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Mose vor dem Burnout

„Ich kann das nicht allein, es ist mir zu schwer!“ Diesen Stoßseufzer hätten wir aus dem Munde des berühmten Mose vielleicht nicht erwartet. Allen, die in der Versuchung stehen, sich zu viele Lasten aufzuerlegen, zu viel Verantwortung aufzubürden, sei dieses Stoßgebet ans Herz gelegt: „Ich kann es nicht allein, es ist mir zu schwer!“

Statue von Mose
Mose-Statue (Bild: LoggaWigglerPixabay)

direkt-predigtAbendmahlsgottesdienst am Pfingstsonntag, den 4. Juni 1995, um 9.30 Uhr in der Kapelle der Landesnervenklinik Alzey

Herzlich willkommen im Gottesdienst am Pfingstsonntag, am Tag der Ausgießung des Heiligen Geistes! Was oder wer ist der Heilige Geist? Auf diese Frage suchen wir gemeinsam Antwort, in der Bibel und in Liedern. Zum Beispiel im ersten Lied 135, 1-3:

1) Schmückt das Fest mit Maien, lasset Blumen streuen, zündet Opfer an; denn der Geist der Gnaden hat sich eingeladen, machet ihm die Bahn! Nehmt ihn ein, so wird sein Schein euch mit Licht und Heil erfüllen und den Kummer stillen.

2) Tröster der Betrübten, Siegel der Geliebten, Geist voll Rat und Tat, starker Gottesfinger, Friedensüberbringer, Licht auf unserm Pfad: gib uns Kraft und Lebenssaft, lass uns deine teuren Gaben zur Genüge laben.

3) Lass die Zungen brennen, wenn wir Jesus nennen, führ den Geist empor; gib uns Kraft zu beten und vor Gott zu treten, sprich du selbst uns vor. Gib uns Mut, du höchstes Gut, tröst uns kräftiglich von oben bei der Feinde Toben.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir beten mit Psalm 118:

24 Dies ist der Tag, den der HERR macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein.

27 Der HERR ist Gott, der uns erleuchtet. Schmückt das Fest mit Maien!

29 Danket dem HERRN; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.

Kommt, lasst uns anbeten. „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, dein Atem gibt uns Leben. Wie der Wind die Blätter der Bäume bewegt, so bewegst du auch uns. Gott, dein Geisthauch rührt uns an, so dass wir glauben.

Das erbitten wir von dir im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus der Apostelgeschichte 2, 1-4:

1 Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander.

2 Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.

3 Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen,

4 und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja,Halleluja,Halleluja.“

Glaubensbekenntnis

Wir singen Nr. 130, 1+3+6:

1) O Heilger Geist, kehr bei uns ein und lass uns deine Wohnung sein, o komm, du Herzenssonne. Du Himmelslicht, lass deinen Schein bei uns und in uns kräftig sein zu steter Freud und Wonne. Sonne, Wonne, himmlisch Leben willst du geben, wenn wir beten; zu dir kommen wir getreten.

3) Steh uns stets bei mit deinem Rat und führ uns selbst auf rechtem Pfad, die wir den Weg nicht wissen. Gib uns Beständigkeit, dass wir getreu dir bleiben für und für, auch wenn wir leiden müssen. Schaue, baue, was zerrissen und beflissen, dich zu schauen und auf deinen Trost zu bauen.

6) Du süßer Himmelstau, lass dich in unsre Herzen kräftiglich und schenk uns deine Liebe, dass unser Sinn verbunden sei dem Nächsten stets mit Liebestreu und sich darinnen übe. Kein Neid, kein Streit dich betrübe, Fried und Liebe müssen schweben, Fried und Freude wirst du geben.

Gnade und Friede sei mit uns allen von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Liebe Gemeinde!

Was ist Pfingsten? Pfingsten ist ein Fest im Frühling, ein Fest der frischen Brise, die durch die Felder weht, wenn man einen Spaziergang macht! Pfingsten hat aber auch mit einem anderen Wind zu tun, mit dem Wind Gottes. Der fährt mitten zwischen die Jünger, die nach dem Tod Jesu tief enttäuscht und deprimiert sind und – er bewegt sie, lässt sie aus sich herausgehen, tröstet sie, gibt ihnen neuen Mut.

Diesen Sturmwind Gottes nennen wir auch im Deutschen mit einem etwas unglücklichen Ausdruck den Heiligen Geist. Pfingsten ist das Fest dieses Heiligen Geistes. Viele tun sich schwer mit ihm, Heiliger Geist ist nicht leicht zu fassen, ist kaum zu begreifen.

Vielleicht muss man Geschichten erzählen und hören, um etwas vom Heiligen Geist zu verstehen. Darum ist der Predigttext heute eine Erzählung aus dem 4. Buch Mose – Numeri 11; dort wird bereits Hunderte von Jahren vor Christus von einer Ausgießung des Heiligen Geistes berichtet.

Die Geschichte fängt damit an, dass Mose sich überlastet fühlt. Darüber klagt er vor Gott in seinem Gebet:

11 Und Mose sprach zu dem HERRN: Warum bekümmerst du deinen Knecht? Und warum finde ich keine Gnade vor deinen Augen, dass du die Last dieses ganzen Volks auf mich legst?

Von Gott selbst fühlt sich Mose überfordert! Von ihm hatte er den Auftrag erhalten, das Volk Israel aus der Gefangenschaft in Ägypten zu führen. Diese Aufgabe hatte Mose ja auch erfüllt, gemeinsam mit seinem Bruder Aaron. Aber nun war er mit dem Volk Israel schon sehr lange Zeit in der Wüste umhergeirrt, immer wieder gab es Ärger mit den Leuten, musste er murrende Israeliten besänftigen, Streitigkeiten schlichten, Gottes Gebote im Lager durchsetzen. Und am Ziel waren sie noch lange nicht.

Ich kann es gut verstehen, dass Mose mit seinen Kräften einfach am Ende ist. Er kann nicht mehr. Die Last des ganzen Volkes zu tragen, das schafft er nicht mehr. Fast will er verzweifeln. „Finde ich denn keine Gnade mehr vor deinen Augen?“ fragt Mose seinen Gott. „Hast du mich denn gar nicht mehr lieb? Kannst du nicht ein wenig barmherzig sein mit mir?“

Ja, so klagt Mose vor Gott; und er fügt noch weitere Gründe hinzu, warum es seiner Meinung nach einfach nicht mehr so weitergehen kann wie bisher:

12 Hab ich denn all das Volk empfangen oder geboren, dass du zu mir sagen könntest: Trag es in deinen Armen, wie eine Amme ein Kind trägt, in das Land, das du ihren Vätern zugeschworen hast?

Mose übertreibt natürlich bewusst, wenn er fragt: „Bin ich denn die Mutter von allen Israeliten? Sind das alles Säuglinge, die noch die Brust der Mutter oder einer Amme brauchen? Müssen sie wirklich noch auf dem Arm getragen werden wie Kinder, die noch nicht selber laufen können?“ Aber mit dieser Übertreibung drückt er doch ganz genau aus, was er fühlt: Er fühlt sich ausgesaugt, leergepumpt von seinen Leuten, die schon lange keine kleinen Kinder mehr sind. Ist denn da niemand, der wenigstens ein bisschen Eigenverantwortlichkeit gelernt hat? Sagen sich denn alle: „Mose wird’s schon richten!“ Kein Wunder, dass Mose klagt:

14 Ich vermag all das Volk nicht allein zu tragen, denn es ist mir zu schwer.

„Ich kann das nicht allein, es ist mir zu schwer!“ Diesen Stoßseufzer hätten wir aus dem Munde des berühmten Mose vielleicht nicht erwartet. Allen, die in der Versuchung stehen, sich zu viele Lasten aufzuerlegen, zu viel Verantwortung aufzubürden, sei dieses Stoßgebet ans Herz gelegt: „Ich kann es nicht allein, es ist mir zu schwer!“

Und dann redet Mose weiter zu seinem Gott – er streitet mit ihm, er fordert, er fährt ihn mit bitteren Worten an:

15 Willst du aber doch so mit mir tun, so töte mich lieber, wenn ich Gnade vor deinen Augen gefunden habe, damit ich nicht mein Unglück sehen muss.

Mose geht so weit in seiner bitteren Verzweiflung, dass er sich von Gott den Tod wünscht. Nein, er will es nicht länger von ihm annehmen, so eine Last ertragen zu müssen. „Wenn du mich liebst, dann lass mich lieber sterben als mich zu überfordern!“

Ich erinnere mich, dass ich manchmal auch von schwerkranken Menschen ähnliche Worte höre. „Warum kürzt Gott nicht mein Leiden ab? Warum holt er mich nicht? Ich halte es einfach nicht mehr aus!“ Da fühle ich mich oft hilflos und weiß nicht viel zu antworten. Aber wenn Mose solche Worte an Gott richten konnte, dann muss es wohl auch uns heute erlaubt sein, so zu beten.

Wir singen das Lied 171, 1-4:
Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott

Bis hierher stellt sich die Frage, liebe Gemeinde: Was hat das Ganze mit Pfingsten zu tun, mit einem frohen Fest? Nun, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ging es ja auch bei den Jüngern am Pfingstfest noch ziemlich trübsinnig zu. Mit leeren Händen saßen sie da in ihren verschlossenen Räumen. Mit verschlossenen Herzen und leeren Gesichtern und abgestumpfter Seele. Und erst dann geschah das Brausen vom Himmel, und sie wurden bewegt von Gottes Sturmwind.

Bei Mose geschieht ähnliches. Mose hört nämlich eine Antwort von Gott. Seine Klage wird erhört. Ihm kommt eine Idee, und er weiß, diese Idee kommt von Gott, dem Herrn, selbst:

16 Und der HERR sprach zu Mose: Sammle mir siebzig Männer unter den Ältesten Israels, von denen du weißt, dass sie Älteste im Volk und seine Amtleute sind, und bringe sie vor die Stiftshütte und stelle sie dort vor dich,

17 so will ich herniederkommen und dort mit dir reden und von deinem Geist, der auf dir ist, nehmen und auf sie legen, damit sie mit dir die Last des Volks tragen und du nicht allein tragen musst.

Mose bekommt wieder einmal einen Auftrag von Gott. Aber diesmal einen, der ihn nicht noch mehr überfordern soll. Er soll Mitarbeiter bekommen. Er soll sie aussuchen unter den Ältesten des Volkes, dieses Wort wird zweimal betont, also unter denen, die reif und erfahren und erwachsen genug sind, um Verantwortung tragen zu können. Und in einer feierlichen Zeremonie will dann Gott selber einen Teil des Geistes, der auf Mose ruht, wegnehmen und an die anderen verteilen. Interessant, diese Formulierung: Dem Mose muss auch etwas genommen werden, wenn er entlastet werden soll. Ent-Lastung ist immer auch ein Weg-Nehmen. Darum fällt es vielen Menschen wohl auch so schwer, sich selber nicht zu viel Arbeit und Verantwortung aufzuladen. Es ist ja auch schön, gebraucht zu werden und unentbehrlich zu sein. Umgekehrt hat man Angst davor, an Bedeutung zu verlieren, wenn man etwas nicht mehr kann, wenn man eine Aufgabe in andere Hände übergeben muss.

Jedoch Mose hört auf die Worte Gottes und tut, was er verlangt, so wie Gott auf Mose gehört hat und ihm geantwortet hat:

24 Und Mose ging heraus und sagte dem Volk die Worte des HERRN und versammelte siebzig Männer aus den Ältesten des Volks und stellte sie rings um die Stiftshütte.

Rings um die Zeltkirche, die das Volk Israel im Lager mit sich geführt hat, versammeln sich die 70 Ältesten. Und da geschieht nun das Wunderbare:

25 Da kam der HERR hernieder in der Wolke und redete mit ihm und nahm von dem Geist, der auf ihm war, und legte ihn auf die siebzig Ältesten.

In einer Wolke kommt Gott herunter auf die Erde – das will sagen: den großen Gott selbst können wir nur verhüllt wahrnehmen, nur in Bildern und Geschichten begreifen. Er wäre damals nicht fotografierbar gewesen, die Bildzeitung hätte damals nichts Besonderes zu berichten gehabt. Ein Reporter hätte dort nur eine Versammlung von Menschen gefunden, ringsherum um das Heilige Zelt, und einer von ihnen, Mose, spricht laut mit Gott. Dass er von Gott Antwort bekommt, weiß nur er selbst, die Antwort empfängt er in seiner eigenen Seele, unhörbar für die anderen. Auch was Gott mit dem Geist tut, den er zum Teil von Mose wegnimmt und auf die anderen Männer legt, das ist für niemanden sichtbar außer für Mose selbst, der das alles mit seinem inneren Auge wahrnimmt. So ist das bis heute mit dem Heiligen Geist, man kann ihn nicht sehen, nicht hören. Aber dennoch geschieht nun etwas, was man doch sehen und hören kann. Die Menschen,die den Heiligen Geist geschenkt bekommen, verhalten sich plötzlich anders:

Und als der Geist auf ihn ruhte, gerieten sie in Verzückung wie Propheten und hörten nicht auf.

Die Ältesten des Volkes, das waren vielleicht ruhige, gesetzte Leute, die sonst jedes Wort genau abwägen und sorgfältig auswählen, bevor sie etwas sagen. Und nun stoßen sie begeisterte Rufe aus, sie tanzen vor Freude, sind Feuer und Flamme für eine neue Aufgabe, sie fühlen sich auf einmal stark genug, Mose einen großen Teil seiner Arbeit abzunehmen. So würde ich dieses Wort „Verzückung“ übersetzen.

Christus hat jedem Christen den Heiligen Geist versprochen. Müssten wir dann auch plötzlich in fremden Sprachen reden oder ganz ungewöhnliche Tänze aufführen? Nein, man kann sich auch anders angerührt fühlen von Gott, kann innerlich bewegt sein, ein Stück Glaube wächst vielleicht in uns oder mitten in Verzweiflung ein Stück Hoffnung. Zu spüren: Gott erwartet keine großen Glaubensleistungen von uns, sondern er nimmt uns einfach so an, wie wir sind – das ist schon Glaube, das ist ein ganz kindliches Vertrauen.

So gesehen ist der Heilige Geist ein Name dafür, wie der große Gott in uns kleinen Menschen wirkt. Wir können ihn nicht greifen, nicht herbeizwingen, nicht festhalten, aber er will ganz von sich aus bei uns und in uns sein – so nahe, wie niemand sonst uns nahe sein kann. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Wir singen nun vor dem Abendmahl das Lied 225:

Komm, sag es allen weiter, ruf es in jedes Haus hinein

Und nun feiern wir an Pfingsten das heilige Abendmahl miteinander. Wer daran teilnehmen will, kommt nach vorn, wenn es so weit ist, die anderen mögen auf ihrem Platz bleiben und gehören auch zu uns dazu. Nach den Einsetzungsworten singen wir das Lied 190.2.

Lieber Gott, sei uns nun nahe, fülle unsere leeren Hände mit deiner Kraft und mach unsere Seele satt, die Hunger und Durst hat nach Liebe. Amen.

Einsetzungsworte und Abendmahl

Gott, wir danken dir für alle Kraft, die du uns schenkst, für Getrostheit und Zuversicht. Von deinem Geist erfüllt lass uns unsere Wege gehen. Gib Frieden, wo Krieg herrscht, und mach auch uns bereit, Frieden zu stiften, wo wir es können. Bleibe bei uns mit deinem Segen. Amen.

Wir beten gemeinsam mit jesu Worten:

Vater unser

Wir singen zum Schluss Nr. 170, 1-4:

Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen
Abkündigungen

Gott, der Herr, segne euch, und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden. Amen.

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