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Der Augenblick als Geschenk und Aufgabe

Wir leben nur im Hier und Jetzt, nur der gegenwärtige Augenblick ist uns geschenkt und aufgegeben. Im Glauben können wir auch die Vergangenheit bewältigen und getrost in die Zukunft gehen.

Der Augenblick: Ein Wecker, von dem man kein Zifferblatt, sondern die Zahnräder des Innenlebens sieht und der auf vielen Zeilen mit demselben Inhalt steht: "Nicht gestern, nicht morgen, sondern jetzt, aber das ist gerade vorüber."
Nur der flüchtige Augenblick ist uns geschenkt (Bild: Pixabay)

Orgelvorspiel
EG 527, 8-10:

8. Auf, Herz, wach und bedenke, dass dieser Zeit Geschenke den Augenblick nur dein. Was du zuvor genossen, ist als ein Strom verschossen; was künftig, wessen wird es sein?

9. Verlache Welt und Ehre, Furcht, Hoffen, Gunst und Lehre und geh den Herren an, der immer König bleibet, den keine Zeit vertreibet, der einzig ewig machen kann.

10. Wohl dem, der auf ihn trauet! Er hat recht fest gebauet, und ob er hier gleich fällt, wird er doch dort bestehen und nimmermehr vergehen, weil ihn die Stärke selbst erhält.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir sind vom Tod betroffen. Wir sind hier versammelt aus Anlass des Todes von Herrn D., der im Alter von [über 70] Jahren gestorben ist.

Eingangsgebet

Wir hören Worte aus dem Psalm 103:

1 Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!

2 Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.

8 Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.

10 Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat.

11 Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten.

13 Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten.

14 Denn er weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind.

15 Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde;

16 wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr.

17 Die Gnade aber des HERRN währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindeskind

18 bei denen, die seinen Bund halten und gedenken an seine Gebote, dass sie danach tun.

22 Lobet den HERRN, alle seine Werke, an allen Orten seiner Herrschaft! Lobe den HERRN, meine Seele!

Liebe Familie D., liebe Trauergemeinde!

Ein Gottesdienst anlässlich einer Beerdigung – das enthält zweierlei: unsere Trauer und die Zusage unbegreiflicher Hoffnung von Gott her; unsere Zweifel oder unsere Verzweiflung und unseren schwachen Glauben, der sich von Gott aufhelfen lassen muss. Wir singen und hören biblische Worte über die Endlichkeit des Menschen, über die Zeit, die dem Geschöpf Mensch geschenkt ist, die einen Anfang und ein Ende kennt. Und wir besingen den ewigen Gott, der jenseits unserer Vorstellungen von Zeit und Raum, in denen wir gefangen sind, ein unvergängliches Leben lebt. Er ist der, „den keine Zeit vertreibet, der einzig ewig machen kann“, wie der mittelalterliche Liederdichter Andreas Gryphius schreibt. Aber was hilft den Menschen ein ferner ewiger Gott, wenn wir doch, wir Lebenden, hier und jetzt leben, an den Augenblick gebunden, der mit uns, mit jedem von uns, seinen Lebensende zueilt?

Für uns Christen ist Gott nicht der ferne Gott geblieben. Er ist uns in Jesus Christus nahe gekommen, hat ein wahrhaft menschliches Leben auf unserer Erde geführt, menschenwürdig, verantwortlich für sich und die anderen, bereit, lieber Unrecht und Leid zu erdulden, als anderen Leid zuzufügen. In seinem Schicksal wurde deutlich, dass das wenige, über was wir verfügen können, nämlich der Augenblick, den wir gerade erleben, für ein sinnvolles, erfülltes Leben ausreicht: denn diesen Augenblick können wir gestalten, in ihm bewährt sich unsere Freiheit, die wir zum Guten und zum Bösen nutzen können, dieser Augenblick ist wichtig: ob wir dazu beitragen, in ihm Liebe zu erfahren oder erfahrbar zu machen – oder ob wir ihn in Gleichgültigkeit oder Eigensucht vertun. Die Vergangenheit muss uns nicht schrecken: Vergebung befreit von vergangener Schuld, von vergangenen Versäumnissen. Auch die Zukunft muss uns nicht schrecken: sie liegt in Gottes Hand; und wir werden in der Zukunft – auch im Tode – in Gottes Liebe geborgen sein. Uns Lebenden ist der Augenblick als Geschenk und als Aufgabe gegeben. Wegen der Gnade und der Vergebung können wir jedoch auch dankbar an alles zurückdenken, was uns mit dem Leben eines Verstorbenen gegeben war.

Wir denken in dieser Stunde an das Leben von Herrn D., an das große oder kleine Stück unseres Lebens, das wir mit ihm gemeinsam gelebt heben.

Erinnerungen an das Leben des Verstorbenen

Nun hat er den letzten Weg, den wir alle auf dieser Erde gehen werden, gehen müssen – dabei konnte ihn niemand begleiten, diesen Weg muss jeder von uns allein gehen. Allein, wenn wir en die Lebenden denken, die alle nicht hinter die Grenze des Todes blicken können. Auch Jesus fühlte sich von allen verlassen, sogar von Gott, als er am Kreuz starb – und dennoch: er war es nicht. Es mag noch so undurchdringliches Dunkel, noch so übergroßer Schmerz um uns sein: von Gott sind wir nicht verlassen. Vielleicht kann das ein Halt für uns sein, wenn wir von Menschen durch den Tod getrennt werden, die wir lieben. Der Schmerz der Trauer wird dadurch nicht aufgehoben; aber es ist möglich, hindurchzugehen, ohne zu verzweifeln.

Herr D. hatte nach all den Monaten angegriffener Gesundheit, in denen ihn die Kräfte mehr und mehr verließen, auch ein wenig den Lebensmut sinken lassen; er hat nicht um sein Leben gekämpft, sondern ist still von Ihnen gegangen. Die Frage für die Lebenden bleibt: Wo nehmen wir den Lebensmut her für das große oder kleine Stück geschenkter Zeit, das uns noch gegeben und damit aufgegeben ist? Vielleicht bekommen wir Mut, wenn wir dankbar zurückblicken auf das zwar nun vergangene, aber glückliche gemeinsame Leben. Vielleicht dann, wenn uns bewusst wird, dass Gott mit jedem von uns eigene Wege geht, möglicherweise ganz neue, unerwartete. Er hat mit jedem von uns etwas vor. Wenn wir uns auf den Glauben an Gott einlassen, können wir sagen (Psalm 31, 16):

Meine Zeit steht in deinen Händen.

Unsere Vergangenheit, unser gegenwärtiger Augenblick und auch unsere Zukunft sind nicht einem blinden Schicksal oder dem Zufall unterworfen. Wir sind geborgen in Gottes Liebe. Amen.

Gebet
EG 391, 1-4:

1. Jesu, geh voran auf der Lebensbahn! Und wir wollen nicht verweilen, dir getreulich nachzueilen; führ uns an der Hand bis ins Vaterland.

2. Soll’s uns hart ergehn, lass uns feste stehn und auch in den schwersten Tagen niemals über Lasten klagen; denn durch Trübsal hier geht der Weg zu dir.

3. Rühret eigner Schmerz irgend unser Herz, kümmert uns ein fremdes Leiden, o so gib Geduld zu beiden; richte unsern Sinn auf das Ende hin.

4. Ordne unsern Gang, Jesu, lebenslang. Führst du uns durch raue Wege, gib uns auch die nöt’ge Pflege; tu uns nach dem Lauf deine Türe auf.

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