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Gott nimmt uns Lasten von der Seele

In einer Trauerfeier gehe ich auf ein Jesaja-Wort ein, in dem es um die Erlösung durch Gott geht, und um die Frage, worin Erlösung besteht: Erlösung von Schmerzen, aber auch von Schuld. Aber auch wenn die Verstorbene nicht wollte, dass um sie geweint wird: Tränen dürfen zugelassen und abgewischt werden.

Gott nimmt Lasten von unserer Seele: Statue einer traurigen Frau, die Rosen auf ein Grab legt
Ist es gut, an einem Grab nicht zu weinen? (Bild: Wolfgang BraunerPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Trauerfamilie, wir sind hier versammelt, um Abschied zu nehmen von Frau J., die im Alter von [über 70] Jahren gestorben ist.

Wir erinnern uns an sie, wir machen uns bewusst, um welche unverwechselbare Person wir trauern. Wir begleiten einander auf dem Weg unserer Trauer. Und wir besinnen uns auf Gott, von dem unser Leben herkommt und zu dem es im Tode zurückkehrt.

Lasst uns beten mit Worten aus dem Psalm 139:

1 HERR, du erforschest mich und kennest mich.

2 Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne.

3 Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege.

4 Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, HERR, nicht schon wüsstest.

5 Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.

13 Denn du hast [mein Inneres] bereitet und hast mich gebildet im Mutterleibe.

14 Ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.

16 Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war.

23 Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich’s meine.

24 Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege. Amen.

Liebe Trauerfamilie!

Wenn wir eine Trauerfeier halten, dann blicken wir auf das einmalige Leben eines ganz bestimmten Menschen zurück und machen uns bewusst, was diese Person geprägt hat und wovon ihr Leben erfüllt war.

Erinnerungen an das Leben der Verstorbenen

Die letzten Jahre waren nicht leicht durchzustehen, denn von gesundheitlichen Problemen blieben beide Ehepartner nicht verschont. Immerhin konnten Sie, lieber Herr J., in den letzten Monaten noch für sie da sein. Zum Schluss hat sie gemeint, es sei genug mit ihrem Leiden. Sie hatte keine Kraft, keine Lust mehr und hatte nur noch eine Bitte: „Lasst mich doch sterben.“

Ihrem Wunsch entsprechend haben Sie über die Traueranzeige den Text gesetzt:

Weinet nicht an meinem Grabe,
gönnet mir die ewige Ruh,
denkt, was ich gelitten habe,
eh ich schloss die Augen zu.

Sie hat sich nach Ruhe gesehnt, nachdem sie so lange krank war und unter Atembeschwerden und mancherlei Schmerzen gelitten hatte. Ich denke, diese Ruhe ist ihr wirklich zu gönnen, und insofern können wir ihren Tod als Erlösung begreifen.

Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass es einem auch leicht fällt, sein eigenes Leben oder einen geliebten Menschen loszulassen.

Auch die Bibel sagt viel von Erlösung; dort erlöst allerdings nicht der Tod als solcher von Schmerzen und Leiden, sondern es ist Gott und das Mensch-gewordene Wort Gottes, sein Sohn Jesus Christus, die uns Erlösung bringen. Der Prophet Jesaja 43, 1 hört einmal dieses Trostwort von Gott selbst:

Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Erlösung kann in der Bibel viele Bedeutungen haben: Befreiung aus politischer Unterdrückung. Herauslösung aus einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis. Vergebung von Sünde. Heilung einer Krankheit. Linderung von Schmerzen. Schließlich auch das Aufgenommenwerden in den Himmel Gottes, wenn man gestorben ist, wo man alle Belastungen und Sorgen und Schmerzen dieser Erde hinter sich lässt.

Erlösung kann auch darin bestehen, das Loslassen zu lernen. Indem Gott uns mit seiner Liebe trägt und hält, indem er uns nicht loslässt, während wir trauern, hilft er uns beim Loslassen des Menschen, den wir geliebt haben.

Gott hat auch die Verstorbene nicht losgelassen, während sie dieses Leben loslassen musste und in die verborgene Welt Gottes hinübergegangen ist. Vielleicht können wir sagen, dass Gott sie erlöst hat, indem er als der Herr über Leben und Tod sie aus dieser Zeit in die Ewigkeit abgerufen hat. Wir dürfen in diesem Sinne Frau J. loslassen, in die Hände Gottes hinein; er nimmt sie am Ende mit Ehren an. Wenn es uns schwerfällt, loszulassen – Gott hilft uns dabei, er lässt uns nicht los.

Etwas möchte ich noch sagen zur ersten Zeile des Spruches, der auf der Anzeige stand: „Weinet nicht an meinem Grabe“. Ich kann diese Aufforderung gut verstehen, denn Frau J. wollte sicher nicht, dass Sie dauerhaft in Trauer und Kummer versinken. Trotzdem sind die Tränen, die Ihnen kommen, natürlich ganz normal, und sie dürfen auch fließen, denn für jemanden, der nun einmal traurig ist, kann es wirklich erlösend sein, weinen zu können.

Dass Sie um Frau J. trauern, um Ihre Frau, um Ihre Mutter, Ihre Oma, um die Frau, die Ihnen nahe stand und die Sie geliebt haben, ist doch einfach eine Tatsache. Es tut Ihnen weh, wenn Sie an sie denken und sie vermissen; das ist der Weg, der einfach jetzt vor Ihnen liegt und den Sie gehen müssen.

Trauer ist aber nicht gleichzusetzen mit Schwermut, sie muss nicht niederdrücken, sondern kann verbunden sein mit dem Gefühl, aufgerichtet und getröstet zu werden. Wenn wir an die Liebe denken, die uns geschenkt war und die wir geben konnten, oder wenn wir uns an viele schöne Erlebnisse erinnern oder an schwere Zeiten, die gemeinsam durchgestanden werden konnten, dann können wir aufatmen und zwar mit Wehmut, aber doch mit großer Dankbarkeit im Herzen an die gemeinsame Zeit zurückdenken.

Schwerer mag es sein, wenn in der Beziehung zu dem Menschen, der gestorben ist, Dinge ungeklärt geblieben sind, wenn man einander etwas schuldig geblieben ist. Gott kann auch lösen, was sich als Belastung schwer um unser Herz legt, sei es, dass wir machtlos waren, bestimmte Dinge nicht ändern konnten, sei es auch, dass wir zu spät daran dachten, etwas zu tun, was hätte getan werden können. Letzten Endes sind wir auf der Welt, um Liebe, die uns geschenkt ist, weiterzugeben, und manchmal werden wir von Gott sogar dazu herausgefordert, über unseren Schatten zu springen und mehr zu geben, als ein anderer zu verdienen scheint.

Gott selber ist bereit, uns zu vergeben, und er erwartet von uns dasselbe: nicht nachtragend, sondern füreinander da zu sein, auch wenn es manchmal schwer fällt. Gott nimmt uns Lasten von der Seele, wenn wir sie bei ihm abladen mit dem Wunsch, uns neu auf die Liebe einzulassen, für die wir auf der Welt sind. Wo wir Vergebung erfahren, wo wir Gräben zuschütten, die sich aufgetan hatten, da können wir freier atmen und uns dem Gott anvertrauen, der zu uns spricht (Jesaja 43, 1):

Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Gott weiß, was in Ihnen vorgeht, er weiß, wie sehr Ihnen Ihre Frau, Ihre Mutter, ihre Großmutter fehlt. Die Trauer ist ein Weg mit den unterschiedlichsten Gedanken, mit gemischten Gefühlen, von dem man vorher nicht weiß, wohin er einen führen wird.

Es ist gut, sich dem zu stellen, was da in einem vorgeht, sich vielleicht auch darüber auszusprechen mit Menschen, denen man vertraut. Manches tut so weh, dass man es erst bewältigen kann, wenn man einmal sein Herz darüber ausgeschüttet hat. Und wenn wir keinen Menschen finden, dem wir unsere Klage und unsere Zweifel anvertrauen möchten, können wir auch ganz im Stillen vor Gott bringen, was uns auf der Seele liegt. Denn Gott ist ganz nah. Und selbst wenn wir denken, er sei weit weg, dürfen wir zu ihm beten (Psalm 139, 2):

Du[, Gott,] verstehst meine Gedanken von ferne.

Auf der anderen Seite tut es auch gut, sich an das Schöne zu erinnern, was man gemeinsam erlebt hat, an das, was einen geprägt hat, an unvergessliche Begegnungen und Augenblicke. Wir können dankbar sein vor allem für Liebe, die wir einander geschenkt haben, Liebe in vielfältiger Form, jeder gibt und zeigt und empfängt sie auf seine eigene Weise. Diese Liebe bleibt über den Tod hinaus, und indem wir Frau J. loslassen, bleibt sie in der ewigen Liebe Gottes geborgen. Amen.

Barmherziger Gott, ob wir leben oder sterben, wir stehen in Deiner Hand. Nimm Frau J. gnädig auf in dein himmlisches Reich und lass sie Ruhe und Frieden finden.

Unsere Belastungen, Trauer und Sorgen, werfen wir auf dich. Blicke auf unsere Sehnsucht und antworte mit deiner Gnade. Hilf uns zu bewältigen, was uns niederdrückt, und vergib, was wir einander schuldig geblieben sind.

Schenke uns Zuversicht für jeden neuen Tag, und lass uns in Verantwortung vor dir unser Leben führen. Mach uns bewusst, dass du uns segnest, um mit unseren kleinen Kräften ein Segen zu sein für diese Welt. Amen.

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