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„Jesus ist das Weizenkorn“

Jesus vergleicht sich mit einem Weizenkorn, das man in die Erde sät. Es muss sterben, damit neue Körner wachsen können. Im übertragenen Sinn bringt Jesu Tod uns viele Früchte, indem er uns nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt seinen Geist schenkt: Vertrauen, Liebe, Hoffnung. Menschen ohne Liebe sind verloren; einer, der wie Jesus aus Liebe sein Leben verliert, schenkt erfülltes Leben.

Weizenkörner
Jesus ist das Weizenkorn (Bild: Klaus BeyerPixabay)
direkt-predigtGottesdienst am Sonntag Lätare, den 10. März 2013, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich grüße alle in der Pauluskirche mit dem Wort zur Woche aus dem Evangelium nach Johannes 12, 24:

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“

Es gab keine Anmeldungen zur Taufe, daher ist dieser Gottesdienst auch kein Taufgottesdienst. Stattdessen werden wir uns intensiv mit der Frage beschäftigen: Warum musste Jesus leiden? Wir werden sehen: Dieses Leiden ist zwar traurig, aber es ist auch ein Grund, um Gott zu loben.

Davon singen wir das erste Lied 586:

1. Herr, der du einst gekommen bist, in Knechtsgestalt zu gehn, des Weise nie gewesen ist, sich selber zu erhöhn:

2. Komm, führe unsre stolze Art in deine Demut ein! Nur wo sich Demut offenbart, kann Gottes Gnade sein.

3. Der du noch in der letzten Nacht, eh dich der Feind gefasst, den Deinen von der Liebe Macht so treu gezeuget hast:

4. Erinnre deine kleine Schar, die sich so leicht entzweit, dass deine letzte Sorge war der Glieder Einigkeit.

5. Drum leit auf deiner Leidensbahn uns selber an der Hand, weil dort nur mit regieren kann, wer hier mit überwand.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Amen.“

Wir beten mit dem Psalm 22, den Jesus betete, bevor er am Kreuz starb. Er steht im Gesangbuch unter der Nr. 709. Lesen Sie bitte die eingerückten Verse:

2 Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.

3 Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.

4 Du aber bist heilig, der du thronst über den Lobgesängen Israels.

5 Unsere Väter hofften auf dich; und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.

6 Zu dir schrien sie und wurden errettet, sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.

12 Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer.

20 Aber du, HERR, sei nicht ferne; meine Stärke, eile, mir zu helfen!

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

In den Klageliedern des Jeremia redet ein Mensch, der sich von Gott im Stich gelassen fühlt (Klagelieder 3):

1 Ich bin der Mann, der Elend sehen muss durch die Rute des Grimmes Gottes.

2 Er hat mich geführt und gehen lassen in die Finsternis und nicht ins Licht.

3 Er hat seine Hand gewendet gegen mich und erhebt sie gegen mich Tag für Tag.

6 Er hat mich in Finsternis versetzt wie die, die längst tot sind.

7 Er hat mich ummauert, dass ich nicht heraus kann, und mich in harte Fesseln gelegt.

8 Und wenn ich auch schreie und rufe, so stopft er sich die Ohren zu vor meinem Gebet.

14 Ich bin ein Hohn für mein ganzes Volk und täglich ihr Spottlied.

17 Meine Seele ist aus dem Frieden vertrieben; ich habe das Gute vergessen.

Der, der so klagen kann, wendet sich dann doch mit einer Bitte an Gott:

19 Gedenke doch, wie ich so elend und verlassen, mit Wermut und Bitterkeit getränkt bin!

Auch wir dürfen mit unseren kleinen und großen Sorgen und Problemen zu Gott beten und rufen:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Weiter heißt es in den Klageliedern des Jeremia:

20 Du wirst ja daran gedenken, denn meine Seele sagt mir’s.

21 Dies nehme ich zu Herzen, darum hoffe ich noch:

22 Die Güte des HERRN ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende,

23 sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist gross Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende.

Der Herr sei mit euch! „Und mit deinem Geist!“

Gott, Vater Jesu Christi, lass uns begreifen, warum Jesus leiden musste, und hilf auch uns, wo wir selber in Nöten sind oder wo andere Menschen unsere Hilfe brauchen. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Evangelium nach Johannes 12, 20-26:

Als Jesus auf einem Fest in Jerusalem war, sprach er zu einigen Griechen, die ihn sehen wollten:

23 Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.

24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

25 Wer sein Leben lieb hat, der wird’s verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird’s erhalten zum ewigen Leben.

26 Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.

Herr, dein Wort ist unseres Fusses Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Amen. „Amen.“

Glaubensbekenntnis

Wir singen das Lied 579:

Das Weizenkorn muss sterben, sonst bleibt es ja allein
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde,

zur Zeit begehen wir im Kirchenjahr die Passionszeit. Sie scheint in unserer Gemeinde recht wenig im Bewusstsein verankert zu sein. Jedenfalls ist der Zuspruch bei den Passionsandachten sehr gering, einmal kam überhaupt niemand. In den sonntäglichen Gottesdiensten in dieser Zeit sind häufig andere Themen als die „Passion Christi“ dran. Selten singen wir einmal ein ganzes Passionslied.

Hat das auch inhaltliche Gründe? Passion bedeutet „Leiden“. In den sieben Wochen vor Ostern denken wir traditionell an den Leidensweg Jesu. Und damit haben viele durchaus Schwierigkeiten. Erstens mit dem Thema „Leiden“ sowieso. Krankheit, körperliche oder seelische Belastungen, Tod und Trauer, das verdrängen wir gerne…

Und dann die Sache mit Jesus. Viele Menschen sehen Jesus gerne als guten Menschen, der anderen geholfen hat, der Wunder tut – an die man im Zweifelsfall dann aber doch eher nicht glaubt. Dass Jesus selber gar nicht als Wundertäter gelten wollte, vergessen die meisten. Er verbot den Leuten sogar, es weiterzuerzählen, wenn er jemandem geholfen hatte. Das sah er nicht als seine eigentliche Bestimmung: der große Guru zu sein, der mit einem Fingerschnipps die Naturgesetze außer Kraft setzt.

Es kam wohl vor, dass Jesus andeutete, er sei der Menschensohn. Dann redete er in der dritten Person von ihm. Den Menschensohn hatte der Prophet Daniel angekündigt. Wenn alle Weltreiche ihre Zeit gehabt haben würden, alle Herrscher, die ihre eigenen und fremde Völker wie Bestien regieren und bis aufs Blut ausbeuten, dann würde ein anderer die Herrschaft übernehmen, der nicht nur wie ein Mensch aussieht, sondern der menschlich regiert: der Menschensohn. Der würde am Ende auf dem Richterstuhl Gottes sitzen und zugleich gerecht und barmherzig über die Menschen urteilen. Jesus konnte sich anscheinend in dieser Rolle sehen; jedenfalls war alles, was er tat und lehrte, von dieser Menschlichkeit geprägt.

Aber die meisten Leute, die Jesus begegneten, fanden zwar schön, was er über Gott und sein Reich, über Gerechtigkeit und Frieden und Barmherzigkeit erzählte. Doch wenn es darum ging, dass sie selber anfangen sollten, in ihrer eigenen Umgebung mit der Barmherzigkeit und mit dem Frieden anzufangen, da hörte ihre Begeisterung schon fast wieder auf. Könnte der Menschensohn nicht lieber noch ein paar mehr Wunder tun? Wenn alle Leute geheilt würden, wenn Jesus sich eine Armee aufbauen würde, um die Römer zu verjagen, wenn er eine Weltherrschaft des Friedens und der Gerechtigkeit aufbauen würde, dann wären doch alle Probleme gelöst!

Auf diese Wünsche geht Jesus nicht ein. Stattdessen weist er seine engsten Vertrauten darauf hin, dass der Menschensohn würde leiden müssen. Man würde ihn gefangennehmen, foltern, quälen, an ein Kreuz schlagen. Das wollen nicht einmal seine Jünger hören, das begreifen sie nicht. Sie wollen lieber gute Plätze in der Regierung des Menschensohnes, rechts und links von ihm. Und Jesus meint: Diese Plätze wollt ihr nicht wirklich – die sind reserviert. Er dachte an die, die man neben ihm kreuzigen würde. Wer Jesus folgt, hat nicht unbedingt Ruhm und Ehre zu erwarten. Erst recht überhören die Jünger übrigens, dass er am dritten Tage vom Tode auferstehen würde. So etwas Unglaubliches lassen sie gar nicht an sich heran, das kann ja nicht wahr sein. Aber auch die Auferstehung bedeutet ja nicht, dass auf einen Schlag alles Leid aus der Welt verschwinden würde. Stattdessen sagt Gott damit Ja zu seinem Sohn, zu seinem Leidensweg. Er sagt: Am Ende dieses Weges steht kein Scheitern.

Aber was sonst? Leiden als Erfolgsstory? Was ist das Geheimnis der Passion Jesu? Um Antworten auf diese Fragen zu suchen, gehe ich jetzt auf den Text des Passionsliedes 78 ein, das wir dann auch nach und nach singen werden.

Hören wir die erste Strophe:

1. Jesu Kreuz, Leiden und Pein, deins Heilands und Herren,
betracht, christliche Gemein, ihm zu Lob und Ehren.
Merk, was er gelitten hat, bis er ist gestorben,
dich von deiner Missetat erlöst, Gnad erworben.

Das Lied fordert uns als christliche Gemeinde auf, Jesu „Kreuz, Leiden und Pein“ genau anzuschauen. Kreuz bezeichnet die konkrete Todesart Jesu. Leiden ist ein allgemeiner Ausdruck dafür, dass es Jesus wie allen Menschen manchmal auch richtig schlecht geht. Und Pein ist ein altes Wort für Schmerzen, die einem von anderen Menschen zugefügt werden: er wird absichtlich gequält, gefoltert.

Es sind die Qualen unseres Heilands und Herrn, also dessen, der uns heil macht in unserer Beziehung zu Gott, zu anderen Menschen und uns selbst, und der uns deswegen etwas zu sagen hat.

Sein Leiden und Sterben hat erlösende Kraft, wir bleiben nicht festgelegt auf unsere Untaten und ungetanen guten Taten, Jesus kauft uns frei von Strafe und Verdammnis und erwirbt uns Gnade: die Chance zu einem erfüllten Leben im Vertrauen auf Gott.

Das ist auch der Grund, weshalb wir Jesus lobpreisen und ehren – mit Liedern wie diesem.

2. Jesus, wahrer Gottessohn auf Erden erschienen,
fing bald in der Jugend an, als ein Knecht zu dienen;
äußert sich der göttlich G’walt und verbarg ihr Wesen,
lebt in menschlicher Gestalt; daher wir genesen.

Dass der wahre Gottessohn Jesus bereits als Jugendlicher Gott gedient hat, wird im Evangelium nur von Lukas an einer einzigen Stelle erwähnt: Im Tempel von Jerusalem saß er bei den Priestern, hörte ihren Lehren zu und beeindruckte sie mit vernünftigen Fragen.

Er ist wahrer Gott, aber „äußert sich der göttlichen Gewalt“, ist ganz und gar Mensch wie wir und tritt nicht äußerlich so auf, wie es der allmächtige Gott tun könnte. Göttliche Gewalt versteckt Jesus in menschlicher Gestalt, damit unser Leben im Vertrauen auf einen menschlichen Gott gesund werden kann.

3. Jesus richtet aus sein Amt an den Menschenkindern,
eh er ward zum Tod verdammt für uns arme Sünder,
lehrt und rüst‘ die Jünger sein, wusch ihn‘ ihre Füße,
setzt das heilig Nachtmahl ein, macht ihn‘ das Kreuz süße.

Bevor die Menschen Jesus regelrecht verdammen zu einem grausamen Tod, hat Jesus ein „Amt auszurichten“, also eine wichtige Aufgabe im Auftrag seines Vaters im Himmel zu erfüllen. Er lehrt und „rüstet“ seine Jüngerinnen und Jünger; ausgerüstet werden sie mit allem, was sie brauchen, um die Botschaft vom menschlichen Gott weitertragen zu können.

Dazu gehören auch zeichenhafte Handlungen: dass er als Herr seiner Jünger ihnen wie ein Sklave die Füße wäscht und das Abendmahl einsetzt, in dem die Gemeinschaft mit dem heiligen Gott und die Verbundenheit derer, die an ihn glauben, deutlich werden soll.

Dass er ihnen das „Kreuz süß“ macht, ist eine krasse Aussage. Wie kann ein Folterinstrument süß sein? Wie kann das Kreuz, das im übertragenen Sinne viele Menschen tragen müssen, wenn sie an Grenzen stoßen, zu wenig Chancen haben, beleidigt oder benachteiligt werden, schlimm erkranken, Gewalt erleiden, wie kann Jesus uns so etwas „versüßen“?

Keineswegs geht es Jesus darum, dass Menschen sich unter jede menschliche Gewalt ducken sollen; auch Gott ist für ihn kein tyrannischer Herr, der uns Menschen demütigen will. Aber es gibt sinnloses Leid und Demütigungen durch Menschen, die gerade deswegen ertragen werden können, weil es nicht Gott ist, der uns dadurch niedermachen will. So wie Gott in Jesus selbst Unrecht erleidet und darin seine göttliche Allmacht der Liebe nicht verliert, so will Gott auch uns in unseren kleinen und großen Problemen und Leiden aufrichten und stark machen. So kann ein „Kreuz“ trotz allem mit einer „Süße“ verbunden sein, weil es nicht das letzte Wort über unser Leben ist.

4. Jesus ging nach Gottes Will in‘ Garten zu beten;
dreimal er da niederfiel in sein‘ großen Nöten,
rief sein‘ lieben Vater an mit betrübtem Herzen,
von ihm blutiger Schweiß rann von Ängsten und Schmerzen.

Hier wird geschildert, wie der konkrete Leidensweg Jesu anfängt. Gott will, dass er diesen Weg geht, nicht weil er ein grausamer Gott wäre, der seinen Sohn quälen will, sondern weil in einer Welt voller grausam handelnder Menschen es im Extremfall keinen anderen Weg gibt, die Menschlichkeit zu bewahren, als dass man sich der Gewalt wehrlos ergibt.

Das ist auch für Jesus ein schwerer Weg: einen regelrechten Kampf ficht er im Gebet mit seinem lieben Vater im Himmel aus. Drei Mal fällt er vor ihm nieder; blutiger Angstschweiß zeigt äußerlich an, welche inneren Nöte sein von dunklen Gedanken erfülltes Herz zerreißen.

5. Jesus da gefangen ward, gebunden geführet
und im Rat beschweret hart und zu Hohn gezieret;
verdeckt, verspott‘ und verspeit, jämmerlich geschlagen,
auch verdammt aus Hass und Neid durch erdicht‘ Anklagen.

Jesus überwindet die Angst, flieht nicht, sondern lässt sich gefesselt abführen.

Im Hohen Rat, der eigentlich Recht sprechen sollte, hat er die volle Härte menschlicher Ungerechtigkeit zu ertragen: aus Hass und Neid verurteilt man ihn auf Grund falscher Anklagen.

Man verkleidet ihn höhnisch als Möchtegernkönig, spuckt ihn an, verbindet ihm die Augen und fragt den blind gemachten Jesus spöttisch: „Wer hat dich geschlagen?“

6. Jesus ward früh dargestellt Pilatus dem Heiden;
ob der wohl sein Unschuld meld’t, dennoch musst er leiden,
ward gegeißelt und verkleid’t, mit Dornen gekrönet,
in seim großen Herzeleid aufs schmählichst gehöhnet.

Am frühen Morgen, noch zu nachtschlafender Zeit, wird Jesus zum Chef der römischen Besatzung geführt, damit der kurzen Prozess mit ihm macht. Die obersten Machthaber seines eigenen jüdischen Volkes haben Jesus verurteilt, dürfen aber keine Todesurteile vollstrecken. Pilatus als nichtjüdischer Machthaber hebt das Urteil nicht auf, obwohl er von der Schuld Jesu nicht überzeugt ist.

Seine Soldaten machen sich einen besonderen Spaß daraus, Jesus als Judenkönig zu verkleiden, ihm mit Stachelpeitschen die Haut aufzureißen und eine Krone aus Dornen in die Stirn zu drücken.

Es sind Juden und Nichtjuden gleichermaßen daran beteiligt, Jesus Schmerz zuzufügen und zu demütigen.

7. Jesus, verurteilt zum Tod, musst sein Kreuz selbst tragen
in großer Ohnmacht und Not, ward daran geschlagen;
hing mehr denn drei ganze Stund‘ in groß Pein und Schmerzen;
bittre Galle schmeckt sein Mund. O Mensch, nimm’s zu Herzen!

Jesus muss den schweren Kreuzbalken zur Hinrichtungsstätte auf Golgatha selber tragen. Dieses Bild von Gottes Sohn in seiner Ohnmacht und Not widerspricht den Bildern, die wir uns vom allmächtigen Gott machen. Welche Folterqual Jesus drei Stunden lang erleiden muss, nachdem man ihn mit großen Nägeln durch Hand- und Fußgelenke ans Kreuz geschlagen hat, wird nur angedeutet, indem an die Gallenflüssigkeit erinnert wird, die man ihm mit einem Schwamm zu trinken gibt, als er vor Durst aufschreit.

Am Schluss werden wir als Menschen angeredet, die sich all das zu Herzen nehmen sollen. Wie macht man das? Sollen wir traurig oder gar depressiv werden, indem wir uns allzu genau vorstellen, was Jesus angetan wurde? Sollen wir ein schlechtes Gewissen kriegen, weil wir indirekt mitschuldig daran sind, dass Jesus leiden muss? Nein, das würde niemandem nützen und nur uns selbst schaden. Das Lied selbst versteht sich ja als Loblied für Gott. Und als Ermutigung, Verantwortung für die Menschen zu übernehmen, die uns brauchen und in denen uns Jesus begegnet.

8. Jesus rief am Kreuze laut: »Ach, ich bin verlassen!
Hab dir doch, mein Gott, vertraut, wollst mich nicht verstoßen.
Gnad dem, der mir Hohn beweist jetzt in meim Elende.
Ich befehl nun meinen Geist dir in deine Hände.«

Diese Strophe fasst drei der Worte zusammen, die Jesus nach den Evangelien am Kreuz ausgesprochen hat.

Er hat mit Psalm 22, 2 zu Gott geschrien (Markus 15, 34):

„Warum hast du mich verlassen?“

Das Lied geht davon aus, dass Jesus den Psalm auch weitergebetet und das Vertrauen zu seinem Vater im Himmel nicht verloren hat.

Den Satz Jesu (Lukas 23, 34):

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“,

nimmt das Lied so auf, dass Jesus denen, die ihn verhöhnen, trotzdem Gnade wünscht.

Und wortwörtlich singen wir Jesu Bitte, dass Gott seinen Geist in seine Hände aufnimmt (Lukas 23, 46):

„Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“

9. Jesus ist das Weizenkorn, das im Tod erstorben
und uns, die wir warn verlorn, das Leben erworben;
bringt viel Frücht zu Gottes Preis, derer wir genießen,
gibt sein‘ Leib zu einer Speis, sein Blut zum Trank süße.

Um seinen Tod zu erklären, vergleicht Jesus sich selbst einmal mit einem Weizenkorn, das man in die Erde sät. Es muss sterben, damit neue Weizenkörner wachsen können.

Im übertragenen Sinn bringt Jesu Tod uns viele Früchte, indem er uns nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt seinen Geist schenkt: Vertrauen, Liebe, Hoffnung.

Menschen ohne Liebe sind verloren; einer, der wie Jesus aus Liebe sein Leben verliert, ist nicht verloren, sondern schenkt uns erfülltes Leben.

Im Abendmahl will Jesus unsere Seele satt machen und uns mit „süßem Trank“ zu einer Gemeinschaft zusammenschließen, die nicht nur miteinander trauern, sondern sich auch miteinander freuen und feiern kann.

10. Jesu, weil du bist erhöht zu ewigen Ehren:
unsern alten Adam töt, den Geist tu ernähren;
zieh uns allesamt zu dir, dass empor wir schweben;
begnad unsers Geists Begier mit deim neuen Leben.

Die letzte Strophe betont noch einmal: Jesu Tod am Kreuz ist für unseren Glauben an Gott keine Katastrophe, im Gegenteil, sie bedeutet eine Erhöhung Jesu „zu ewigen Ehren“. Indem Gott Ja sagt zu seinem Sohn, indem er ihn auferweckt und zu sich in den Himmel holt, sitzt Jesus – bildlich gesprochen – zur Rechten Gottes und hat uns im Namen Gottes etwas zu sagen. Jesus ist eins mit Gott, einig mit Gott in seinem ganzen heiligen Willen zur Liebe, zur Gerechtigkeit und zum Frieden.

Die sich anschließenden Bitten des Liedes sind in ihrer altertümlichen Sprache schwer zu verstehen. „Töte unseren alten Adam?“ Gemeint ist: der Teil in uns, der so sein will wie Gott, statt auf Gott zu vertrauen, der soll untergehen. Stattdessen soll Jesus unseren Geist ernähren, also den Teil in uns, der auf Gott vertrauen will.

„Zieh uns allesamt zu dir, dass empor wir schweben?“ Wie soll das gehen? Auch das ist bildlich gemeint. Es geht um die Leichtigkeit des Seins, wenn wir ohne Angst vor Strafe und Tod im Vertrauen auf Gott leben dürfen.

Begnadet dürfen wir leben, wenn sich unser Geist nach erfülltem Leben sehnt. Und diese Begnadigung besteht darin, dass wir – auch wenn wir manches eigene Kreuz tragen müssen – einander helfen, unsere Lasten zu tragen und füreinander da sind. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Gott im Himmel, du bist in Jesus einer von uns geworden, du wirbst um unser Vertrauen. Du nimmst ein unerträgliches Kreuz auf dich, weil du uns mehr liebst als dein eigenes Leben. Du willst, dass wir unser Glück finden, auch wenn wir ohne Chancen zu sein scheinen. Du gibst uns nicht einmal auf, wenn wir uns enttäuscht von dir abwenden. Du hörst unsere Loblieder und unsere Klagegesänge. Du hörst es, wenn wir unsere Bitten vor dich bringen, auch wenn du nicht alle unsere Wünsche erfüllst. Du hörst es, wenn wir dir Fürbitten für andere Menschen ans Herz legen. Und manchmal verändert allein das Gefühl: „Da betet einer für mich“, meine ganze Stimmung, und ich fühle mich gestärkt.

Besonders beten wir heute für Herrn …, der im Alter von … Jahren gestorben und kirchlich bestattet worden ist. In deine Liebe hinein haben wir ihn losgelassen, denn wir vertrauen darauf, dass du ihn so annimmst, wie es für ihn angemessen ist. Wir beten auch für seine Familie und Freunde, die um ihn trauern. Sei ihnen nahe, so dass sie auf dich werfen können, was sie belastet, und hilf ihnen, einander in allem beizustehen. Amen.

Lasst uns beten in der Stille und vor Gott bringen, was wir außerdem auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser

Wir singen das Lied 546:

Wer leben will wie Gott auf dieser Erde
Abkündigungen

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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