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Die Zeit dieser Welt hat ein gutes Ziel

Starren wir in den Himmel, Jesus nach, und meinen, das sei besonders fromm? Oder denken wir: fromm sein heißt in den Himmel kucken – und das will ich nicht!? Dann lieber gar nicht zur Kirche gehen! Wir laufen auseinander wie aufgeschreckte Hühner. Uns geht der Atem aus. Lieber gehen wir an bequemere Orte als dahin, wo mit Sicherheit Konflikte drohen.

Altarbild der Himmelfahrt Christi, von zwei Engeln begleitet (Ausschnitt aus dem Bild eines Altars, eines Triptychons)
Altarbild der Himmelfahrt Christi (Bildausschnitt: kerttuPixabay)

direkt-predigtGottesdienst an Christi Himmelfahrt, 8. Mai 1986, um 10.30 Uhr in der evangelischen Kirche Reichelsheim

Im Gottesdienst am Festtag der Himmelfahrt Christi begrüße ich Sie und Euch alle herzlich! Besonders heißen wir die Familie … mit ihrem dritten Sohn … und dessen Patin willkommen; … soll heute im Gottesdienst getauft werden.

Und nun beginnen wir an diesem Feiertag im Mai mit dem christlichen Maienlied: „Wie lieblich ist der Maien“. Es gibt zwar Stellen in diesem Lied, die ich im Mai 1986 – mit den Gedanken an Radioaktivität auf dem Erdboden und auf den Viehweiden – mit gemischten Gefühlen singe. Aber das Lied selbst weiß – in der zweiten Strophe – auch um Gefährdungen des natürlichen Wachsens und Blühens: und es weiß – in der dritten Strophe – darum, dass es in unserem Herzen oft finster aussieht. Und ich denke, grade dann haben wir es um so nötiger, um ein gutes Wort von Gott zu bitten, das uns aufrichtet. Wenn Martin Behm dieses Lied in einer Zeit dichten konnte, in der Krieg, Hungersnot und Pest die Menschen schwer bedrängten, dann ist es ein Ausdruck dafür, dass man auch in angsterfüllten Zeiten Gott loben und dankbar leben kann.

Lied EKG 370, 1-3 (EG 501):

1. Wie lieblich ist der Maien aus lauter Gottesgüt, des sich die Menschen freuen, weil alles grünt und blüht. Die Tier sieht man jetzt springen mit Lust auf grüner Weid, die Vöglein hört man singen, die loben Gott mit Freud.

2. Herr, dir sei Lob und Ehre für solche Gaben dein! Die Blüt zur Frucht vermehre, lass sie ersprießlich sein. Es steht in deinen Händen, dein Macht und Güt ist groß; drum wollst du von uns wenden Mehltau, Frost, Reif und Schloß’.

3. Herr, lass die Sonne blicken ins finstre Herze mein, damit sich’s möge schicken, fröhlich im Geist zu sein, die größte Lust zu haben allein an deinem Wort, das mich im Kreuz kann laben und weist des Himmels Pfort.

Im Namen Gottes, des Vater und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“
Psalm 47, 7-8:

7 Lobsinget, lobsinget Gott, lobsinget, lobsinget unserm Könige!

8 Denn Gott ist König über die ganze Erde; lobsinget ihm mit Psalmen!

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste, wie es war von Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, wir loben dich – nicht nur an sonnigen, sondern auch an trüben Tagen. Manchmal fällt es uns schwer, uns vorzustellen, dass du wie ein guter Vater und wie ein gerechter König über die ganze Welt regierst. Aber das Fest der Himmelfahrt erinnert uns daran, wer du eigentlich bist, du Gott im Himmel. Du bist der, der sich in Jesus an unsere Seite gestellt hat, als Bruder, als Freund, als Betender und Handelnder, als Leidender und Sterbender. Aus der Sicht Jesu regierst du die Welt, aus der Sicht des Gekreuzigten und Auferstandenen. Du kennst unsere Ängste und unser Versagen, und du lässt uns darin nicht allein – durch Jesus Christus, unseren Herrn. „Amen.“

Wir hören nun Worte der Bibel zur Himmelfahrt Christi. Ich stelle aus bestimmtem Grund mehrere Textstellen nebeneinander. Die Geschichte von der Himmelfahrt ist nämlich mit vielen Missverständnissen behaftet. Eins davon ist die Annahme, die Himmelfahrt sei ein nach Ort und Datum feststellbares Geschehen, das man hätte photographieren können, wenn man damals schon Apparate dazu gehabt hätte. Nein, die Himmelfahrtsgeschichten stellen Erfahrungen der Jünger dar, die sie mit dem für uns unsichtbaren und völlig unbeschreiblichen Himmel Gottes machen. Es sind innere Erfahrungen mit äußeren Auswirkungen für ihr Verhalten und ihre Gemeinschaft.

Im Evangelium nach Lukas 24, 50-53 lesen sich diese Erfahrungen so, nachdem Jesus am Abend des Ostertages seinen Jüngern noch einmal als der Auferstandene erschienen war und ihnen verschiedene Anweisungen gegeben hatte.

Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.

In seiner Apostelgeschichte hat Lukas noch ein zweites Mal die Himmelfahrt beschrieben; davon hören wir nachher in der Predigt. Die anderen Evangelien erwähnen gar nichts von einer Himmelfahrt, nur in einem späteren Nachtrag zum Evangelium nach Markus 16, 19-20, wird vom Abend des Ostertages erzählt:

Nachdem der Herr Jesus mit ihnen geredet hatte, wurde er aufgehoben gen Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes. Sie aber [die Jünger] zogen aus und predigten an allen Orten. Und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch die mitfolgenden Zeichen.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja.“

Lied 96, 1+3+5 (EG 123):

1. Jesus Christus herrscht als König, alles wird ihm untertänig, alles legt ihm Gott zu Fuß. Aller Zunge soll bekennen, Jesus sei der Herr zu nennen, dem man Ehre geben muss.

3. Gott ist Herr, der Herr ist Einer, und demselben gleichet keiner, nur der Sohn, der ist ihm gleich; dessen Stuhl ist unumstößlich, dessen Leben unauflöslich, dessen Reich ein ewig Reich.

5. Nur in ihm, o Wundergaben, können wir Erlösung haben, die Erlösung durch sein Blut. Hört’s: Das Leben ist erschienen, und ein ewiges Versühnen kommt in Jesus uns zugut.

Gnade und Friede sei mit uns von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Zur Predigt hören wir den zweiten Himmelfahrtsbericht des Lukas aus der Apostelgeschichte 1, 9-14. Nur dieser Bericht geht davon aus, dass inzwischen 40 Tage seit Ostern vergangen seien, in denen der auferstandene Jesus verschiedenen Jüngern erschienen sei. Bei der letzten dieser Erscheinungen versprach er ihnen „die Kraft des heiligen Geistes“ (Apostelgeschichte 1, 8), auf den sie in Jerusalem warten sollten.

Und als er das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg. Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen. Da kehrten sie nach Jerusalem zurück von dem Berg, der heißt Ölberg und liegt nahe bei Jerusalem, einen Sabbatweg entfernt. Und als sie hineinkamen, stiegen sie hinauf in das Obergemach des Hauses, wo sie sich aufzuhalten pflegten: Petrus, Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thoma, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon der Zelot und Judas, der Sohn des Jakobus. Diese alle waren stets beieinander einmütig im Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern.

Amen.

Liebe Gemeinde, wir haben gehört: es gibt verschiedene Himmelfahrtserzählungen, genau wie es viele Osterberichte gibt. Nach den Evangelien war die Himmelfahrt noch am Ostertag selbst. Wie schon gesagt: die Apostelgeschichte ist die einzige Ausnahme, wenn sie sagt: die Himmelfahrt ist nach 40 Tagen geschehen. Und Lukas widerspricht sogar sich selbst; denn in dem von ihm selbst geschriebenen Evangelium erzählt auch er von der Himmelfahrt am Abend von Ostern.

Was bedeutet das nun für unseren Glauben? Ist alles als Erfindung und frommes Märchen abzutun, was die Bibel über Ostern und Himmelfahrt berichtet? Nein, es geht vielmehr darum, zu begreifen, was diese Berichte uns in ihrer bildhaften Sprache sagen wollen. Denn vom Himmel Gottes können wir nicht anders als in Bildern reden, da wir ihn mit unseren Begriffen von Welt und Raum und Zeit nicht fassen können.

Schon an Ostern hatte ich gesagt: Jeder Jünger macht Erfahrungen mit dem auferstandenen Jesus, aber jeder auf andere Weise. Einer sieht das leere Grab – und glaubt, dass Jesus lebt. Andere begegnen einer Erscheinung des Auferstandenen, in der sie erst allmählich Jesus erkennen. Wieder ein anderer will erst dann glauben, wenn er Jesus noch einmal anfassen darf. Das Entscheidende ist aber: in den Jüngern und Jüngerinnen selbst verändert sich etwas. Aus verzweifelten werden getroste Menschen. Aus Leuten, die sich ängstlich in ihren Häusern verbarrikadieren, werden mutige Apostel, die für das einstehen, was sie von Jesus gehört und erlebt haben.

Ganz ähnlich ist es mit den Himmelfahrtserfahrungen. Aber was ist nun das Besondere gerade an Himmelfahrt? Himmelfahrt wirft ein Licht auf zwei Seiten der Auferstehung Jesu.

Zum einen wird betont: Auferstehung bedeutet nicht, dass Jesus ein wiederbelebter Toter sei, der genau wie zuvor auf der Erde lebe. Sondern sein neues Leben ist ein völlig anderes in der unsichtbaren Welt Gottes. Dieser Himmel Gottes ist nicht gleichzusetzen mit irgendetwas in unserem Weltall, auch nicht mit dem Wolken- und Sternenhimmel über uns. Der Himmel Gottes kann vielmehr überall sein, auch schon hier bei uns, da wo der Geist Gottes ist, und nach unsrem Tod sind wir dazu berufen, in diese ganz andere Wirklichkeit Gottes hineinzugehen.

Die andere Seite von Himmelfahrt ist die: auch wenn Jesus auferstanden ist, so müssen die Jünger trotzdem von ihm Abschied nehmen. Selbst wenn er ihnen noch einmal oder einige Male wie in einem Wachtraum erschienen ist nach seinem Tod, so wird das nicht für immer so bleiben. Und diese schmerzliche Seite von Himmelfahrt ist das Thema der zweiten Geschichte des Lukas. Die Jünger stehen und starren in den Himmel, sehnsüchtig und ratlos. Ob sie erwarten, dass Jesus doch gleich wieder zurückkommt? Ob sie einfach nicht wissen, was sie ohne Jesus tun sollen, der ihnen immer gute Ratschläge und Anweisungen gegeben hat? Oder ob sie denken, dass Gott eben da oben im Himmel wohnt, dass Jesus jetzt auch dort ist, und dass es deshalb gut sei, die Erde hier unten nicht mehr so wichtig zu nehmen, sondern nur noch an den Himmel zu denken?

Christen machen bis heute immer wieder solche Erfahrungen, dass sie nach Gott fragen und nicht wissen, wo sie ihn suchen sollen, dass ihnen der Himmel leer erscheint, dass es ihnen nicht genügt zu sagen: Gott ist eben unsichtbar und Gottes Himmel auch. Viele würden lieber etwas mehr von Gott spüren, und manche denken, er ist gar nicht da, vielleicht ist er tot oder er war nie da – denn warum passiert sonst unter Gottes Himmel so viel Böses, mit oder ohne Zutun von Menschen? Andere meinen wieder umgekehrt: wir Christen sollten uns nur um den Himmel kümmern. Wir sollten uns nicht so viel mit den Problemen der Erde befassen.

Lukas beschreibt nun (nur in seinem zweiten Bericht), wie die in den Himmel Starrenden eine Antwort bekommen. Da stehen zwei Freunde bei ihnen, die sagen: „Was steht ihr da und blickt zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel emporgehoben ist, wird so kommen, wie ihr ihn in den Himmel habt fahren sehen.“ Das heißt doch: sie sollen ruhig warten auf Jesus. Es ist sogar sicher, dass Jesus einmal zurückkehren, einmal wieder sichtbar sein wird. Aber – die Jünger werden die Wiederkunft nicht dadurch beschleunigen, dass sie in den Himmel starren. Sie hätten sonst fast 2000 Jahre untätig herumstehen müssen, denn bis heute ist Jesus nicht wiedergekehrt. Vielmehr bekommen die Jünger eine andere Blickrichtung: wieder zur Erde hin, zu den anderen Menschen hin, zu dem hin, was Jesus ihnen gesagt hatte: wartet in Jerusalem, wartet gemeinsam, aber wartet nicht darauf, dass ich jeden Augenblick zurückkommen müsste, sondern wartet auf den heiligen Geist.

Für Lukas hat die Zeit zwei Grenzpunkte bekommen. Jesus hat die Welt verlassen; Jesus wird wiederkommen. Seit der Himmelfahrt leben Christen zwischen diesen beiden Zeitpunkten, auch wir. Jesus ist unsichtbar, aber er wird einmal wieder sichtbar sein. Vielleicht können wir‛s uns auch umgekehrt vorstellen: diese für uns sichtbare Welt wird einmal in Gottes heute noch unsichtbare Welt hinein aufgehoben. Aber darüber sollen wir gar keine Spekulationen anstellen. Sonst begingen wir den gleichen Fehler wie die Jünger, die ratlos in den Himmel starren. Wichtig ist für uns: die Zeit dieser Welt hat ein Ziel, ein gutes Ziel. Wir gehen Jesus entgegen, genauso sicher, wie wir von seinem Leben auf der Erde herkommen.

Lukas beschreibt nun, wie diese Zeit begonnen hat, die Zeit, in der die Jünger zwar ein Ziel vor Augen hatten, nämlich dass Jesus wiederkommen werde, aber in der sie ohne den sichtbaren Einfluss Jesu auskommen mussten, was bis heute nicht anders geworden ist. Ganz nüchtern wird das beschrieben und ist gar nicht selbstverständlich. Die Jünger hören offensichtlich auf diese unerhörte Zumutung, nun auf eine nicht übersehbare Zeit warten zu sollen. Sie laufen nicht auseinander. Sie geben nicht auf. Sie resignieren nicht. Sie bleiben auch nicht stehen. Sie tun etwas. Sie gehen zurück nach Jerusalem. Nicht in ihre Dörfer und an ihren See. Nicht in die Orte, in denen sie mit Jesus glücklich waren. Sondern in die Stadt, in der die Hohenpriester und Pilatus sitzen, die Spitzel und die, die geschrien haben: „Ans Kreuz mit Jesus!“ Aber es ist auch die Stadt, in der sie erfuhren, dass Jesus lebt. In der er ihnen nach seinem Tod neu begegnete und in der sie zu ihm sagten: „Mein Herr und mein Gott!“

Das ist alles nicht selbstverständlich. Wenn ich uns so sehe, die christliche Gemeinde in deutschen Landen: Wie oft starren wir nur in den Himmel, Jesus nach, und meinen, das sei besonders fromm. Oder wie viele unter uns denken: fromm sein heißt in den Himmel kucken – und das will ich nicht! Dann lieber gar nicht zur Kirche gehen! Wir laufen auseinander wie die aufgeschreckten Hühner. Uns geht der Atem aus. Lieber gehen wir an bequemere Orte als dahin, wo mit Sicherheit Konflikte drohen. Wir machen nicht gern den Mund auf, wo alle sich einig sind: Man kann ja doch nichts machen! Es hat doch alles keinen Zweck! Von Jesus reden, von seiner Hoffnung, vom Protest gegen Unrecht, ist das wirklich unsere Sache?

Was tun die Jünger? Zunächst gehen sie noch nicht in den Tempel, sie gehen noch nicht auf die Straße. Sie predigen noch nicht öffentlich. So weit reicht die Kraft, der Mut noch nicht. Aber sie gehen in ihr Haus, das sicher beobachtet wird. Sie gehen in das Obergemach. Das war in jüdischen Häusern der Ort für das nächtliche Gesetzesstudium, Studierzimmer und Versammlungsort, für die Hausgemeinde. Das ist vergleichbar einen heutigen Hauskreis oder unserem Bibelkreis, wo man in vertrauten Kreis zusammenkommt, aber eben nicht nur für private Zwecke. Das ganze hat schon eine öffentliche Bedeutung. Also dort in dem Obergemach bleiben sie erst einmal. Die Namen werden genannt. Ich finde das sehr wichtig. Das sind Leute, die Namen haben. Keine Anonymen. Leute mit Gesichtern. Männer und Frauen. Gott sei auch Frauen. Auch die Mutter Jesu ist dabei, Maria mit ihren anderen Söhnen. Sicher auch schon Jesu Bruder Jakobus, der später einmal die Jerusalemer Gemeinde leiten wird. In der Gemeinde Jesu hat jeder einen Namen, und jeder einzelne ist wichtig. Auch bei uns hier in der Kirche. Deshalb wird bei einer Taufe der Name genannt und hervorgehoben; und es zählt nicht nur der, der sich einen besonderen Namen gemacht hat, sondern jeder, der von Gott angesprochen und beschenkt wird. So sitzen auch wir hier, wie damals die Jünger und Jüngerinnen in ihrem Obergemach, wir sind späte Nachfolger dieser ersten kleinen Hausgemeinde.

Und was tun sie da? „Sie waren stets beieinander einmütig im Gebet.“ Einmütig bedeutet nicht, dass sie sich alle sympathisch und einig waren. Nach griechischem Sprachgebrauch bedeutet es die sachliche Konzentration auf ein gemeinsames Ziel. Nicht stimmungsvolle Harmonie oder die Einigkeit aller Beteiligten hält die Gemeinde zusammen, sondern die Offenheit im Gebet, das Warten auf Kraft und Mut durch das Gebet, um der Aufgabe gerecht zu werden, die ihr aufgetragen ist.

Sie ist noch ohne das Wehen des heiligen Geistes zusammen, der soll ja erst noch kommen. Es ist tröstlich, zu sehen, dass dieses kleine Häuflein von Jesusleuten eine Vorbereitungszeit hat auf die späteren Bewährungsproben in einer feindseligen Öffentlichkeit. Es hat also auch heute noch Sinn, beieinander zu sein, miteinander zu sprechen, zu beten, auch wenn man meint, ganz allein zu sein, keine Antwort Gottes zu hören.

Ich war in der vergangenen Woche mehrmals zusammen mit anderen Christen, zu zweit, zu dritt, in Schulklassen und in der Konfirmandengruppe, im Kreis von Pfarrern und im Kreis von Gemeindegliedern, und überall war die Betroffenheit durch ein Thema spürbar: die Folgen des Atomunfalls. Ein sehr bestürzender Gedanke scheint mehr und mehr zur Gewissheit zu werden: wir werden für alle Zeit mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko leben müssen, auch wenn wir manche Gefahren, die jetzt unmittelbar bestehen, durch Vorsichtsmaßnahmen abschwächen können. Gut war es, über unsere Gedanken und Gefühle gerade jetzt sprechen zu können. Das Gespräch ging auch sehr schnell in die religiöse Richtung: hat es jetzt überhaupt noch Sinn zu leben? warum haben wir Kinder in diese Welt gesetzt? wie konnte Gott das zulassen?

Ich habe in diesen Gesprächen etwas erfahren, das mich an das Zusammensein der Jünger zwischen Himmelfahrt und Pfingsten erinnert. Auf der einen Seite viel Machtlosigkeit und Schmerz über Bedrohungen, gegen die wir nichts ausrichten können oder nur sehr wenig. Auf der anderen Seite auch Ermutigung durch Worte anderer Menschen oder durch eine innere Stärkung, die mir plötzlich geschenkt wurde. Ich habe gehört, wie jemand sagen konnte: ich merke gerade jetzt wieder, wie dankbar ich sein kann für die vielen glücklichen Momente, die ich erlebe. Oder ich habe den Eindruck gewonnen, dass es darauf ankommt, zu fragen: wozu lassen wir uns die Betroffenheit durch das Unglück jetzt dienen? Nutzen wir es, um nur über die anderen zu schimpfen? Oder ziehen wir die Konsequenzen und kehren Schritt für Schritt um vom Weg der Atomkraftnutzung, der nicht vollständig kontrolliert werden kann? Das würde natürlich bedeuten, uns auch ernsthaft zu fragen: können wir verzichten lernen? verzichten auf zu hohen Energieverbrauch, verzichten auf liebgewordene Bequemlichkeiten? Das fällt mir nicht leicht und andern auch nicht, wir haben es uns gerade gestern Abend in einem Gemeindegespräch bewusst gemacht.

Wir sind in all diesen Gesprächen nicht zu Lösungen gekommen. Aber es tat gut, zusammen zu sein und den Austausch zu suchen, auch wenn noch nicht klar ist, was mit unseren Ängsten werden wird und was nun zu tun wäre. Es hat Sinn, auf Kraft und Mut und auch auf neue Antworten zu warten. Das ist besser, als von vornherein zu sagen: Es hat jetzt alles keinen Zweck mehr. Jesus hat auch uns seinen heiligen Geist versprochen, und wir dürfen auf ihn warten. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied EKG 91, 1-3 (nur im Anhang EG 565 für Rheinland, Westfalen, Lippe und die Reformierte Kirche sowie EG 552 für Württemberg):

1. Auf diesen Tag bedenken wir, dass Christus aufgefahren, und danken Gott von Herzen hier und flehn, er woll bewahren uns arme Sünder hier auf Erd, die wir, von mancher Not beschwert, Trost nur in Hoffnung haben. Halleluja, Halleluja.

2. Gott Lob, der Weg ist nun gemacht, uns steht der Himmel offen; Christus schließt auf mit großer Pracht, was vorhin war verschlossen. Wer’s glaubt, des Herz ist freudenvoll; dabei er sich doch rüsten soll, dem Herren nachzufolgen. Halleluja, Halleluja.

3. Wer hier nicht seinen Willen tut, dem ist’s nicht ernst zum Herren, und er wird auch vor Fleisch und Blut sein Himmelreich versperren. Am Glauben liegt’s; ist der nur echt, so wird gewiss das Leben recht zum Himmel sein gerichtet. Halleluja, Halleluja.

Herr, unser Gott, lehre uns erkennen, dass du – Vater und Sohn in der Gemeinschaft des Geistes – im Himmel bist, nicht um weit weg von uns zu sein, sondern um uns alle lieben und beschenken zu können. Du kannst über den Sternen sein, aber genauso gut ganz nahe bei uns. Da willst dich uns selbst schenken, in der Liebe, in dem Glauben, in dem Trost, in der Hoffnung, die wir den heiligen Geist nennen. Diesen deinen Himmel lehre uns liebhaben, damit uns diese Erde wertvoll bleibt. Lehre uns, Himmel und Erde zusammenzuhalten, weil du uns die Erde anvertraut hast. Lehre uns, für den Glauben soviel Verstand aufzuwenden wie für das Denken, für das Beten soviel Kraft wie für das Tun, für die Kirche soviel Einsatz wie für das Vergnügen. Lehre uns, die Erde aus der Sicht des Himmels zu sehen: wie armselig das Rennen nach Wohlstand und Vergnügen ist, und wie reich die sind, die helfen und abgeben können oder die die Kraft geschenkt bekommen, Leid zu bewältigen. Schenke uns deinen heiligen Geist, damit wir wissen, worauf es in unserem Leben ankommt.

Stilles Gebet und Vater unser
Lied EKG 92, 1-5 (EG 119):

1. Gen Himmel aufgefahren ist, Halleluja, der Ehrenkönig Jesus Christ. Halleluja.

2. Er sitzt zu Gottes rechter Hand, Halleluja, herrscht über Himml und alle Land. Halleluja.

3. Nun ist erfüllt, was g’schrieben ist, Halleluja, in Psalmen von dem Herren Christ. Halleluja.

4. Drum jauchzen wir mit großem Schalln, Halleluja, dem Herren Christ zum Wohlgefalln. Halleluja.

5. Der Heiligen Dreieinigkeit, Halleluja, sei Lob und Preis in Ewigkeit. Halleluja.

Abkündigungen und Segen

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