Bild: Helmut Schütz

Der Drachenkampf des Erzengels Michael

Finden wir uns in der Frau wieder, die ein Bild für die Gemeinde Christi ist, dann tragen wir Christus: Wir sind gehalten, indem wir Jesu geringste Geschwister auf den Armen tragen. Identifizieren wir uns mit dem Erzengel Michael, dann weisen wir das Böse in dieser Welt gelassen in seine Schranken. Denn der Drache ist bereits besiegt.

Das Fenster über der Empore der evangelischen Pauluskirche Gießen, wie im Text der Bildmeditation beschrieben
Das Fenster über der Empore der evangelischen Pauluskirche Gießen

Musikalisch umrahmte Bildmeditation im Rahmen der Aktion der Frankfurter Bibelgesellschaft „Kirchenfenster erzählen die Bibel“ am Samstag, den 28. Juni 2003, um 18.00 Uhr in der Pauluskirche zu Gießen

Herzlich willkommen in der Pauluskirche zur Aktion der Frankfurter Bibelgesellschaft im „Jahr der Bibel 2003“: „Kirchenfenster erzählen die Bibel“. Heute steht das Westfenster unserer Kirche im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, deshalb haben wir die Stühle, die sonst zum Altarfenster, nach Osten ausgerichtet sind, zur Empore hin umgedreht.

Musikalisch umrahmt ist diese Bildmeditation. Die Musik spielen Edeltraut Marquard, Günter Schulz und Ulrich d’Amour mit sieben Sätzen aus der Suite F-Dur von Christoph Graupner für Flöte und Geigen, sowie Grit Laux mit der Toccata in es-Moll von Aram Chatschaturjan und einem Lied an der Orgel. Den Bibeltext aus Offenbarung 12 liest Frau Irena Burk, und ich trage die Meditationstexte vor.

Christoph Graupner, Suite F-Dur, Satz 1: Ouverture

„Drachenkampf“ ist ein ungewöhnlicher Titel für eine Veranstaltung in der Kirche. Claus Wallner hat 1958 ein Fensterbild gestaltet, auf dem der Kampf des Erzengels Michael mit dem Drachen zu sehen ist – an unscheinbarem Ort in unserer Kirche. Wer immer nur unten sitzt, hat das Bild vielleicht noch nie genau betrachtet.

1. Die Frau

Das Bild erzählt das Kapitel 12 aus der Offenbarung des Johannes. Ich folge bei der Betrachtung des Bildes dem biblischen Text, und richte zunächst die Aufmerksamkeit auf die Frau in der rechten oberen Hälfte des Bildes.

1 Und es erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen.

Maria mit dem Kind auf der Sichel des MondesDa steht eine Frau aufrecht auf der Sichel des Mondes, Sonnenstrahlen gehen von ihr aus, teils wie spitze Schwerter, teils wie weiche Wellen von Licht. So sieht die katholische Kirche Maria als Himmelskönigin. Auch der Gestalter des Kirchenfensters, Claus Wallner, malt sie mit dem Kind auf dem Arm – die Madonna, die Mutter des Gottessohnes.

Es mag sinnvoll sein, in dieser Frau Maria zu erkennen. Aber sie steht nicht nur für diese eine Person, zumal in der Offenbarung kein Wort von Maria steht. Was symbolisiert diese Frauengestalt, das einzige Bild einer Frau übrigens in unserer Kirche, in Sonne gekleidet und doch vom Künstler in ein schlichtes dunkles Gewand gehüllt? Viel spricht dafür, in dieser Frau auch ein Symbol der Mutter Kirche zu sehen, uns als Gemeinde Christi in dieser mütterlichen Gestalt wiederzufinden. In der Offenbarung trägt sie eine Krone von zwölf Sternen, Symbol der vollen Zahl der Stämme Israels, Jesu Gemeinde erbt die Verheißungen des alten Volkes Gottes.

Schlicht menschlich ist diese Gestalt in ihrer Gewandung und heilig zugleich in ihrer Ausstrahlung – diese Frau übt Macht aus – die Lichtmacht der Sonne über den Tag und sogar die geheimnisvolle Macht des Mondes über die Nacht und die Kreisläufe des Lebens.

Mutter Kirche, so beeindruckend mächtig, das sollen wir sein? Ja, nach dem 3. Glaubensartikel ist das wahr: „Ich glaube an die heilige christliche Kirche als eine Gemeinschaft der Heiligen durch die Vergebung der Sünden.“

Christoph Graupner, Satz 2: Gavotte

Heilig und menschlich zugleich ist die Frau, menschlich ist auch, dass die Frau Qualen erleiden muss.

2 Und sie war schwanger und schrie in Kindsnöten und hatte große Qual bei der Geburt.

Auf dem Bild ist das bereits Vergangenheit. Die Frau hat bereits geboren und hat Qualen dabei erlitten – so wie die Gemeinde Christi in ihrer Geschichte immer wieder Verfolgungen und Bedrängnisse erlitten hat, die als „Wehen der Endzeit“ gedeutet wurden.

2. Der Drache

Bedrängt ist die Frau des Himmels aber nicht nur durch Geburtswehen von innen, sondern auch durch Gefahren von außen:

3 Und es erschien ein anderes Zeichen am Himmel, und siehe, ein großer, roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Häuptern sieben Kronen,

4 und sein Schwanz fegte den dritten Teil der Sterne des Himmels hinweg und warf sie auf die Erde. Und der Drache trat vor die Frau, die gebären sollte, damit er, wenn sie geboren hätte, ihr Kind fräße.

Der Drache auf dem EmporenfensterEr fällt kaum auf, der Drache rechts unten auf dem Bild, ein Lindwurm mit sieben hässlichen Köpfen – tödliche Bedrohung für die Frau und ihr Kind, Symbol für alle Arten des Bösen, schwer zu greifen mit seinen schlangengleichen Leibern und Köpfen.

Für unsere Vorstellung gehören Drachen in Märchen. Aber warum sind Filme von Dämonen und Hexen in Film und Fernsehen hochaktuell? Fühlten sich nicht Menschen aller Zeiten bösen Mächten ausgeliefert? Warum sollte das heute, in einer nur scheinbar rationalen Welt, anders sein?

Welcher Drache bedroht die Frau heute? Was ist für uns als Kirche eine tödliche Bedrohung? In Deutschland leiden wir nicht unter akuter Verfolgung. Aber Materialismus und Gleichgültigkeit stellen alles Heilige in Frage, fegen viel von dem, was ewig gültig zu sein schien, vom Sternenhimmel der Werte herab, so wie der Drache mit seinem Schwanz den dritten Teil der Sterne des Himmels hinwegfegt.

Das kriechende, sich windende Monster, wie ein Knäuel von Schlangen, erinnert an die eine Schlange im Paradies und ruft Ängste wach, die falsche Lebensentscheidung zu treffen und verschlungen zu werden durch den Abgrund des Todes, verdammt zu sein im ewigen Tod. Rot wie Blut ist der Drache in der Offenbarung, er trägt die Kronen weltlicher Macht und die Hörner kriegerischer Rüstung. Im Drachen verkörpert sich alles, was uns Angst macht, Gewalt und Krieg, Tod und Sünde, Verzweiflung und Nihilismus. Dieser Herausforderung stehen wir als Kirche gegenüber, wir, die wir uns auf dem Bild in der Frau wiederfinden können.

Christoph Graupner, Satz 3: Air affettuoso

3. Das Kind

Das Bild der Frau, in der wir Mutter Kirche wiederentdeckt haben und uns als ihre Mitglieder, enthält, wie gesagt, mehrere Facetten. Es lässt zugleich auch den Blick auf Maria zu, die das göttliche Kind zur Welt bringt.

5 Und sie gebar einen Sohn, einen Knaben, der alle Völker weiden sollte mit eisernem Stabe. Und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und seinem Thron.

6 Und die Frau entfloh in die Wüste, wo sie einen Ort hatte, bereitet von Gott, dass sie dort ernährt werde 1260 Tage.

Ein Knabe wird geboren, um ein Hirt der Völker zu sein – ich erlaube mir, in ihm das Bild Jesu, des Guten Hirten zu erkennen. Sein eiserner Stab ist nicht eine Knute, um die Schafe niederzuhalten, sondern um die Schafe vor Feinden zu beschützen: „Dein Stecken und Stab trösten mich.“

Das segnende Jesuskind auf dem Arm der MutterSo klein der Junge auf dem Bild noch ist, gehalten, getragen, geborgen auf dem Arm der Mutter, seine Hände hält er uns schon segnend entgegen, so wie er es auf dem anderen Bild in unserem Rücken als Auferstandener tut.

Bedroht ist das Kind von Anfang an, wie in der Weihnachtsgeschichte, wo es nach Ägypten in Sicherheit gebracht werden muss; hier wird es entrückt in den Himmel zu Gott.

Die irdische Lebensgeschichte Jesu wird hier in einer Momentaufnahme zusammengefasst; im Augenblick der Menschwerdung Gottes geschieht bereits sowohl die tödliche Bedrohung des Gottessohnes als auch seine Rettung in der Himmelfahrt.

Die Frau jedoch, die ihn geboren hat, in der wir zugleich uns als Kirche zu sehen gelernt haben, bleibt von ihrem Sohn getrennt, sucht Zuflucht in der Wüste für 1260 Tage, also dreieinhalb Jahre.

Ist das unsere Situation als Gemeinde? Unser Herr Jesus im Himmel, wir selbst auf der Erde, wo wir Durststrecken zu überwinden haben?

4. Der Engel

Jedenfalls ist es die Ausgangssituation für den Drachenkampf im Himmel. Die Offenbarung geht davon aus: Himmlische Mächte entscheiden über unser Schicksal. Ähnliches glaubten Menschen aller Zeiten. Sie dachten, dass Götter im Himmel um die Oberherrschaft kämpften, und vom Zufall des Kriegsglücks im Himmel hinge das Schicksal der ihnen ausgelieferten Menschen ab. Im Himmel der biblischen Offenbarung kämpfen allerdings nicht Götter gegeneinander, sondern Engel des einen Gottes führen Krieg gegen den Drachen:

7 Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel,

8 und sie siegten nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel.

9 Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen.

Aram Chatschaturjan: Toccata in es-Moll

Der Erzengel Michael auf dem EmporenfensterSo gewaltig sieht er auf unserem Bild gar nicht aus, der Erzengel Michael, doch mit unerschütterlicher Ruhe und mit seiner Lanze, die mich an den eisernen Stab des Guten Hirten erinnert, hält er den Drachen in Schach. Michael ist im Alten Testament der Engelfürst mit der Aufgabe, das Volk Israel zu beschützen; sein Name lautet in der Übersetzung aus dem Hebräischen: „Wer ist wie Gott?“

Wer eine genaue Schilderung des Drachenkampfes in allen Einzelheiten erwartet, wird enttäuscht – nur das Ergebnis zählt: Gegen Michael und seine Engel kämpfen der Drache und seine Engel vergeblich und am Ende verlieren sie ihren Platz im Himmel.

In seiner souveränen Art, wie er dem Drachen Einhalt gebietet, verkörpert Michael die Allmacht des Einen Gottes selbst, auf dessen Befehl er handelt. Gott selber ist jedoch nicht wie in den Mythen anderer Völker in einen himmlischen Krieg der Götter verwickelt. Die Macht des Drachen ist nicht vergleichbar mit der Macht eines bösen Gegengottes. Nein, der Drache unterliegt den Engelmächten, die Gott untergeordnet sind.

Erst jetzt, als seine Macht im Himmel gebrochen ist, wird der Drache genauer identifiziert. Er ist gleichzusetzen mit allen Verkörperungen des Bösen, mit Schlange, Teufel und Satan.

Im Alten Testament hatte Satan noch zum Hofstaat Gottes gehört, seine Flügel hat er auf unserem Bild behalten, der Drache als gefallener Engel. Aber am Ende vertritt die Bibel die Überzeugung: im Himmel ist keine böse Macht, die Gott ernsthaft entgegentreten könnte.

Christoph Graupner, Satz 4: Air

5. Die Stimme

Doch was nützt es uns Menschen auf der Erde, was haben wir davon als Kirche, wenn zwar im Himmel kein böser Drache mehr etwas zu sagen hat, wenn er aber auf dieser Erde noch sein Unwesen treiben darf? In der Offenbarung ertönt nun eine Stimme, die auf diese Frage Antwort gibt:

10 Und ich hörte eine große Stimme, die sprach im Himmel: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus; denn der Verkläger unserer Brüder ist verworfen, der sie verklagte Tag und Nacht vor unserm Gott.

11 Und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt, bis hin zum Tod.

Hier wird der Kampf gegen den Drachen noch einmal in christlich vertrauteren Bildern dargestellt. Hinter der Macht des Erzengels Michael steht die gewaltfreie Macht des göttlichen Kindes, das sich als Gottes Lamm töten lässt. Indem die Sünde der Menschen das Gotteslamm Christus tötet, überwindet er diese Sünde durch Vergebung.

Wo das geschehen ist, hat der Satan als Ankläger der Menschen, wie er im Buch Hiob dargestellt wird, sein Recht verloren.

Im Himmel herrscht nur noch Christus. In der Gestalt der Brüder, die auf ihn vertrauen, erscheint hier die Gemeinde der Christen, die vorher in der Frau symbolisiert war, sie müssen kein Verdammungsurteil mehr fürchten und halten an ihrem Zeugnis für Christus fest, selbst wenn sie in den noch andauernden Kämpfen auf dieser Erde leiden oder sogar sterben müssen.

Der Sieg im Himmel ist also für die dem Himmel verbundene Gemeinde ein Grund zur Freude; nur wer den Himmel nicht kennt, muss sich Sorgen machen:

12 Darum freut euch, ihr Himmel und die darin wohnen! Weh aber der Erde und dem Meer! Denn der Teufel kommt zu euch hinab und hat einen großen Zorn und weiß, dass er wenig Zeit hat.

Hier singen wir gemeinsam das Lied 396, 1-3, das sehr gut zu dieser Stelle passt:

1) Jesu, meine Freude, meines Herzens Weide, Jesu, meine Zier: ach, wie lang, ach lange ist dem Herzen bange und verlangt nach dir! Gottes Lamm, mein Bräutigam, außer dir soll mir auf Erden nichts sonst Liebers werden.

2) Unter deinem Schirmen bin ich vor den Stürmen aller Feinde frei. Lass den Satan wettern, lass die Welt erzittern, mir steht Jesus bei. Ob es jetzt gleich kracht und blitzt, ob gleich Sünd und Hölle schrecken, Jesus will mich decken.

3) Trotz dem alten Drachen, Trotz dem Todesrachen, Trotz der Furcht dazu! Tobe, Welt, und springe; ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh. Gottes Macht hält mich in acht, Erd und Abgrund muss verstummen, ob sie noch so brummen.


6. Die Flügel

Ein Tummelplatz für den im Himmel heimatlos gewordenen Drachen wird die Erde und das Meer; allerdings wahrhaft gefährlich kann er nur denen werden, die vom Himmel her nicht beschützt sind. Das wird deutlich im Schicksal der Frau, die nun wieder ins Blickfeld der Vision rückt:

13 Und als der Drache sah, dass er auf die Erde geworfen war, verfolgte er die Frau, die den Knaben geboren hatte.

14 Und es wurden der Frau gegeben die zwei Flügel des großen Adlers, dass sie in die Wüste flöge an ihren Ort, wo sie ernährt werden sollte eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit fern von dem Angesicht der Schlange.

Das Wort des Propheten Jesaja wird hier aufgenommen (Jesaja 40, 31):

Die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler.

Flügel der Hoffnung tragen die Frau in die Wüste, den Ort ihrer Rettung. Dass der Künstler die Frau auf unserem Bild ohne Flügel gemalt hat, wird seinen Grund haben – sie bleibt Mensch, soll nicht mit einem Engel verwechselt werden, obwohl schwarze Adlerflügel zu ihrem Kleid passen würden. Jedenfalls tragen ihre unsichtbaren Flügel sie so weit, dass sie unerreichbar bleibt für den Drachen, obwohl der doch auch noch Flügel hat, als Überbleibsel aus Engelzeiten.

In der Wüste hat die Frau ihren Ort, wo sie ernährt wird. Auch das Volk Israel war nach der Errettung aus Ägypten noch lange nicht im Gelobten Land. Auch die Gemeinde der Christen muss ausharren und sich nähren in einer Welt, deren Märkte und Computer immer mehr vernetzt sind, in der aber nicht einmal der materielle Hunger aller Menschen gestillt wird.

Wie lange dauert die Durststrecke? „Eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit“. Mich erinnert diese geheimnisvolle Art der Zählung der in anderer Form bereits erwähnten dreieinhalb Jahre an Strichlisten auf Gefängnismauern, an die quälende Sehnsucht deutscher Kriegsgefangener im Zweiten Weltkrieg, die von einer Zeit zur andern, z. B. von Weihnachten zu Weihnachten, immer neu auf Freilassung hofften.

Christoph Graupner, Satz 5: Speranza

7. Mutter Erde

15 Und die Schlange stieß aus ihrem Rachen Wasser aus wie einen Strom hinter der Frau her, um sie zu ersäufen.

16 Aber die Erde half der Frau und tat ihren Mund auf und verschlang den Strom, den der Drache ausstieß aus seinem Rachen.

Den Ort, wo die Frau Zuflucht gefunden hat, kann die Schlange zwar nicht selbst erreichen, aber sie versucht sie zu vernichten, indem sie nicht Feuer, wie man von einem Drachen vermuten könnte, sondern Wasserfluten hinter ihr her speit. Hier erinnert der Drache an die Urfluten des Chaos vor der Schöpfung, die in der Sintflut von Gott die Erlaubnis erhalten hatten, über die böse Menschheit hereinzubrechen.

Hilfreich für die Frau ist hier die Erde selbst, die die Fluten mit ihrem Mund verschlingt – Mutter Erde wird zur Beschützerin von Mutter Kirche. Die Erde ist also weder Jammertal noch Hölle, bleibt selbst als Wüste Schöpfung Gottes, die dem Menschen hilfreich ist, auf die er angewiesen ist, die er auch deshalb bebauen und bewahren soll, weil er ohne sie nicht überleben kann.

Ich betrachte auf dem Bild noch einmal die Wellen, die Claus Wallner um die Frau herum zwischen die spitzen Sonnenstrahlen gemalt hat. Vielleicht hat er hier auch das Bild der Wasserfluten aufgegriffen und ins Bild der Frau auch das beschützende Wirken der Erde mit einbezogen. Man mag in der Gewalt des Wassers auch ein Symbol für das Tränenmeer sehen, in dem die von Leid gebeutelte Menschheit ertrinken könnte. Auch die Gemeinde Christi bleibt von Leid und Tränen nicht verschont und darf zugleich wissen, dass ihre Tränen einmal abgetrocknet werden.

Christoph Graupner, Satz 6: Air

8. Die Zeugen

Welche Zuversicht können wir mitnehmen aus der Betrachtung des Bildes, wenn doch der Kampf am Ende des Kapitels 12 der Offenbarung noch lange nicht zum endgültigen Abschluss gebracht worden ist?

17 Und der Drache wurde zornig über die Frau und ging hin, zu kämpfen gegen die übrigen von ihrem Geschlecht, die Gottes Gebote halten und haben das Zeugnis Jesu.

Es hat seinen Sinn, dass das Bild vom Drachenkampf über dem Ausgang der Kirche zu sehen ist.

Wenn wir hier in der Kirche sind, dann können wir uns auch selber sehr eindeutig als Kirche erleben. In einer besonders geschützten Zone, dicht an der Offenbarung, dem Himmel näher als sonst, sind wir Christen hier in der Gemeinschaft dem Angriff des Drachen nicht schutzlos ausgesetzt.

Gehen wir hinaus aus der Kirche, sind wir mehr auf uns gestellt, bleiben aber doch Glieder der Kirche, sind wir doch „von ihrem Geschlecht“. Dort draußen ist der eigentliche Platz, wo der Kampf weitergekämpft werden muss, der im Himmel längst entschieden ist. Dort sind wir Zeugen für Jesus und den Willen Gottes.

Hier in der Kirche ist es leicht, für Jesus zu sein und die Gebote Gottes zu predigen. Draußen im Alltag der Welt entscheidet es sich, ob wir die Gebote wirklich befolgen und für Jesus eintreten, wo es darauf ankommt.

In wem finden wir uns auf dem Bild wieder?

Wenn wir uns auf dem Bild in der Frau wiederfinden, die ein Bild für die Gemeinde Christi ist – dann sind wir eine Gemeinde von Christusträgern. Wir sind gehalten, indem wir das Kind auf den Armen tragen. Wir sind Christi Gemeinde, indem wir ihn aufsuchen in den geringsten seiner Geschwister.

Vielleicht identifizieren wir uns aber auch mit dem Engel Michael, der mit der Stärke seines Stabes den Drachen ganz ruhig in seine Schranken weist. Wir können uns anstecken lassen von seiner vertrauensvollen Gelassenheit und müssen uns wegen des Bösen in dieser Welt keine unnötigen Sorgen machen. Denn der Drache ist bereits besiegt.

Ich schließe mit der Liedstrophe 6, Vers 4, aus dem Evangelischen Gesangbuch:

Der Teufel brächt uns gern zu Fall und wollt uns gern verschlingen all; er tracht‘ nach Leib, Seel, Gut und Ehr. Herr Christ, dem alten Drachen wehr. Amen.

Wenn Sie nach dem letzten Musikstück ab heute mit ganz anderen Empfindungen unter dem Michaelsfenster hindurch nach draußen gehen, dann gehen Sie unter dem Segen Gottes:

Gott breite über dir aus die Flügel seiner Engel, Gott umfange dich mit seinen mütterlichen Armen, Gott stehe dir zur Seite mit dem Stab seiner Stärke. Amen.

Christoph Graupner, Satz 7: Menuett

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