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Sich manchen Streit einfach „schenken“ können

Im griechischen Urtext des Trauspruchs stehen nicht die normalen Wörter für Vergebung und Schuld. Statt „vergeben“ steht ein Wort, das „geben“ oder „schenken“ bedeutet, und statt „Schuld“ ein Wort, das so viel meint wie „Vorwurf“ oder „Beschwerde“. Ob man sich manchen Streit also nicht vielleicht einfach „schenken“ kann?

Die Silhouette eines Paares, mit zwei Kindern auf dem Arm und einem Kind an der Hand neben einer Bank und einem Bank vor einem Sonnenuntergang
Konfliktfähige Paare sind auch starke Eltern (Bild: Gerd Altmann auf Pixabay)
Einzug in die Kirche und Orgelvorspiel

Liebe Festgemeinde, nachdem der Onkel seine Tochter zu ihrem Mann geführt hat, begrüße ich Sie beide zur Trauung in der evangelischen Pauluskirche: … und … . Herzlich willkommen heiße ich auch alle Hochzeitsgäste, die den Start in die Ehe mit Ihnen beiden feiern!

Wir sind hier versammelt im Namen Gottes:

Im Namen des Gottes, den wir den Vater nennen, der uns als Ebenbild seiner Liebe erschaffen hat als Mann und Frau.

Im Namen Gottes, dessen Liebe in Jesus auf Erden lebendig ist.

Im Namen des Gottes, der unsichtbar in uns ist, der uns mit seiner Liebe anrührt und bewegt wie Geist und Wind.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Gott, du bist die Liebe! Und uns traust du zu, als Menschen liebevoll miteinander umzugehen. Wir zweifeln zwar oft an der Liebe: wenn Untreue uns verletzt, wenn der mir näch­ste Mensch mir fremd wird, wenn ich mich selber nicht mehr kenne. Dann schenke uns die Zuversicht, dass die Liebe stärker ist als alles in der Welt, gerade weil wir als Liebende so verletzbar sind – einfach angewiesen auf die Liebe des anderen. Wenn wir einander unsere Hände reichen und miteinander durchs Leben gehen, lassen wir uns unsichtbar von deiner Hand führen, Gott, damit wir nicht in die Irre gehen, damit wir in Sorgen und Traurigkeiten nicht verzweifeln, damit wir – komme, was da wolle – uns treu bleiben. Amen.

Lied 334, 1-6: Danke für diese Hochzeitsstunde

Liebe …, lieber … und liebe Hochzeitsgäste!

Es ist nicht das erste Mal, dass Ihre Familie zu einem feierlichen Anlass hier in der Kirche zusammengekommen ist; vor drei Jahren haben wir Ihren Sohn … getauft und uns dabei über die Stärke Gedanken gemacht, die Gott uns schenkt, denn als Taufspruch für ihn hatten Sie ja das Wort ausgesucht (Jesaja 41, 10):

Gott spricht: Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; hab keine Angst, ich mache dich stark.

In unserem Kindergarten bieten wir zeitweise eine Veranstaltungsreihe an, die unter dem Leitgedanken steht: „Starke Eltern – starke Kinder“. Das heißt, eine gute Art von Stärke, die ohne Angeberei und Gewalt auskommt, entwickeln Kinder dann, wenn auch ihre Eltern stark sind. Und besonders schön ist es, wenn Eltern in einer stabilen, starken Partnerschaft zusammenleben – dann können sie nämlich besonders gut auch in der Erziehung ihrer Kinder an einem Strang ziehen.

Jetzt fragen Sie sich vielleicht: Wieso redet der Pfarrer so viel von dem Kind – heute geht es doch um die Hochzeit seiner Eltern. Richtig. Ich wollte nur von Anfang an betonen, dass der Sohn natürlich an diesem großen Festtag seiner Eltern nicht vergessen ist.

Aber nun tatsächlich zu Ihnen beiden – nicht in Ihrer Rolle als Eltern, sondern in Ihrer Zweisamkeit als Ehepaar. Bereits am … dieses Jahres haben Sie auf dem Standesamt Ja zueinander gesagt, und heute wollen Sie dieses Ja vor dem Altar Gottes und vor dieser Gemeinde bekräftigen. Das ist Ihnen wichtig, weil die Ehe für Sie nicht nur ein staatlicher Verwaltungsakt ist, sondern etwas Heiliges. Da geschieht mehr zwischen Ihnen als nur eine Vereinbarung, die auf dem Papier steht. Sie wollen tatsächlich für die Dauer Ihres ganzen Lebens eine unzertrennbare Gemeinschaft sein und bleiben.

Gekannt haben Sie sich bereits seit Ihrer Kindheit. … Es ist Ihnen wichtig, als Familie zu leben, zu Hause die Wärme zu spüren, die Sie einander als Partner geben und in der sich auch Ihr Kind geborgen fühlen und frei entwickeln kann. Sie sind schon seit langem ein Team. Und heute wollen Sie das auch vor diesen Leuten und vor Gott sozusagen „offiziell“ machen – Sie sind nicht einfach nur ein Team auf Zeit oder eine zufällige Zusammenballung zweier Singles, die so lange zusammenbleibt, wie eine flüchtige Verliebtheit eben hält, nein, Sie sagen als Ehepaar Ja zueinander und wollen miteinander leben und es miteinander aushalten, bis der Tod Sie einmal scheidet.

„Es miteinander aushalten“, ist das ein korrektes Stichwort für den Beginn einer Ehe? Durchaus, denn Sie haben mir ja dieses Stichwort vorgegeben, indem Sie sich einen Trauspruch aus der Bibel ausgesucht haben, im Kolosserbrief, Kapitel 3, Vers 13, der dem Sinn nach genau so anfängt:

Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat.

Auf den ersten Blick ist das ein eigenartiges Motto für eine Hochzeit. Ich denke, Sie lieben sich, Sie wollen für immer Ja zueinander sagen. Wie passen dazu diese Ermahnungen, die nur auf die problematischen Seiten einer Beziehung einzugehen scheinen? Stehen Vorwürfe im Raum, sind Konflikte ungelöst, fällt es Ihnen schwer, einander zu ertragen? Wohl kaum. Aber was mag Sie dazu bewogen haben, trotzdem diesen Vers als Leitmotiv für Ihre Ehe auszuwählen?

Ich denke, der wichtigste Grund dürfte sein, dass Sie ja gleich ein Versprechen abgeben, das Sie nicht nur „in guten“ sondern auch „in schweren Tagen“ durchhalten wollen. Für gute Tage braucht man keine besonderen Regeln, über die freut man sich einfach und genießt das gemeinsame Leben. Aber für die schweren Tage, wie auch immer sie aussehen mögen, ist es gut zu wissen, wie man am be­sten damit umgehen kann.

„Ertragt euch gegenseitig“, das ist eine Ermutigung, den Partner auch dann zu lieben, wenn er mich nervt, wenn ich seine Macken entdecke, oder wenn er meine Macken rausfindet und sich tierisch darüber aufregt. Die Versuchung liegt nahe, den anderen erziehen zu wollen und selber möglichst zu bleiben, wie man ist. Beides allein kann auf Dauer nicht gut gehen. Es wird immer Dinge geben, die man lernen muss, am andern oder auch an sich selbst zu ertragen, auch wenn es schwer fällt. Und wer bereit ist, sich und den Partner so zu nehmen, wie man eben ist, der stellt vielleicht irgendwann erstaunt fest, dass man sich irgendwann doch geändert hat, eine blöde Angewohnheit abgelegt hat, aufmerksamer geworden ist, was auch immer. Ich kann meine Möglichkeiten besser entfalten, wenn ich mich erst einmal so nehme, wie ich bin, und genau so geht es auch meinem Mann, meiner Frau in der Ehe.

Dann ist in Ihrem Trauspruch von Vergebung die Rede. Von Vergebung reden wir in der Kirche normalerweise, wenn es um Sünde und Schuld geht. Sünde ist Trennung von Gott, weil wir ihm nicht vertrauen und darum nicht nach seinem guten Willen leben. Daraus ergibt sich Schuld, die wir auf uns laden, wenn wir Menschen weh tun, ihnen schuldig bleiben, was sie von uns brauchen, oder dem, der auf uns vertraut, die Treue brechen.

Sünde und Schuld kann Gott uns vergeben, wenn wir in einem solchen Teufelskreis von Misstrauen gegen Gott und einem kaputten menschlichen Miteinander nicht leben wollen. Und wir können Gott bitten, dass wir stark genug sind, auch dem Partner zu vergeben, wenn er uns wirklich einmal sehr weh tun sollte.

Aber das, so denke ich, sind hoffentlich eher die Ausnahmen in einem Eheleben. Ihr Trauspruch ist aber auch in seinem zweiten Teil durchaus alltagstauglich, wenn man genauer hinschaut. Ich habe nämlich einmal den griechischen Urtext angesehen und dort gefunden, dass hier gar nicht die normalen Wörter für Vergebung und für Schuld verwendet werden. Statt „vergeben“ steht hier ein Wort, das „geben“ oder „schenken“ bedeutet, und statt „Schuld“ wird ein Wort verwendet, das in der Bibel nur hier vorkommt und so viel meint wie „Vorwurf“ oder „Beschwerde“. Es geht also durchaus um den alltäglichen Kleinkram wie die nicht richtig ausgedrückte Zahnpastatube oder die Schmutzwäsche, die im fal­schen Korb landet. Kleine oder große Vorwürfe sollten in einer Ehe nicht säuberlich in eine Art Rabattmarkenheftchen geklebt werden, so dass man sie irgendwann dem Partner unter die Nase reiben kann, um ihm zu zeigen, wie furchtbar sein ganzes Verhalten ist. Nein, wo wir Vorwürfe gegen den Partner haben, sollten wir sie ihm geben wie ein Geschenk. Das klingt komisch, aber macht durchaus Sinn. Es kann sehr hilfreich sein, wenn mir meine Frau deutlich sagt, was sie an mir stört, denn dann kann ich meine Gedankenlosigkeit überwinden und einsehen: Stimmt, das war blöd, kommt nicht wieder vor. Oder wir können drüber reden, wie wir den Ärger auf andere Weise zwischen uns ausräumen. Es ist doch schön, wenn wir uns manchen Streit einfach „schenken“ können.

So viel zu Ihrem Trauspruch. Hören wir ihn nun noch einmal in dem Zusammenhang, in dem er im Kolosserbrief steht, im Kapitel 3, Verse 12 bis 17:

12 Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen. Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld!

13 Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!

14 Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht.

15 In eurem Herzen herrsche der Friede Christi; dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes. Seid dankbar!

16 Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch. Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit! Singt Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist eingibt, denn ihr seid in Gottes Gnade.

17 Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Durch ihn dankt Gott, dem Vater!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen den Frieden von Jesus Christus und die Liebe als ein Band, das Sie in Ihrer Ehe zusammenhält! Führen Sie Ihre Ehe mit Lust und Leidenschaft, mit Verstand und Verantwortung, getragen von der Liebe, mit der Gott Sie geliebt hat. Amen.

Wir singen das Lied 238:

1. Herr, vor dein Antlitz treten zwei, um künftig eins zu sein und so einander Lieb und Treu bis in den Tod zu weihn.

2. Sprich selbst das Amen auf den Bund, der sie vor dir vereint; hilf, dass ihr Ja von Herzensgrund für immer sei gemeint.

3. Zusammen füge Herz und Herz, dass nichts hinfort sie trennt; erhalt sie eins in Freud und Schmerz bis an ihr Lebensend.

Liebe Frau …, lieber Herr …, weil Gott Ihre Ehe segnen will, können Sie Ihre Ehe wagen und sich gegenseitig mit Ihrer Liebe tragen, so lange Sie leben. Vor Gott und den hier versammelten Menschen frage ich Sie:

…, wollen Sie … als Ihre Ehefrau, die Gott Ihnen anvertraut hat, für alle Zeit achten und lieben, in guten und in schweren Tagen sie nicht verlassen und im Vertrauen auf die Liebe Gottes mit ihr die Ehe führen, bis der Tod Sie scheidet, so antworten Sie: „Ja!“

…, wollen Sie …, als Ihren Ehemann, den Gott Ihnen anvertraut hat, für alle Zeit achten und lieben, in guten und in schweren Tagen ihn nicht verlassen und im Vertrauen auf die Liebe Gottes mit ihm die Ehe führen, bis der Tod Sie scheidet, so antworten Sie: „Ja!“

Gott begleite Sie auf Ihrem Lebensweg. Er schenke Ihnen, was Sie nötig haben in Freude und Leid. Er erfülle Ihr gemeinsames Leben mit seinem Segen. Amen.

Geben Sie einander Ihre rechte Hand. Stecken Sie einander Ihre Ringe an.

Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden!

Der Ring hat kein Ende, so soll auch Ihre Liebe ohne Ende sein. Tragen Sie Ihren Ring als Zeichen Ihrer Treue!

Nun können Sie einander küssen, wenn Sie möchten!

Als kleines Geschenk Ihrer Kirchengemeinde bekommen Sie eine Bibel, in der Sie gemeinsam oder jeder für sich lesen können, wenn Sie neugierig sind auf Worte der Liebe und Geschichten von dem Gott, der uns frei macht.

Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Trauung!

Lied 240, 1-3: Du hast uns, Herr, in dir verbunden

Gott, der Du die Liebe bist, wir bitten dich heute für den gemeinsamen Lebensweg von … und … .

Geh du mit ihnen auf ihrem Weg. Lass sie finden, was sie sich voneinander wünschen. Hilf ihnen, einander zu stützen und immer zusammenzuhalten. Hilf ihnen, dass sie Problemen nicht ausweichen, sondern sie bewältigen, und dass sie sich dazu auch Hilfe suchen.

Wir danken dir, Gott, für die Menschen, die den Lebensweg der beiden bisher mitgegangen sind; für all die Menschen, zu denen sie Vertrauen haben können. Solche Menschen brauchen sie auch weiterhin, die nicht nur gern mit ihnen feiern, sondern auch im Alltag zu ihnen stehen und die immer ein offenes Ohr für sie haben.

Du bist da, Gott, in jedem guten Wort, das Liebe und Ehrlichkeit ausspricht, das tröstet und aufrichtet. Du bist die Hand auf der Schulter, die Mut macht oder liebevoll zurechtweist, wenn wir dunkle Wege gehen. Du bist die Wärme des Herzens, die wir spüren, wenn wir uns im Arm halten oder wenn unser Mund mit Liebe küsst.

Du, Gott, bist die Liebe, du verlässt uns nicht; hilf uns, an unserer Liebe zueinander festzuhalten, damit wir in einem von Gott zusammengefügten Gespann für immer zusammenbleiben. Amen.

Gemeinsam beten wir mit den Worten Jesu:

Vater unser

Am Ausgang bitten wir Sie um eine kleine Spende für den Sozialfonds unserer Kirchengemeinde.

Geht mit Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. Amen.

Auszug und Orgelmusik

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