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Freude in Güte

Wer sich freut, wer getröstet ist, wer getrost lebt, wer sich getragen und geborgen fühlt, der hat auch die Fähigkeit zur Güte. Wem Gott nahe ist, der kann gut zu anderen sein. Auch wenn einer viel zu tragen hat, braucht er nicht bitter gegenüber anderen zu werden, sondern kann ihnen noch Lasten tragen helfen.

Adventskranz mit vier Kerzen
Der vierte Advent steht im Zeichen der Freude auf Weihnachten (Bild: Bernhard MülhensPixabay)
direkt-predigtGottesdienst am 3. Adventssonntag, 15. Dezember 1985, um 10.30 Uhr in Reichelsheim und am 4. Adventssonntag, 22. Dezember 1985, in Heuchelheim

Ich begrüße alle herzlich im Gottesdienst am 4. Advent. Zu Beginn singen wir eins der bekanntesten Adventslieder, in dem das Kommen des großen Gottes zu seinen Geschöpfen auf die Erde mit der Ankunft eines Schiffes verglichen wird:

EKG 4, 1-6 (EG 8):

1. Es kommt ein Schiff, geladen bis an sein’ höchsten Bord, trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort.

2. Das Schiff geht still im Triebe, es trägt ein teure Last; das Segel ist die Liebe, der Heilig Geist der Mast.

3. Der Anker haft’ auf Erden, da ist das Schiff am Land. Das Wort will Fleisch uns werden, der Sohn ist uns gesandt.

4. Zu Bethlehem geboren im Stall ein Kindelein, gibt sich für uns verloren; gelobet muss es sein.

5. Und wer dies Kind mit Freuden mfangen, küssen will, muss vorher mit ihm leiden groß Pein und Marter viel,

6. danach mit ihm auch sterben und geistlich auferstehn, das ewig Leben erben, wie an ihm ist geschehn.

Wir feiern Gottesdienst im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Beim Apostel Paulus lesen wir ein Wort für die adventliche Zeit: „Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Der Herr ist nahe!“ (Phil. 4, 4-5b)

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehre sei dem Vater und dem Söhne und dem heiligen Geiste, wie es war von Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Wir sind in der Kirche versammelt vor Gott. Wir versuchen zu beten. Wir sprechen zu dir; Gott, in der Hoffnung oder im Vertrauen darauf, dass du da bist und uns hörst. Wir sind ganz verschieden. Wir glauben oder zweifeln, wir sind alt oder jung, wir denken modern oder hängen an Hergebrachtem. Darum bitten wir dich, Gott, schenke uns Offenheit! Offenheit füreinander, auch für den, der anders ist. Offenheit für dein Wort, für alte Worte der Bibel, die uns doch auch heute neu erreichen können. Rühre uns an, bewege unsere Herzen, damit wir merken, worauf es ankommt: „dass wir das Alte neu verstehen und uns in deiner Nähe sehen“. Gott, du fremder, unerforschlicher und großer Gott, lass uns deine Nähe spüren, komm zu uns im Glauben! Lass uns dich erkennen durch den Menschen, in dem du zu uns auf die Erde gekommen bist, durch Jesus Christus, unseren Herrn! „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Evangelium nach Lukas 1, 46-55 (GNB) Worte der werdenden Mutter Jesu über die zukünftige Aufgabe ihres Sohnes, ein Loblied der Maria auf den Gott, der zu den Armen und Verachteten unter den Menschen kommt. Maria sprach:

Ich preise den Herrn und singe vor Freude über Gott, meinen Retter. Ich bin nur eine einfache Frau, ein unbedeutendes Geschöpf vor ihm, und doch hat er sich um mich gekümmert! Von nun an wird man mich glücklich preisen in allen kommenden Generationen; denn Gott hat Großes an mir getan, er, der mächtig und heilig ist. Sein Erbarmen hört niemals auf; er schenkt es allen, die ihn ehren, über viele Generationen hin. Nun hebt er seinen gewaltigen Arm und fegt die Stolzen hinweg samt ihren Plänen. Nun stürzt er die Mächtigen vom Thron und richtet die Unterdrückten auf. Den Hungernden gibt er reichlich zu essen und schickt die Reichen mit leeren Händen fort. Unseren Vorfahren hat er zugesagt, lsrael Güte und Treue zu erweisen. So hat er es dem Abraham versprochen und seinen Nachkommen für alle Zeiten. Nun hat er sich daran erinnert und nimmt sich seines Volkes an.

Soweit der Lobgesang der Maria. Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

EKG 200, 7-10 (EG 308):

7. Wer niedrig ist und klein geacht’, an dem übst du dein göttlich Macht und machst ihn einem Fürsten gleich, die Reichen arm, die Armen reich.

8. Das tust du, Herr, zu dieser Zeit, gedenkest der Barmherzigkeit; Israel willst du Hilfe tun durch deinen auserwählten Sohn.

9. Wir haben’s nicht verdient um dich, dass du mit uns fährst gnädiglich; zu unsern Vätern ist geschehn ein Wort, das hast du angesehn.

10. Auch Abraham hast du geschworn, dass wir nicht sollten sein verlorn, uns zugesagt das Himmelreich und unsern Kindern ewiglich.

Gnade und Friede sei mit uns allen von Gott unserem Vater und Jesus Christus unserem Herrn. Amen.

Wir hören den Text zur Predigt aus dem Brief des Paulus an die Philipper 4, 4-7:

Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte lasst kundsein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

Liebe Gemeinde!

Paulus fordert uns – fast in Befehlsform – zur Freude auf: „Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!“ Ist das nicht widersinnig? Erstens kann man niemandem ein Gefühl befehlen. Gerade der christliche Glaube hat es doch auch mit Freiheit zu tun. Zweitens kann man sich doch nicht immer freuen. Und drittens scheinen gerade kirchliche Veranstaltungen für viele Menschen von Freudlosigkeit und Langeweile geprägt zu sein.

Zum ersten. Man kann zwar niemandem ein Gefühl befehlen. Aber Paulus macht darauf aufmerksam, dass es einen Grund gibt, sich zu freuen. Für ihn wäre es widersinnig, in Trübsinn und Verzweiflung zu versinken, nachdem Jesus in die Welt gekommen, nachdem er gestorben und wieder auferstanden ist und nachdem er seine Nähe allen Menschen zugesagt hat.

Zum zweiten. Man kann sich sicher nicht immer auf eine bestimmte Weise freuen. Das Lachen kann einem häufig vergehen; Trauer, Angst und Zorn haben ihren wichtigen Platz in unserem Gefühlshaushalt; und viele Dinge erfordern unseren tiefsten Ernst. Aus der Geschichte Jesu, „in“ dem wir uns ja freuen sollen, wie Paulus formuliert, wissen wir, dass Jesus ebenfalls den Zorn und die Trauer, die Angst und den Ernst kannte, und dass er nicht ständig eine fröhliche Heiterkeit verbreitete.

Es gibt aber eine andere Art von Freude. Ich kannte alte Menschen, die von Krankheiten und Schicksalsschlägen schwer geplagt waren, ihr ganzes Leben hindurch, und die doch nie ihren Humor verloren haben. Ihren Humor bewahren konnten sie auch unter Tränen, weil sie sich trotz allem und in allem von Gott getragen fühlten. Die Freude, an die ich hier denke und die auch Paulus meint, ist ein tiefes, unerschütterliches Bewusstsein davon, getragen zu sein, nicht allein zu sein. So können wir auch bei einer Trauerfeier häufig jemanden sagen hören: es freut mich aber doch, dass du gekommen bist! Freude ist möglich mitten in der Trauer, auch wenn die Trauer nicht einfach dadurch beiseite geräumt wird. Wenn jemand da ist, kann das Schwere aber leichter getragen und durchgestanden werden.

Freude in der Trauer ist das, was wir auch mit dem Wort Trost bezeichnen. Und Trost ist das Gefühl: ich bin nicht allein, ich bin gehalten, ich kann weinen und wieder aufhören, jemand hält mich in seinen Armen fest, ich bin geborgen, obwohl ich etwas Schlimmes erlebt habe.

Es ist wohl kein Zufall, dass unmittelbar nach der Aufforderung zur Freude Paulus fortfährt: „Eure Güte lasset kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe!“ Wer sich freut, wer getröstet ist, wer getrost lebt, wer sich getragen und geborgen fühlt, der hat offenbar auch die Fähigkeit zur Güte. Wem Gott nahe ist, der kann gut zu anderen sein. Auch wenn einer viel zu tragen hat, braucht er nicht bitter gegenüber anderen zu werden, sondern kann ihnen noch Lasten tragen helfen. Güte und Freude gehören zusammen, gerade bei Menschen, die viel durchgemacht haben und dabei im Glauben gewachsen sind.

Von dieser Freude sagt der große evangelische Theologe Karl Barth: „Freude ist das Rarste und Seltenste in der Welt. Fanatischen Ernst und Enthusiasmus und humorlosen Eifer haben wir genug in der Welt, aber Freude? Das weist uns darauf hin, dass die Erkenntnis des lebendigen Gottes selten ist. Gottes, meines Heilandes, wenn wir ihn gefunden haben oder wenn er uns gefunden hat, seiner freuen wir uns… Der Heiland wird immer der sein, der uns findet am Ende unserer Klettereien und unserer Flüge, am Ende unseres Optimismus und Pessimismus – dort, wo wir nur noch eines wissen, nämlich dies: Ich bin verloren, wenn er mir nicht hilft.“

Wenn Freude so selten ist, und wenn Freude sich nur dort wirklich einstellt, wo wir Gewissheit haben im Glauben an Gott, dann ist manches, was wir sonst Freude nennen, in Wirklichkeit nur Schein. Schon der Philosoph Seneca hatte gesagt: „Glaube nicht, dass jeder, der lacht, sich auch freut… Wahre Freude ist eine ernste Sache.“ Lachen kann auch eine Form der Verdrängung sein, ein Überspielen von Problemen, ein Nicht-Wahrhaben-Wollen von ernsten Dingen. Und mancher von uns hat vielleicht schon als Kind gelernt, immer ein Sonnenschein zu sein, immer sich fröhlich zu geben, auch wenn es innen gar nicht so schön ausschaut. Darum geht es Paulus nicht. Nicht um ein Vorspielen von Freude geht es, nicht um eine Stärke, die in der Unterdrückung anderer Gefühle besteht. Nein, es geht Paulus um nichts Geringeres, als dass es wirklich echten Grund zur Freude gibt: weil Gott es gut mit uns meint, weil er uns in Not und Verzweiflung, aber auch im Fragen nach Sinn und Ziel unseres oft so banal scheinenden Alltags nicht allein lässt. Das nennt Paulus „die Freude im Herrn“. Sie macht uns stark, dem zu begegnen, was auf uns zukommt.

Wenn er nun als nächstes sagt: „Sorgt euch um nichts!“ dann meint er nicht, dass wir nicht Plan und Vorsorge treffen sollten. Er wird auch nicht meinen, dass wir uns nicht Sorgen machen könnten um ein krankes Kind oder um eine vor uns liegende schwierige Aufgabe. Aber er denkt wohl an ein Sich-Sorgen-Machen, durch das wir es uns noch schwerer machen, als wir es ohnehin schon haben. Ich las einmal von einer Frau, die in die DDR fuhr und aus Angst und Sorge ihre ganzen Ersparnisse mit auf die Fahrt nahm. Nun wurde sie im Zug auf eine Kontrolle aufmerksam gemacht, da lief sie zur Toilette und warf ihre ganzen Ersparnisse hinein, wieder aus Angst. Es gibt eine Panik und ein Streben nach Sicherheit, die das Gegenteil von dem erreichen, was sie erreichen wollen.

Was empfiehlt Paulus stattdessen? „In allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden!“ Wenn wir Gott um etwas bitten, sollen wir es immer tun, indem wir ihm zugleich danken. Nur der wird von Gott überhaupt etwas erwarten, der sich bewusst ist, dass er schon viel von ihm empfangen hat.

Unser Abschnitt schließt dann mit einem Vers, den wir immer zum Abschluss einer Predigt hören: „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.“ Hier wird noch einmal der Ursprung der Freude angesprochen, die uns als Christen möglich ist: wir können uns freuen, weil Gott zwischen sich und uns durch Jesus Christus Frieden geschlossen hat. Wir können uns freuen, weil unsere Sehnsucht nach Frieden mit Gott sich nicht auf scheinbare eigene Verdienste vor Gott stützen muss. Wir können uns freuen, weil unser menschliches Streben nach Frieden nicht mehr eine Suche nach absoluter Sicherheit, nach tödlicher Sicherheit vor anderen Menschen sein muss. Wir können uns freuen, weil Gottes Friede mächtiger ist als die menschliche Vernunft, die die Mächte der Zerstörung auf der Erde nicht im Griff hat. Wir können uns freuen, weil Gottes Friede unsere Herzen und Sinne bewahrt, so dass wir uns von ihm getragen fühlen.

Um diesen Frieden Gottes und um diese Freude „im Herrn“ geht es auch an Weihnachten. Für viele mag beides mit einer Weihnachtsstimmung verbunden sein, Kerzen und Weihnachtsvorbereitungen, Tannenbaum und Familienfeier mögen für viele eine Hilfe sein, um der Freude und dem inneren Frieden bei sich Raum zu geben. Aber auch wer von einer weihnachtlichen Stimmung nichts merkt, wer weit entfernt ist von der Harmonie, die er sich erträumt, wer sich schwere Sorgen macht oder in tiefen Problemen steckt, auch für den kann es Weihnachten werden in dem ganz einfachen Sinn, dass er spürt: ich bin nicht allein mit dem, was ich tragen muss. Ich kann es schaffen, mit allem fertigzuwerden. Vielleicht merkt einer es auch durch uns – so wie es Paulus vorschlägt: „Eure Güte lasst kund sein allen Menschen.“ Wenn so etwas unter uns geschieht, dann ist die Kirche auch ein Ort, wo man sich freuen kann. Dann brauchen wir keine besonderen Gags, um darüber zu lachen, dann sind wir nicht auf Ersatzbefriedigungen wie Schadenfreude oder billige Vergnügungen angewiesen, sondern dann sind wir so unverkrampft und so menschlich im Umgang miteinander, dass wir uns gern und oft miteinander treffen, auch in der Kirche oder im Gemeindehaus. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Lied EKG 7, 1-3 (EG 9):

1. Nun jauchzet, all ihr Frommen, zu dieser Gnadenzeit, weil unser Heil ist kommen, der Herr der Herrlichkeit, zwar ohne stolze Pracht, doch mächtig, zu verheeren und gänzlich zu zerstören des Teufels Reich und Macht.

2. Er kommt zu uns geritten auf einem Eselein und stellt sich in die Mitten für uns zum Opfer ein. Er bringt kein zeitlich Gut, er will allein erwerben durch seinen Tod und Sterben, was ewig währen tut.

3. Kein Zepter, keine Krone sucht er auf dieser Welt; im hohen Himmelsthrone ist ihm sein Reich bestellt. Er will hier seine Macht und Majestät verhüllen, bis er des Vaters Willen im Leiden hat vollbracht.

Lasst uns beten.

Mein Gott, zur Weihnacht bitte ich dich um Freude, nicht um die große himmlische, sondern um die kleine irdische Freude, die mein Herz beschwingt, mich froh und heiter macht, mich lachen und singen lässt. Gib mir menschliche Freude! Um deine Freude bitte ich dich, mein Gott, die mir ein Lächeln schenkt, für mich selbst, wenn ich mich so bitterernst nehme; ein gutes Lächeln für die anderen, die mir gut und die mir gram sind, die mir vorgesetzt und die mir unterstellt sind. Gib mir eine Freude, die Ärger und Zorn besiegt! Um eine Freude bitte ich dich, mein Gott, die um sich greift und die Schwermut durchdringt und den Stumpfsinn verjagt und die Traurigkeit erhellt und die Starrheit löst. Gib mir eine strahlende Freude! Mein Gott, zur Weihnachtszeit hast du allen Menschen große Freude zugesagt. Gib mir die Freude darüber, dass ich als Mensch vor dir leben darf, dass ich anderen Menschen zur Seite stehen darf, dass du Mensch unter Menschen geworden bist. Gib mir die Freude der Weihnacht. Amen.

Vater unser
Lied 25, 1 (EG 34):

1. Freuet euch, ihr Christen alle, freue sich, wer immer kann; Gott hat viel an uns getan. Freuet euch mit großem Schalle, dass er uns so hoch geacht’, sich mit uns befreund’t gemacht. Freude, Freude über Freude: Christus wehret allem Leide. Wonne, Wonne über Wonne: Christus ist die Gnadensonne.

Abkündigungen und Segen

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