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„Wohl dir, du Kind der Treue“

Trauerfeier für eine alte Frau, über deren Leben und Wesen eine Freundin der Familie mir sehr viel aufgeschrieben hat. Abgesehen von den biographischen Einzelheiten erlaube ich mir, einiges aus ihren Aufzeichnungen hier zu zitieren – und ich gehe auf eine Bibelstelle ein, die ihr zum Abschied von Frau E. eingefallen ist.

"Wohl dir, du Kind der Treue": Blick in den Himmel durch Baumkronen hindurch
Blick in den Himmel durch Baumkronen hindurch (Bild: Foundry CoPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Trauergemeinde, wir sind hier vor Gott, dem Herrn, versammelt, um von Frau E. Abschied zu nehmen, die im Alter von [über 90] Jahren gestorben ist.

Wir beten zu Gott mit Worten aus dem Psalm 9:

1 EIN PSALM DAVIDS, VORZUSINGEN, NACH DER WEISE »SCHÖNE JUGEND«.

2 Ich danke dem HERRN von ganzem Herzen und erzähle alle deine Wunder.

5 Denn du führst mein Recht und meine Sache, du sitzest auf dem Thron, ein rechter Richter.

10 Der HERR ist des [Bedrückten] Schutz, ein Schutz in Zeiten der Not.

11 Darum hoffen auf dich, die deinen Namen kennen; denn du verlässest nicht, die dich, HERR, suchen.

14 HERR, sei mir gnädig…, der du mich erhebst aus den Toren des Todes,

15 dass ich erzähle all deinen Ruhm.

19 Denn [du wirst die] nicht für immer vergessen[, die Hilfe brauchen]; die Hoffnung [derer, die am Ende sind,] wird nicht ewig verloren sein.

Wir singen aus dem Lied 361 die Strophen 1, 11 und 12:

1. Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

11. Wohl dir, du Kind der Treue, du hast und trägst davon mit Ruhm und Dankgeschreie den Sieg und Ehrenkron; Gott gibt dir selbst die Palmen in deine rechte Hand, und du singst Freudenpsalmen dem, der dein Leid gewandt.

12. Mach End, o Herr, mach Ende mit aller unsrer Not; stärk unsre Füß und Hände und lass bis in den Tod uns allzeit deiner Pflege und Treu empfohlen sein, so gehen unsre Wege gewiss zum Himmel ein.

Liebe Trauergemeinde!

Die 11. Strophe aus dem Lied 361 habe ich, glaube ich, noch nie bei einer Trauerfeier singen lassen; aber ich fand, dass sie in diese Feier genau hineinpasst: Mir kommt es so vor, als sei Frau E. ein Kind der Treue gewesen, in vielfacher Hinsicht, und aus allem, was ich durch Sie über ihr Leben erfahren habe, spricht so viel Liebe, die von ihr ausging und die sie selber empfangen durfte, dass ich mir gut vorstellen kann, dass sie Psalmen sogar mitten im Leid singen konnte und nach durchgestandenem und überwundenem Leid jetzt vielleicht im Himmel schon die ersten Freudenpsalmen anstimmt.

Aber lassen Sie mich mit dem Lebenslauf der Verstorbenen beginnen. Denn Abschied nehmen wir ja von einer ganz bestimmten, unverwechselbaren, einzelnen Person, und es ist gut, sich in dieser Stunde an ihre Lebenswege zu erinnern.

Sie haben es mir einfach gemacht, indem Sie mir die Arbeit der Formulierung des Lebenslaufes abgenommen haben. Wer ist Frau E. aus Ihrer Sicht gewesen, welches Leben hat sie als Mensch auf dieser Erde unter Gottes Himmel geführt? Sie haben ihre Lebensdaten unter das Bibelwort aus Psalm 31, 16 gestellt:

Meine Zeit steht in Deinen Händen.

Lebenslauf der Verstorbenen, verfasst von ihrer Familie

Sie war eine aufopferungsvolle Mutter, mit einer tiefinnerlichen Bereitschaft, stets für den Zusammenhalt ihrer Familie und aller Verwandten zu sorgen, also mehr an andere, als an sich selbst zu denken. Und sie war eine Frau, die den Verlust ihrer Heimat nie wirklich verwinden konnte.

Soweit der ausführliche Lebenslauf von Frau E. Sie haben zum Abschluss dazu aufgerufen:

Lasst sie uns so in Erinnerung behalten, wie es ihr bis ins hohe Alter vergönnt war zu leben: Ohne nennenswerte Erkrankungen und Schmerzen, immer tatkräftig, zupackend und hilfsbereit.

Wir singen aus dem Lied 391 die Strophen 1, 3 und 4:

1. Jesu, geh voran auf der Lebensbahn! Und wir wollen nicht verweilen, dir getreulich nachzueilen; führ uns an der Hand bis ins Vaterland.

3. Rühret eigner Schmerz irgend unser Herz, kümmert uns ein fremdes Leiden, o so gib Geduld zu beiden; richte unsern Sinn auf das Ende hin.

4. Ordne unsern Gang, Jesu, lebenslang. Führst du uns durch rauhe Wege, gib uns auch die nöt‘ge Pflege; tu uns nach dem Lauf deine Türe auf.

Liebe Gemeinde, lassen Sie mich nun nach dem Blick auf das Leben der Verstorbenen einen Blick in die Bibel tun. Eine Freundin der Familie hat in einem Brief eine Bibelstelle aufgeschrieben, die ich heute Ihnen allen ans Herz legen möchte. Sie steht in einem Brief des Apostels Paulus, 1. Korinther 15 (GNB):

16 Wenn die Toten nicht auferstehen, ist auch Christus nicht auferstanden.

17 Ist aber Christus aber nicht auferstanden, ist euer ganzer Glaube vergeblich.

19 Wenn wir nur für das jetzige Leben auf Christus hoffen, sind wir bedauernswerter als irgend jemand sonst auf der Welt.

20 Aber Christus IST vom Tod erweckt worden, und das gibt uns die Gewähr dafür, dass auch die übrigen Toten auferstehen werden.

Ich fand sehr aufschlussreich, wie es Ihnen, die jetzt an Ostern diesen Text für sich selber ganz neu hörten, früher mit der Botschaft der Bibel über die Auferstehung gegangen ist. So lange Sie Ihre Energie ganz auf die Bewältigung der Gegenwart ausrichteten, sagte Ihnen die Rede von der Auferstehung der Toten nur wenig.

Mit dieser Einstellung sind Sie aber sehr nahe an der Lebenshaltung der Menschen, von denen in der Bibel die Rede ist. Gerade die Bibel spekuliert so gut wie gar nicht über ein Leben nach dem Tod, sondern ist daran interessiert, dass Menschen ihr Leben auf der Erde unter Gottes Himmel im Vertrauen auf Gott und in der Verantwortung gegenüber ihrer Umwelt und Mitwelt von Mensch und Tier führen. Das Interesse am Totenkult verloren die Israeliten bereits in Ägypten, als sie Sklavendienste für Pharaonen leisten mussten, die sich Pyramiden als tonnenschwere Grabmäler bauen ließen.

Allerdings: weil der Gott der Bibel der Gott der Lebendigen ist, musste im Lauf der Zeit auch das Vertrauen darauf wachsen, dass die Toten, egal ob früh oder spät verstorben, in ihrem Tode nicht einfach verloren gehen. In dem, was Sie zu den Worten des Apostels Paulus geschrieben haben, haben Sie sehr klar erkannt, worum es den Menschen der Bibel in dem Glauben an die Auferstehung eigentlich geht – ich erlaube mir, Sie zu zitieren:

Wie knallhart sind diese Aussagen – und streifen alles, was wir sonst so über das Leben und Sterben denken und empfinden, als nichtig ab! Jeder ist ein Einzelner, – und so ist auch Frau E. in all ihrer Hinfälligkeit in der letzten Zeit in ihrem Lebensbogen etwas Einmaliges! Und genau so wir selbst!

In der Tat: darum geht es in der Auferstehung des Leibes. Leib (Soma) ist im Sinne der Bibel nicht der Körper, nicht die Biologie eines Menschen, die im Krematorium oder im Grab ihr natürliches Ende findet, sondern Leib ist sozusagen die Biographie eines Menschen, das, was diese Frau in ihrer unverwechselbaren Persönlichkeit ausmacht, und zwar mit ihrer einmaligen Lebensgeschichte und mit all den kostbaren Wechselbeziehungen zu den Menschen, in deren Mitte sie gelebt und geliebt hat, mit allem, was dazu gehört an Höhen und Tiefen eines Lebens.

Ich fand das in einem Brief, den Sie mir zugänglich gemacht haben, sehr schön ausgedrückt:

Wäre sie nicht gewesen, wie sie war – und hätte sie nicht Liebe weitergegeben an die Menschen ihres Umkreises, dann könnten wir nichts weitergeben, – und der Stillstand wäre erreicht.

Das ist Auferstehung, schon hier, schon mitten im Leben.

Indem wir an Auferstehung glauben, bauen wir also keine Pyramide, um jemanden in den Himmel zu heben, sondern wir sind zuversichtlich, dass wir das gar nicht nötig haben. Der Gott, zu dem wir im Psalm 9, 14 gebetet haben:

HERR, sei mir gnädig…, der du mich erhebst aus den Toren des Todes

– der der nimmt uns am Ende mit Ehren an, und zwar deshalb, weil er nicht nur Könige und andere mächtige Menschen, sondern jeden einzelnen Menschen als sein Ebenbild geschaffen hat. Wir alle sind Gottes unverwechselbare, einmalige Menschenkinder auf dieser Erde, die Gott im Laufe ihres Lebens hoffentlich darin ähnlich werden, dass sie etwas von der Liebe abbilden und weiterverschenken, mit der er uns beschenkt.

Darum müssen wir uns nichts ausmalen über ein Leben nach dem Tod. Darum ist Auferstehung keine Vertröstung auf ein Jenseits. Auferstehung ist zuversichtlicher Glaube an die Kostbarkeit eines konkreten Menschenlebens, die an der Schwelle zum Tod nicht aufhört. Auferstehung lässt uns auch schon hier im Diesseits aufstehen aus allem, was uns nach unten ziehen will, aus allen Todesmächten.

Wir dürfen unsere Tränen weinen, unserer Trauer Raum geben, und dann auch wieder aufatmen, unser eigenes Leben leben. Wir dürfen froh sein über das, was wir einander geben konnten in schwerer Zeit, Liebe, Kraft, Fürsorge, was uns manchmal bis an die Grenzen unserer Kräfte oder sogar darüber hinaus belastet hat. Ja, wir dürfen auch zu unseren Grenzen stehen, zu unserer Müdigkeit, zu unserer Ohnmacht angesichts der Hinfälligkeit eines geliebten Menschen, der schwächer und schwächer wird.

Und wir dürfen unsere Dankbarkeit und Liebe zur Verstorbenen als etwas empfinden, was bleibt, und ihr Ausdruck geben, wie Sie es getan haben:

Frau E. war die Fleißige, Hilfsbereite, Verständnisvolle, immer unser Wohl Wollende in jeder Lebenslage – die Treue, die alles verstand: Flucht, Vertrieben-Werden, Neu-Anfangen, Umziehen, das Großwerden der Kinder, das Allein-sein, die Enkel.

Als einen kostbaren Schatz in ihren Herzen bewahren Sie die Liebe zu einer Frau, die nicht nur für Menschen in ihrer Familie, sondern auch darüber hinaus für viele ein Segen war. Heute dürfen wir sie loslassen und den liebevollen Händen Gottes anvertrauen.

Wir singen das Lied 376:

1. So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich. Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt: wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit.

2. In dein Erbarmen hülle mein schwaches Herz und mach es gänzlich stille in Freud und Schmerz. Lass ruhn zu deinen Füßen dein armes Kind: es will die Augen schließen und glauben blind.

3. Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht: so nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich!

Barmherziger Gott, nimm Frau E. gnädig auf in deinem Himmel und lass sie dort für immer Ruhe und Frieden finden, wo alle Schmerzen und alle Schwermut und alle Krankheit aufhören und wo du alle unsere Tränen abwischst, selbst die ungeweinten Tränen, die wir herunterschlucken.

Wir sind dankbar für alles, was uns mit dem Leben von Frau E. geschenkt war. Wir bitten um Vergebung für alles, was wir einander schuldig geblieben sind. Gib uns genug Kraft, um füreinander da zu sein, wo wir gebraucht werden. Hilf uns, Gott, dass wir unseren eigenen Weg finden, durch den unser Leben erfüllt wird.

Du machst uns Mut zum Leben miteinander und füreinander, denn du lebst, und wir sollen auch leben. Amen.

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