Bild: Pixabay

Neujahr im November

Drei lila leuchtende Weihnachtsbäume stehen oberhalb des Schriftzuges: Happy New Year
Ein neues Kirchenjahr beginnt schon als Auftakt zum Weihnachtsfest (Bild: Pixabay)

Am drittletzten Tag des Monats November ist in diesem Jahr Neujahrstag. Nein, nein, der 1. Januar ist nicht vorverlegt worden. Aber für die Kirche beginnt schon jetzt ein Neues Jahr, am ersten Sonntag in der Zeit des Advent.

Ist es nicht eigentümlich, ausgerechnet in einer so trüben und düsteren Jahreszeit das neue Kirchenjahr starten zu lassen? Warum fängt es nicht im Frühjahr an wie bei den alten Römern, parallel zum neu erwachenden Leben in der Natur? „Alles neu macht der Mai“ – würde dieses Lied nicht auch gut zum Anfang des Jahreskreises der Kirche passen?

Trotz alledem – für die christliche Kirche ist Frühlingszeit sozusagen schon vier Sonntage vor Weihnachten, jedenfalls singen wir in einem alten Adventslied die Strophe: „O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd, dass Berg und Tal grün alles werd. O Erd, herfür dies Blümlein bring, o Heiland, aus der Erden spring.“

Eine ganz besondere Blume ist es, die unsere Mutter Erde da hervorbringt: Ein Mensch, verletzbar wie eine zarte Gartenpflanze, und gerade so der Heiland der Welt – ein Keim der Hoffnung, mit dem der Schöpfer selber sich seiner Schöpfung einpflanzt.

Aber sind das nicht alte, längst angestaubte Geschichten, an die die Kirche sich da jedes Jahr aufs neue erinnert? Und ist es nicht widersinnig, immer wieder die Erwartung der Geburt des Jesuskindes neu zu feiern, die doch vor Hunderten von Jahren bereits geschehen ist? Was gibt es da – außer vielleicht für Kinder – wirklich Neues zu erwarten?

Aus gutem Grund erzählt die Kirche die Geschichten der Bibel immer wieder neu, aber doch angelehnt an eine immer wiederkehrende Struktur. So wie sich die Natur am Geländer der Jahreszeiten entlang entfaltet, braucht auch der Mensch etwas, das ihm im Laufe der Zeit vertraut wird, ihm Halt gibt, um auch gänzlich Neues an sich herankommen und in sich wachsen lassen zu können. Ganz schlicht spricht ein altes weihnachtliches Lied von diesem Halt, der kein Festhalten an sich selber ist, sondern ein Vertrauen auf den, der mich festhält und mir Mut und Orientierung gibt: „Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind, kehrt mit seinem Segen ein in jedes Haus, geht auf allen Wegen mit uns ein und aus, ist auch mir zur Seite, still und unerkannt, dass es treu mich leite an der lieben Hand.“

Und die Geschichten, die im Laufe des Kirchenjahres von diesem Christus Jesus erzählt werden – diesem kindlichsten und zugleich erwachsensten aller Menschen – wenn wir sie in uns selber Wurzeln schlagen und Neues zum Erblühen bringen lassen – dann hat es seinen guten Sinn, jetzt so ein neues Kirchenjahr zu beginnen. Nur dann. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein frohes Neues Kirchenjahr!

Betrachtung für den Evangelischen Pressedienst am 28. November 1993 von Helmut Schütz, Krankenhauspfarrer in Alzey

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken des Kommentars stimmen Sie seiner Veröffentlichung zu (siehe Datenschutzerklärung). Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.