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Ein schöner Gott hebt und trägt uns

In der Trauerfeier für eine sehr alte Frau gehe ich auf Worte des Propheten Jesaja ein, in denen es um die Herrlichkeit oder Schönheit Gottes geht und darum, dass Gott uns hebt und trägt bis ins hohe Alter.

Ein schöner Gott hebt und trägt uns: Alte Menschen spiegeln sich in einer Glaskugel
Gott will uns heben und tragen, bis wir grau werden (Bild: Gerd AltmannPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Gemeinde, wir sind hier versammelt, weil Frau Q. im Alter von [über 90] Jahren gestorben ist. Eine Frau, die immer da war in Ihrer Familie, über Generationen hin, ist nicht mehr unter Ihnen.

Gemeinsam denken wir in dieser Trauerfeier mit Dankbarkeit an das lange Leben, das ihr geschenkt war.

Wir denken auch nach über die Zukunft, über uns selbst, wie wir umgehen mit dem, was wir angesichts dieses Todes empfinden.

Und wir stellen unsere Gedanken und Gefühle unter Gottes Wort. Denn von Gott her kommt unser Leben, zu ihm kehrt es im Tode auch wieder zurück.

So hören wir Worte aus dem Prophetenbuch Jesaja im Kapitel 46 (eckig eingeklammerte Versteile in eigener Übertragung):

3 Hört mir zu, … alle, die ihr noch übrig seid vom Hause Israel, die ihr von mir getragen werdet von Mutterleibe an und vom Mutterschoße an mir aufgeladen seid:

4 Auch bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten.

9 Gedenket des Vorigen, wie es von alters her war: Ich bin Gott, und sonst keiner mehr, ein Gott, dem nichts gleicht.

10 Ich sage: Was ich beschlossen habe, geschieht, und alles, was ich mir vorgenommen habe, das tue ich.

12 Hört mir zu, ihr trotzigen Herzen, die ihr ferne seid von der Gerechtigkeit!

13 Ich habe meine Gerechtigkeit nahe gebracht; sie ist nicht ferne, und meine [Hilfe verzögert sich] nicht. [Ich bringe Hilfe für mein Volk und schenke Israel meine Schönheit.]

Liebe Trauergemeinde!

Einen adventlichen Text der Erwartung von Gerechtigkeit und Hilfe habe ich dieser Ansprache vorangestellt. Die Zeit vor Weihnachten ist ja eine erwartungsfrohe Zeit, und wenn wir der Bibel Glauben schenken, dann dürfen sich nicht nur Kinder auf das Christkind freuen, sondern auch wir Erwachsenen können auf die reiche Erfüllung unseres Lebens hoffen.

Im Buch Jesaja scheint zwar zunächst nur das Volk Israel angeredet zu sein, das von Gott getragen wird vom Mutterleib an bis ins hohe Alter, aber durch Jesus Christus gelten die Zusagen dieses Gottes auch für uns Christen; Jesus hat das Vertrauen auf einen Gott des Friedens und der Gerechtigkeit auch uns, den Völkern der Welt, nahegebracht.

Die Worte der Bibel sind oft nicht einfach zu verstehen und zu verdauen. Hier reden sie unmittelbar in konkrete politische und soziale Situationen des Volkes Israel hinein. Dort nehmen sie die persönlichen Anliegen eines einzelnen Menschen sehr wichtig und ernst. Und gerade das lässt die Worte der Bibel immer wieder auch in unser eigenes Leben hineinsprechen, in vielfältiger Hinsicht.

Heute können wir die Worte Jesajas auf uns wirken lassen, indem wir sie auf ein langes Menschenleben beziehen. Wir können diese Trauerfeier im Namen eines Gottes feiern, der uns trägt von Mutterleibe an und dem es manchmal so vorkommt, als seien wir ihm regelrecht aufgeladen wie eine kaum zu tragende Last. Aber er trägt und erträgt uns gern, bis wir grau werden. Er hebt uns, trägt uns, führt uns in unserem Leben auf Wegen, die wir selbst verantworten dürfen und meistern müssen.

Wir können von Gott Hilfe erwarten, seine Liebe umgibt uns unser Leben lang. Er schenkt uns sich selbst, indem wir im Vertrauen auf ihn unser Leben führen; im Bibeltext steht wörtlich die Formulierung: er gibt uns seine Herrlichkeit, seine Schönheit.

Es ist ein schöner Gott, den wir durch Jesus Christus anbeten und dem wir uns anvertrauen dürfen, ein Gott, der uns nicht unterdrückt, sondern Freiheit schenkt, ein Gott, der in diese Welt nicht eingreift, indem er zaubert oder Gewalt anwendet, sondern indem er uns seine Liebe schenkt. Wem dieses Wort zu gefühlsgeladen erscheint, kann auch von Solidarität oder vom Füreinander-da-Sein sprechen. Gott will einfach, dass unser Leben gelingt, er ist für uns da.

Das einzige, was dieser Gott von uns erwartet, ist, dass wir auf die Liebe, die uns geschenkt ist, wiederum mit Liebe antworten. Und diese Liebe will er gar nicht selber haben, sondern wir Menschen sollen füreinander da sein; uns vertraut Gott einander an, manchmal sogar dann, wenn wir es miteinander schwer haben, aber trotzdem aufeinander angewiesen sind.

Das ganze Glück und Elend unseres menschlichen Lebens hängt daran, wie wir Menschen mit dem Gottesgeschenk unseres Lebens und seiner Liebe an uns umgehen. Je mehr Liebe wir erfahren und weitergeben können, desto erfüllter ist unser Leben. Wo wir für das Zusammenleben mit einem Menschen Dankbarkeit empfinden, da geht es – so denke ich – in der Regel darum, dass wir in irgendeiner Weise Liebe erfahren haben oder verschenken konnten.

Ein langes Leben hat Frau Q. geführt, in vielem war es reich erfüllt, in mancher Hinsicht hat sie aber auch Entbehrungen erlitten und schwere Zeiten durchmachen müssen.

Erinnerungen an das lange Leben der Verstorbenen

So ist ein langes Leben zu Ende gegangen. Wovon es erfüllt war, in welchem Geflecht von Beziehungen es sich entfaltet hat, das wissen Sie besser als ich; ich konnte es nur andeuten.

Wir sind nicht hier, um eine abschließende Bilanz über dieses Leben zu ziehen. Wir nehmen Abschied, indem wir zurückblicken, und dürfen uns dabei bewusst machen, dass auch ihr Leben mit aller Freude und allem Leid von dem Gott getragen war, der zu uns spricht (Jesaja 46,4):

Auch bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten.

Manchmal muss man in so hohem Alter es auch geschehen lassen, dass liebe Menschen einen buchstäblich wieder heben und tragen, weil man sich alleine nicht mehr versorgen kann. Im Tode sind es dann vielleicht Gottes unsichtbare Engel, die einen heben und tragen und in einen Frieden hineinbringen, wo man ausruhen kann und in Gottes Liebe für immer geborgen ist. Bei Gott geht sie in Ewigkeit nicht verloren.

Und wir, die zurückbleiben? Als meine Mutter, ebenfalls lange nach meinem Vater, gestorben war, ging es mir durch den Kopf: Jetzt ist unsere Generation eins nach vorne gerückt. Der Tod der Eltern erinnert uns auch an unsere eigene Sterblichkeit, auch an die anderen, die schon gegangen sind, reißt vielleicht sogar alte, nicht ganz verheilte Wunden wieder auf.

Gerade wir hier in unserem irdischen Leben brauchen daher das Gefühl, ebenfalls getragen und gehalten zu sein. Es ist gut, darauf vertrauen zu können, dass diese Welt kein kalter Ort ohne Liebe, sondern von einer göttlichen Kraft durchdrungen ist, die an uns Menschen Interesse hat und uns mit ihrer barmherzigen Gerechtigkeit umgibt. Wir sind herausgefordert, Liebe weiterzugeben, die uns gegeben ist, mit allen Menschen im Frieden zu leben, so weit es an uns liegt, und mit dem Geschenk des Lebens an uns verantwortlich umzugehen. Amen.

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