Kind. Wir setzen damit ein heiliges Zeichen. Ohne Wasser würden wir verdursten – ohne Gottes Liebe können wir nicht leben. Ohne Wasser blieben wir schmutzig – ohne Gottes Vergebung werden wir nicht frei von Schuld. Wie ein Fisch im Wasser lebt schon jedes Kind in Gottes Liebe und von Gottes Liebe.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Guter Gott, wir wollen uns den Fragen der Kinder stellen, wir wollen den eigenen Zweifeln nicht ausweichen, wir wollen ernsthaft danach fragen, was in der Welt gilt. Hilf uns dabei, Gott! Es liegt mit an uns, ob unsere Kinder später einmal Ja zu ihrer Taufe sagen können – Ja zu dem Gott, der uns liebt. Schenk uns das Vertrauen zu dir! Lass uns Vorbilder sein für unsere Kinder! Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Lesung zur Taufe aus dem Evangelium nach Matthäus 28, 16-20:

16 Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte.

17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten.

18 Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.

19 Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes

20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja.“

Ein Kind zu taufen macht Sinn, wenn wir als Eltern und Paten an die Taufe glauben. Wenn wir die Erinnerung daran wach halten: Du bist getauft, du bist von Gott geliebt, du bist uns von Gott anvertraut.

Unser Glaube ist heute gefragt – Glaube, der nicht größer sein muss als ein Senfkorn. Jeder von uns glaubt ein bisschen anders. Gemeinsam bekennen wir unseren christlichen Glauben in den alten Worten und Bildern des Apostolischen Glaubensbekenntnisses. Wir sprechen es jetzt stellvertretend auch für … :

Glaubensbekenntnis
Lied 211: Gott, der du alles Leben schufst

Liebe Familie …, liebe Paten, liebe Gemeinde! Wer Verantwortung für ein Kind trägt, wer das bewusst tut, der fragt sich immer wieder einmal: Kann ich dem Kind auch genug geben? Mache ich alles richtig? Dann wälzt man vielleicht Elternzeitschriften, wie wir das früher getan haben, man hört diese und jene Ratschläge, und am Schluss macht man es dann doch so, wie man es selber gut und richtig findet.

Kann ich dem Kind genug geben? Was ist eigentlich „genug“? Wir sprachen davon im Taufgespräch: „genug haben“ heißt nicht „alles haben“. Wer alles haben will, hat nie genug. Wer zu viel hat, ist oft weniger zufrieden. Ein kleines Kind im Kinderzimmer mit mehr als zehn Spielsachen um sich herum ist in der Regel überfordert mit der Auswahl. So viele schöne Sachen! Aber womit fange ich an zu spielen? Mit dem Puzzle? Aber das dauert ja so lange! Dann kann ich ja nicht mehr mit den Pokemons spielen. Und die muss ich alle haben, ich habe ja erst fünfzig! Oder nehme ich die Teletubbies? Ach nein, die sind für kleine Kinder, weg damit! So schwer das ist, Eltern müssen oft auswählen, Grenzen setzen, Geschrei aushalten, wenn das Kind nicht alles kriegt, was das Nachbarskind hat. Gut, wenn Kinder lernen: Glück besteht nicht darin, dass man alles hat.

In der Bibel steht ein wunderbarer Spruch, der davon handelt, dass wir genug haben können, jeder Mensch. Wir haben ihn als Taufspruch für … ausgewählt (Psalm 23, 1):

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

Wenn der Herr für mich sorgt, der einzige, der diesen Namen verdient, der Herr im Himmel, der uns etwas zu sagen hat, der anders ist als viele andere Chefs, der Gott mit dem liebevollen Gesicht, dann fehlt mir nichts. Dann leide ich keinen Mangel.

Zu einem Egoisten werde ich paradoxerweise, wenn ich mich als mangelhaft erlebe, wenn ich mich im Grunde selber nicht leiden kann. Dann gönne ich keinem etwas, nehme mir, was mir nicht zusteht, kann nicht teilen. Ich bin mit meinem Ich nicht zufrieden und weiß gar nicht, wie liebenswert ich bin.

Der Herr ist mein Hirte. Das heißt: Ich habe nicht immer alles, was ich mir wünsche, doch ich bin geliebt. Ich habe einen, auf den ich mich verlassen kann. Ich bin nicht erst jemand, wenn ich bestimmte Dinge habe, sondern ich bin wertvoll, weil ich ein Mensch bin.

Mir wird nichts mangeln! Wenn mir nichts mangelt, lasse ich es auch meinen Kindern an nichts fehlen. Die besten Eltern sind die, die es gelernt haben, gut für sich sorgen, die wirklich zufrieden sind, die ihre Probleme miteinander lösen und Hilfe suchen, wo sie sie brauchen – vielleicht auch mal bei den Paten ihrer Kinder.

Eltern und Paten, die wissen, worauf es ankommt, sind auch konfliktfähig, müssen nicht dem neuesten Trend hinterherlaufen und lassen sich nicht von ihren Kindern erpressen, wenn sie sagen: „Ich hasse euch, wenn ich nicht die teuren Markenklamotten und mindestens alle 150 Pokemons kriege!“

Ich wünsche Ihnen in der Erziehung von …, dass Sie spüren, was Ihnen als Erwachsenen gut tut. Dann sind Sie als Eltern und Paten stark genug, um auch ihr zu geben, was sie braucht.

In diesem Sinne frage ich Sie nun, liebe Eltern und liebe Paten: Sie haben gewünscht, dass dieses Mädchen auf den Namen Jesu getauft werden soll. Sind Sie bereit, … auf ihrem Weg in der christlichen Gemeinde zu begleiten und sie im Geist der Liebe Jesu Christi zu erziehen, so bestätigen Sie es mit Ihrem Ja!

Taufe
Lied 574: Segne dieses Kind und hilf uns, ihm zu helfen
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Lieben lernen heißt Liebe erleben: In der Familie, als Kind, als Partner, als Vater, als Mutter. Unter Freunden, in der Gemeinde, unter Menschen, die einander beistehen, aushalten, tragen. Aber es gibt Zeiten, in denen es schwerfällt, an Liebe zu glauben. Wenn Synagogen zu Zielen von Brandanschlägen werden. Wenn in Palästina ein neuer Krieg auszubrechen droht. Wenn Menschen verzweifeln und nicht mehr leben können und wollen.

Herr Stomps und ich erzählen Ihnen eine Geschichte aus einer Zeit, in der es auch schwerfiel, an Liebe zu glauben. Er liest den Text aus der Apostelgeschichte 12, und ich erzähle nach, was Petrus, der Felsenapostel, über Gottes Liebe lernt.

Schauplatz ist Jerusalem, zehn Jahre ist es her, seit Jesus hier von Pilatus verurteilt und hingerichtet worden ist. Inzwischen wächst in Jerusalem die christliche Gemeinde, doch vieles ist noch wie vor zehn Jahren.

1 Um diese Zeit legte der König Herodes Hand an einige von der Gemeinde, sie zu misshandeln.

2 Er tötete aber Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert.

Seit der bekehrte Paulus aufgehört hat, die christliche Gemeinde zu verfolgen, hat die Gemeinde Ruhe gehabt vor Römern und Juden. Das ändert sich, als Herodes Agrippa König über ganz Palästina wird. Er hat in Rom jahrelang ein flottes Leben geführt, mit Liebesaffären, riskanten Geschäften und unendlichen Schulden. Als Freund des Kaisers Caligula kriegt er die Macht in Palästina. Und er schielt nach Stimmungen im Volk. Er sieht, dass es Juden gibt, die seine Aktionen gegen die stärker werdende Christengemeinde gutheißen. Pharisäer und Priester haben ja schon vor zehn Jahren Angst gehabt, Jesus könnte ihnen ihre Macht wegnehmen. Sie lehnen auch die Nachfolger Jesu ab und halten die Christen für eine gefährliche Sekte – die machen nur Aufruhr. Also gut, denkt Herodes, ich tue ihnen den Gefallen und räume unter den Christen auf meine Weise auf. Er verhaftet, foltert, misshandelt viele. Jakobus, den Zwillingsbruder des Johannes, tötet er sogar.

3 Und als er sah, dass es den Juden gefiel, fuhr er fort und nahm auch Petrus gefangen. Es waren aber eben die Tage der Ungesäuerten Brote.

Brote ohne Sauerteig, die gab es beim Passah. Vor zehn Jahren an diesem Fest hat Jesus das Abendmahl eingesetzt: „Das ist mein Leib, der zerstört wird. Das ist mein Blut, das vergossen wird.“ Vor zehn Jahren hat Petrus, der Fels, Jesus verleugnet – als Auferstandener hat Jesus ihm vergeben. Seitdem leitet er die Gemeinde in Jerusalem. Doch eine Jubiläumsfeier der Auferstehung Jesu nach zehn Jahren gibt es nicht, denn wie sein Herr damals wird Petrus gefangen genommen.

Petrus scheint in der Tat das gleiche Schicksal bevorzustehen wie Jesus, so massiv schildert Lukas die Sicherungsvorkehrungen, die Herodes treffen lässt.

4 Als er ihn nun ergriffen hatte, warf er ihn ins Gefängnis und überantwortete ihn vier Wachen von je vier Soldaten, ihn zu bewachen. Denn er gedachte, ihn nach dem Fest vor das Volk zu stellen.

Der skrupellose König will sicher gehen, dass er Petrus dem Volk nach den Feiertagen in einem Schauprozess vorführen kann, wie es vor zehn Jahren Pilatus getan hatte. Würden sie wieder schreien: „Kreuzige ihn?“

Wie schwer fällt es in einer solchen Zeit, an die Liebe zu glauben? Wie reagieren die Christen damals darauf, dass wieder ein grausamer Herrscher Menschen quält und tötet? Kann Gott die Christen nicht besser vor allem Übel behüten?

5 So wurde nun Petrus im Gefängnis festgehalten; aber die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott.

Das ist anders als damals in der Geschichte Jesu. Damals hat niemand für Jesus gebetet. Damals ist er allein gewesen im Garten Gethsemane mit den Schweißtropfen der Angst, während die Jünger geschlafen haben. Inzwischen hat die Gemeinde hinzugelernt. Dies ist eine schwere Nacht – aber keine Nacht ohne Gott. Dies ist eine Nacht der Angst – aber auch eine Nacht des Betens, also keine Nacht der Verzweiflung.

Und Petrus? Wie erlebt er diese Nacht?

6 Und in jener Nacht, als ihn Herodes vorführen lassen wollte, schlief Petrus zwischen zwei Soldaten, mit zwei Ketten gefesselt, und die Wachen vor der Tür bewachten das Gefängnis.

Petrus liegt im Gefängnis, in einem feuchten, dunklen Loch, mit Ketten gefesselt, umgeben von Ratten und Ungeziefer. Neben ihm schlafen zwei Soldaten, einer links, einer rechts. Vor der Tür stehen noch einmal zwei Wachsoldaten. Die lassen keinen durch.

Was tut Petrus? Fürchtet er sich? Schmiedet er Befreiungspläne? Macht er sich Gedanken darüber, was mit ihm geschehen wird? Tut er irgendetwas Heldenhaftes? Nein. Er betet auch nicht, er singt keine Lieder, wie es später einmal Paulus und Silas im Gefängnis tun. Er schläft ganz einfach. Er schläft, so wie damals, als Jesus ihn im Garten Gethsemane so nötig gebraucht hätte. Oder wie Jesus im Boot, als der Sturm getobt hat. Während die Gemeinde wach bleibt, schläft Petrus friedlich. Gott hat ihn mit gesundem Schlaf gesegnet.

So wird ein altes Wort der Bibel wahr (Psalm 127, 2):

Seinen Freunden gibt er es im Schlaf.

Und was Gott dem Petrus gibt, wie er ihm hilft in dieser Nacht, das ist unglaublich. Lukas beschreibt es mit dem wunderbarsten Bild, das er kennt (Apostelgeschichte 12):

7 Und siehe, der Engel des Herrn kam herein, und Licht leuchtete auf in dem Raum.

Genau so leuchtet an Weihnachten um den Engel des Herrn Gottes Klarheit, als er den Hirten Freude und Frieden verkündet (Lukas 2, 9). Auch als Jesus in Gethsemane mit seiner Todesangst ringt, weiß Lukas von einem Engel zu erzählen, der Jesus Kraft gibt (Lukas 22, 43).

Wie reagiert man, wenn einem ein Engel begegnet?

Die Hirten auf dem Weihnachtsfeld erschrecken so sehr, dass der Engel sagen muss (Lukas 2, 10):

Fürchtet euch nicht!

Jesus kurz vor seinem Tod nimmt einfach die Stärkung durch den Engel an, indem er noch heftiger beten kann (Lukas 22, 44).

Und Petrus? Er verschläft beinahe seine eigene Rettung. Ich finde es ausgesprochen witzig, wie viel Mühe sich sein Engel mit ihm geben muss:

Und er stieß Petrus in die Seite und weckte ihn und sprach: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen.

8 Und der Engel sprach zu ihm: Gürte dich und zieh deine Schuhe an! Und er tat es. Und er sprach zu ihm: Wirf deinen Mantel um und folge mir!

9 Und er ging hinaus und folgte ihm und wusste nicht, dass ihm das wahrhaftig geschehe durch den Engel, sondern meinte, eine Erscheinung zu sehen.

10 Sie gingen aber durch die erste und zweite Wache und kamen zu dem eisernen Tor, das zur Stadt führt; das tat sich ihnen von selber auf. Und sie traten hinaus und gingen eine Straße weit, und alsbald verließ ihn der Engel.

Was da in der finsteren Gefängniszelle aufstrahlt, ist Hoffnung für Petrus, an die er in dieser Form überhaupt nicht glaubt. Licht von Gott kann in unserem Leben auftauchen, ohne dass wir es gleich bemerken. „Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele, auch durch die Nacht.“ In der harten Wirklichkeit der Tatsachen hat da kein Licht gebrannt, das in Kilowattstunden zu messen wäre. Wer wäre auch so blöd, so eine nächtliche Befreiungsaktion im hellsten Scheinwerferlicht durchzuführen? Hier leuchtet kein Licht, das die Soldaten aufwecken könnte. Dem Petrus soll ein Licht aufgehen, wieder mal: He, Petrus, wach auf, du bist nicht verloren! Aber nicht einmal Petrus sieht etwas, auch die Augen seiner Seele schlafen noch.

Da ist es Petrus, als ob er einen Tritt in die Seite bekommt. „Au“, ruft er und blickt sich mit verschlafenen Augen um. Der Soldat links schnarcht mit offenem Mund. Der Soldat rechts schlummert mit seligem Gesichtsausdruck. Ich träume wohl, denkt Petrus. „Steh schnell auf!“ hört er eine Stimme. So ein Blödsinn. Ich bin doch angekettet. Schön wär’s. Aber trotzdem, spaßeshalber versucht er’s einmal. Er hebt die Arme. Hoppla, das geht ja! Die Ketten fallen von seinen Händen. Hat da jemand die Ketten nicht richtig geschlossen? Und wer spricht da eigentlich die ganze Zeit mit ihm? Da, schon wieder: „Zieh dich an, auch deine Schuhe, vergiss den Gürtel nicht!“ Wie eine Mama, die ihrem verschlafenen Schulkind morgens Anweisungen gibt, damit es nichts vergisst. Petrus gehorcht wie im Tran, und als die Stimme sagt: „Wirf deinen Mantel um und folge mir!“, folgt er wie ein Schlafwandler. Das ist alles nicht wahr. Ich sehe da Licht und einen Engel, der sagt mir Sachen, die ich tun soll, aber gleich löst sich sicher alles in Luft auf. Das muss ein Traum sein, eine Erscheinung. Wie im Schlaf geht er zwischen den beiden Soldaten durch, an die er angekettet gewesen ist, durch die Tür, auch die beiden anderen Wachsoldaten halten ihn nicht zurück. Schlafen denn alle? Das eiserne Tor, das zur Stadt führt, geht von selber auf, wie fernbedient, gibt es automatische Türöffnung schon im Altertum?

Erst an der nächsten Straßenecke ist der Engel weg, Petrus plötzlich allein.

11 Und als Petrus zu sich gekommen war, sprach er: Nun weiß ich wahrhaftig, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich aus der Hand des Herodes errettet hat und von allem, was das jüdische Volk erwartete.

Jetzt endlich ist Petrus hellwach und klar im Kopf. Ich träume nicht, denkt er. Ich bin frei. Wie das zugegangen ist, weiß ich nicht. Aber da hat Gott seine Hand im Spiel. Sein Engel hat mich gerettet. Noch soll ich nicht das gleiche Schicksal wie mein Herr Jesus erleiden. Petrus wäre bereit gewesen zu sterben – anders noch als damals, als er für Jesus mit dem Schwert kämpfen wollte. Er hat sich wie Jesus kampflos gefangennehmen lassen, hätte öffentlich abgeurteilt werden können. Doch jetzt begreift er: Gott hat noch mehr mit ihm vor, noch soll er kein Märtyrer sein wie sein Freund Jakobus. So lernt Petrus, in schwerer Zeit unbeirrt an Gottes Liebe zu glauben.

Und wir lernen in dieser Geschichte auch ein Stück vom Humor Gottes kennen. Einige Mitglieder unserer Gemeinde, die viel Schweres in ihrem Leben durchzustehen hatten, sagten mir in den letzten Tagen: „Aber trotz allem habe ich nie meinen Humor verloren. Und dafür bin ich dankbar.“ Lukas erzählt uns zum Abschluss der Befreiungsgeschichte des Petrus noch eine kleine heitere Episode: Bevor er untertauchen und sich vor weiterer Verfolgung durch Herodes verstecken will, läuft er noch schnell zum Geheimtreff seiner christlichen Freunde.

13 Als er aber an das Hoftor klopfte, kam eine Magd mit Namen Rhode, um zu hören, wer da wäre.

14 Und als sie die Stimme des Petrus erkannte, tat sie vor Freude das Tor nicht auf, lief hinein und verkündete, Petrus stünde vor dem Tor.

15 Sie aber sprachen zu ihr: Du bist von Sinnen. Doch sie bestand darauf, es wäre so. Da sprachen sie: Es ist sein Engel.

Ist das nicht lustig? Ketten lösen sich von selber, Gefängnistüren gehen auf – aber die Tür der Freunde bleibt vor Petrus verschlossen, weil die liebenswerte Dienerin, die auf deutsch „Röschen“ heißt, vor lauter Aufregung vergisst, ihm aufzumachen. Und die anderen Christen bekleckern sich auch nicht mit Ruhm: Sie halten die Rettung des Petrus trotz ihrer Gebete für unmöglich und wollen ihn draußen stehenlassen! Lieber wollen sie glauben, dass ein Engel vor der Tür steht als der leibhaftige Petrus.

So menschlich geht es zu in der christlichen Gemeinde, schon damals. So menschlich darf es auch bei uns zugehen. Der eine glaubt mehr, der andere weniger. Der eine hat mehr Mut, der andere weniger. Aber die Hauptsache ist, dass wir die Liebe nicht verlieren. Und ich glaube, wer sich geliebt weiß, der kann sich und die Welt auch mit Humor betrachten, trotz allem. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 305: Singt das Lied der Freude über Gott!
Abkündigungen

Gott, wir bitten dich für das Kind, das wir getauft haben – begleite es mit deiner Liebe. Wir bitten dich für Eltern und Paten – gib ihnen Mut und Kraft, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Wir bitten dich für Menschen, die am Leben verzweifeln – zeige ihnen die andere Seite des Lebens: was am Leben lebenswert ist und alle Anstrengungen lohnt. Wir bitten dich für Israelis und Araber in Palästina – lass Vernunft einkehren und bewege Menschen zur Umkehr, damit es nicht zu einem neuen Krieg kommt. Wir bitten dich für die Menschen in Serbien – dass endlich Frieden einkehrt in diesem Land. Insbesondere bitten wir dich heute für ein verstorbenes Mitglied unserer Gemeinde, für Herrn …, der im Alter von … Jahren gestorben ist – du nimmst ihn auf in deine ewige Liebe. Wir bitten für seine Familie, dass sie Trost und Beistand finden und im Laufe der Zeit bewältigen können, was unerträglich scheint. Gott, wir bitten dich für uns alle: lass uns nie aufhören, an deine Liebe zu glauben. Amen.

In der Stille bringen wir vor dich, Gott, was wir außerdem auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser
Lied 590: Herr, wir bitten: Komm und segne uns

Mit Gottes Segen gehen wir in diesen Sonntag und in die kommende Woche. Wer möchte, kann gleich noch ein wenig im Gemeindesaal verweilen und bei Kaffee oder Tee mit anderen ins Gespräch kommen.

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken des Kommentars stimmen Sie seiner Veröffentlichung zu (siehe Datenschutzerklärung). Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.