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Anleitung zur Freiheit

Gott will heimsuchen. Er will zurückholen, nach Hause zurückholen, wie es der Vater im Gleichnis Jesu mit dem verlorenen Sohn tut. Er vergibt die Schuld und hilft zugleich, mit den Folgen der Schuld fertigzuwerden. Wir nennen ja manchmal auch eine Krankheit oder ein Unglück eine Heimsuchung Gottes – er ruft uns durch alles, was uns geschieht, zu sich zurück.

Mose zeigt mit einem Zeigestock auf die Tafeln der Zehn Gebote: Anleitung zur Freiheit
Die Zehn Gebote sind eine Anleitung zur Freiheit (Bild: falcoPixabay)

#predigtGottesdienst am 18. Sonntag nach Trinitatis, den 24.9.1989, um 9.30 Uhr in der Kapelle der Landesnervenklinik Alzey und um 13.30 Uhr in der Heimersheimer Kirche (und am 11.2.90 um 9.00 in Bechtolsheim, 10.00 in Biebelnheim, 13.30 in Nack)

Ich begrüße Sie herzlich im Gottesdienst in der Heimersheimer Kirche. Wer mich noch nicht kennt: Ich bin Pfarrer Schütz und arbeite seit einem halben Jahr als Klinikpfarrer in Alzey, in der Landesnervenklinik und zum Teil auch im Kreiskrankenhaus.

Im Mittelpunkt dieses Gottesdienstes heute stehen die Zehn Gebote, die wir alle kennen. Aber kennen wir sie wirklich genau? Kennen wir ihre wirkliche Bedeutung für unser Leben? Ich möchte Sie neugierig machen auf die Gebote, wie sie in der Bibel stehen, neugierig auf das Angebot, das Gott uns mit seinen Geboten macht!

Zur Einstimmung singen wir das Lied 190, 1-4:

Wohl denen, die da wandeln vor Gott in Heiligkeit, nach seinem Worte handeln und leben allezeit; die recht von Herzen suchen Gott und seine Zeugniss halten, sind stets bei ihm in Gnad.

Von Herzensgrund ich spreche: dir sei Dank allezeit, weil du mich lehrst die Rechte deiner Gerechtigkeit. Die Gnad auch ferner mir gewähr; ich will dein Rechte halten, verlass mich nimmermehr.

Mein Herz hängt treu und feste an dem, was dein Wort lehrt. Herr, tu bei mir das Beste, sonst ich zuschanden werd. Wenn du mich leitest, treuer Gott, so kann ich richtig laufen den Weg deiner Gebot.

Dein Wort, Herr, nicht vergehet, es bleibet ewiglich, so weit der Himmel gehet, der stets beweget sich; dein Wahrheit bleibt zu aller Zeit gleichwie der Grund der Erden, durch deine Hand bereit‘.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Wir beten mit Worten aus Psalm 119, 33-40:

33 Zeige mir, HERR, den Weg deiner Gebote, dass ich sie bewahre bis ans Ende.

34 Unterweise mich, dass ich bewahre dein Gesetz und es halte von ganzem Herzen.

35 Führe mich auf dem Steig deiner Gebote; denn ich habe Gefallen daran.

36 Neige mein Herz zu deinen Mahnungen und nicht zur Habsucht.

37 Wende meine Augen ab, dass sie nicht sehen nach unnützer Lehre, und erquicke mich auf deinem Wege.

39 … deine Ordnungen sind gut.

40 … erquicke mich mit deiner Gerechtigkeit.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, wir quälen uns oft ab mit unserem Schicksal und hadern mit dir. Wir vertrauen nicht auf deine Güte, sondern sehen nur das Böse in der Welt. Wir können nicht mehr glauben, dass du es gut mit uns meinst, wir wagen nicht mehr zu hoffen, dass du uns noch helfen könntest. Vergib uns unseren Unglauben!

Herr, erbarme dich!

Doch du verlässt uns nicht, Gott, auch wenn wir schwach im Glauben sind! Du ziehst uns herauf aus dem Abgrund, wenn wir fallen und immer tiefer fallen. Du lässt uns nicht verlorengehen!

Ehre sei Gott in der Höhe…

Nun hilf uns, Gott, in diesem Gottesdienst dich tiefer, dich besser zu verstehen. Sprich zu uns durch die Worte der Bibel, der Lieder, der Gebete, der Predigt. Erwecke in uns neuen Glauben, neue Kraft, dir zu dienen, neuen Mut, als Christ zu leben. Das erbitten wir von dir im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Evangelium nach Markus 12, 28-34:

28 Und es trat zu ihm einer von den Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Und als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen?

29 Jesus aber antwortete ihm: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein,

30 und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften«.

31 Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«. Es ist kein anderes Gebot größer als diese.

32 Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Meister, du hast wahrhaftig recht geredet! Er ist nur einer, und ist kein anderer außer ihm;

33 und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und von allen Kräften, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer.

34 Als Jesus aber sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Lied 246, 1-5:

Ein wahrer Glaube Gotts Zorn stillt, daraus ein schönes Brünnlein quillt, die brüderliche Lieb genannt, daran ein Christ recht wird erkannt.

Christus sie selbst das Zeichen nennt, daran man seine Jünger kennt; in niemands Herz man sehen kann, an Werken wird erkannt ein Mann.

Die Lieb nimmt sich des Nächsten an, sie hilft und dienet jedermann; gutwillig ist sie allezeit, sie lehrt, sie straft, sie gibt und leiht.

Ein Christ seim Nächsten hilft aus Not, tut solchs zu Ehren seinem Gott. Was seine rechte Hand reicht dar, des wird die linke nicht gewahr.

Wie Gott lässt scheinen seine Sonn und regnen über Bös und Fromm, so solln wir nicht allein dem Freund dienen, sondern auch unserm Feind.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Zur Predigt hören wir den Text der Zehn Gebote, wie er im 2. Buch Mose – Exodus 20, 1-17, aufgezeichnet ist. Achten wir einmal genau darauf, wie die Gebote hier lauten; wir kennen ja aus unserem Unterricht von früher meist nur einen verkürzten Text:

1 Und Gott redete alle diese Worte:

2 Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe.

3 Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.

4 Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist:

5 Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen,

6 aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.

7 Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.

8 Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest.

9 Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun.

10 Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt.

11 Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn.

12 Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest in dem Lande, das dir der HERR, dein Gott, geben wird.

13 Du sollst nicht töten.

14 Du sollst nicht ehebrechen.

15 Du sollst nicht stehlen.

16 Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.

17 Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat.

Amen.

Liebe Gemeinde!

„Ich bin der HERR!“ So beginnen die Gebote in der Bibel, so spricht Gott die Menschen an, damals den Mose, damals sein Volk Israel, aber dann bis heute immer wieder andere Menschen, die ganze Menschheit, ja auch uns. „Ich bin der HERR!“ Und mit diesem einfachen Satz fängt schon ein Missverständnis an. Wir kennen sie doch, die großen und kleinen Herren dieser Welt, die so gern von sich behaupten: „Ich bin der Herr im Haus! Ich kann bestimmen! Jeder tanzt nach meiner Pfeife! Alles hört auf mein Kommando!“ Und wenn Gott sagt: „Ich bin der HERR“, dann hören es viele auf die gleiche Weise – so als ob Gott es nötig hätte, sich aufzuspielen, als ob er es nötig hätte, die Menschen zu erniedrigen, die Menschen klein zu machen, die Menschen unter Druck zu setzen, ihren Willen zu brechen.

Hören wir mal genau hin – Gott ist eine andere Art Herr: „Ich bin der Herr, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft befreit habe!“ Dieser Herr ist also einer, der die Schwachen schützt, der die Unterdrückten befreit. Als die Israeliten in Ägypten als Zwangsarbeiter schwer zu leiden hatten, da schickte Gott den Mose zum ägyptischen König, zum Pharao, und nach vielen vergeblichen Versuchen, nach vielem Hin und Her gelang es endlich: das Volk Israel kam frei und konnte auswandern. Gott ist ein Herr, der frei macht.

Was das für ein ganzes Volk bedeutet, können wir vielleicht erahnen, wenn wir an die Bilder der DDR-Übersiedler denken, die wir in den letzten Wochen im Fernsehen sehen konnten. Sie haben überschwenglich die Freiheit im Westen begrüßt, sie waren sichtlich froh, aus einem Staat herausgekommen zu sein, der seine Bürger innerhalb der Landesgrenzen einsperrt und ihnen keine Hoffnung übrig lässt.

Aber mit der Freiheit ist das nun so eine Sache. Ist jemand schon frei, wenn er aus einem Unterdrückungsstaat ausgewandert ist? Sind wir selber denn alle freie Bürger in einem freien Land? In gewisser Hinsicht stimmt das schon, wir haben in unserem Staat viele Freiheitsrechte, wir können wählen, wer uns regieren soll, wir können unsere Meinung frei äußern. Und wenn wir gegen unseren Willen z. B. (hier) in der Klinik untergebracht werden, dann gibt es Richter, die darüber entscheiden, ob da auch alles mit rechten Dingen zugeht.

Aber irgendwo muss die Freiheit auch aufhören. Wir können nicht einfach auf der Straße irgendwelche Leute beleidigen. Wir dürfen nicht einfach zuschlagen, wenn wir uns ungerecht behandelt fühlen. Wir dürfen uns im Kaufhaus nicht einfach nehmen, was wir gerne haben würden. Wir können im Straßenverkehr nicht einfach drauflosfahren. Nein, da gibt es Stoppschilder, da gibt es Gesetze, Gebote und Verbote. Die Freiheit hat Grenzen, weil wir sonst anderen Menschen die Freiheit oder sogar das Leben nehmen würden.

Die Zehn Gebote sind also nicht dazu da, um uns zu unterdrücken. Gott hat uns die Zehn Gebote gegeben, damit wir mit unserer Freiheit gut zurechtkommen.

Ich kann natürlich jetzt nicht alle Zehn Gebote ausführlich besprechen. Dafür würde ich mindestens zehn Predigten brauchen. Ich will Ihnen heute nur zeigen, wie sich so eine Art roter Faden durch alle Gebote hindurchzieht, und dieser rote Faden heißt: Freiheit, die Gebote sind Anleitung zur Freiheit, zu einer Freiheit, die auch dem anderen Menschen seine Freiheit lässt.

Das fängt schon mit dem ersten Gebot an. „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ Sagt Gott das, weil er sich vor der Konkurrenz anderer Götter fürchtet? Nein, er ist der einzige wirkliche Gott, die mächtige Kraft, durch die das Weltall geschaffen wurde, neben ihm kann es gar keine zweite göttliche Macht geben, die ihm gefährlich werden könnte. Gott gibt uns das Gebot nicht, um sich selbst zu schützen, sondern um uns zu schützen. Wir sollen nicht falschen Göttern hinterherlaufen, die uns doch nur wieder in Unfreiheit stürzen.

Geld oder Macht, das ist für viele ein falscher Gott. „Alles, woran du dein Herz hängst, ist für dich dein Gott“, hat Martin Luther gesagt. Das kann auch ein Suchtmittel sein. Das kann der eigene Stolz sein. Das kann sogar die Arbeit sein, wenn sie zum alleinigen Lebenszweck wird. Und auch wenn man sich anstrengt, das eigene Leben immer ganz allein zu meistern, fühlt man sich vielleicht selbst wie der liebe Gott, dann braucht man den wirklichen Gott ja nicht mehr. Aber das ist nur eine Einbildung. In Wirklichkeit geht man kaputt daran.

„Du sollst keine anderen Götter haben“, das ist also eine heilsame Einladung: „Vertrau doch auf den einzigen Gott, der dir helfen kann, der dich frei macht, bei dem du mit all dem, was dich freut und was dir Sorgen macht, nie verlassen bist.“

Aber dann sagt Gott ja doch diesen harten Satz: „Ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.“ Spricht da nicht ein grausamer, rachsüchtiger Gott, der uns vernichten will, wenn wir gesündigt haben? Nein, nein, und tausendmal nein!

Wieso nein?

Es ist doch interessant, dass die Heimsuchung für Missetaten der Vorfahren gerade drei oder vier Generationen lang andauern soll, während es für die Barmherzigkeit keine Grenze gibt. Muss man das nicht so verstehen: eine Schuld bleibt nicht ohne Folgen, und und einen Teil dieser Folgen müssen auch noch die Kinder und Kindeskinder erleiden, über drei oder vier Generationen hinweg, die miteinander auf der Welt und irgendwie aufeinander angewiesen sind. Wie viele Menschen lerne ich in der Klinik kennen, die unverschuldet an den Fehlern ihrer Eltern leiden, und die Großeltern wiederum waren vielleicht diesen Eltern auch allerhand schuldig geblieben. Kann Gott denn das, was da an Schuld geschehen ist, einfach auf sich beruhen lassen? Das wäre ungerecht gegenüber den Kindern.

Aber nun ist es auch interessant, wie Gott mit dieser Schuld umgeht. Er verurteilt nicht einfach, er will die Schuldigen nicht vernichten. Er will heimsuchen. Das heißt doch: er will zurückholen, nach Hause zurückholen, wie es der Vater im Gleichnis Jesu mit dem verlorenen Sohn tut. Er vergibt die Schuld und hilft zugleich, mit den Folgen der Schuld fertigzuwerden. Wir nennen ja manchmal auch eine Krankheit oder ein Unglück eine Heimsuchung Gottes – das ist besser, als wenn wir in allem Bösen eine Strafe sehen, Heimsuchung heißt ja, dass Gott uns durch alles, was uns geschieht, zu sich ruft, zu sich zurückruft. Wir dürfen zu ihm kommen, so wie auch die erwachsenen Kinder guter Eltern zu Hause immer eine offene Tür finden.

Noch ein Gebot, dass oft missverstanden wird, ist das Gebot über den Namen Gottes: „Du sollst den Namen Gottes, nicht missbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.“ Da sind schon viele in schwere Gewissenskonflikte gestürzt worden, weil sie mal gedankenlos „Ach, Gott!“ gesagt haben; doch ich glaube nicht, dass Gott so kleinlich ist, dass er alle unsere Gedankenlosigkeiten unnachsichtig bestraft. Was Gott wirklich auf den Tod nicht ausstehen kann, ist, wenn wir ihn für unsere Zwecke einspannen, wenn wir z. B. in seinem Namen Kriege führen, nach dem Motto: „Gott mit uns – gegen die anderen“. Aber auch wenn wir für unseren christlichen Glauben werben, sind wir nicht davor gefeit, dieses Gebot zu übertreten. Vor einigen Tagen hörte ich von einem jungen Vietnamesen, der schwer an Rheuma erkrankt ist und vor Schmerzen oft nicht aus noch ein weiß. Er lebt übrigens nicht hier, sondern in Frankfurt, und er ist kein Christ, sondern Buddhist. Und ich hörte, wie eine christliche Familie diesem jungen Mann schwer zusetzt: „Du hast den falschen Glauben. Wenn du ein Christ wirst, dann wirst du gesund.“ Ist das nicht ein Missbrauch von Gottes, d. h. in diesem Fall von Christi Namen? Darf man jemanden so unter Druck setzen, damit er ein Christ wird? Wäre es nicht verständlich, wenn dieser junge Mann nun eher einen Hass auf die Kirche und auf Gott entwickelt?

Gott möchte, dass wir zu ihm Vertrauen haben wie zu einem guten Vater oder zu einer guten Mutter. Vertrauen kann man aber nur haben, wenn man weiß: Dieser Gott ist nicht kleinlich, nicht grausam, sondern er liebt uns, selbst wenn er auch einmal zornig auf uns ist. Das dürfen wir nicht vergessen: selbst in seinem Zorn will Gott uns nie vernichten, und auch wenn wir manchmal die Folgen unserer Fehler spüren, Gott bleibt stets bereit, uns zu vergeben.

Und dann ist da das Feiertagsgebot. Vielleicht das wichtigste Gebot für unsere hektische, sorgenbeladene Zeit. Gott gebietet uns: Ihr sollt nicht immer arbeiten! Ihr müsst euch auch einmal Ruhe gönnen! Euch und auch denen, die bei euch leben! Denn Arbeit ist nicht das ganze Leben. Arbeit und Ausruhen gehören untrennbar zusammen. Das haben heute so viele Menschen verlernt. Es ist ja auch allgemein anerkannt, dass man arbeitet bis zum Umfallen, dass man sich kaum freie Zeit gönnt. Ich will hier nicht darüber klagen, dass viele Landwirte auch am Sonntag aufs Feld fahren und dass der Gottesdienst nicht mehr so stark besucht ist wie früher; dafür mag es viele auch verständliche Gründe geben. Ganz wichtig ist: Auch das Feiertagsgebot ist keine lästige Pflicht, auf die man in der Kirche mit erhobenem Zeigefinger hinweisen sollte, sondern es ist ein Angebot zur Freiheit: Jeder soll und darf sich mindestens einmal in der Woche mal richtig freie Zeit gönnen, freie Zeit für sich selbst, freie Zeit für die Familie, freie Zeit auch für Gott. Wer das nicht tut, der will es besser wissen, besser machen als Gott selbst, denn Gott „ruhte am siebenten Tage“, nachdem er „in sechs Tagen… Himmel und Erde gemacht (hat) und das Meer und alles, was darinnen ist.“

Auch mit den anderen Geboten will uns Gott Anleitungen zur Freiheit geben. Es geht nicht um einen blinden Gehorsam gegenüber den Eltern, sondern darum, dass man die Eltern nicht im Stich lässt, auch wenn sie alt und vielleicht schwierig geworden sind. Es geht um einen Schutz für das Leben, für die Ehe, für das persönliche Eigentum, für den guten Ruf unter den Menschen, ohne den wir in der menschlichen Gemeinschaft nicht auskommen. Wir verstoßen zwar immer wieder gegen diese Gebote, Ehen gehen kaputt, wir sind manchmal neidisch auf andere, wir reden schlecht über andere Leute hinter ihrem Rücken – aber wir wissen doch: all das sollte nach Gottes Willen nicht sein. Und wir hätten das alles wohl auch gar nicht nötig, wenn wir Gott wirklich vertrauen würden, wenn wir wirklich glauben könnten, dass Gott uns nicht zu kurz kommen lässt. Dann brauchen wir nicht nach dem zu schielen, was der andere hat; dann müssen wir uns nicht besser hinstellen als den Nachbarn; dann können wir auch eher mal einen Fehler zugeben und einen Konflikt in der Familie bereinigen.

Mit den Geboten lädt Gott uns ein, neu anzufangen. Er gibt uns die Gebote nicht als Strafkatalog, sondern er ver-gibt uns. Er traut uns zu, es in Zukunft besser zu machen.

„Alle eure Sorge werft auf Gott, denn er sorgt für euch!“ Wenn wir das wagen, dann fällt es uns auch leichter, die Gebote zu beachten wie ein schützendes und stützendes Geländer auf unserem Lebensweg. Amen.

Und der Friede Gottes, der viel größer ist, als unser Denken und Fühlen erfassen kann, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied 264, 1-3:

Erneure mich, o ewigs Licht, und lass von deinem Angesicht mein Herz und Seel mit deinem Schein durchleuchtet und erfüllet sein.

Schaff in mir, Herr, den neuen Geist, der dir mit Lust Gehorsam leist und nichts sonst, als was du willst, will; ach, Herr, mit ihm mein Herz erfüll.

Auf dich lass meine Sinne gehn, lass sie nach dem, was droben, stehn, bis ich dich schau, o ewigs Licht, von Angesicht zu Angesicht.

Gott im Himmel, hab Dank für deine Gebote, die du uns nicht einbleuen willst, sondern die du uns gibst als Hilfe zum Leben, als eine Anleitung zu einem Leben in Freiheit. Innerlich frei können wir auch sein, wenn wir äußerlich eingeschränkt sind, innerlich frei sind wir dann, wenn wir vor dir, Gott, verantwortlich handeln, wenn wir aus dem Vertrauen zu dir leben, wenn wir unseren Halt bei dir haben in Freude und Leid, im Leben und im Sterben. Gott, vergib uns, wenn wir anderen Menschen den Glauben schwer gemacht haben, wenn wir Menschen in Schuldvorwürfe gestürzt haben, ohne ihnen auch deine Vergebung zuzusprechen. Hilf uns dabei, nach deinen Geboten zu leben, dass wir allein auf dich als Gott vertrauen, dass wir dich nicht für falsche Zwecke einsetzen, dass wir uns nicht nur mühen, sondern auch ausruhen. Hilf uns, deine Vergebung für uns selbst anzunehmen, und hilf uns auch dabei, einander zu vergeben.

Alles, was uns heute bewegt, schließen wir im Gebet Jesu zusammen:

Vater unser
Lied 141, 3:

Unsern Ausgang segne Gott, unsern Eingang gleichermaßen, segne unser täglich Brot, segne unser Tun und Lassen, segne uns mit selgem Sterben und mach uns zu Himmelserben.

Abkündigungen

Und nun lasst uns mit Gottes Segen in den Sonntag und in die neue Woche gehen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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