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Befreiender Gott oder Goldenes Kalb

Stilisierter Stierkopf
Der Stier – Symbol für Stärke, Potenz, Durchsetzungskraft (Bild: Karen ArnoldPixabay)

„Kirche und Politik“ – ein heikles Thema für einen Gemeindebrief! Ich erinnere mich an deutschnationale Töne in Predigten des Pastors meiner westfälischen Heimatgemeinde, die ich als Konfirmand unpassend fand. Selber hielt ich es in den Achtziger Jahren als Pfarrer einer Gemeinde in der Wetterau für wichtig, dass sich die Kirche mit umstrittenen Fragen der Friedens-, Umwelt- und Sozialpolitik auseinandersetzt – da wurde ich mit dem Vorwurf konfrontiert, die Kirche solle sich nicht in die Politik einmischen.

Es ist gewiss nicht in Ordnung, als Pfarrer von der Kanzel herab eine bestimmte Parteipolitik als die einzig christlich mögliche zu vertreten. Aber die Maßstäbe für ein menschliches Miteinander, die in der Bibel offenbart und gelebt werden, sparen den Bereich der Politik nicht aus. Es ist daher unausweichlich, dass auch Christen sich ihre politische Meinung bilden, die sie vor Gott verantworten und hier und da zur Diskussion stellen.

Als ich diese Betrachtung schreibe, habe ich gerade eine Predigt über das Goldene Kalb gehalten (2. Mose 32). Da geht es um Menschen, die sehr religiös sind. Einen selbstgemachten Gott aus Gold bejubeln sie und bringen ihm gerne Opfer. Ihm zuliebe verlassen sie den unsichtbaren Gott. Der hat sie aus dem Sklavenreich des Pharao befreit. Der will sie am Sinai auf ein paar Wegweisungen für ein gerechtes und friedliches Miteinander verpflichten. Der will, dass die gewonnene Freiheit nicht wieder verloren geht. Aber während sie auf Mose warten müssen, der auf dem Berg all zu lange diesem Gott zuhört, fangen sie an zu zweifeln. Sie wollen einen Gott, den sie unter Kontrolle haben, der ihre ängstlichen, egoistischen Wünsche erfüllt. Sie machen ein Stierbild aus Gold, Sinnbild für Macht und Potenz, Schönheit und Wohlstand. Solche Götter gibt es auch heute, nur nennt man sie nicht so. Vor einiger Zeit war es die Nation oder eine Ideologie, die für viele an die Stelle Gottes rückte. Heute ist es eher das eigene Ego. Geld kann zum Gott werden, auch ohne in ein Götterbild umgeschmolzen zu werden. So ein Schein-Gott vermittelt das Gefühl, stark zu sein und alles im Griff zu haben.

Die Bibel erzählt, dass bei dieser Bemühung um einen berechenbaren, starken Gott nur ein Kälbchen, kein Stier herauskommt. Trotzdem hat es verheerende Folgen, dass die Menschen sich von den guten Geboten des gerechten und barmherzigen Gottes abwenden. Die einen werden zügellos, die anderen fanatisch: es kommt zum blutigen Bürgerkrieg.

Erst als die Menschen sich wieder von Gott die Hände füllen und auf seinen Wegen leiten lassen, erfahren sie Vergebung und neuen Segen. Ein Leben im Frieden, in Freiheit und in einer solidarischen Gemeinschaft steht ihnen offen.

Pfarrer Helmut Schütz

Geistliches Wort Juni 2014 im Gießener Gemeindebrief „Evangelisch in der Nordstadt“

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