Bild: Helmut Schütz

Königswelle und Windrose

Ohne Königswelle läuft in der Mühle nichts. Wir nennen Jesus unseren König; ohne Jesus wäre in der Kirche alles tot. Jesus überträgt Kraft, die er von Gott gewinnt, auf alle Menschen; Jesus hält die Menschen in der Gemeinde zusammen, macht uns stark zu Taten der Liebe und zum Ertragen unserer Lasten.

Die Zwillingsmühlen von Greetsiel
Die Zwillingsmühlen von Greetsiel – eine davon ist noch in Betrieb, die andere ein Ausstellungscafé

#predigtAbendmahlsgottesdienst am 11. Sonntag nach Trinitatis, den 7. August 2005, um 10.00 Uhr in der Pauluskirche zu Gießen
„Blowing in the Wind“

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße alle herzlich zum Abendmahlsgottesdienst in der Pauluskirche mit dem Wort zur Woche aus 1. Petrus 5, 5:

Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.

Pfarrer Schütz ist aus dem Urlaub zurückgekehrt, und er hat aus Ostfriesland eine Idee für diesen Gottesdienst mitgebracht. Er wird heute über eine Windmühle predigen. Das bekannte Lied von Bob Dylan über den Wind haben wir ja schon gehört. Wäre die Windmühle zur Zeit der Bibel schon erfunden gewesen – vielleicht hätte Jesus auch ein Windmühlengleichnis erzählt und vielleicht hätte Paulus das Bild der Windmühle verwendet, um christliche Gemeinschaft zu beschreiben.

Lied 504:

1. Himmel, Erde, Luft und Meer zeugen von des Schöpfers Ehr; meine Seele, singe du, bring auch jetzt dein Lob herzu.

2. Seht das große Sonnenlicht, wie es durch die Wolken bricht; auch der Mond, der Sterne Pracht jauchzen Gott bei stiller Nacht.

3. Seht, wie Gott der Erde Ball hat gezieret überall. Wälder, Felder, jedes Tier zeigen Gottes Finger hier.

4. Seht, wie fliegt der Vögel Schar in den Lüften Paar bei Paar. Blitz und Donner, Hagel, Wind seines Willens Diener sind.

5. Seht der Wasserwellen Lauf, wie sie steigen ab und auf; von der Quelle bis zum Meer rauschen sie des Schöpfers Ehr.

6. Ach mein Gott, wie wunderbar stellst du dich der Seele dar! Drücke stets in meinen Sinn, was du bist und was ich bin.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Windmühlen gab es zur Zeit der Bibel noch nicht. Aber Mühlsteine waren bekannt und wurden benutzt. Eine Weisung Gottes aus dem 5. Buch Mose – Deuteronomium 24, 6 zeigt, wie wichtig ein Mühlstein für das Leben damaliger Menschen war:

Du sollst nicht zum Pfande nehmen den unteren und oberen Mühlstein; denn damit hättest du das Leben zum Pfand genommen.

Auch die Kraft des Windes nahm man wahr, mehr als wir Menschen der Neuzeit auf ihn achten. So kann der Wind in der Bibel durchaus zum Gleichnis werden, um von Gott zu reden, zum Beispiel im Buch des Predigers 11, 5:

Gleichwie du nicht weißt, welchen Weg der Wind nimmt und wie die Gebeine im Mutterleibe bereitet werden, so kannst du auch Gottes Tun nicht wissen, der alles wirkt.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Als der große Prophet Elia am Ende seiner Kräfte war, da floh er, vor den Menschen, vor dem Leben, er floh in die Wüste und wollte sterben. Ein Engel rettete ihm das Leben und schickte ihn auf einen weiten Weg, zum Berg Horeb. Dort hörte er die Stimme, die ihm vertraut war, die von Gott kam, er hörte die Worte (1. Könige 19, 11):

Siehe, der HERR wird vorübergehen.

Aber wie ließ sich Gott erkennen? In einem starken Sturm? In einem Erdbeben? Im verzehrenden Feuer?

11 Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem HERRN her; der HERR aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben.

12 Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.

13 Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle.

Da kam Gottes Stimme zu ihm und sagte ihm, was der HERR mit ihm vorhatte.

Herr, gib du selbst dich auch uns zu erkennen und zeige uns unseren Weg!

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Als der Pharisäer Nikodemus zu Jesus kommt, um von ihm zu lernen, da sagt Jesus auch ihm ein Gleichnis vom Wind (Johannes 3, 8):

Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist gross Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Unsichtbarer, ungreifbarer, unverfügbarer Gott, ist es mit dir wie in dem bekannten Song von Bob Dylan? „Die Antwort, mein Freund, weiß ganz allein der Wind…“? Wo bekommen wir Antworten auf unsere Fragen? Wo finden wir Halt und Sinn, Aufgaben, die uns erfüllen? Bewege uns durch deinen Geist, der stark ist wie der Wind und wie der Wind weht, wo er will! Halte uns fest im Vertrauen zu dir und mach uns offen für deine Antworten. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören in 1. Korinther 12, 12-27, wie Paulus die christliche Gemeinde mit einem Leib vergleicht, der von Gottes Geist zu einem zusammengehörigen Ganzen geformt wird:

12 Wie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obwohl sie viele sind, doch ein Leib sind: so auch Christus.

13 Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt.

14 Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele.

15 Wenn aber der Fuß spräche: Ich bin keine Hand, darum bin ich nicht Glied des Leibes, sollte er deshalb nicht Glied des Leibes sein?

16 Und wenn das Ohr spräche: Ich bin kein Auge, darum bin ich nicht Glied des Leibes, sollte es deshalb nicht Glied des Leibes sein?

17 Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör? Wenn er ganz Gehör wäre, wo bliebe der Geruch?

18 Nun aber hat Gott die Glieder eingesetzt, ein jedes von ihnen im Leib, so wie er gewollt hat.

19 Wenn aber alle Glieder ein Glied wären, wo bliebe der Leib?

20 Nun aber sind es viele Glieder, aber der Leib ist einer.

21 Das Auge kann nicht sagen zu der Hand: Ich brauche dich nicht; oder auch das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht.

22 Vielmehr sind die Glieder des Leibes, die uns die schwächsten zu sein scheinen, die nötigsten;

23 und die uns am wenigsten ehrbar zu sein scheinen, die umkleiden wir mit besonderer Ehre; und bei den unanständigen achten wir besonders auf Anstand;

24 denn die anständigen brauchen’s nicht. Aber Gott hat den Leib zusammengefügt und dem geringeren Glied höhere Ehre gegeben,

25 damit im Leib keine Spaltung sei, sondern die Glieder in gleicher Weise füreinander sorgen.

26 Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.

27 Ihr aber seid der Leib Christi und jeder von euch ein Glied.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis

Wir singen das Lied 269 von Christus dem König und Haupt der Gemeinde:

Christus ist König, jubelt laut!
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, Paulus vergleicht das Zusammenwirken der christlichen Gemeinde mit dem Leib eines Menschen. Jeder Körperteil hat seine bestimmte Aufgabe und Bedeutung, Arm oder Bein, Nase oder Ohr, Magen oder Darm. Angeregt durch Urlaubserfahrungen möchte ich heute die christliche Gemeinde mit einer ostfriesischen Windmühle vergleichen.

Zwillingsmühlen in Greetsiel, im Vordergrund das TiefDer kleine Ort Greetsiel ist berühmt für zwei Windmühlen gleicher Bauart, eine der beiden ist noch heute in Betrieb. Die Zwillingsmühlen stehen direkt am Wasser, aber nicht am Meer, sondern ein ganzes Stück von der Nordsee entfernt, an einem Tief – so nennt man die Kanäle, die dort im Inland unterhalb des Meeresspiegels liegen. Wie die Mühle funktioniert, erfuhr ich bei einer Mühlenführung, vor 20 Jahren vom alten Müller Lükko Schoof, in diesem Jahr von seinem Sohn Frank.

Frank Schoof erklärt den Aufbau eines GetreidekornsDie Mühle ist mit 21 m ein ziemlich hohes Gebäude, und ihre Flügel von 22 m Spannweite ragen noch höher in den Himmel. Über dem Erdgeschoss gibt es 5 Stockwerke, wovon das oberste mit einer drehbaren Kappe versehen ist.

Der Aufbau der Windmühle in fünf Stockwerken: Erdgeschoss - Mahlsöller - Pellsöller - Königssöller - Storchnestsöller - KappsöllerAber Schauen wir uns die Mühle der Reihe nach von unten nach oben an. Den Andenken- und Lebensmittelladen im Erdgeschoss gab es früher nicht; für den Betrieb der Mühle ist wichtig: Hier werden die Säcke mit dem Getreide angeliefert, das in der Mühle gemahlen, geschrotet oder zu Graupen verarbeitet werden soll.

Das Erdgeschoss der Mühle mit dem AndenkenladenSchwer muss der Müller tragen, um die zentnerschweren Säcke von den Kunden abzuholen und vom Wagen abzuladen. Aber innerhalb der Mühle muss er sie nicht die Treppe hinaufschleppen, dorthin, wo die Mahlsteine liegen. Diese Arbeit nimmt ihm die Mühle selber ab. Der Müller hängt die Säcke an ein Seil, zieht an einem zweiten Seil, und wie von selbst schweben die Säcke nach oben. Ein zweiter Zug am zweiten Seil bringt den Aufzug zum Stehen. Beide Seile gemeinsam sind notwendig, um dem Müller die Arbeit zu erleichtern: das Aufzug-Seil ist stark genug, um schwer tragen und heben und sich immer wieder in Bewegung setzen zu können, und das andere Seil ist wichtig, um die Vorrichtung steuern zu können. Es ist wie bei uns Menschen – manche sind körperlich stärker, andere können besser organisieren. Woher das erste Seil die Kraft gewinnt, die Lasten hochzuziehen, das ist hier unten nicht zu erkennen; kein Motor brummt; wie der Aufzug angetrieben wird, dieses Geheimnis wird erst im 4. Stock der Mühle gelüftet.

Aber eins nach dem andern. Gehen wir erst einmal eine Treppe höher, dieses Stockwerk heißt Mahlsöller. Hier werden Säcke abgefüllt, mit Mehl, Schrot oder Graupen.

Frank Schoof befüllt einen Sack mit MehlSchlaff und faltig sehen die Säcke aus, solange sie leer sind; von oben her werden sie durch Rohrleitungen gefüllt und sind dann wieder prall voll und ohne Falten. Ob das auch bei Menschen so ist, dass ein innerlich erfüllter Mensch schöner ist als der, der nur auf die Falten seiner äußeren Hülle achtet?

Das Abfüllgerät auf dem MahlsöllerAber gemahlen wird gar nicht auf dem Mahlsöller, sondern noch ein Stockwerk höher, auf dem Pellsöller. Der heißt so, weil das Korn hier nicht nur gemahlen, geschrotet und gesiebt, sondern auch gepellt wird: Gerste wird geschält und zu Graupen verarbeitet – das war früher ein Hauptnahrungsmittel für Mensch und Tier. Auf dem Pellsöller liegen unter einer Holzverkleidung die Mahlsteine und Pellsteine.

Die Holzverkleidung für die Mahlsteine auf dem PellsöllerZwischen dem oberen und dem unteren Stein werden die kleinen Getreidekörner gemahlen, geschrotet oder geschält. Der untere Stein ist in Ruhe, bewegt sich nicht, und gerade auf diese Weise tut er seine wichtige Arbeit. Der obere dreht sich auf ihm im Kreis, 2000 kg schwer, immer ringsherum, er darf sich nicht müde drehen, so heißt es in dem bekannten Lied: „Das Wandern ist des Müllers Lust“. So ähnlich stelle ich mir das in der Gemeinde Jesu vor: Jeder hat seine Aufgabe, der eine erfüllt sie, indem er sich flink bewegt und aktiv ist, ein anderer, dem das Schicksal schwer zusetzt, hat genug daran zu tun, in Ruhe seine Last zu tragen.

Ausgediente Mühlsteine, die vor der Mühle liegenAber was treibt die schweren Steine an und gibt ihnen die Kraft zu mahlen und zu schälen? Wir klettern ein Stockwerk höher zum Königssöller. Der heißt so, weil das riesige Zahnrad, das hier waagrecht zum Boden auf der vierkantigen Königswelle angebracht ist, Königsrad heißt.

Das Königsrad auf dem KönigssöllerEs setzt mit seinen starken Zähnen die sogenannten Korbräder in Bewegung, und die wiederum sind durch schwere Holzwellen mit den oberen Mahlsteinen auf dem Pellsöller verbunden und halten sie am Laufen.

Das Königsrad setzt die Korbräder in BewegungOhne Königswelle läuft in der Mühle nichts, ohne Königsrad kann die Mühle nicht mahlen – und ich denke: das ist ein schöner Name, der zum Vergleich einlädt. Wir nennen Jesus unseren König; ohne Jesus wäre in der Kirche alles tot. Jesus überträgt die Kraft, die er von Gott gewinnt, auf alle Menschen; Jesus hält die Menschen in der Gemeinde zusammen, macht uns stark zu Taten der Liebe und zum Ertragen unserer Lasten.

Steigen wir in der Mühle höher zum 4. Stockwerk, erreichen wir den Elevatorsöller. Hier sitzt das sogenannte Storchennest auf der Königswelle, das den Aufzug für die Säcke antreibt. So lange das senkrechte Rad auf dem Storchennest ruht, zieht die Seilwinde das Aufzugseil auf und ab; mit dem zweiten Seil hebt man das Rad vom Storchennest ab und die Seilwinde bleibt stehen.

Das Storchennestrad auf dem ElevatorsöllerSowohl das Königsrad als auch das Storchennest drehen sich mit der Königswelle. Diese gewaltige vierkantige Achse wurde vor ein paar hundert Jahren aus einem einzigen Baumstamm gefertigt. Aber wie wird sie angetrieben? Sie ragt senkrecht aus dem Königsrad zwei Stockwerke höher bis ganz oben hinauf unter das Dach der Mühle.

Der Bunkler, der waagerecht auf der Achse angebracht istDort oben steckt ein zweites Zahnrad, der Bunkler, waagrecht auf der Achse, und der wiederum ist über ein auf der Flügelachse angebrachtes Treibrad mit den Windmühlenflügeln verbunden.

Zahnräder übertragen die Kraft von den Windmühlenflügeln auf den BunklerSie sind es natürlich, die die Königswelle in Bewegung setzen. Natürlich nur, wenn genug Wind weht.

Die Windmühlenflügel, von unten gesehenWas der Wind für die Mühle ist, das ist der Geist Gottes für die christliche Gemeinde. Jesus ist Gottes Sohn, weil er sich bewegen und erfüllen ließ vom Heiligen Geist. Und die Kirche lebt nur als Gemeinde Jesu Christi, wenn sie sich in Bewegung setzen lässt vom gleichen Geist.

Eine Windmühle braucht ihre Flügel, um den Wind einzufangen und zu nutzen. Eine christliche Gemeinde braucht Gottesdienst, um offen zu sein für Gott, für seine Nähe, für seine Kraft. Gottesdienst feiern heißt also, frischen Wind durch die Gemeinde wehen und Gott an sich arbeiten zu lassen.

Wenn die Mühlenflügel stillstehen, weil kein Wind weht, dann muss man Geduld haben und auf Wind warten. Wie der Müller den Wind nicht in der Hand hat, so haben wir auch Gottes Geist nicht in der Hand: Gott ist stark, Gott ist allmächtig in seiner Liebe, Gott hilft, aber er tut es zu seiner Zeit und auf seine Weise. Es kommt auch vor, dass der Müller das Treibrad auf der Flügelachse abbremsen muss, dann nämlich, wenn zu viel Wind weht. Ein zu starker Sturm würde das Mahlwerk zerstören. Und auch bei Gott gilt, dass seine Mühlen langsam mahlen. Der Prophet Elia machte die Erfahrung: Es muss nicht der stärkste Sturm sein, in dem sich Gott offenbart.

Die andere ZwillingsmühleWo Mühlenflügel auf Dauer stillstehen, weil nicht mehr mit Windkraft gemahlen wird, da werden Mühlen zu Teestuben oder Museen, zu Buchhandlungen oder Ferienwohnungen umgebaut. So bleiben sie als touristische Attraktionen erhalten, zum Nur-noch-schön-Aussehen. In der zweiten Greetsieler Mühle lädt eine Teestube zur ostfriesischen Teezeremonie ein, und es werden Kunstausstellungen veranstaltet.

Eine Kunstausstellung in der zweiten Greetsieler Mühle
Eine Kunstausstellung in der zweiten Greetsieler Mühle, die auch eine Teestube beherbergt

In unserem Gottesdienst stellt sich ähnlich die Frage: Hat er nur noch Museumscharakter, als schönes feierliches Überbleibsel aus der Vergangenheit? Ist Gottesdienst langweilig, ein Ort, an dem sich nichts bewegt? Oder ist unser Gottesdienst – wie die Flügel einer Mühle – darauf eingestellt, dass Gott uns anrührt und unsere Herzen in Bewegung setzt?

Um diese Frage beantworten zu können, ist noch etwas anderes wichtig. Es geht nicht nur darum, ob überhaupt Wind weht und wie stark er weht. Es kommt auch darauf an, aus welcher Richtung er weht. Die Mühlenflügel können sich nur richtig drehen, wenn der Wind von vorne kommt. Kommt der Wind von der Seite, stehen die Flügel still, kommt starker Wind von hinten, kann schlimmstenfalls die ganze Mühle umkippen.

Bei Mühlen älterer Bauart musste der Müller mit einer langen Stange die Mühle mit der Hand in den Wind drehen. Ich habe den Eindruck, dass manche Gemeinden, nicht unsere, so etwas von ihrem Pfarrer erwarten: Er ist ganz allein dafür zuständig, dass die Gemeinde sich immer in der richtigen Richtung ausrichtet, so dass Gott zur Gemeinde reden und sie bewegen kann. Diese Aufgabe kann ein einzelner nicht wirklich bewältigen.

Die neueren ostfriesischen Windmühlen muss der Müller nicht mehr mit der Hand drehen. Vor 250 Jahren wurde die Windrose erfunden; sie sitzt senkrecht zur Ebene der Windmühlenflügel hinten auf der Mühlenkappe und dreht sich nur, wenn der Wind von der Seite kommt.

Die Windrose am "Hinterkopf" der WindmühleDann bewegt sie über ein kleines Zahnrad, das in einem Riesenzahnkranz läuft, die ganze bewegliche Mühlenkappe mitsamt den tonnenschweren Mühlenflügeln immer in die richtige Richtung, und zwar so lange, bis der Wind die Flügel wieder von vorn trifft.

Der Zahnkranz, der von der Windrose bewegt wird und die Mühle in den Wind drehtSteigen wir ins oberste Stockwerk der Mühle, auf den Kappensöller, dann merken wir mit viel Geduld, wie wir uns mit dem obersten Stockwerk der Mühle mitdrehen.

Die Windrose vergleiche ich in einer christlichen Gemeinde mit den Menschen und Gruppen, die sich bewusst mit der Bibel und mit Gott beschäftigen, im Bibelkreis, im „Team halb 6“, im Konfi-Team, im Unterricht und anderswo. Es ist wichtig, dass die Gemeinde nicht aus den Augen verliert, woher der Wind weht – woher die Gemeinde ihre Kraft bekommt.

Die Schoofsche Mühle vom Tief aus gesehenOhne Gottes Kraft sind wir machtlos, so wie eine Mühle nicht mahlen kann, wenn sie den Wind nicht richtig einfängt. Mag sein, dass Gottes Mühlen langsam mahlen, wie ein Sprichwort sagt. Aber (1. Korinther 1, 25):

Die Schwachheit Gottes ist stärker, als wir Menschen sind.

Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 252, 1-2:

1. Jesu, der du bist alleine Haupt und König der Gemeine: segne mich, dein armes Glied; wollst mir neuen Einfluß geben deines Geistes, dir zu leben; stärke mich durch deine Güt.

2. Ach dein Lebensgeist durchdringe, Gnade, Kraft und Segen bringe deinen Gliedern allzumal, wo sie hier zerstreuet wohnen unter allen Nationen, die du kennest überall.

Im Abendmahl sind wir eingeladen, zu spüren, wie Gott uns bewegt und in der Kraft seines Geistes zu einer Gemeinschaft zusammenschließt. Im Brot schenkt er uns den Leib seiner Liebe. Im Kelch besiegelt er seine Treue zu uns mit seinem Blut.

Gott, wir bekennen unseren Unglauben und die Schuld, die wir auf uns geladen haben. Wir bekennen unsere Verzagtheit, unsere Trägheit, unsere Gedankenlosigkeit.

In der Stille bringen wir vor dich, was unsere Seele belastet:

Beichtstille

Wollt Ihr Gottes Treue und Vergebung annehmen, so sagt laut oder leise oder auch still im Herzen: Ja!

Auf euer aufrichtiges Bekenntnis spreche ich euch die Vergebung eurer Sünden zu – im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der Herr sei mit euch. „Und mit deinem Geiste.“

Erhebet eure Herzen! „Wir erheben sie zum Herren.“

Lasset uns Dank sagen dem Herrn, unserem Gott. „Das ist würdig und recht.“

Würdig und recht ist es, Gott ernst zu nehmen als den, der stark ist in der Allmacht seiner Liebe, der uns zusammenführt in der Gemeinschaft von Starken und Schwachen, der uns zutraut und zumutet, als Christinnen und Christen nach seinem Willen zu leben. Zu dir rufen wir und preisen dich, Heiliger Gott:

Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll. Hosianna in der Höhe. Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe.

Vater unser und Abendmahl

Schenke uns die Einsicht, Gott, dass wir von dir unsere Kraft bekommen.

Und manchmal nimmst du uns die Kraft, damit wir spüren: Es ist nicht selbstverständlich, stark zu sein.

Schenke uns deine Liebe, damit wir wissen: Wir sind nicht allein auf der Welt.

Unser Leben hat seinen Sinn in dir. In dir finden wir Ruhe und die Erfüllung, nach der wir uns sehnen.

Zeige uns die Aufgabe, die du für uns vorgesehen hast. Und lass uns nicht unzufrieden sein, wenn es nur eine bescheidene Rolle ist, die wir spielen sollen.

Du ersparst uns nicht Leid und Tränen – aber lass uns in allen Sorgen und Nöten nicht allein! Amen.

Lied 610: Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer
Abkündigungen

Wer möchte, ist im Anschluss noch herzlich zum Beisammensein mit Kaffee oder Tee im Gemeindesaal eingeladen. Zuvor empfangt Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

Ein Kommentar zu „Königswelle und Windrose“

  1. Heute morgen bei der Suche nach Mühlstein und Kinder gefunden.
    Der heilige Geist hat mich sehr angesprochen.
    quaquil@gmail.com

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