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Empfang für Jesus Christus

Im Adventslied „Wie soll ich dich empfangen“ nimmt der Liederdichter Paul Gerhardt ein ganzes Heer von belasteten Menschen in den Blick. Sie dürfen es sich ins Herz schreiben, dass sie nicht verzagen, ihre Hoffnung nicht aufgeben müssen. Hilfe steht vor der Tür, Jesus ist schon da und kann ihre Herzen trösten und laben, sie erfrischen und ihnen neue Stärke geben.

Eine Weihnachtskugel, wie ein Herz geformt, mit funkelnden Sternen
Was im Advent zu uns kommt, hat mit unserem Herzen zu tun (Bild: Gerd AltmannPixabay)
direkt-predigtGottesdienst am 2. Adventssonntag, 8. Dezember 2013, 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße alle herzlich am 2. Advent zum Gottesdienst in der Pauluskirche mit dem Wort zur kommenden Woche aus dem Evangelium nach Lukas 21, 28:

Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!

Mit erhobenem Kopf dürfen wir in der Adventszeit dem Weihnachtsfest entgegensehen, denn wir feiern die Geburt von Jesus, der als der Messias des Volkes Israel der ganzen Welt und so auch uns Frieden und Erlösung nahe gebracht hat. Indem wir auf Weihnachten warten, machen wir uns bewusst, dass wir im Vertrauen auf Jesus Christus jederzeit die Hilfe Gottes zu erwarten haben.

Wir singen das Lied Nr. 6:

1. Ihr lieben Christen, freut euch nun, bald wird erscheinen Gottes Sohn, der unser Bruder worden ist, das ist der lieb Herr Jesus Christ.

2. Der Jüngste Tag ist nun nicht fern. Komm, Jesu Christe, lieber Herr! Kein Tag vergeht, wir warten dein und wollten gern bald bei dir sein.

3. Du treuer Heiland Jesu Christ, dieweil die Zeit erfüllet ist, die uns verkündet Daniel, so komm, lieber Immanuel.

4. Der Teufel brächt uns gern zu Fall und wollt uns gern verschlingen all; er tracht‘ nach Leib, Seel, Gut und Ehr. Herr Christ, dem alten Drachen wehr.

5. Ach lieber Herr, eil zum Gericht! Lass sehn dein herrlich Angesicht, das Wesen der Dreifaltigkeit. Das helf uns Gott in Ewigkeit.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Wir feiern Advent, das heißt auf Deutsch „Ankunft“. Wir erwarten das Kommen Jesu in die Welt, die Geburt des Christkindes.

Nun ist ja Jesus schon geboren. Eigentlich ist nichts Neues zu erwarten, denn er hat ja schon gelebt, er ist sogar schon gestorben, auferstanden, von Gott in den Himmel aufgenommen worden. Wieso warten wir trotzdem auf ihn?

Weil wir es nötig haben, dass er mit seiner Liebe, seinem Frieden immer wieder neu zu uns in unser Leben kommt.

Kommt, lasst uns ihn anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Der Advent, diese Wartezeit auf Weihnachten, dient der Besinnung darauf, was Weihnachten eigentlich bedeutet. Nötiger als je ist heute eine solche Zeit; immerhin ist vielen Menschen nicht mehr bewusst, dass Weihnachten mehr ist als ein sentimentales Fest der Sehnsucht nach Harmonie und Frieden, die dann doch in der Regel eher enttäuscht als erfüllt wird, wenn man es nicht schafft, die Konflikte zu lösen, die dem Frieden entgegenstehen.

Allerdings ist auch der Sinn der Adventszeit kaum noch einem Menschen bewusst. Aus der Vorbereitungszeit auf Weihnachten ist eine immer ausgedehntere Zeit geworden, in der man weihnachtliche Gebräuche inszeniert, Weihnachtsfeiern absolviert, Lebkuchen isst und Geschenke kauft bzw. verkauft.

Hilf uns, dass wir den wahren Sinn der Adventszeit und des Weihnachtsfestes erkennen. Wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Wir beten mit Worten aus Psalm 80:

2 Du Hirte Israels, höre, der du Josef hütest wie Schafe! Erscheine, der du thronst über den Cherubim,

3 vor Ephraim, Benjamin und Manasse! Erwecke deine Kraft und komm uns zu Hilfe!

19 So wollen wir nicht von dir weichen. Lass uns leben, so wollen wir deinen Namen anrufen.

20 Herr, Gott Zebaoth, tröste uns wieder; lass leuchten dein Antlitz, so genesen wir.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist gross Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Guter Gott, der du ein Hirte für alle Stämme Israels bist und durch Christus auch für die Völker der Welt, schaue in unsere Herzen und prüfe uns, ob wir uns nach dem sehnen, was du uns schenken willst und kannst: nach Frieden, nach Liebe, nach Gerechtigkeit. Wir nennen dich den Herrn Zebaoth, den Herrn der Heerscharen, also den Herrn aller Engelmächte, die den Hirten auf dem Feld von Bethlehem die Geburt deines Sohnes und Frieden auf Erden verkündet haben. Lass uns begreifen, was es bedeutet, wenn dein Antlitz über uns leuchtet, wenn deine Liebe in einem Menschenkind Fleisch und Blut annimmt. Darum bitten wir dich Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören aus dem Buch Daniel 7 die Worte der Vorausschau auf das Kommen des Menschensohnes, eines Herrschers, der anders ist als die Bestien in Menschengestalt, die die Völker der Welt terrorisieren:

13 Ich sah in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem, der uralt war, und wurde vor ihn gebracht.

14 Der gab ihm Macht, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker und Leute aus so vielen verschiedenen Sprachen dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende.

27 Aber das Reich und die Macht und die Gewalt über die Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden, dessen Reich ewig ist, und alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis

Vor der Predigt singen wir das Lied 12:

1. Gott sei Dank durch alle Welt, der sein Wort beständig hält und der Sünder Trost und Rat zu uns hergesendet hat.

2. Was der alten Väter Schar höchster Wunsch und Sehnen war und was sie geprophezeit, ist erfüllt in Herrlichkeit.

3. Zions Hilf und Abrams Lohn, Jakobs Heil, der Jungfrau Sohn, der wohl zweigestammte Held hat sich treulich eingestellt.

4. Sei willkommen, o mein Heil! Dir Hosianna, o mein Teil! Richte du auch eine Bahn dir in meinem Herzen an.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, nun versuche ich, mit einem 360 Jahre alten Adventslied von Paul Gerhardt aus dem Jahr 1653, zu dem Johann Crüger im selben Jahr die Melodie komponiert hat, dem Sinn der Adventszeit noch eingehender auf die Spur zu kommen. Es ist das Lied Nr. 11 im Evangelischen Gesangbuch, und ich bitte Sie und euch, das Lied aufzuschlagen und den Text mitzuverfolgen.

1. Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir,
o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier?
O Jesu, Jesu, setze mir selbst die Fackel bei,
damit, was dich ergötze, mir kund und wissend sei.

Paul Gerhardt bringt gleich zu Anfang auf den Punkt, worum es im Advent geht: es geht um einen Empfang für Jesus, der zu uns kommen will, und es geht darum, wie wir, wie jeder und jede einzelne von uns, diesen Empfang gestalten können. Es geht um eine persönliche Begegnung, darum spricht Gerhardt in der Ich-Form; zugleich ist ihm bewusst, dass es hier um eine Sehnsucht aller Welt geht. Menschen, Tiere, die ganze Erde sehnen sich nach dem Frieden, der mit Jesus in die Welt kommt. Selbst wenn nicht alle Menschen ausdrücklich nach Jesus verlangen, weil sie das, was er verkörpert, hinter den äußeren Formen der kirchlichen Gemeinschaften nicht zu erkennen vermögen, geht Paul Gerhardt doch davon aus, dass alle Welt auf den Frieden angewiesen ist, den Jesus in die Welt bringt.

Außerdem nennt er Jesus „meiner Seelen Zier“. Also ist Jesus ein Schmuck, der uns innerlich schön macht. Jesus bringt auch dem einzelnen Menschen Frieden, indem er uns sagt: „Gott hat dich lieb! Du bist ein wertvoller Mensch! Du musst dich nicht charakterlich verbiegen oder äußerlich umoperieren lassen, um schön und anerkannt zu sein. Gott nimmt dich an, wie du bist, und traut dir zu, so zu werden, dass du ein Segen für andere Menschen bist.“

Dann folgt ein Gebet an die Adresse Jesu. Er soll uns eine Fackel beisetzen. Das klingt komisch. Was ist eine Fackel? Eine Fackel ist ein Stock, der am oberen Ende mit brennbarem Material umwickelt ist. Vor der Erfindung der Glühbirne war die Fackel ein gebräuchlicher Beleuchtungskörper. Sie ist aber auch ein Symbol und bedeutet, dass uns ein Licht aufgeht. Uns als einzelnen Menschen soll etwas „kund und wissend“ sein, wir sollen eine Kunde, eine Botschaft, hören und in unser eigenes Wissen und Bewusstsein aufnehmen, und diese Kunde besteht in dem, „was dich ergötze“. Wir sollen also verstehen, was Jesus ergötzt, was ihm Spaß und Freude macht. Das ist eine ungewöhnliche Blickrichtung. Normalerweise denken viele bei Weihnachten erst einmal daran, dass sie Geschenke kriegen; und auch wer im Advent bewusst auf Jesu Kommen wartet, wartet auf die Freude, die Jesus bringt. Hier dreht Paul Gerhardt die Fragerichtung um: Womit können wir dem Jesus, der zu uns kommt, eine Freude machen?

2. Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin,
und ich will dir in Psalmen ermuntern meinen Sinn.
Mein Herze soll dir grünen in stetem Lob und Preis
und deinem Namen dienen, so gut es kann und weiß.

Die Antwort auf die in der ersten Strophe gestellte Frage beginnt mit einer Erinnerung an die Geschichte Jesu. Nicht an die Weihnachtsgeschichte selbst, sondern an den Einzug Jesu in Jerusalem, kurz bevor er zum Tode verurteilt wird. Da breitet „dein Zion“, also das jüdische Volk, zu dem Jesus gehört, das sich zum Passafest um den Tempelberg Zion in Jerusalem versammelt, ihm einen grünen Teppich aus Palmzweigen aus, auf dem er feierlich empfangen wird. Jesus ist und bleibt nicht nur die Hoffnung für alle Welt, sondern in besonderer Weise für sein Herkunftsvolk Israel.

Wir können Jesus nicht buchstäblich mit Palmzweigen empfangen, aber wir können Psalmen und andere Lieder singen, um unseren Sinn munter zu machen und uns innerlich auf die Begegnung mit Jesus einzustimmen. Ja, unser Herz selber soll grün werden, in uns soll wie in einem Frühlingsgarten etwas Neues zu wachsen beginnen, indem wir Jesus loben und preisen und nach bestem Wissen und Können seinem Namen dienen. Der Name Jesu ist ja ein ganz besonderer, er kommt vom hebräischen „jeschua“ und bedeutet Hilfe, Rettung oder Befreiung. Das ist im Grunde derselbe Name, den Gott selber im Alten Testament trägt; in Jesus verkörpert sich Gott selbst, der immer schon für sein Volk da war, in einer Weise, dass er nun für alle Welt, auch für uns da ist: er hilft, er rettet, er befreit uns.

3. Was hast du unterlassen zu meinem Trost und Freud,
als Leib und Seele saßen in ihrem größten Leid?
Als mir das Reich genommen, da Fried und Freude lacht,
da bist du, mein Heil, kommen und hast mich froh gemacht.

„Was hast du unterlassen?“ Das ist eine merkwürdige Formulierung. Sollte Jesus etwas vergessen haben zu tun? Nein, es ist eine rhetorische Frage. Jesus ist eben einer, der nichts sein lässt, um uns in großem Leid zu trösten und zu erfreuen. Paul Gerhardt formuliert vielleicht so, weil wir normalerweise ja durchaus überlegen, wie weit wir gehen wollen, wenn jemand auf Hilfe angewiesen ist. Reichen unsere Kräfte aus? Wollen wir uns ausnutzen lassen? Jesu Hilfsbereitschaft kennt keine Grenzen, er interessiert sich für seelisches und körperliches Leid, fühlt sich zuständig für persönliche wie für soziale und politische Probleme. Wenn der Liederdichter das Reich erwähnt, das ihm genommen wurde, mag er an Pestzeiten denken und an den Dreißigjährigen Krieg, der damals gerade fünf Jahre her war; später musste Paul Gerhardt vier seiner fünf Kinder betrauern, die schon früh starben. In unserem Adventslied wird die Hoffnung auf Jesu Hilfe sehr hoch gehängt: Sogar in Zeiten von Krieg und furchtbarer Krankheit, in denen man an Frieden und Freude nicht mehr zu denken wagt, wie heute zum Beispiel in Syrien, hat Paul Gerhardt bereits die Erfahrung gemacht, dass Jesus gekommen und ihn froh gemacht hat. Wie konnte er das tun? Weil er sein Heil ist – weil er von Gott selber kommt, dessen Hilfe stärker ist als alles Unheil, alles Böse, jede Krankheit, jedes Leid.

4. Ich lag in schweren Banden, du kommst und machst mich los;
ich stand in Spott und Schanden, du kommst und machst mich groß
und hebst mich hoch zu Ehren und schenkst mir großes Gut,
das sich nicht lässt verzehren, wie irdisch Reichtum tut.

Jetzt kommt Paul Gerhardt auf eine Befreiung zu sprechen, die sich wohl auf persönliche Schuld, vielleicht auch auf innere Zwänge bezieht. Wer sich unter Druck fühlt, innerlich unfrei ist, wer gefangen ist unter dem Zwang, das Gute tun zu wollen, aber Böses nicht lassen zu können, der darf sich von Jesus Vergebung schenken und frei machen lassen. Ebenso wer gedemütigt und ausgelacht wird, wer gemobbt und niedergemacht wird, der darf erfahren, dass Jesus ihn groß macht und mit einer Ehre und einem Reichtum beschenkt, der nicht weniger wird, wie das bei normalem Reichtum an Geld und an Einflussmöglichkeiten auf dieser Erde der Fall ist. Wir dürfen bei dieser Ehre an die Liebe Gottes denken, die wir geschenkt bekommen; sie vermehrt sich, wenn wir sie weiterverschenken, und verzehrt sich nicht.

5. Nichts, nichts hat dich getrieben zu mir vom Himmelszelt
als das geliebte Lieben, damit du alle Welt
in ihren tausend Plagen und großen Jammerlast,
die kein Mund kann aussagen, so fest umfangen hast.

Hier bestätigt der Liederdichter: der Reichtum, den wir von Jesus zu erwarten haben, ist die Liebe, die Gott selber ist. Denn Jesus kommt vom Himmel, weil er durch Liebe getrieben ist, genauer gesagt, durch ein Lieben, das selber Gegenliebe hervorruft. Ich finde es genial, Gott als das „geliebte Lieben“ zu umschreiben; indem Gott uns liebt, weckt er in uns die Liebe zu dieser Liebe, die er selber ist. Und von dieser Gottesliebe her kommt Jesus, von ihr ist er ganz und gar durchdrungen und kann darum mit ihr auch alle Welt ganz fest umfangen, obwohl diese Welt von tausend Plagen und so viel Lasten erfüllt ist, dass alle menschlichen Münder nicht ausreichen, um sie zu beklagen. Ich stelle mir Jesus wie eine Mutter vor, die die Welt wie ein vor Angst und Schmerz weinendes Kind fest im Arm hält und an sich drückt.

6. Das schreib dir in dein Herze, du hochbetrübtes Heer,
bei denen Gram und Schmerze sich häuft je mehr und mehr;
seid unverzagt, ihr habet die Hilfe vor der Tür;
der eure Herzen labet und tröstet, steht allhier.

Nachdem die erste Hälfte des Liedes so formuliert war, dass unser eigenes Ich Jesus persönlich anredet, ändert sich nun der Blickwinkel. Ein einzelner, vielleicht der Liederdichter, oder auch wir alle als Sänger wenden uns an eine Vielzahl von Menschen, denen wir Mut machen oder ins Gewissen reden. Vielleicht können wir diese folgenden Strophen auch so verstehen, dass wir einander gegenseitig Trost und Mut zusprechen, zusingen. Ein ganzes Heer von belasteten Menschen, die entweder unter anhaltendem Kummer, also Gram, oder unter unerträglichen Schmerzen leiden, steht hier im Blick des Liederdichters. Sie dürfen es sich ins Herz schreiben, dass sie nicht verzagen, ihre Hoffnung nicht aufgeben müssen. Hilfe steht bereits vor der Tür, Jesus ist schon da und kann ihre Herzen trösten und laben, also sie erfrischen und ihnen neue Stärke geben.

7. Ihr dürft euch nicht bemühen noch sorgen Tag und Nacht,
wie ihr ihn wollet ziehen mit eures Armes Macht.
Er kommt, er kommt mit Willen, ist voller Lieb und Lust,
all Angst und Not zu stillen, die ihm an euch bewusst.

Auf die Ermutigung folgt eine Ermahnung: Es ist nicht möglich, Jesus mit eigener Kraft herbeiziehen zu wollen. Das geht genauso wenig, wie das Wachstum der Saat zu beschleunigen, indem wir an den grünen Halmen ziehen. Also nützt es nichts, sich unnötige Sorge und Mühe zu machen; was wir nicht ändern können, sollen wir getrost und gelassen Gottes Händen überlassen. Denn wir dürfen darauf vertrauen, dass Jesus aus freiem Willen zu uns kommt, weil er weiß, wie es um uns steht, und weil er uns liebt und Lust daran hat, unsere Angst zu beruhigen und uns in unseren Problemen zu helfen.

8. Auch dürft ihr nicht erschrecken vor eurer Sünden Schuld;
nein, Jesus will sie decken mit seiner Lieb und Huld.
Er kommt, er kommt den Sündern zu Trost und wahrem Heil,
schafft, dass bei Gottes Kindern verbleib ihr Erb und Teil.

Noch eine Ermahnung: Vor der Schuld, die wir als Folge unserer Sünde, also unseres fehlenden Gottvertrauens, auf uns laden, sollen wir nicht erschrecken wie das Kaninchen vor der Schlange. Wenn wir nämlich praktisch erstarren vor Sünde und Schuld, bleiben wir in beidem gefangen. Jesus kommt auch, um beides zuzudecken mit einer Liebe, die eine Huld ist, also eine Gnade, die von einem Herrscher gewährt wird, in diesem Fall vom obersten Herrn der Welt, von Gott selbst. Dass die Sünde „gedeckt“ und nicht vergeben wird, muss uns nicht irritieren; auch in der Bibel wird die Vergebung von Sünde mit verschiedenen Wörtern umschrieben: „hochheben“, „tragen“ oder eben auch „bedecken“. Gemeinsam ist all diesen Vorstellungen: Sünde und Schuld sind so schwerwiegend, dass nur Gott sie hochheben, wegtragen oder auch wirksam zudecken kann. Wenn wir Menschen das versuchen, kommt meist nur dabei heraus, dass alles doch nicht so schlimm war oder dass wir uns selbst zu rechtfertigen versuchen. Wo Jesus als Gottes Bevollmächtigter Schuld und Sünde zudeckt, da leugnet er nicht, welches Leid durch Schuld angerichtet wird, und er verharmlost nicht den Zustand der Sünde, also eines Lebens ohne Gottvertrauen und echter Liebe. Er deckt zu, was wir an unseren vergangenen Taten nicht ändern können, damit wir die Chance haben, uns im Blick auf unsere Taten in Gegenwart und Zukunft zu ändern.

Genau darin, dass er uns Sündern zutraut, Gutes zu tun, im Gottvertrauen zu leben, Liebe zu üben, Frieden zu schaffen, liegen der Trost und das wahre Heil, die Jesus uns bringen will. Er will, dass wir unser Erbteil, das uns – im Bild gesprochen – als Gottes Kindern zusteht, nicht verlieren, und mit diesem Erbe und Anteil an Gottes himmlischen Gütern ist die Liebe gemeint, von der ja schon in einer früheren Strophe die Rede war.

9. Was fragt ihr nach dem Schreien der Feind und ihrer Tück?
Der Herr wird sie zerstreuen in einem Augenblick.
Er kommt, er kommt, ein König, dem wahrlich alle Feind
auf Erden viel zu wenig zum Widerstande seind.

Nach der Ermahnung im Blick auf den inneren Feind der Sünde folgt eine Ermahnung, auch vor den Feinden in der äußeren Welt nicht allzu viel Furcht zu haben. Wenn Menschen der Kirche Jesu Christi mit Bosheit und Hinterlist begegnen und sie lautstark anfeinden, obwohl oder vielleicht auch gerade weil sie treu auf dem Weg der Nachfolge ihres Herrn Jesus geht, dann darf die Kirche darauf vertrauen, dass Gott selbst diese Feinde besiegen wird. „In einem Augenblick“ heißt es da; offen bleibt, wie lange man in mancher Situation auf diesen Augenblick warten muss. Jedenfalls ist Gott ein König, der stärker ist als alle Feinde auf Erden.

Erwähnen möchte ich bei dieser Strophe allerdings auch, dass es durchaus berechtigte Kritik an der Kirche als Institution geben kann. Wo das Bodenpersonal Gottes sich falsch verhält, wo es nicht im Sinne der Liebe Gottes handelt, da kann es Kritik von außen nicht pauschal als boshafte Feindseligkeit abtun. Wir tun gut daran, uns als Kirche selbstkritisch zu prüfen, wo Vorwürfe, die gegen uns gerichtet werden, möglicherweise nicht einfach Ausdruck einer Kirchenfeindschaft sind, sondern wirklich den Finger auf Fehler unserer Kirche legen.

10. Er kommt zum Weltgerichte: zum Fluch dem, der ihm flucht,
mit Gnad und süßem Lichte dem, der ihn liebt und sucht.
Ach komm, ach komm, o Sonne, und hol uns allzumal
zum ewgen Licht und Wonne in deinen Freudensaal.

Die letzte Strophe blickt nun ganz weit nach vorn, nämlich zum Weltgericht. Dann wird Jesus kommen und über die Menschen ein gerechtes und barmherziges Urteil sprechen. Wer Jesus und die Liebe, die er von Gott zu uns bringt, verachtet und mit Füßen tritt, der erntet die Folgen dieser Haltung, als ob ein Fluch ihn selber trifft. Aber wer die Liebe liebt, wer auf der Suche nach Gott bleibt, der zuvor das „geliebte Lieben“ genannt wurde, der erntet Gnade und süßes Licht. Noch einmal beten wir mit dem Lied, dass Jesus kommt; er ist für uns die Sonne, die uns nach unserem Tod in den Himmel mitnimmt, wo sein Licht der Liebe ewig scheint und ein Glück auf uns wartet, das niemals aufhört.

Komisch, wird jetzt manch einer denken: Warum ist denn im ganzen Adventslied Nr. 11 überhaupt nicht von Weihnachten die Rede? Kein Wort vom Kind in der Krippe, von Maria und Josef, von Hirten und Engeln!

Paul Gerhardt möchte uns mit seinem Lied ins Bewusstsein rufen, warum wir uns an Weihnachten an Jesu Geburt erinnern. Nicht weil Jesus ein so niedliches Kind war und die Umstände seiner Geburt stimmungsvolle Krippenspiele möglich machen. Sondern weil Jesus jeden Tag neu in unser Leben kommen will und am Ende sogar das letzte Wort über unser Leben sprechen wird.

Einen bedrohlichen Ton hat dieses letzte Wort nur dann, wenn wir uns ihm verschließen. Wenn wir ernstnehmen, dass Jesus zu uns kommt, weil er vom „geliebten Lieben“ getrieben ist, also von Gott selber kommt, und uns Liebe und Frieden bringt, dürfen wir Advent feiern, indem wir uns der Liebe und dem Frieden Gottes öffnen. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen das Lied 20:

Das Volk, das noch im Finstern wandelt – bald sieht es Licht, ein großes Licht
Fürbitten, Gebetsstille und Vater unser

Wir singen das Lied 13:

1. Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem! Sieh, dein König kommt zu dir, ja er kommt, der Friedefürst. Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!

2. Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk! Gründe nun dein ewig Reich, Hosianna in der Höh! Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!

3. Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild! Ewig steht dein Friedensthron, du, des ewgen Vaters Kind. Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild!

Abkündigungen

Empfangt Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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