Bildausschnitt: Pixabay

Nachtlichter

Wenn ich durch die Dunkelheit der Nacht wandere, dann habe ich zwei Möglichkeiten. Ich kann meinen Kopf hinuntergleiten lassen. Doch dann nehme ich nur noch die Dunkelheit wahr. Die Orientierung fällt noch schwerer. Oder ich kann mich dazu entschließen, meinen Kopf Richtung Horizont zu heben. Dann werde ich die Nachtlichter erkennen.

Nachtlichter sind zu sehen für einen einsamen Menschen auf einer Wiese - das Sternbild des Wagens und hinter einer Bergkuppe das Licht eines Gebäudes
Kann ich im Dunkel der Nacht Lichter erkennen? (Bildausschnitt: Florian PircherPixabay)

#gedankeTurmgebet am Freitag, 27. Juli 2007, 18.00 Uhr im Stadtkirchenturm Gießen

Herzlich willkommen beim Turmgebet im Stadtkirchenturm Gießen!

Wir sind versammelt im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir hören zu Beginn die biblische Tageslese für den heutigen 27. Juli 2007 aus dem Evangelium nach Matthäus 7, 24-29:

24 Darum [spricht Jesus am Ende seiner Bergpredigt], wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute.

25 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet.

26 Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute.

27 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein, und sein Fall war groß.

28 Und es begab sich, als Jesus diese Rede vollendet hatte, dass sich das Volk entsetzte über seine Lehre;

29 denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten.

Gott, wir bringen vor dich, was uns bewegt an diesem Abend. Erfüllt vom Reichtum eines Sommertages, an dem uns mal die Sonne ins Gesicht scheint und mal der Regen nass macht. Oder voller Leere an einem unausgefüllten Tag, den wir unzufrieden mehr schlecht als recht hinter uns bringen. Gott, wir rufen zu dir (EG 178.11):

Herr, erbarme dich, erbarme dich. Herr, erbarme dich, Herr, erbarme dich.

Gott, wir bringen vor dich, was Menschen bewegt, die uns begegnen. Der Mann, der von der Routineuntersuchung beim Arzt zurückkommt und seiner Frau sagen muss: „Ich dachte, es wäre alles in Ordnung, aber der Tumor ist doch weitergewachsen.“ Die Studentin, die Prüfungsangst hat, vor ihrer Examensarbeit sitzt und keine Zeile aufs Papier bringt. Der alte Mann, der immer noch arbeiten will und sogar Aufträge bekommt, aber dann bekommt er einen Schlaganfall, er muss in die Klinik. Gott, wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich, erbarme dich. Herr, erbarme dich, Herr, erbarme dich.

Gott, wir bringen vor dich, was wir in der Zeitung lesen. Die Betrügereien im Radsport, die uns den Spaß am Zuschauen bei den Wettkämpfen verderben. Die Entführung und der Tod der Geisel in Afghanistan. Die Prozesse gegen Väter, die ihre eigenen Kinder und Enkel missbraucht haben. Gott, wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich, erbarme dich. Herr, erbarme dich, Herr, erbarme dich.

Doch wir denken in der Stille auch an den Trost, den du schenkst, an die Kraft, die du gibst, an die Liebe, die wir erfahren, an den Frieden, den du stiftest.

Stille

Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat! (Psalm 103, 2)

EG 584: Meine engen Grenzen

Liebe Turmgemeinde!

Ich lese etwas aus einer Email vor, die ich von einer Frau bekam, die furchtbare Dinge – Vernachlässigung, Gewalt, Missbrauch durch ihren eigenen Vater – nur mit Mühe überlebt hat:

Tja, wie geht es mir.

Im Grunde geht es mir gut soweit. Ich laufe immer tiefer in das Leben hinein. Dieses Überleben hat mittlerweile aufgehört und es ist wirklich zu einem Leben geworden. Ein Leben mit ganz viel Licht, aber auch natürlich mit Schatten.

Aber ich habe für mich erkannt, dass es auch immer wieder eine erneute Willensentscheidung ist.

Wenn ich durch die Dunkelheit der Nacht wandere, dann habe ich zwei Möglichkeiten.

Ich kann meinen Kopf hinuntergleiten lassen. Doch dann nehme ich nur noch die Dunkelheit wahr. Die Orientierung fällt noch schwerer.

Oder ich kann mich dazu entschließen, meinen Kopf Richtung Horizont zu heben. Dann werde ich die Nachtlichter erkennen. Sterne, die mir den Weg durch die Nacht zeigen. Die Mondstrahlen, die Licht in die Dunkelheit bringen. Die Zeuge sind, dass die Dunkelheit besiegt ist und das Licht in der tiefsten Nacht zu finden ist.

Wenn möglich, zwinge ich mich in Momenten meiner Nacht dazu, meinen Kopf zu erheben. Und versuche mich gegen all meine Gefühle, gegen jegliches Erleben darauf zu stellen, dass jede Nacht im Morgen endet.

EG 631: In Gottes Namen wolln wir suchen, was verloren ist

Schenke uns die Einsicht, Gott, dass wir von dir Trost und Kraft bekommen.

Und manchmal nimmst du uns die Kraft, damit wir spüren: Es ist nicht selbstverständlich, stark zu sein.

Schenke uns deine Liebe, damit wir wissen: Wir sind nicht allein auf der Welt.

Unser Leben hat seinen Sinn in dir. In dir finden wir Ruhe und die Erfüllung, nach der wir uns sehnen. Und wenn wir sterben müssen, dann lass uns selig sterben und getrost Abschied nehmen von dieser Welt.

Zeige uns die Aufgabe, die du für uns vorgesehen hast. Und lass uns nicht unzufrieden sein, wenn es nur eine bescheidene Rolle ist, die wir spielen sollen.

Du ersparst uns nicht Leid und Tränen – aber lass uns in allen Sorgen und Nöten nicht allein! Amen.

Vater unser

Es segne dich Gott, der Vater. Er sei der Raum, in dem du lebst. Es segne dich Jesus Christus. Er sei der Weg, auf dem du gehst. Es segne dich der Heilige Geist. Er sei das Licht, das dich zur Wahrheit führt. Amen.

EG 483: Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden

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