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Das Wasser des Lebens

Wie im Märchen finden nur diejenigen das Wasser des Lebens – nicht für viel Geld, sondern umsonst – die ohne Hochmut durchs Leben gehen. Um es zu finden, darf man den Menschen am Wegrand nicht übersehen, auch wenn er unscheinbar aussieht wie ein Zwerg. In ihm könnte uns Jesus begegnen.

Ein Wassertropfen fällt in blaues Wasser und springt hoch
Wasser – ein Symbol für wahres Leben (Bild: ferdi sezginPixabay)

#predigtTaufgottesdienst am Sonntag, 8. Mai 2005, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Heute ist Taufgottesdienst in der Pauluskirche. Wir taufen die kleine … und heißen sie mit ihrer Familie und ihren Patinnen herzlich willkommen!

Zur Taufe gehört Wasser. Heute kreisen auch unsere Texte und Lieder um das Thema Wasser, und in der Predigt geht es um das „Wasser des Lebens“.

Lied 217, 1-2:

1. Herr Jesu Christe, mein getreuer Hirte, komm, mit Gnaden mich bewirte. Bei dir alleine find ich Heil und Leben, was mir fehlt, kannst du mir geben. Kyrieleison. Dein arm Schäflein wollest du weiden auf Israels Bergen mit Freuden und zum frischen Wasser führn, da das Leben her tut rührn. Kyrieleison.

2. All ander Speis und Trank ist ganz vergebens, du bist selbst das Brot des Lebens, kein Hunger plaget den, der von dir isset, alles Jammers er vergisset. Kyrieleison. Du bist die lebendige Quelle, zu dir ich mein Herzkrüglein stelle; lass mit Trost es fließen voll, so wird meiner Seele wohl. Kyrieleison.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Wir brauchen Wasser zum Leben. Zum Trinken, zum Waschen, und damit etwas wächst auf dem Acker oder im Garten.

Ein besonderes Wasser versprichst du uns, Gott: lebendiges Wasser, das unserer Seele gut tut, die Quelle des ewigen Lebens.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Manchmal ist unsere Seele wie ausgetrocknet. Vor lauter Sorgen wie gelähmt, sitzen wir da, kraftlos, mutlos, ohne Ziel vor Augen, ohne einen Sinn zu sehen im alltäglichen Trott, im oft vergeblichen Kampf um Chancen und Erfolg im Leben.

Manchmal fällt uns das Glück in den Schoß wie ein neugeborenes Kind, das uns anvertraut ist. Wir schlürfen aus dem Becher, den das Leben uns hinhält, doch wir fragen uns: Wie lange wird das Glück uns treu sein? Ist genug für uns da im Leben? Wie können wir uns vor Unglück schützen? Mitten im Glück machen wir uns doch auch Sorgen.

Gott, wir sehnen uns nach Glück, das niemals aufhört, nach einer Quelle des Lebens, die unerschöpflich ist. Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Wir beten mit Worten aus dem Psalm 63. Sie stehen im Gesangbuch unter der Nummer 729. Lesen Sie bitte die linksbündigen Verse, ich lese die Teile, die nach rechts eingerückt sind: Ich will Gott loben mein Leben lang.

2 Gott, du bist mein Gott, den ich suche. Es dürstet meine Seele nach dir, mein ganzer Mensch verlangt nach dir aus trockenem, dürrem Land, wo kein Wasser ist.

3 So schaue ich aus nach dir in deinem Heiligtum, wollte gerne sehen deine Macht und Herrlichkeit.

4 Denn deine Güte ist besser als Leben; meine Lippen preisen dich.

5 So will ich dich loben mein Leben lang und meine Hände in deinem Namen aufheben.

6 Das ist meines Herzens Freude und Wonne, wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben kann;

7 wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich, wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach.

8 Denn du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.

9 Meine Seele hängt an dir; deine rechte Hand hält mich.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist gross Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Danke, Gott, dass wir uns unter dem Schatten deiner Flügel geborgen fühlen dürfen wie ein kleines Kind, dass wir keck in die Welt blicken können und unseren Lebensdurst und unseren Hunger nach Liebe nicht aufgeben müssen. Bitte zeige uns, wo wir das „Wasser des Lebens“ finden – durch Jesus Christus, unseren Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Evangelium nach Johannes 3, 1 bis 5:

1 Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, einer von den Oberen der Juden.

2 Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: Meister, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.

3 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.

4 Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden?

5 Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Lied 206:

1) Liebster Jesu, wir sind hier, deinem Worte nachzuleben; dieses Kindlein kommt zu dir, weil du den Befehl gegeben, dass man sie zu dir hinführe, denn das Himmelreich ist ihre.

2) Ja, es schallet allermeist dieses Wort in unsern Ohren: „Wer durch Wasser und durch Geist nicht zuvor ist neu geboren, wird von dir nicht aufgenommen und in Gottes Reich nicht kommen.“

3) Darum eilen wir zu dir; nimm das Pfand von unsern Armen; tritt mit deinem Glanz herfür und erzeige dein Erbarmen, dass es dein Kind hier auf Erden und im Himmel möge werden.

4) Hirte, nimm das Schäflein an; Haupt, mach es zu deinem Gliede; Himmelsweg, zeig ihm die Bahn; Friedefürst, sei du sein Friede; Weinstock, hilf, dass diese Rebe auch im Glauben dich umgebe.

5) Nun wir legen an dein Herz, was vom Herzen ist gegangen. Führ die Seufzer himmelwärts und erfülle das Verlangen; ja den Namen, den wir geben, schreib ins Lebensbuch zum Leben.

Liebe Familie …, liebe Taufpaten, liebe Gemeinde! Aus Wasser und Geist muss man neu geboren werden, sonst kommt man nicht ins Reich Gottes. Was meint Jesus mit diesem Wort? Er kann nicht meinen, dass jeder Mensch unbedingt möglichst früh getauft werden muss. Denn als er dem Nikodemus diesen Satz gesagt hat, gab es die christliche Taufe noch gar nicht.

Nein, Jesus meint etwas anderes. Zunächst einmal: Wir gehören nicht zu Gott, weil wir etwas leisten. Wir gehören zu Gott wie ein neugeborenes Kind zu seinen Eltern: angewiesen auf Liebe, mit Leben und Liebe beschenkt, und dazu herausgefordert, mit diesen Geschenken etwas Sinnvolles anzufangen.

Dass Jesus von einer neuen Geburt spricht, die wir Erwachsenen nötig haben, hängt damit zusammen, dass es wohl kein Neugeborenes auf dieser Erde gibt, das im Laufe des Großwerdens immer nur Liebe erfährt und immer nur sinnvoll mit seinem Leben umgeht. Alle Menschen, obwohl gut geschaffen, sind doch verstrickt in Sünde, jeder auf seine Weise, vollkommen gut ist niemand.

Darum erinnert Jesus an das Wasser, mit dem Johannes die Leute taufte, die sich schuldig fühlten. Was schlecht und sündig an ihnen war, sollte abgewaschen werden. Ja, das Untertauchen im Jordan konnte symbolisch sogar wie eine Tötung des bösen alten Menschen verstanden werden. Wer ohne Liebe und ohne Sinn in dieser Welt lebt, der droht zu ertrinken in einem Meer der Finsternis und der Verzweiflung.

Das Entscheidende bei der Taufe des Johannes war aber nicht das Untertauchen, sondern das Auftauchen. Als Jesus getauft wurde, sah er beim Auftauchen über sich den Himmel offen stehen. So sah Jesu persönliche Wiedergeburt aus: Gott erfüllte ihn mit seinem Geist und Jesus wusste: „Ich bin Gottes geliebter Sohn.“ Neugeboren aus Wasser und Geist.

Etwas Ähnliches gab es schon einmal ganz am Anfang der Welt. Da erzählt die Bibel vom chaotischen Wasser der Urflut. Gottes Geist schwebt darüber und bringt Ordnung ins Chaos, indem er dafür sorgt, dass das nasse Element nicht nur seine zerstörerischen Kräfte entfaltet, sondern dem Leben dient. Unsere Welt – geboren aus Wasser und Geist. Jesus Christus – neugeboren aus Wasser und Geist.

Ja, und heute haben wir hier nun ein Baby bei uns, das vor nicht allzu langer Zeit ganz real neu geboren wurde. … wird morgen 11 Monate alt. Ist auch sie neugeboren „aus Wasser und Geist“?

Klar, neugeboren ist sie. Wie jedes Kind ist sie aus dem Wasser gekommen, das ihr Lebensraum im Mutterleib gewesen ist. Aufgetaucht aus diesem Wasser, hat sie das Licht der Welt erblickt, wie man sagt, und damit ist nicht nur gemeint, dass es außerhalb des Mutterleibes heller ist als drinnen, sondern dass der Geist des Kindes mit jedem Tag wächst und immer mehr von der Welt aufnimmt und erkennt.

Das ist allerdings ein recht unreligiöses Verständnis des Neugeborenseins „aus Wasser und Geist“.

Indem wir ein Kind taufen, fügen wir diesem Verständnis etwas Wichtiges hinzu. Das Wasser, aus dem das Kind kommt, ist ja auch ein Symbol für den Kreislauf des Lebens: es war vorher nicht da, und irgendwann in der Zukunft versinkt jedes Leben, das geboren wurde, wieder im Tod. Wenn wir Wasser als Taufwasser verwenden, erinnern wir an diesen Kreislauf – und durchbrechen ihn. Denn wir sind ja gar nicht einfach aus dem Nichts gekommen, sondern wir sind ja Geschöpfe Gottes. Gott kannte uns schon, bevor wir überhaupt als Gedanke unserer Eltern existierten! Und auch wenn wir einmal sterben, gehen wir nicht verloren, denn im Vertrauen auf Jesus Christus gewinnen wir das ewige Leben. Davon hören wir nachher in der Predigt mehr.

So ist ein Kind von Anfang seines Lebens an Gottes Kind, und Gott will, dass wir es in dieser Welt willkommen heißen. Wenn wir ein Kind taufen, dann setzen wir damit ein deutliches Zeichen und sagen Ja dazu: Unser Kind ist Gottes Kind, uns von Gott anvertraut. Es hat nicht nur das Licht der Welt erblickt, es soll auch das Licht des Himmels schauen.

Das Taufwasser allein verändert das Leben eines Menschen nicht automatisch; darum spricht Jesus von der Neugeburt aus dem Geist. Neu im Sinne Jesu werden wir durch Liebe: indem wir Liebe erfahren – Geborgenheit, Trost, Ermutigung, gute Grenzen – und indem wir fähig werden, Liebe zu geben.

Aber wie geht das konkret? Wie erfahren wir Liebe, wie erwerben wir Liebesfähigkeit? Auf diese Frage gibt der Taufspruch Auskunft, den Sie für … ausgesucht haben.

Er steht im 2. Buch Mose – Exodus 23, 20 und lautet:

Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe.

Wir wissen im einzelnen nicht, wie das Lebensziel von … ganz konkret aussehen wird. Aber das eben schon genannte Ziel verfolgt Gott auf jeden Fall mit ihr, nämlich dass sie in ihrem Leben Liebe erfahren und zur Liebe fähig werden soll. Auf dem Weg zu diesem Ziel lässt Gott sie nicht allein. Er stellt ihr einen Engel zur Verfügung.

Dieser Engel geht ihr voraus und bringt sie ans Ziel. Er nimmt ihr nicht ihre eigene Verantwortung ab. Er zeigt die Richtung, ihr Leben leben – Liebe annehmen – Liebe üben muss sie selber.

Diese Einsicht ist nicht nur für Engel wichtig, sondern für alle, denen ein Kind anvertraut ist. Sie als Eltern und ein Stück weit auch Sie als Patinnen tragen Verantwortung für … – sie braucht erwachsene Begleiter, die ihr das Gefühl vermitteln, in dieser Welt willkommen zu sein, geliebt zu sein, ein wertvoller Mensch zu sein.

Was sie mit dem macht, was Sie für sie tun, welche Richtung, welches Ziel sie ihrem Leben geben wird, darüber kann kein Erwachsener verfügen – das muss sie sozusagen mit ihrem Engel ausmachen; der geht vor ihr her, und sie wird wissen und selbst entscheiden, wo es lang geht. Über den Ort, an den sie zuletzt gelangen wird in ihrem Leben, weiß nur Gott selbst Bescheid, nur er hat den Überblick über unsere Bestimmung und die ewige Erfüllung unseres Lebens.

Realistisch müssen wir sagen: unsere menschliche Macht reicht nicht einmal aus, um unsere Kinder vor allen Gefahren zu bewahren. In einer Welt, in der Unfälle und böse Dinge geschehen, ist es gut, auf den Schutzengel Gottes vertrauen zu können, sonst kämen wir aus der Angst gar nicht mehr heraus. Ein Wunder ist es bereits, dass nicht noch mehr passiert in dieser gefährlichen Welt. Wir dürfen zuversichtlich sein, dass Gottes starke Engel unser Kind und uns selbst nicht im Stich lässt, was auch immer geschieht: „Ich werde einen Engel schicken, der dir vorausgeht. Er soll dich auf dem Weg schützen und dich an den Ort bringen, den ich bestimmt habe.“ Amen.

Unser Vertrauen auf Gott sprechen wir nun aus, indem wir das Glaubensbekenntnis sprechen, stellvertretend auch für unser Taufkind:

Glaubensbekenntnis und Taufe
Lied 575: Ein Kind ist angekommen
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, Jesus sagt dem Nikodemus: „Wer nicht neu geboren wird aus Wasser und Geist, kann nicht in das Reich Gottes kommen.“ Dieses Wasser erinnerte mich an das Chaoswasser der Urflut, an gefährliches Wasser, in dem man untertauchen und ertrinken kann, an das Taufwasser des Johannes, das von Sünden reinigt und aus dem man auftaucht, um den Himmel zu schauen.

An einer anderen Stelle im gleichen Evangelium greift Jesus noch einmal das Stichwort „Wasser“ auf. Da redet er noch einmal ganz anders vom Wasser, nämlich von einem Wasser, das man trinken kann. Wir hören Johannes 7, 37-39:

37 Am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!

38 Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.

39 Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.

Was für ein Wasser bekommen wir bei Jesus zu trinken? Kann man Heiligen Geist einfach empfangen wie ein Glas Wasser?

Ich will den Anfang eines Märchens erzählen. Vielleicht kennen Sie es: „Das Wasser des Lebens“.

Es war einmal ein König, der war krank, und niemand glaubte, dass er mit dem Leben davonkäme. Er hatte aber drei Söhne, die waren darüber betrübt, gingen hinunter in den Schlossgarten und weinten. Da begegnete ihnen ein alter Mann, der fragte sie nach ihrem Kummer. Sie sagten ihm, ihr Vater wäre so krank, dass er wohl sterben würde, denn es wollte ihm nichts helfen. Da sprach der Alte: „Ich weiß noch ein Mittel, das ist das Wasser des Lebens; wenn er davon trinkt, so wird er wieder gesund; es ist aber schwer zu finden.“ Der älteste sagte: „Ich will es schon finden“, ging zum kranken König und bat ihn, er möchte ihm erlauben, auszuziehen, um das Wasser des Lebens zu suchen, denn das könnte ihn allein heilen. … Der Prinz dachte in seinem Herzen: „Bringe ich das Wasser, so bin ich meinem Vater der liebste und erbe das Reich.“

Also machte er sich auf, und als er eine Zeitlang fortgeritten war, stand da ein Zwerg auf dem Wege, der rief ihn an und sprach: „Wo hinaus so geschwind?“ – „Dummer Knirps“, sagte der Prinz ganz stolz, „das brauchst du nicht wissen“, und ritt weiter. Das kleine Männchen aber war zornig geworden und hatte einen bösen Wunsch getan. Der Prinz geriet bald hernach in eine Bergschlucht, und je weiter er ritt, je enger taten sich die Berge zusammen, und endlich ward der Weg so eng, dass er keinen Schritt weiterkonnte; es war nicht möglich, das Pferd zu wenden oder aus dem Sattel zu steigen, und er saß da wie eingesperrt. … Dem zweiten Sohn ging es genau so. … So geht’s aber den Hochmütigen.

Als auch der zweite Sohn ausblieb, erbot sich der jüngste, auszuziehen und das Wasser zu holen, und der König musste ihn endlich ziehen lassen. Als er dem Zwerg begegnete und dieser fragte, wohin er so eilig wolle, so hielt er an, gab ihm Rede und Antwort und sagte: „Ich suche das Wasser des Lebens, denn mein Vater ist sterbenskrank.“ – „Weißt du auch, wo das zu finden ist?“ fragte der Zwerg. „Nein“, antwortete der Prinz. „So hör‘ zu“, sagte der Zwerg. „Weil du dich betragen hast, wie sich’s geziemt, nicht übermütig wie deine falschen Brüder, will ich dir Auskunft geben und dir sagen, wie du zu dem Wasser des Lebens gelangst…“

Es gibt noch viele Verwicklungen in diesem Märchen, aber eine tiefe Wahrheit leuchtet schon hier am Anfang auf: Um das Wasser des Lebens zu finden, das den alten König vor dem Tode retten soll, kommt es auf den Charakter derer an, die sich auf die Suche machen. Die älteren Söhne suchen das Wasser des Lebens, um selber einen Vorteil davon zu haben. Ihr Ziel im Leben ist das Erbe des Vaters. Rücksichtnahme ist ihnen fremd, hochmütig behandeln sie den Zwerg am Wegrand, und damit strafen sie genau den Menschen mit Verachtung, der ihnen den Weg zum Wasser des Lebens zeigen kann. Wie so oft im Märchen ist es der jüngste und gar nicht stolze Sohn, der mit seinem geradlinigen ehrlichen Sinn das Wasser des Lebens findet. Später rettet er sogar seine Brüder, die ihm das jedoch auf üble Weise danken, aber das können Sie in Grimms Märchen selber nachlesen.

In meiner Predigt geht es mir heute nur um einen Punkt: Das Wasser des Lebens, das vom Tode errettet, gibt es nicht nur im Märchen.

Wie im Märchen finden nur diejenigen das Wasser des Lebens, die ohne Hochmut durchs Leben gehen, die es geduldig und in Demut suchen.

Wie im Märchen gibt es dieses Wasser nicht für viel Geld, sondern umsonst.

Und wie im Märchen darf man, um es zu finden, den Menschen nicht übersehen, der uns am Wegrand begegnet, auch wenn er unscheinbar aussieht wie ein Zwerg.

Das Wasser des Lebens finden wir nur bei einer Person: bei Jesus.

Gehen wir wie die älteren Brüder im Märchen an ihm vorbei und sagen: Was hat er uns schon zu bieten? Er konnte nicht einmal sein eigenes Leben retten.

Wollen wir wie die älteren Brüder im Märchen lieber auf die eigene Kraft vertrauen als auf einen Gott, der so oft ja doch nicht hilft?

Aber ich glaube, dann bleiben wir wie die älteren Brüder zwischen den Felsen der Hartherzigkeit und Bitterkeit stecken, unsere Kräfte trocknen aus und lähmen uns, so dass wir wie tot sind.

Besser ist es, aufmerksam diesen Jesus zu betrachten und zu schauen, wie er durchs Leben geht. Ja, er stirbt am Kreuz. Aber vorher lebt er. Er lebt ein wunderbares Leben. Er lebt die Liebe auf Erden. Wo er ist, da ist das Reich Gottes unter den Menschen angebrochen. Wer ihm begegnet, fühlt sich wie neu geboren, wird getröstet, herausgefordert, ermutigt. Manche fühlen sich bis ins Mark getroffen, weil Jesus ihre heimliche Sünde durchschaut und fassen endlich den Entschluss, umzukehren. Manche finden Mut, an dieser Quelle des Lebens sich sattzutrinken, einfach zu glauben, dass Jesus sie lieb hat, dass er ihnen den Himmel aufschließt.

Wollen wir das auch tun? Wir haben die Chance, hier und heute, einfach auf Jesus zu hören, wenn er uns zuruft: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!“

Was wir da zu trinken bekommen, ist Gottes Liebe. Eine Liebe, die unsere ausgetrocknete Seele frisch und lebendig macht. Eine Liebe, die uns verwandelt, so dass auch andere Menschen davon etwas haben. Denn Jesus gibt uns ein großes Versprechen: „Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“

Das Wasser des Lebens ist die Liebe, mit der Gott uns erfüllt, wenn wir sie nur annehmen. Von dieser Liebe will ich nicht weiter reden, sondern mit Ihnen gemeinsam singen. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 621: Ins Wasser fällt ein Stein

Gott, wir bitten dich für das Kind, das wir heute getauft haben, und für alle Kinder, die uns anvertraut sind. Hilf uns, dass wir deine Liebe annehmen, und mach aus uns Menschen, von denen Ströme des lebendigen Wassers ausgehen. Lass uns lebendige Christen sein, ein Vorbild für unsere Kinder und ein Ansporn für viele, den Glauben an dich ernstzunehmen.

Gott, wir bitten dich heute für alle, die Muttertag feiern, dass sie es in ehrlicher Dankbarkeit tun. Bewahre uns davor, einander unter Druck zu setzen, und hilft uns krampfhafte Rituale und unechte Gefühle zu überwinden.

Gott, wir bitten dich für alle, die heute an den 60. Jahrestag des Kriegsendes denken. Mach uns bewusst, wo heute der Friede gefährdet ist und welche Verantwortung wir für ihn tragen.

Was wir außerdem auf dem Herzen haben, vertrauen wir dir, Gott, in der Stille an.

Stille und Vater unser
Lied 501:

1. Wie lieblich ist der Maien aus lauter Gottesgüt, des sich die Menschen freuen, weil alle grünt und blüht. Die Tier sieht man jetzt springen mit Lust auf grüner Weid, die Vöglein hört man singen, die loben Gott mit Freud.

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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