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Die zweite Bekehrung des Felsenmannes

Wie barmherzig geht Jesus mit Petrus um! Er sagt ihm nicht: „Du musst jetzt stark sein!“ Er geht nicht davon aus, dass jeder Mensch von sich aus so glaubensstark sein kann und soll wie Hiob. Nein, er bittet für ihn um Gottes Hilfe, damit sein Vertrauen in der drohenden Verzweiflung nicht aufhört.

Eine Statue des Apostels Petrus neben einer Kanzel in der Schlosskirche von Prettin
Die Statue des Apostels Petrus in der Schlosskirche von Prettin (Bild: Hans BennPixabay)

#predigtAbendmahlsgottesdienst am 1. Sonntag in der Passionszeit, Invokavit, den 5. März 1995 um 9.30 Uhr in der Landesnervenklinik Alzey

Herzlich willkommen im Abendmahlsgottesdienst in unserer Klinik-Kapelle! Am ersten Sonntag in der Passionszeit beginnen wir wie in jedem Jahr damit, uns im Gottesdienst mit dem Leiden Jesu zu beschäftigen. Die Fastnacht war ja am Aschermittwoch vorbei; jetzt folgt in der Kirche bis zur Woche vor Ostern die Besinnung darauf, dass Gott auf seinem Weg durch unsere Menschenwelt an all dem leiden musste, was Menschen einander antun und was das Menschenschicksal so schwer macht.

Lied 91, 1-3+6:

1) Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken, mich in das Meer der Liebe zu versenken, die dich bewog, von aller Schuld des Bösen uns zu erlösen.

2) Vereint mit Gott, ein Mensch gleich uns auf Erden und bis zum Tod am Kreuz gehorsam werden, an unsrer Statt gemartert und zerschlagen, die Sünde tragen:

3) welch wundervoll hochheiliges Geschäfte! Sinn ich ihm nach, so zagen meine Kräfte, mein Herz erbebt; ich seh und ich empfinde den Fluch der Sünde.

6) Es schlägt den Stolz und mein Verdienst darnieder, es stürzt mich tief, und es erhebt mich wieder, lehrt mich mein Glück, macht mich aus Gottes Feinde zu Gottes Freunde.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Hebräer 4:

14 Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis.

15 Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mitleiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde.

16 Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.

Kommt, lasst uns anbeten. „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, du bleibst nicht unbeteiligt, wenn Menschen im Elend sind. Du bist selbst ein Mensch geworden wie wir, wurdest in Versuchung geführt wie wir, musstest Leiden ertragen wie wir. Nur in einem bist du uns voraus – du bliebst in deinem Sohn Jesus Christus vollkommen dem Geist der Liebe treu, du bliebst ohne Sünde. Darum kannst du auch unsere Sünde mittragen. Gott, sei uns Sündern gnädig!

Das erbitten wir von dir im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Buch Hiob 1, 6-22:

6 Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den HERRN traten, kam auch der Satan unter ihnen.

7 Der HERR aber sprach zu dem Satan: Wo kommst du her? Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Ich habe die Erde hin und her durchzogen.

8 Der HERR sprach zum Satan: Hast du achtgehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es ist seinesgleichen nicht auf Erden, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse.

9 Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Meinst du, dass Hiob Gott umsonst fürchtet?

10 Hast du doch ihn, sein Haus und alles, was er hat, ringsumher beschützt. Du hast das Werk seiner Hände gesegnet, und sein Besitz hat sich ausgebreitet im Lande.

11 Aber strecke deine Hand aus und taste alles an, was er hat: was gilt’s, er wird dir ins Angesicht absagen!

12 Der HERR sprach zum Satan: Siehe, alles, was er hat, sei in deiner Hand; nur an ihn selbst lege deine Hand nicht. Da ging der Satan hinaus von dem HERRN.

13 An dem Tage aber, da seine Söhne und Töchter aßen und Wein tranken im Hause ihres Bruders, des Erstgeborenen,

14 kam ein Bote zu Hiob und sprach: Die Rinder pflügten, und die Eselinnen gingen neben ihnen auf der Weide,

15 da fielen die aus Saba ein und nahmen sie weg und erschlugen die Knechte mit der Schärfe des Schwerts, und ich allein bin entronnen, dass ich dir’s ansagte.

16 Als der noch redete, kam ein anderer und sprach: Feuer Gottes fiel vom Himmel und traf Schafe und Knechte und verzehrte sie, und ich allein bin entronnen, dass ich dir’s ansagte.

17 Als der noch redete, kam einer und sprach: Die Chaldäer machten drei Abteilungen und fielen über die Kamele her und nahmen sie weg und erschlugen die Knechte mit der Schärfe des Schwerts, und ich allein bin entronnen, dass ich dir’s ansagte.

18 Als der noch redete, kam einer und sprach: Deine Söhne und Töchter aßen und tranken im Hause ihres Bruders, des Erstgeborenen,

19 und siehe, da kam ein großer Wind von der Wüste her und stieß an die vier Ecken des Hauses; da fiel es auf die jungen Leute, dass sie starben, und ich allein bin entronnen, dass ich dir’s ansagte.

20 Da stand Hiob auf und zerriss sein Kleid und schor sein Haupt und fiel auf die Erde und neigte sich tief

21 und sprach: Ich bin nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren. Der HERR hat’s gegeben, der HERR hat’s genommen; der Name des HERRN sei gelobt! –

22 In diesem allen sündigte Hiob nicht und tat nichts Törichtes wider Gott.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja,Halleluja,Halleluja.“

Lied 638, 1-3: Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt
Gnade und Friede sei mit uns allen von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Wir hören den Predigttext aus dem Evangelium nach Lukas 22, 31-34:

31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.

32 Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.

33 Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.

34 Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.

Liebe Gemeinde!

Ein eigentümliches Gespräch belauschen wir da – Petrus und Jesus sitzen gemeinsam zu Tisch mit den anderen Jüngern, es ist der letzte Abend, den Jesus in seinem irdischen Leben mit seinen Jüngern verbringt; und während sie noch bei ihrem Abendmahl zusammen sind, reden sie unter anderem diese merkwürdigen Worte.

Merkwürdig erst einmal deswegen, weil Jesus seinen Jünger mit seinem ursprünglichen Namen Simon anredet. „Simon, Simon!“ So wie man z. B. einen heranwachsenden Sohn anredet, der eigentlich schon erwachsen ist, sich aber manchmal doch nicht so verhält.

Und dann noch merkwürdiger, weil Jesus dieses Gleichniswort vom Satan sagt: „Siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.“ Was meint Jesus damit? Mir fällt das Schicksal von Hiob ein. In der Rahmengeschichte des Hiobbuches stellt sich der Erzähler vor, dass der Satan im Himmel so etwas wie ein Chefankläger oder Staatsanwalt sei. Er durchstreift die ganze Welt und versucht Gott gegenüber nachzuweisen, dass seine Schöpfung Fehler hat und dass es überhaupt keinen Menschen gibt, der ohne irgendeinen selbstsüchtigen Vorteil an Gott glaubt. Wenn man sich das so vorstellt, dann lässt Gott zwar das Leiden eines unschuldigen Menschen zu, aber nicht aus Grausamkeit oder Gleichgültigkeit, sondern weil er das Zutrauen zu diesem Menschen hat, er werde durch seinen festen Glauben schon nicht verzweifeln. Der Satan als Ankläger vor dem himmlischen Gericht würde schon nicht recht behalten mit seinem Vorwurf gegenüber Hiob. Nein, Hiob wird niemals seinen Glauben über Bord werfen, selbst dann nicht, wenn er sein ganzes Eigentum, alle seine Kinder und seine Gesundheit verliert.

In einem Bild gesprochen, kann man also auch sagen: Hiob „wurde vom Satan gesiebt wie der Weizen.“ Weizen siebt man ja, damit das, was man nicht essen kann, durch das Sieb fällt, und der gute Weizen bleibt oben liegen. So fürchterlich durchgerüttelt und durchgeschüttelt wie Weizenkörner in einem Sieb wird sich auch Hiob gefühlt haben.

Und das gleiche Bild wendet Jesus nun auch auf seine Jünger an. Er ahnt das auf ihn zukommende Geschick. Die Situation in Jerusalem spitzt sich zu. Den über ihn hereinbrechenden Hass der Mächtigen und Unverständigen wird Jesus nicht überleben. Und damit werden natürlich auch seine Jünger in großer Gefahr sein. Und zwar nicht nur rein äußerlich in akuter Lebensgefahr. Vor allem wird für sie scheinbar alles zusammenbrechen, woran sie zu glauben gelernt haben. Jesus, ihr Lehrmeister, dem sie sich in allem anvertraut haben, wird sterben – und sie werden so ähnlich dastehen wie Hiob, der alles verloren hat, was seinem Leben Sinn gegeben hat.

Jesus fasst also seine tiefe Erschütterung und sein Mitgefühl für seine Jünger in diesem Bildwort zusammen: „Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen“. Er hat wohl auch selber Angst vor dem Sterben, wie sich später im Garten Gethsemane zeigt, aber zugleich fühlt er auch den Schmerz seiner Jünger, die nicht nur um ihn als Menschen trauern werden, sondern die auch meinen werden, jetzt sei alles aus, jetzt habe alles seinen Sinn verloren, was Jesus von einem liebenden Vater gepredigt und was er für die Menschen Hilfreiches getan hatte. Und Jesus fühlt die Sorge um seine Jünger, dass sie aus Verzweiflung ihr Vertrauen zu Gott verlieren könnten. Würde sie so stark sein wie Hiob und trotz aller Anklagen gegen Gott doch am Glauben festhalten? Oder würden sie am Ende ihren Glauben einfach wegwerfen?

Noch etwas ist eigentümlich in diesem Gespräch. Jesus spricht zwar davon, dass alle Jünger von den kommenden Ereignissen wie der Weizen in einem Sieb durchgerüttelt und durchgeschüttelt werden sollen. Aber anreden tut er nur den Petrus. Und zwar, wie gesagt, mit seinem, ich wollte schon sagen, Mädchennamen, also mit dem Namen, den er von seinen Eltern bekommen hatte: Simon, Simon, ihr werdet in eine schwere Bedrängnis hineinkommen, ihr werdet der Verzweiflung so nahe sein wie nie, ihr werdet glauben, dass alles finster ist und dass es nie mehr hell werden kann!

Ja, und dann spricht Jesus auch noch von einer ganz persönlichen Bitte ausdrücklich nur für diesen Simon: „Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“

Wie gut tut es, zu spüren, wie barmherzig Jesus mit seinem bekanntesten, aber wohl auch schwierigsten Jünger umgeht: Er sagt ihm nicht: „Du musst jetzt stark sein!“ Er geht nicht davon aus, dass jeder Mensch einfach so von sich aus so glaubensstark sein kann und soll wie Hiob. Nein, erstens spricht er nur diesen einen Jünger an, und für diesen einen erbittet er die Hilfe des Himmels, damit sein Vertrauen auch in der drohenden Verzweiflung nicht aufhört.

Lied 611, 1-2:

Harre, meine Seele, harre des Herrn! Alles ihm befehle, hilft er doch so gern. Sei unverzagt! Bald der Morgen tagt, und ein neuer Frühling folgt dem Winter nach. In allen Stürmen, in aller Not wird er dich beschirmen, der treue Gott.

Harre, meine Seele, harre des Herrn! Alles ihm befehle, hilft er doch so gern. Wenn alles bricht, Gott verlässt uns nicht; größer als der Helfer ist die Not ja nicht. Ewige Treue, Retter in Not, rett auch unsre Seele, du treuer Gott!

Liebe Gemeinde! Wenn ich dem Gespräch zuhöre, das Jesus mit Petrus am Vorabend seines Todes führt, dann schwingen für mich darin auch Erinnerungen an andere Erzählungen von Petrus mit. Da ist der Petrus, der – mitten im Meer der Angst und hin- und hergeworfen vom Sturm der Verzweiflung – Vertrauen fasst zu dem Jesus, der ihm entgegenkommt – durch den Sturm, über das Meer. Das will Petrus auch können: wie Jesus mit ungetrübtem Gottvertrauen hindurchgetragen werden durch Versuchungen und Verzweiflung, und wie Jesus in einer tiefen Zuversicht zu Gott über den Abgrund der Angst gehen können, der sich vor jedem Menschen manchmal auftut. Aber als Petrus das versucht, wird er plötzlich doch von Wind und Wellen eingeschüchtert, und er versinkt im Abgrund.

Ich glaube, in dieser gleichnishaften Erzählung des Evangeliums spiegelt sich genau das wider, was Jesus am letzten Abend seines Lebens seinem Jünger gegenüber empfindet. Er weiß, wie stark Simon immer wieder sein will. Er weiß, dass er für seinen Meister alles tun würde. Und er weiß zugleich, dass der Simon sich über eins nicht klar ist: dass er in seinem Herzen doch auch ein Mensch voller Angst ist. Kein Mensch ist ohne Angst, und am gefährlichsten ist das, wenn man diese Angst niemals spürt, wenn man sie sich niemals eingestehen kann. Dann bricht sie sich nämlich irgendwann Bahn, wenn man überhaupt nicht damit rechnet, und man kann sich noch so sehr vorgenommen haben, mutig zu sein – die tiefsitzende verborgene Angst wird zur Panik führen, und man weiß gar nicht mehr, was man tut.

Es ist also kein Wunder, wenn Simon seinem Herrn entgegnet: „Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.“ Er spürt keine Angst, das heißt: er spürt seine wohl vorhandene innere Angst nicht. Er ist fest davon überzeugt: „Egal, welche Prüfung Gott oder der Satan uns auferlegt, ich werde sie bestehen!“

Darauf sagt Jesus dem Simon nur noch einen einzigen Satz. Aber nun spricht er ihn mit seinem anderen Namen Petrus an: „Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.“ Danach ist dieses Gespräch zu Ende, Jesus wird noch von anderen Dingen sprechen, aber nicht mehr direkt an Simon Petrus gerichtet.

Ausgerechnet jetzt nennt er ihn Petrus, den Felsen, ausgerechnet in dem gleichen Atemzug, in dem er ihm voraussagt, dass er kein starker Glaubensheld sein wird, dass er total versagen wird. Es klingt wie ein böser Scherz: Du kommst dir vor wie ein Fels, aber das denkst du auch bloß selber. Will Jesus seinen Jünger lächerlich machen – Simon, der Felsen, auf den sich jeder verlassen kann, wie man ja bald sehen wird?

Nein, ich glaube nicht, dass Jesus sarkastisch oder ironisch sein will. Eher zeigt sich hier sein Humor. Liebevoll und traurig zugleich ist ihm klar, dass nicht einmal er in diesem Augenblick die Macht hat, den festgefügten Charakter seines Jüngers aufzubrechen und zu ändern. Simon meint, bereits ein Petrus zu sein aus eigener Kraft. Er wird die Erfahrung machen müssen, dass er damit scheitert. Ein wirklicher Felsenmann, ein wirklicher Petrus, ein Mann mit wirklich festem Vertrauen wird er nur werden können, wenn er es lernt, auch seine Angst zu fühlen, wenn er es sich gestattet, auch schwach sein zu dürfen, wenn er bereit ist, auch Hilfe anzunehmen und sich einem Stärkeren anzuvertrauen; dann erst kann er spüren, dass man in großer Angst sich getragen fühlen kann. So kann Angst überwunden werden, ohne dass man sein eigentliches Gefühl verdrängen muss und sich künstlich zu einer scheinbaren Stärke aufblasen muss.

Passionslied 97, 1-6: Holz auf Jesu Schulter

Einen Satz in unserem kurzen Predigttext habe ich bei der Auslegung noch ausgespart. Jesus sagt ihn mittendrin: „Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.“ Ich komme erst jetzt abschließend darauf zurück, weil Petrus in seiner Antwort darauf eh nicht eingeht, und weil Jesus hier noch ein Stück weiter in die Zukunft weist als in der Voraussage, dass Petrus versagen wird.

„Dereinst“, sagt Jesus zu Petrus, „wirst du dich bekehren!“ Das ist wieder so eine Merkwürdigkeit. Denn nach einem bestimmten Verständnis von Bekehrung war Petrus doch längst bekehrt. Er hatte doch vor längerer Zeit seine Fischernetze und seine Familie hinter sich zurückgelassen und war Jesus nachgefolgt. Er gehörte zum allerengsten Jüngerkreis, wenn er nicht ein Bekehrter war, wer ist es dann überhaupt?

Mit Bekehrung meint Jesus offenbar gar nicht eine einmalige Hinwendung zu Gott oder eine einmalige Entscheidung zur Nachfolge, die dann für das ganze Leben gilt. Jesus will vielmehr sagen: Ich weiß gerade von dir, Petrus, dass du mit deiner scheinbaren Stärke in großer Gefahr bist, dich zu überschätzen. Du wirst Schiffbruch erleiden mit dem Vertrauen auf deine eigenen Kräfte. Du magst mich verteidigen wollen mit dem Schwert, sogar dich mit gefangennehmen lassen nach einem heldenhaften Kampf. Aber wenn es keinen Kampf gibt, wenn ich dir nicht die Gelegenheit gebe, deine Tapferkeit so zu beweisen, dann wirst du es nicht aushalten, dass du nichts tun kannst. Dann wirst du in Panik nicht mehr wissen, was du tust.

Ja, und genau das wird geschehen müssen, damit du es irgendwann lernst: Stark bist du gerade dann, wenn du es dir erlaubst, auch schwach sein zu dürfen. Ein Felsenmann wirst du dann sein, wenn du es dir eingestehst, versagt zu haben, und dennoch wissen wirst: Du hast mich die ganze Zeit liebgehabt. Und das wirst du dir deswegen eingestehen dürfen, weil du noch etwas wissen wirst: auch ich habe dich lieb und trage dir dein Versagen nicht nach.

So wird die wirkliche Bekehrung des Petrus aussehen, eine Umkehr, die sich nicht nur oberflächlich in seinem Verstand oder in seinem bewussten Willen, sondern ganz tief in seinem Gefühl und in seinem Charakter abspielt.

Es gibt auch eine Geschichte in der Bibel, in der sich genau diese spätere Erfahrung des Petrus widerspiegelt (Johannes 21, 15-19). Da begegnet dem Petrus am Ufer des Sees Genezareth noch einmal Jesus. Es ist eine Vision, eine innere Schau, in der ihm Jesus noch einmal erscheint. Und zwar erscheint ihm Jesus ganz so, wie Jesus immer gewesen war, barmherzig, liebevoll, fragend: „Petrus, hast du mich lieb?“ Aber es ist dann doch auch anders als zum Beispiel am Vorabend von Jesu Tod. Als Petrus nämlich zum drittenmal die Frage Jesu hört: „Petrus, hast du mich lieb?“ – da bricht er in Tränen aus und spürt genau das, was Jesus ihm schon immer rüberbringen wollte: „Ja, ich darf dich liebhaben, ich darf wissen, dass ich das tue, und ich darf mich gleichzeitig immer auch meiner Schwäche und meiner Angst bewusst sein! Ich darf mich dir anvertrauen – und gerade darum darf ich auch der Fels sein. Einer, an den sich dann auch andere anlehnen.“ Das ist der tiefe innere Grund dafür, dass Petrus der erste Seelsorger der Kirche nach dem Tode Jesu werden konnte. „Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder“ – einer, der es lernt, sich mit seinen Stärken und Schwächen Gott anzuvertrauen, der kann auch anderen ein Halt sein, andern Kraft geben und die Brüder stützen.

Die Brüder? Nur die Brüder? Dass Jesus hier nicht ausdrücklich auch die Schwestern nennt, das muss nicht nur damit zusammenhängen, dass das griechische Wort Brüder oft auch für die Geschwister allgemein verwendet wird. An diesem Abend waren ja nur die zwölf männlichen Jünger Jesu versammelt. Und vielleicht haben sie den brüderlichen Trost noch nötiger als die Frauen. Frauen werden es immerhin sein, die Jesus später bis unter das Kreuz nachfolgen, während alle die starken Männer fliehen, ausgenommen der Lieblingsjünger Johannes, der allerdings in der Bibel auch eher mit sanften und weichen Zügen gezeichnet wird. Und Frauen werden es auch sein, die am Ostermorgen gemeinsam zum Grab gehen und sich gegenseitig stützen.

Noch ein letztes Wort zum Satan in diesem kurzen Gespräch. Dass Jesus hier in einem Bildwort vom Satan spricht, bedeutet meiner Meinung nach nicht, dass Jesus sagen will: rechnet mit dem Satan als einer persönlichen Macht so ähnlich, wie Gott euch als persönliche Macht gegenübersteht. Nein, wenn das so wäre, dann müsste Jesus seinen Jüngern ja eigentlich hier auch eine Anweisung zur Teufelsaustreibung geben. Das tut er aber nicht. Er greift einfach das Bild vom Satan aus dem Buch Hiob auf, wie er als Ankläger der Menschen vor Gott auftritt, und er bestätigt uns damit: Wer leidet, muss daran nicht selber schuld sein. Persönliches Leiden kann auch gedeutet werden als eine Bewährungsprobe für unseren Glauben. Und dann bittet Jesus einfach für uns, dass unser Glaube nicht aufhört. Keine Beschwörungsformel gegen den Teufel. Kein Exorzismus. Einfach ein vertrauensvolles Gebet zum Vater im Himmel, damit wir unser Vertrauen nicht verlieren. Mehr ist nicht nötig. Jesus macht uns nicht Angst. Die barmherzigen Worte, die damals Petrus aus seinem Munde hörte, dürfen auch uns Mut machen. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied 79, 1-4:

Wir danken dir, Herr Jesu Christ, dass du für uns gestorben bist und hast uns durch dein teures Blut gemacht vor Gott gerecht und gut,

und bitten dich, wahr‘ Mensch und Gott, durch dein heilig fünf Wunden rot: erlös uns von dem ewgen Tod und tröst uns in der letzten Not.

Behüt uns auch vor Sünd und Schand und reich uns dein allmächtig Hand, dass wir im Kreuz geduldig sein, uns trösten deiner schweren Pein

und schöpfen draus die Zuversicht, dass du uns werdst verlassen nicht, sondern ganz treulich bei uns stehn, dass wir durchs Kreuz ins Leben gehn.

Und nun feiern wir – wie immer am ersten Sonntag des Monats – das heilige Abendmahl miteinander. Wer daran teilnehmen will, kommt nach vorn, wenn es so weit ist, die anderen mögen auf ihrem Platz bleiben und gehören auch zu uns dazu. Nach den Einsetzungsworten singen wir das Lied 190.2

Freundlicher, treuer, geduldiger, barmherziger Gott, du bist stärker als alle bösen Mächte dieser Welt. Du hilfst uns dabei, unsere abgrundtiefe Angst anzunehmen, auszuhalten und zu überwinden. Du lässt uns selbst mitten in unserer Verzweiflung neues Vertrauen zu dir gewinnen. Du betest selbst für uns, wenn wir nicht mehr beten können. Und so wie die Jünger Jesu am Vorabend seines Todes mit ihm zusammen gegessen und getrunken haben, so wollen auch wir jetzt gemeinsam das Abendmahl feiern und dabei spüren, dass Jesus Christus unsichtbar bei uns ist. Amen.

Ich frage euch nun, seid ihr bereit, soweit ihr es überschauen könnt, euch mit allen euren starken und schwachen Seiten der Liebe und Barmherzigkeit Gottes anzuvertrauen, so wie Jesus sie uns offenbart hat? Begehrt ihr die Vergebung für alles, was euch von Gott trennt, und die Befreiung von jeder Belastung durch irgendwelche Schuldgefühle? Dann antwortet einfach: Ja!

Gott hört euer Bekenntnis. Gott kennt euer Herz. Im Auftrag Jesu Christi darf ich euch auf euren aufrichtigen Wunsch hin die Vergebung eurer Sünde zusprechen: Im Namen Jesu Christi, unseres Herrn, spreche ich euch los von eurer Sünde, von eurer Schuld und von allen Schuldgefühlen. Amen.

Einsetzungsworte und Abendmahl

Guter Gott, wir dürfen deine Liebe schmecken im Brot des Abendmahls. Deine Vergebung schmeckt süß im Gewächs des Weinstocks. Deine barmherzigen Worte machen uns stark, uns anzunehmen, so wie wir sind und barmherzig zu sein auch mit den anderen Menschen. In Angst und Traurigkeit, in Bedrängnis und Verzweiflung steh uns bei und lass uns nie unser Vertrauen zu dir verlieren. Amen.

Vater unser
Lied 579, 1-4: Das Weizenkorn muss sterben
Abkündigungen

Nun geht hin mit Gottes Segen:

Gott, der Herr, segne euch, und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden. Amen.

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